Kapitel 10 - seine "verstorbene" Schwester

Erstellt am: 14.08.2019

„Sam.", murmelte Zoey erschrocken und starrte den Freund von Ethan mit großen Augen an. Er grinste hinterhältig und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. „Zoey, Zoey, Zoey – ein sehr schöner Name. Du hättest mir deinen Namen ruhig früher verraten können."
Sie hatte es doch gewusst, Sam hatte sie gestern erkannt und sich natürlich auch an das Geschehene erinnert. Warum aber, hatte Ethan sie dann angelogen? Kein Mensch vergaß etwas innerhalb von zwanzig Minuten, auch wenn er auf Droge gewesen war.
Zoey stand stocksteif da und starrte Sam an, während sie am ganzen Körper zu zittern anfing. Als er es merkte, wurde sein Grinsen breiter. „Weißt du, was mich seit gestern wirklich neugierig macht? Warum vertraust du Ethan? Er könnte genauso gut mit mir unter einer Decke stecken."
„Das glaube ich nicht, er hat mir gestern geholfen!", erwiderte Zoey und versuchte selber, an das besagte zu glauben. Sam fing lautstark zu lachen an, stieß sich mit der Schulter vom Türrahmen ab und ging auf Zoey zu.
Je näher er kam, umso mehr versteifte sich Zoey. „Süße, du hast doch keine Ahnung, wer Ethan ist!"
Warum hatte sie das Familienfoto auf Ethans Handy studieren müssen? Ihre Freundin könnte schon längst Bescheid wissen, hätte sie gleich ihre Nummer gewählt. „Ja und, du doch auch nicht!", schnauzte Zoey und funkelte Sam wütend an.
„Hm..., du riechst wirklich fantastisch. Schade, dass Ethan uns gestern gestört hat."
„Fass mich einmal an, dann warst du einmal ein Mann!"
Sam lachte und überging Zoeys Drohung. „Glaub mir, ich kenne Ethan besser als jeden anderen. Er ist mein Kumpel, ich kann auf ihn zählen."
„Du kennst ihn also? Wer ist die Familie auf dem Handy?", fragte Zoey ungeniert und starrte Sam herausfordernd an. Er lachte, wieder einmal. „Seine verstorbene Familie."
„Was?", fragte Zoey entsetzt.
„Alle tot, bis auf ihn und du glaubst ja gar nicht, was er sich für Vorwürfe wegen dem Tod seiner Familie gemacht hat. So ein Idiot, aber da er mein Kumpel ist, sei es ihm auch verziehen!", erzählte Sam schulterzuckend weiter.
Zoey verzog wütend ihr Gesicht. „Was?  Du hast sie echt nicht mehr alle! Seine Familie ist gestorben und du willst ihm verzeihen?"
„Süße, das geht dich nichts an. Wie war die gemeinsame Nacht?", erwiderte Sam ruhig.
„Wie bitte?"
„Na ja, du hast doch mit Ethan geschlafen, oder?"
„Was? Nein.", schoss es aus ihrem Mund und Sam fing wieder breit zu grinsen an. Dann bemerkte er blaue Flecken an ihrem Arm. „War ich das?"
„Was?", fragte sie begriffsstutzig.
Sam seufzte genervt. „Die blauen Flecken, auf deinem Arm? Hast du noch wo anders Verletzungen davon getragen?", er kratzte sich am Kopf und zog nachdenklich seine Augenbrauen in die Höhe.  Verwirrt über seine Frage, starrte Zoey ihn an. Okay, sie war die ganze Zeit schon am starren, aus Angst, sie könnte irgendeine Bewegung von ihm verpassen. Nach etlichen Sekunden antwortete sie ihm, er hatte sie die ganze Zeit nur schweigend gemustert. „Ähm... ja."
„Fuck.", murmelte er und fuhr sich durch sein Haar. „Weißt du, Zoey, gestern hatte ich einfach nur einen schlechten Tag. Ich wollte dich nicht ver... zum Sex zwingen und schlagen erst recht nicht. Ich schlage keine Mädchen -  im Gegensatz zu Ethan."
„W-Was? Ethan schlägt Frauen?", stotterte Zoey und verkrampfte sich noch mehr. Sie war verwirrt, obwohl sie Sam kein einziges Wort glauben wollte. Er schien ihre Gedanken zu erraten und grinste besserwisserisch. „Das hat er dir also auch nicht erzählt?"
Zoey schnaufte. „Warum sollte Ethan mir etwas erzählen? Wir kennen uns nicht einmal."
Sam stopfte seine Hände in die Hosentaschen und spürte dort, das kleine Päckchen mit dem weißen Pulver darin. „Er hat ein Mädchen krankenhausreif geprügelt und es als Unfall aussehen lassen, sehr gerissen, oder? Habe ich ihm beigebracht.", prahlte Sam.
„Ich glaube dir nicht!"
„Deine Sache. Du solltest zum Arzt gehen, sieht ziemlich übel aus.", wechselte Sam das Thema und musterte noch einmal ihren Arm. „Hast du noch woanders Verletzungen?"
„Ja."
