•𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍 10°

Mit einem Hauch von Besorgnis betrat ich das Haus, während meine Gedanken um den möglichen Fehltritt kreisten. "Alles in Ordnung?" fragte Alex abrupt, während er in der Küche verweilte.

"Beim Joggen bin ich auf Daniel gestoßen. Wir haben uns für heute am Strand verabredet", enthüllte ich, als er seine Tasse auf dem Tisch stellte. Mit hochgezogener Augenbraue und skeptischem Blick erkundigte er sich: "Wer ist 'wir'?" "Die Fernandes und wir", erklärte ich überzeugend.

"Das könnte interessant werden", murrte er, dem ich nur zustimmen konnte. "Und wann genau heute?" Nachdem ich Alex die Uhrzeit mitteilte, die Daniel mir genannt hatte, erwiderte er: "Das ist ja schon bald."

In Gedanken an Ian und die sichtbaren Narben sagte ich: "Es war wohl keine gute Idee von mir. Lass uns das bitte absagen." Und unsere Blicke wanderten zur Uhr an der Wand. "Es war deine Idee, also werden wir hingehen. Ich stehe dir bei, falls Ian dich verbal belästigt. Denk daran, jede Herausforderung, die du meisterst, ist ein Schritt in die richtige Richtung."

Obwohl er recht hatte, wollte ich meine Narben ungern zur Schau stellen. "Lass uns zurechtmachen. Denk nicht einmal daran, dich im Badezimmer zu verkriechen", mahnte er mich, mich gut kennend.

Mit Unmut über meine eigene Dummheit betrat ich das Schlafzimmer und wechselte von Sport- zu Badekleidung. Vor dem Kleiderschrank stand ich zögerlich, öffnete die Schublade mit der Bademode, doch nichts zum Verbergen meiner Narben war darin.

Genervt durchsuchte ich die Schublade und griff schließlich zu einem beigen Bikini. Umgezogen stand ich vor dem Spiegel, meine Hand immer wieder zu den Narben führend.

"Bist du soweit?" erkundigte sich Alex am Türrahmen lehnend. Ich griff nach einem Strandkleid und schlüpfte in meine braunen Birkenstock. Somit bestätige ich, dass ich fertig mit dem war, was ist tat. An Alex verstummt vorbei lief ich, er mit einem Rucksack hinter mir. Er wusste, dass ich meine Entscheidung bereute.

Unbewusst pulte ich an meiner Fingerkuppe. "Du bist nicht allein", versuchte mich Alex zu beruhigen, als wir zur Straße gingen. "Ich weiß", murmelte ich und beruhigte mich mit Atemübungen, als wir in kürze den Strand erreichten.

"Vielleicht solltest du Cannabis in Erwägung ziehen", schlug Alex vor. Ich runzelte die Stirn und betrachtete ihn skeptisch. "Ich meine das ernst." Trotz biologischer Neigung zu Drogenkonsum zögerte ich.

Am Strand angekommen, suchten wir nach den Fernandes und sahen sie bald in der Ferne. Ich stoppte abrupt, doch Alex schob mich weiter. Trotz Liebe zu ihm überwog oft der Hass.

Um unauffällig zu bleiben, zeigte ich ein lächelndes Gesicht und wir erreichten unseren Platz. Durch die Sonnenbrille sah ich Amiras erröteten Wangen, was mich schmunzeln brachte.

Die anderen Baywatch-Boys standen oder saßen in der Runde und unterhielten sich. Ian begrüßte zögerlich meinen Bruder, ignorierte mich jedoch gekonnt. Unsere Decken breiteten wir nebeneinander aus, Amira und ich blieben allein zurück.

Ich behielt mein Strandkleid an und legte mich hin. Die Ruhe vor dem Sturm wollte ich genießen, bevor die anderen zurückkehrten. "Lucia, ich habe keine richtigen Freundinnen, da meine Familie sie vergrault. Ich war erleichtert, als du vorgeschlagen hast, uns am Strand zu treffen", gestand Amira. Ich nahm die Sonnenbrille ab und betrachtete sie in der Sonne.

In ihren Augen loderte die Wut, durchzogen von einem Hauch Traurigkeit. Es befriedigte mich zu wissen, dass mein Vorschlag nicht allzu töricht war. Alex' Worte über die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Amira und mir kamen in den Sinn.

