𝗛𝗢𝗪 𝗧𝗢 𝗙𝗜𝗡𝗗 𝗔 𝗧𝗥𝗘𝗔𝗦𝗨𝗥𝗘

— ES WAR KURZ NACH 3, als wir bei meinem Familienanwesen ankamen. John B hatte den Van die Straße runter in einer Böschung geparkt.

Es war herrlich ruhig in unserem Vorgarten. In der Ferne ertönte das Rauschen des Meeres. Der Wind fühlte sich kühl auf meiner Haut an — ein angenehmer Kontrast zur erbarmungslosen Hitze, die sonst wütete.

Leise stiegen wir die weiße Holztreppe empor. Ich lief voran und zog den Hausschlüssel aus meiner kleinen Handtasche hervor.

Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Füße schrecklich wehtaten und die Riemen meiner Sandalen in meine Haut schnitten.

„Ihr schließt die Tür ab?", flüsterte JJ, als ich in Schlüssel ins Schloss steckte und sah mich mit gehobenen Augenbrauen an. Kiara drehte sich zu ihm um und verzog das Gesicht.

„Damit Leute wie du nicht nachts reinspazieren und uns im Schlaf erschießen", entgegnete ich unbewegt. Der Blonde wusste genau, dass ich auf seine bescheuerte Waffe anspielte.

„Na schön", gab er nickend von sich, die Lippen anerkennend gekräuselt.

Viele Menschen auf der Insel ließen ihre Haustür nachts offen. Vermutlich war es ein Pogue-Ding. Unsere Türen waren immer verschlossen.

Als Australierin wusste man, was in der Dunkelheit lauerte.

Ich konnte mich ganz genau an eine Nacht vor fünf Jahren erinnern, als ein Opossum durch Mom und Dads' Balkontür eingebrochen und bei ihnen ins Bett gesprungen war.

Ein kleines Lächeln zierte meine Lippen, als ich den Schlüssel drehte und die Tür mit einem leisen Knarren öffnete. Für einen kurzen Moment herrschte Stille.

Keiner von uns traute sich zu atmen.

„Okay, Leute. Folgt mir. Und seid bloß leise." Meine Stimme glich einem Hauch, als ich JJ einen Schulterblick zuwarf.

Aye Aye, Captain", entgegnete John B flüsternd und deutete Pope, ihm zu folgen.

Aus dem Obergeschoss hörte man das leise Schnarchen meines Vaters. In jeder anderen Situation hätte ich laut gelacht.

Es fühlte sich wie ein Einbruch an. Nur, dass ich in diesem Haus lebte und keiner von uns beabsichtigte, etwas zu stehlen. Mein Vater durfte uns auf gar keinen Fall erwischen.

Zugegeben, er war milder, was seine Einstellung zu den Pogues betraf. Deutlich milder als Nathan. Dennoch wollte ich seine Geduld auf gar keinen Fall überstrapazieren.

Nacheinander liefen wir die Treppe zum zweiten Stock empor. Dads' Büro lag am Ende des rechten Gangs, gegenüber von meinem Schlafzimmer. Mein Vater schlief auf der linken Seite.

„Mein Gott, ist dieses Haus ein Palast oder was?", zischte JJ, als er und Pope oben ankamen. John B war direkt hinter ihm und rollte mit den Augen.

„Ich meine ja nur, Bro. Schau dir die goldenen Bilderrahmen an. Bist du das, Thompson?", fragte er und deutete auf ein Bild von mir.

Ich trug einen neongelben Badeanzug und hielt ein grünes, aufblasbares Krokodil in der Hand. Meine Haare waren nass und ich lächelte in die Kamera, wobei man deutlich sah, dass mir der rechte Vorderzahn fehlte. Mom hatte mich fotografiert.

„Du standest schon immer auf so geschmacklosen Kram. Und damit meine ich nicht nur Rafe", fügte er hinzu und Pope trat ihm gegen sein Schienbein. Ich drehte mich empört zu den Jungs um.

