Deutschland: Die Spaltung

Deutschland: Die Spaltung

75 7 3

Wer sich mit der Spaltung Deutschlands beschäftigt, wird nicht umhin kommen, an aktuellen Geschehnissen zu verzweifeln. Ich tue es auch. Doch das hier ist der Versuch, Klarheit zu schaffen.…

Die Formel eines Lebens

Die Formel eines Lebens

20 4 3

Wenn man so alt ist wie ich, kommt man in eine Lage, in der man unweigerlich dazu geführt wird, auf sein Leben zurückzublicken. Das alles begann für mich gar nicht mit dem Gedanken, wie mein Leben war, sondern damit, darüber nachudenken, warum ich einen Text brauche, um das, was ich als Ganzheit meines Lebens betrachte, reflektieren zu müsen. Und ich denke, dass es jeder braucht, eine Instanz, um auf das Leben und die damit verbundenen Entscheidungen zurückzublicken.…

Von Reaktionen und ihren Folgen

Von Reaktionen und ihren Folgen

35 5 4

Der Mann vor ihm klickte auf die „Play"-Taste. Noch bevor die Musik spielte, stürmten fünf Polizisten den Raum. Ein Schuss ertönte und traf die Ibisstatue. Während Michael abgeführt wurde, hackte im Hintergrund ein Geier an einem Tierkadaver. Seine Freunde sahen ihm zu. Unter dem großen Banner „Kunst ist, was den Mensch Mensch werden lässt" des Capitol Records Building stieg er in den Polizeiwagen. Es war ihm fast, als wäre es derselbe gewesen, der ihn schon damals abgeführt hatte.…

Letzte Worte einer Dynastie

Letzte Worte einer Dynastie

12 3 3

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erklangen am Abend des achten Novembers die rundlich-geformten Champagnergläser mit dem golden-beschichteten Rand. An ihren dünnen Stielen aus Glas hielten sich führende Politiker und Politikerinnen des wohl bedeutsamsten Staates seinerzeit fest. Ihre eleganten Finger, die teils Klavierspielerhänden ähnelten, erleuchteten im Licht der Deckenlampen. Die Schönen und Guten waren zusammengekommen, um den Wahlabend gebührend zu feiern.…

Zwiegespräche

Zwiegespräche

36 3 3

Über die nassen Pflastersteine, die vom Regen ganz dunkel geworden waren, liefen einige Menschen, die sich an den Händen hielten. Große Tropfen donnerten von oben hinab, als würde kein Morgen mehr geben. An die Scheibe, vor der ich Platz genommen hatte, prasselte der Regen und lief, in kleinen und feinen Bahnen, nach unten. Im Hintergrund fuhr eine Straßenbahn vorbei. Es ratterte, als sie zum Stehen kam. Kurz läutete es, dann fuhr sie weiter. Die gelben und roten Blätter der Bäume, die vereinzelt auch grün und braun gewesen waren, ließen sich im kalten Wind treiben. Ab und an klebte eins am Fenster, aus dem ich auf die Straße starrte. Wieder liefen Leute vorbei. Sie lachten, als sie unter einer Jacke Schutz vor dem Regen suchten. Sie hatte ein schwarzes Kleid an und er einen Anzug. Sie waren fröhlich. Es ging weiter, wieder fuhr eine Bahn vorbei. Dann waren sie weg und wieder blickte ich auf die nassen Steine, die Grund und Boden bildeten.…

Raub in Venedig

Raub in Venedig

13 0 2

Der gute Giovanni Moretti war im mittleren Alter gewesen, als er von einer längeren Fahrt zurück nach Venedig kam. Er hatte die letzten Tage damit verbracht, als christlicher Seelsorger in Italien umherzufahren, um den Toten einer schrecklichen Naturkatastrophe Beistand zu leisten. Giovanni Moretti war dafür bekannt gewesen, ein guter Fürsprecher gewesen zu sein und so trug man ihm zu, nachdem das Unheil geschah, sich doch aufzugeben, um für die anderen, die von einem solchen Schicksalsschlag gezeichnet waren, Fürbitte zu leisten.…

Die Entscheidung

Die Entscheidung

14 2 3

Alles gründete sich auf dem Gerücht, dass durch die Straßen zog und hinter vorgehaltener Hand weitergegeben wurde. Da fasste Matthew den Entschluss, schelmisch wie er war, am morgigen Tag eine frohe Botschaft zu überbringen. Ruhig im Glauben, das richtige zu tun, legte er sich an diesem Tage lächelnd ins Bett und träumte von den kommenden Wochen, in denen die Stadt davon lernen sollte, sich richtig zu entscheiden und nicht nur irgendwelchen irrsinnigen Gerüchten zu glauben.…