"Wir sollten uns besser kennenlernen", fuhr ich fort, als sich Amiras Lächeln voller Hoffnung abzeichnete. "Also, was möchtest du wissen?" Fragte sie euphorisch, ihren Frust gegenüber ihrer Familie nachvollziehend. Ich zog Parallelen zwischen ihrer Situation und meiner Zeit als Einzelkämpferin. Der Unterschied war, dass sie vier Männer in ihrer Familie hatte, die sie beschützten, während ich allein mit meiner Mutter war.

"Wer sind deine Brüder und wer sind deine Cousins?" Die Neugier, besonders über Ian, war groß, aber ich wollte Amira nicht für meine Zwecke ausnutzen.

"Daniel und Miguel sind meine älteren Brüder. Ian und Pablo sind meine Cousins", teilte sie mir mit. "Warum seid ihr nach Teneriffa gezogen?" War sie an der Reihe. "Alex hat einen Nebensitz seines Vaters auf Teneriffa übernommen. Ich werde an der Universität La Lagune mein Studium in Meeresbiologie fortsetzen." Amira zog ihre Beine zusammen und strahlte über die Mitteilung.

"Ich studiere ebenfalls an der La Lagune, allerdings im Bereich Bioingenieurwissenschaften. Vielleicht belegen wir einige Kurse zusammen", teilte sie euphorisch mit und klatschte in die Hände. Es war beruhigend, jemanden zu kennen, der mit einem auf dieselbe Universität ging. So konnte ich mir eine weitere Hürde ersparen.

"Ich würde gerne bei eurer Fragerunde mitmischen", schloss sich Miguel an, und es dauerte nicht lange, bis wir wieder vollzählig waren.

"Bist du in einer Beziehung?" Wurde Alex gefragt, während ich lachen musste. "Würde er mal in einer Beziehung sein, esse ich einen Besen!" Dabei sah Alex mich empört an. "Und was ist mit dir?" Mein Lachen verstummte, als ich über meinen Beziehungsstatus nachdachte. "Ich? Ich bin glücklich vergeben", teilte ich mit, und Alex' Gesicht neben mir verzog sich.

"Das ist mir nicht bekannt", sagte er, während ich schmunzelte und ihn mit meinen Augen ansah. Es war faszinierend, wie jeder an unserem Geschwister-Gespräch interessiert schien. Doch bevor Gerüchte entstehen konnten, gab ich bekannt, dass ich keinen Freund hatte und das Alleinsein genoss.

Immer mehr lernten wir die Familie kennen, auch Ian, der immer mal wieder in die Gespräche miteinbezogen wurde. Ich legte mich auf meine Decke und spürte die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Die Strandatmosphäre war entspannter als erwartet. Trotzdem konnte ich den Gedanken an die Narben und die mögliche Konfrontation mit Ian nicht ganz abschütteln.

Die Zeit verging, und ich begann, mich zu entspannen. Ian hatte mich bislang ignoriert, und ich hoffte, dass es so bleiben würde. Alex warf mir einen aufmunternden Blick zu, als ob er meine Gedanken lesen könnte.

Während meine Gedanken einige Runden drehten und ich mich den Sonnenstrahlen hingab, spielten einige Volleyball. Mit bloßen Händen und geschlossenen Augen griff ich immer wieder in den warmen Sand.

"Magst du nicht mit ins Meer gehen?" Stachen meine Nackenhaare auf, als ich die Stimme wiedererkannte, die ich nicht hören wollte. "Nein", verkürzte ich meine Aussage und blinzelte kurzzeitig in alle Richtungen, nur um Ian ein paar Decken weiter zu sehen.

"Wir hatten einen schwierigen Start, und auch wenn das nicht meine absolute Stärke ist, möchte ich mich bei dir entschuldigen." Ich blieb stumm, hielt die Augen weiterhin geschlossen. Ob sich der damalige Ian bei mir entschuldigt hätte, würde mir ein Rätsel bleiben.

"Du hast bei manchen ganz gewiss den Kopf verdreht." Meine Stirn runzelte sich, als ich mich traute, die Augen zu öffnen und meine Aufmerksamkeit Ian zu widmen. "Wie meinst du das?" Sah ich ihn genüsslich mit einer Zigarette sitzen, seine Sonnenbrille perfekt positioniert und seine Tätowierungen in den Vordergrund rückten.