„Geht's noch lauter? Kommt endlich, bevor mein Vater aufwacht", zischte ich und deutete ihnen, mir zu folgen. Kiara stand direkt hinter mir und sah mich mit gehobenen Augenbrauen an.

Daraufhin legte ich einen Zeigefinger an meine Lippen. Mein Blick landete auf der Tür zu Dad's Büro. Kein Licht. Alles war still und die Luft rein.

Langsam betätigte ich den Knauf, verharrte einige Sekunden in meiner Position und deutete den Pogues hinter mir einzutreten. Ich lief zum Schreibtisch und schaltete die Lampe an.

„Siehst du, sie haben die Notstromaggregate eingeschaltet. Diese verdammten Kooks lassen nichts anbrennen", flüsterte JJ und ich rollte mit den Augen.

„Nichts wie los", murmelte Pope und schob sich an mir vorbei.

Ich holte den Laptop meines Vaters aus der Massivholzschublade seines Schreibtisches hervor. Kiara platzierte sich direkt neben mich, während die Jungs sich im Büro umsahen.

John B stand vor der riesigen Seekarte, die über dem Kamin prangte. Es war die Ostküste Australiens. JJ und Pope standen einige Meter von uns entfernt. Letzterer wirkte furchtbar nervös.

JJ hingegen fühlte sich sofort Zuhause. Neugierig fuhr er mit seinen Händen über das teure Mahagoniholz sämtlicher Möbel und nickte anerkennend.

Für einen kurzen Moment hatte ich Angst, dass er pfeifen würde. Doch der Blonde verkniff sich sämtliche Laute. Stattdessen kam er neben Kiara zum Stehen und beobachtete mich dabei, wie ich das Passwort eingab.

Isobel", wisperte er und ich bekam eine Gänsehaut.

Die Art und Weise, wie er den Namen meiner Mutter aussprach, klang gespenstisch. Kiara warf ihm einen scharfen Seitenblick zu.

„Sorry, manchmal kommt der Hacker durch", räusperte sich JJ und ich drückte auf Enter. Einige Sekunden später öffnete ich Google und wich vom Tisch zurück.

„Sweet Lord, wir haben Internet!", jubelte Kiara leise und sah mich erfreut an. „Vielen Dank, Jemma! Das ist einfach fantastisch!"

Ich schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Wie ich das vermisst habe. Lasst mich da mal ran. Ich muss mir meine Insta-Models ansehen", faselte JJ und drängte sich an mir vorbei. Er wollte sich gerade auf den Bürostuhl fallen lassen, da zog ich ihn beiseite.

„Wir haben keine Zeit für deine präpubertären Gelüste", entgegnete ich angewidert. Dann wandte ich mich an John B. Er stand noch immer vor unserem Kamin und musterte die Seekarte.

„John B?" Ich sah zu dem jungen Routledge. Langsam wandte er sich von der Karte ab und blickte zum Laptop. JJ bedeutete seinem besten Freund, sich auf den Bürostuhl zu setzen.

Einige Sekunden später ließ sich JB am Schreibtisch nieder.

„Ich hab die Karte", sagte Pope und zog das vergilbte Pergament hervor. Währenddessen öffnete John B Google Maps.

„Koordinaten, P?", fragte er und sah erwartungsvoll auf die Tastatur herab.

34° 57' 30" Nördliche Breite. 75° 55' 42" Westliche Länge."

Der Braunhaarige gab die Koordinaten in der Suchleiste ein und drückte auf Enter. Ich hielt die Luft an.

Komm schon, Baby. Komm schon."

Dann begann die Seite, die angefragte Stelle zu laden. Es dauerte nicht lange und das Satellitenbild erschien. Wir beugten uns über den Schreibtisch und blickten auf den Laptop herab.

„Boom, es liegt auf dem Kontinentalschelf!", sagte John B und zoomte auf die markierten Koordinaten. „Wenn's in der Tiefe liegt, wird es wohl nichts mit der Schatzsuche, oder?"

Fragend sah er in die Runde, doch ich verengte meine Augen zu Schlitzen und betrachtete angestrengt das Bild. „Zoom mal bitte weiter rein, JB."