Die Venus von Milo

Die Venus von Milo

69 9 3

Einst, vor langer Zeit, lebte im blühenden Melos eine junge Frau, Medea, die ganz oft und schrecklich lange darüber nachdachte, hübsch zu sein. Während die übrigen Bewohner des Dorfes, und die Frauen sowieso, zu der Überzeugung gelangten, dass die schöne Medea, wie sie sie alle nannten, die bezauberndste Frau Melos' war, war es doch Medea nicht vergönnt, dieses Urteil anzunehmen.…

Charlotte von Sedow

Charlotte von Sedow

69 10 3

Und so war es wieder passiert: Wieder standen zwei große schwarze Augen vor der lieblichen Sophie Charlotte, die ihr erzählten, sie können sich eine Heirat nicht vorstellen. Wutentbrannt und doch sittlich erzogen, schritt Charlotte daher von dannen, würdigte ihrer Verabredung, die die Eltern für sie ausgesucht hatten keinen Blickes und fand sich recht spät wieder in ihrem schönen Anwesen in Sedow wieder.…

Friedberg - Ein Sittenverfall

Friedberg - Ein Sittenverfall

61 9 3

Friedberg verdankte seinen Namen einer Eigenschaft, die in anderen Städten sehr begehrt gewesen sein musste. Denn über Jahre hinweg, konnte die so wohlhabende Gemeinschaft, die sich immer sehr auf ihren Gerechtigkeitssinn verstand, hatte die Stadt in Frieden gelebt und war, das letzte mal vor sehr langer Zeit, schon lange nicht mehr in den Krieg gezogen worden. In Friedberg lebten die Menschen gut miteinander, denn dort verstand sich die Gemeinschaft, jeder für sich, darauf, für sein eigenes Glück der Schmied zu sein und das, was der andere tat, wurde vollkommen gleichgültig.…

Die Taten des guten Johannes

Die Taten des guten Johannes

12 1 3

Sie alle dachten, Johannes wäre ein guter Mensch gewesen.…

Dänische Dörfer

Dänische Dörfer

27 5 2

Und so kam es eines Tages, M. war nur sehr spontan benachrichtigt worden, dass sich all jene Leute, die zwar als Einwohner des Dorfes zählten, es aber nur bewohnten, auf dem Marktplatz zusammensammelten und, einer nach dem anderen, einen großen Karren bestieg. In diesem Moment, dort, dort wo sie auf dem Marktplatz zusammen kamen und gemeinsam in den Karren stiegen, dort zeigten alle Menschen, die ihr ganzes Leben lang so fürchterlich ausgegrenzt worden waren, zum ersten Mal eine undurchdringabre Einheit, eine Phalanx, die alles zerstörte, was sich ihr in den Weg stellte.…

Der Hugenotte und sein Betrug

Der Hugenotte und sein Betrug

22 5 2

Unter jubelndem Applaus schloss Nathanael die Tür, half seiner Großmutter auf den hölzernen Karren und überreichte ihr Siegmund, den sie auf den Schoß nahm. Clarisse, die im Gegensatz zu Nathanael keine Hugenottin war, saß bereits auf ihrem Platz und wartete auf ihren Verlobten. Obwohl genügend versucht, war die Familie kinderlos geblieben, was dazu führte, dass sich Clarisse und ihr Mann mit jedem neuen Versuch weiter voneinander entfernten. Dennoch war Nathanael mit seinem Leben glücklich gewesen, nicht zu letzt, weil sie endlich das » Rattenloch «, wie er die französische Hauptstadt passend beschrieb, endlich verlassen konnten. Die Blicke verfolgten sie noch lange, als sie des Nachts unter dem Mondschein aus der Stadt mit den alten Häusern auszogen und man ihnen hinterherspuckte. Jetzt wird alles besser, dachte er sich.…

Der Feind hinter den Mauern

Der Feind hinter den Mauern

13 2 2

Niemand wusste, wo sein Vater hingegangen war, nachdem er die Mutter zurückgelassen hatte. Bis heute zeichnen tiefe Wunden ihren Körper und dennoch war Alexandros fasziniert von der Vorstellung, eines Tages seinen Ursprung zu finden. Die Imagination, die ihn zweifelsfrei sein ganzes Leben lang begleitete, versprach ihm ein glücklicheres Leben, wenn er die Antwort auf die Frage finden würde, wo, wer und wie sein Vater gewesen sei.…