"Du siehst gut aus, kleine." Entwich ihm ein kleines Schmunzeln, doch das war keine Aussage, die ich tolerierte. "Und wenn ich fett wäre, würdest du mich nicht als gutaussehend bezeichnen." Zischte es unkontrolliert aus mir heraus.

"Auch wohlgeformte Frauen können attraktiv sein. Es kommt nur darauf an, inwiefern sie sich präsentieren." In mir kochte es vor Wut, die Zündschnur hielt ich kurz.

"Warum bist du denn wieder so aufbrausend, bellezza?" Er sah deutlich die Wut in mir, als ich mich auf meine Knie setzte und ihn verachtend ansah.

"Ich kann lediglich nachvollziehen, was meine vergangene Freundin meinte. Sie wurde bis zum Suizidversuch gemobbt, aufgrund ihres Aussehens." Wüsste er, dass es sich hierbei um mich als das Opfer handelte und er als der Schikanier, würde er sicherlich nicht ruhig den Genuss seiner Zigarette verspüren.

"Das tut mir leid für deine Freundin", gab er von sich und ließ anschließend die Zigarette im Sand zerdrücken. Ich biss die Zähne zusammen und grinste ihn an. "Das ist Vergangenheit, und ich nehme daher gerne deine Entschuldigung an", zwinkerte ich ihm zu, als der Dämon aus meiner eigenen persönlichen Hölle entwich.

Ich stand auf und zog selbstbewusst mein Strandkleid von meinem Körper. Die feurigen Blicke auf meiner Haut waren kaum zu bemerken.

Indes Ian vor mir saß und ich zu ihm hinab blickte, erkannte ich die authentischen Augen, die er schon in der Vergangenheit besessen hatte.

°Flashback•

Mit schwarzer Bekleidung schlenderte ich den Gang der Schule entlang, mir bewusst, dass mich dieser Gang ins Fegefeuer führen würde – die Cafeteria.

Unscheinbar versuchte ich zu wirken, stellte mich in die Schlange, in der die Mütter ihre Brötchen und Muffins verkauften. Mein Portemonnaie zückte ich aus der Hosentasche, überreichte der freundlichen Dame zwei Euro. Mit kurzem Glücksgefühl schnappte ich mir ein belegtes Käsebrötchen und war mit meiner Ausbeute zufrieden.

Das Rückgeld, das ich erhielt, verstaute ich in meinem Portemonnaie. Doch ehe ich es greifen konnte, wurde ich von hinten geschubst, und meine einzige Freude des Tages lag zerstreut am Boden. Meine Knie schmerzten durch den harten Aufprall, und ich begann zu wimmern.

Ich krabbelte zu meinem Portemonnaie, das ebenfalls am Boden lag. Bevor ich es greifen konnte, wurde es aufgehoben. Das Gelächter im Hintergrund verfolgte mich, und ich sah nur noch, wie der grünäugige Kerl amüsiert ein Foto herauszückte.

"Ist das dein Vater?" fragte er, als er sich zu mir hinunterbückte und ich das bestätigte. "Der ist genauso hässlich wie du. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", belächelte er meinen verstorbenen Vater.

Das Foto warf er in einen nahegelegenen Mülleimer, während Ian und seine Freunde sich von mir entfernten.

°Ende des Flashbacks•

°•°•°•°•

Hallöchen!🥀

Wie würdet ihr an Lucias Stelle mit der Situation umgehen?

Kommen wir zur Wahrheit:

Weswegen ich Lucias Vernarbungen mit meinem Reizdarm verbinde, ist, dass ich Verbrennungen am Bauch besaß und schlichte Narben hinterließ. 

Der Grund war die Wärmflasche, die ich bei 100 Grad auf meiner Haut verbrühen ließ. Es gab keinen Tag, an dem die Wärmflasche eine Pause von mir hatte. Die Wärme konnte ich immer gut ertragen, sodass es für mich immer noch wärmer sein könnte. 

Ich benutze Wärmflaschen selten, da ich das Bedürfnis dazu nicht mehr habe. Es sei denn, ich möchte es mir gemütlich machen.

Es dauerte 1 1/2 Jahre, bis die leichten Verbrennungen verblassten und ich von dem Geschehen nichts mehr sah.

Fragen:

Xoxo Hannah

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top