„Wo?", fragte er sichtlich interessiert und Zoey sagte es ihm widerwillig. Dass sich der blaue Fleck unter der Brust befand, ließ sie aber weg. Sams einfallsreiche Antwort war ein: „Aha. Du musst wirklich zum Arzt gehen, kann nämlich schlimmer werden."
Skeptisch beobachtete Zoey ihr Gegenüber, bis er ihre Aufmerksamkeit auf das schwarze Handy lenkte. „Gehört das dir?"
„N-Nein.", antwortete sie wahrheitsgemäß. Sam hob das Handy vom Boden auf und reichte es ihr breitgrinsend. „Beeil dich, bevor Ethan kommt und kein Wort zu irgendjemandem. Du bist gestürzt! Du hast zwei Minuten, solltest du irgendjemanden von gestern erzählen, bist du dran!"
Zoey schluckte und nickte. Dass steckte also die ganze Zeit dahinter. Er wollte nur sichergehen, dass sie niemanden davon erzählen würde. Er wollte nur sichergehen, ob sie eh nicht die Polizei verständigt hatte. Zoey seufzte, wo hatte sie sich da bloß hineingeritten?

Noch bevor Zoey die Telefonnummer ihrer besten Freundin eintippen konnte, stürmte Ethan ins Schlafzimmer. Er schaute von Zoey zu Sam, wieder zurück zu Zoey und musterte sie eingehend. Letztere hielt seinen Blick stand und glaubte in seinen Augen kurz Erleichterung aufschimmern zu sehen.
„Was machst du hier?", fragte Ethan seinen Freund, seine Augen blitzten vor Wut, doch seine Stimme klang ruhig und gelassen. „Wir haben uns ausgemacht, dass du dich von meinem Zimmer fernhältst."
Sam grinste und war sich keiner Schuld bewusst. „Kein Grund zur Aufregung, ich habe mich nur mit deiner Freundin unterhalten."
„Raus. Wir beide reden noch.", erwiderte Ethan und wandte seinen Blick wieder Zoey zu. Sam ging an ihm vorbei und schenkte Zoey noch ein breites schiefes Grinsen. Sein Blick sprach Bände: Ein Wort und ich finde dich. „Hast du Frühstück mitgebracht? Ich bin am Verhungern." Ethan reichte ihm schweigend den Beutel mit dem Gebäck und damit verschwand Sam komplett aus dem Zimmer.
Ethan atmete einmal tief durch, um seine Wut unter Kontrolle zu bekommen. „Geht es dir gut? Hat er dich wieder angefasst?", fragte Ethan fast sanft und Zoey glaubte, Sorge aus seiner Stimme hinaus zuhören. Doch statt ihm zu antworten, stellte Zoey eine Gegenfrage. „Warum hast du mich gestern angelogen? Er hat sich an mich erinnern können, sonst hätte er mir jetzt nicht gedroht."
„Er hat dir gedroht? Was hat er zu dir gesagt?", fragte Ethan wütend, dieses Mal ließ sich seine Wut nicht zügeln. Zoey zuckte erschrocken über seinen Stimmungswechsel zusammen. „Er... er hat nicht direkt gedroht, er hat gesagt, ich soll keinem etwas erzählen, sonst bin ich dran."
Ethan schnaufte und ließ sich auf sein Bett nieder. „Ich glaube, ich bringe dich jetzt nach Hause. Es ist hier zu gefährlich für dich."
„Okay.", erwiderte Zoey und rang mit sich, sie wollte wissen, ob Sam die Wahrheit erzählt hatte. Aber irgendetwas an diesem Bild kam ihr bekannt vor. „Darf ich dir eine Frage stellen?"
„Von mir aus.", sagte Ethan gelangweilt und schaute sie abwartend an, bis sein Blick auf ihre Hand - in der sie sein Handy hielt - fiel. Sofort verfinsterte sich sein Gesicht und er riss ihr das Handy aus der Hand „Warum hast du das?"
„Ich...ich..."
„Vergiss es, ich bringe dich jetzt nach Hause.", zischte Ethan und schnappte sich seine Jacke, die er vorhin achtlos aufs Bett geworfen hatte. „Komm, vor dem Mittagessen möchte ich wieder zu Hause sein. Vorher müssen wir tanken, du zahlst."
„Warte, ich möchte dir erklären, warum ich dein Handy in der Hand hatte.", stoppte Zoey ihn und blickte ihn erwartungsvoll an. Als er nichts erwiderte, sprach sie weiter. „Ich wollte meine Freundin anrufen. Sie war mit mir gestern unterwegs und danach haben sich unsere Wege getrennt... ähm, sie macht sich sicher Sorgen um mich und ich wollte ihr Bescheid geben, dass es mir gut geht. Deswegen hatte ich das Handy in der Hand."
„Komm jetzt.", erwiderte Ethan nur und ging aus seinem Zimmer. Verwirrt schaute Zoey ihm hinterher, sie wusste nicht, wie sie diese Reaktion von ihm aufnehmen sollte. Sie folgte ihm und entdeckte Sam auf der Couch, der Muffins aß. Ethan schnappte sich zwei davon und verließ, ohne auf Zoey zu warten, die Wohnung. „Wiedersehen, Zoey.", verabschiedete sich Sam und grinste, sein Blick war aber auf dem Fernseher gerichtet.