Skotos

Skotos

15 2 2

Wer im ersten Moment von „Skotos" hört, der fragt sich, was damit gemeint sein kann. Skotos, ein personifiziertes Etwas, dass den meisten Menschen unter einem ganz anderen Namen bekannt ist, den hier nicht aussprechen werde. Man könnte ihn mit so vielen Dingen vergleichen, aber es schien mir immer lächerlich, seine Gestalt, die so viele Menschen in den Wahnsinn treibt, sich selbst umzubringen, mit etwas zu verbinden, dass weltlicher beziehungsweise menschlicher Natur ist.…

Die dort drüben

Die dort drüben

42 6 2

Eine Erzählung über die Deutsche Demokratische Republik, ihren Fehler und den Sozialismus.» Gucken Sie doch! Wer haust dort? Der Klassenfeind, der Kapitalismus, der sich kein Opfer zu Schade ist, um sein Wohlergehen zu garantieren. [...] «…

Absolution

Absolution

49 4 2

»Ich suche nach der Befreiung. Ich suche nach meiner selbst. Ich suche einzig und alleine nach denjenigen, der mir sagt, dass ich es wert bin, geliebt zu werden. Es ist meine Verzweiflung, die mich sagen lässt, dass es einzig und alleine Gott ist, der mich schätzt so wie ich bin und mich fühlen lässt, dass ich ein gutes Herz habe, der weiß, dass ich ein guter Mensch bin, der das Richtige tut, der von meinen Idealen weiß und versteht, warum ich sie so hemmungslos verfolge. Er sieht die Welt wie ich, er ist für mich da, weil es kein anderer sein könnte. Er gibt mir eine Heimat, weil ich keine habe. Er gibt mir Schutz, weil mich alle zurückgelassen haben. Er weiß, dass ich gut bin dass ich ein schönes Lächeln habe, einen schönen Körper und das meine Geschichte zu grausam ist, um sie jemand anderem zu erzählen. Er ist bei mir, weil alle mich verlassen haben.«…

Das Kapital des Grafen von L.

Das Kapital des Grafen von L.

63 11 2

Eine Erzählung über Kapitalismus und alles, was dazugehört.Der Graf von L., von einigen seiner besten Freunde auch lediglich X. genannt, wohnte mit seiner Frau und den vier Kindern in einer französischen Stadt mit dem Namen N. Aus Mitleid über das Schicksal seiner (damals noch) zukünftigen Frau, die ungewollt schwanger geworden war, heiratete sie der Graf und adoptierte das erste Kind. A., der ein attraktiver Sohn wurde. Er war das erste der vier Kinder, die die Familie bekommen sollte. Es folgte der Sohn T., ein Musikliebhaber, die Tochter A., ebenfalls attraktiv wie klug und der Sohn B., der jüngste von allen, geboren als aufgeweckter Junge.…

Das Protokoll des Doktor Paulus

Das Protokoll des Doktor Paulus

72 16 3

Doktor Paulus ist Arzt an einer Nervenheilanstalt. Er untersuchte jüngst einen Patienten, den er abschließend als "Gewinner" betitelte und schließlich die psychische Erkrankung eines "Gewinners" auf dem III. medizinisch-psychiatrischen Kongress vorstellte.…

Un amour contraire

Un amour contraire

243 40 2

Die Türklingel schellte und da erblickte er ihn zum ersten Mal. Die Sonne schien auf seinen makellosen Körper nieder. Wie in Trance verfolgt er seine Schritte, als er auf ihn zukam. Er verfolgte seine Lippen, die sich sanft zu seinen Worten immer wieder neu bewegten. »Hör' nie auf zu sprechen«, dachte er sich. »Pardon, ich war in Gedanken. Wie kann ich behilflich sein?«, fragte der Verkäufer, der hinter dem kleinen Ladentisch stand. »Ich sagte, dass ich einen neuen Anzug benötige. Ich würde hier gerne einen anfertigen lassen.« Und dann stand er auch schon vor ihm. Unverhüllt streckte er seine Arme aus, damit Friedrich behutsam das Maßband um seine grazile Taille legen konnte. »Neunundachtzig«, sagte er dann, als müsste er etwas beweisen, schrieb es auf einen kleinen nachlässig abgetrennten Zettel und vermaß schließlich Hüfte, Beinlänge, Schultern und Kragen. »Der Anzug wird einige Zeit in Anspruch nehmen, schätze ich. Wenn Sie Ihre Telefonnummer hinterlassen möchten, würde ich bei Ihnen anrufen.« Da überreichte der junge Mann dem Verkäufer einen kleinen Zettel und blickte ihm die Augen: »Aber nicht verlieren, ja?«, er lächelte. Dann reichte er Friedrich die Hand, sagte »Heil Hitler« und verließ das Geschäft.…