„Hoffentlich nicht.", murmelte Zoey und folgte Ethan nach draußen.
Ethan stand angelehnt an seinem Mustang und zog an einer Zigarette, sein Blick war in die Ferne gerichtet. Da er sie noch nicht bemerkt hatte, konnte Zoey ihn mustern. Sein Gesicht zeigte wie immer keine Gefühle, doch in seinen Augen konnte sie Trauer und Schmerz aufblitzen sehen. Sie glaubte, ihr Herz würde bei diesem Anblick zerspringen. Sie fand, Ethan sah wirklich verletzlich aus und dass obwohl er ein markantes Gesicht hatte. Zoey räusperte sich leise, weil ihr die Situation schon langsam unangenehm wurde und Ethan wandte sich mit leerem Blick zu ihr. „Schon da? Steig ein."
Schweigend ließ sich Zoey auf dem Beifahrersitz nieder und starrte geradeaus, sie hatte irgendwie das Gefühl, dass Ethan in diesen drei Sekunden mehr von sich gezeigt hatte, als er wollte. Die Fahrt zur Tankstelle war schweigend verlaufen und nachdem Zoey bezahlt hatte, ging es schweigend weiter.
Während Ethan die Stille genoss und gut drauf war, grübelte Zoey woher sie das Mädchen und die beiden Erwachsenen auf Ethans Hintergrundbild kannte. Ihr wollte es nicht einfallen, aber sie war sich sicher, dass sie auf jeden Fall das Mädchen kannte.
Gut gelaunt betätigte Ethan den Radiosender und laute Musik dröhnte aus den Boxen, am liebsten hätte Zoey ihn angeschnauzt, er solle leiser drehen, doch das Foto ging ihr nicht aus dem Kopf.
„Wir sind da. Aussteigen.", sagte Ethan monoton und blickte seitlich aus seinem Fenster. Er musterte die Gegend, doch schon seit er die Adresse gehört hatte, hatte er gewusst, das Zoey die Tochter eines reichen Was-auch-immer Daddys war. Sobald sie das Erbe ihrer Eltern erben würde, wäre sie mehr als reich. Sie hätte ein Vermögen auf ihrem Konto und würde auch in so einer Villa wohnen. Bevor Zoey jedoch ausstieg, drehte sie sich zu Ethan. „Ich habe meine Mum vor einem Jahr verloren."
„Was?", fragend und verwirrt schaute Ethan sie an.
„Meine Mum ist vor einem Jahr gestorben.", wiederholte Zoey. Ethan starrte sie einen Moment aus seinen blauen Augen an. „Und?"
„Du hast deine Eltern und deine Schwester auch verloren."
„Woher... Sam, dieser Mistkerl.", fluchte Ethan. „Warum schnüffelst du in meinem Handy herum?"
„Wie schon gesagt, ich wollte meine Freundin anrufen, Ethan.", fauchte Zoey. „Aber... Moment, jetzt weiß ich, woher ich sie kenne!"
„Wen?"
„Das Mädchen, es ist Lucy Gordon.", sagte Zoey und blickte auf ihr Haus, es kam ihr auf einmal wirklich groß und heimatlich vor. Von ihren Gedanken nicht abgelenkt, sprach sie weiter: „Ich bin mir hundertprozentig sicher, sie ist in meiner Klasse und eine echte Zicke. Ich kann sie nicht ausstehen, aber warum hast du ihre Familie als Hintergrundbild? Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?"
Erst als sich Zoey wieder Ethan zuwandte, bemerkte sie das wütende Blitzen in seinen Augen. „Steig aus. Steig sofort aus meinen Wagen aus!"
„Ja, aber..."
„Raus!"
„Sie ist deine Schwester.", flüsterte Zoey entsetzt  und starrte in das wütende Gesicht von Ethan. Dieser riss die Autotür auf, stürmte auf ihre Seite und zog sie aus seinem Mustang heraus. Er beugte sich bedrohlich zu ihr, so dass sie sein Aftershave riechen konnte, ihr Herz schlug wild gegen ihre Brust. „Sag irgendjemanden etwas davon und du bist ein totes Mädchen.", flüsterte Ethan wütend in ihr Ohr. Nach dieser Drohung stieg er wieder ein und brauste davon, etwas verwirrt blickte sie ihm hinterher.
Warum war er denn auf einmal so sauer und warum drohte ihr jeder in letzter Zeit? Sah sie so aus, als würde sie in der nächsten Sekunde allen etwas davon erzählen?
Erst die sorgenvolle Stimme ihres Dads riss Zoey aus ihrer Starre. „Oh mein Gott, Zoey, wo warst du? Geht es dir gut?"
„Dad!", rief Zoey und rannte in die Arme ihres Vaters, die ganze Last fiel in diesem Moment von ihren Schultern.
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Vielen Dank für's lesen ❤️
1971 Wörter
Meinung ? 🤗
Fortsetzung folgt ...😘

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