Kiaras' Mund öffnete sich kaum merklich, als sie meinen Blick bemerkte. „Scheiße, es liegt oberhalb der Kante, Leute. Es sind nur 900 Fuß."

„Nicht sonderlich tief", bemerkte JJ und deutete auf das Satellitenbild. „Eigentlich machbar. Total machbar."

Mit gerunzelter Stirn drehte ich mich zu ihm um und besah ihn mit unbewegter Miene.

„Ah ja, Mr Maybank. Nehmen wir Ihr persönliches U-Boot? Oder wie soll ich mir das vorstellen?"

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Der Blonde schenkte mir einen merkwürdigen Blick. Ich konnte nicht genau sagen, was darin lag. Da war Amüsement, aber auch etwas anderes, was ich nicht deuten konnte.

Nein, Jemma-Darling, aber ich weiß, was wir machen können", sagte er und ein kleines durchtriebenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

Schnell wandte ich mich von ihm ab. Meine Wangen wurden unangenehm warm.

„Wir nehmen einen Tauchroboter. Die erreichen auch große Tiefen", fuhr er fort und sah in die Runde.

„Und woher weißt du das, Mr Divemaster?", fragte Pope mit gehobenen Augenbrauen.

Salvage Yard", erwiderte der Blonde trocken. „Die haben eine Drohne, die 1.000 Fuß tief tauchen kann. Hat eine 360-Kamera und alles.
Perfekt für Tieftauchgänge. Das ist genau, was wir brauchen."

„Ich will gar nicht wissen, woher du das weißt." Kiara massierte sich die Schläfen und sah auf den Laptop herab.

„Die Frage ist doch, ob dein Vater an die Drohne rankommt", sagte John B und sah zu seinem besten Freund.

Nun ja, mein Dad wurde gefeuert." JJ zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, der Kapitän mag es nicht, wenn man besoffen auf Arbeit erscheint."

Er lächelte schief.

Ich hatte geahnt, dass er keine gute Beziehung zu seiner Familie pflegte. Sein Vater war kein angenehmer Mann. Das wusste ich von Dad.

„Aber die Drohne ist da. Sie ist auf dem Abstellplatz hinter'm Lagerhaus", fuhr JJ fort. „Wie viel Kohle war das?"

„400 Millionen", erwiderte John B leise.

Richtig. 400 Millionen." JJ deutete auf den Bildschirm und warf uns bedeutende Blicke zu. „400 Millionen verdammte Dollar, Baby."

Popes' Augen weiteten sich. „Nein. Auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall. Nein!"

„Pope hat Recht. Das ist komplett—"

„Illegal? Bescheuert?", fragte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Können wir nicht irgendetwas Legales für Geld tun?"

„Oh ja, verdammt noch mal, klär mich auf, Prinzessin. Ah, total vergessen, du bist ja reich. Was zum Teufel sollen wir deiner Meinung nach tun?" JJ warf mir einen angriffslustigen Blick zu. Ich lachte leise auf.

„Halt den Mund, J", fuhr Kiara ihn an und er hob entschuldigend die Hände.

„Ich meine ja nur", fügte er hinzu. Dann wandte er sich von mir ab und blickte auf das Satellitenbild.

Wir holen die Drohne", flüsterte John B einige Sekunden später. „Das ist unsere Chance."

Mir wurde schlagartig schlecht.

„Wann?", fragte Pope daraufhin. Auch er schien nicht überzeugt von der Idee.

„Heute vormittag", entgegnete der junge Routledge entschlossen. „Wir holen das Ding bevor der nächste Sturm kommt und finden dieses Schiff."

Ich wollte etwas erwidern, da ertönte ein Geräusch im Flur. Leise Fußschritte waren zu hören.

Mir gefror das Blut in den Adern. Mein Vater musste wach geworden sein. Vielleicht hatte er das Licht der Schreibtischlampe durch den Türspalt brennen sehen.

Ich sah in die Runde. Die Pogues waren wie versteinert.

Jemma?" Dads' Stimme klang kratzig. Er war gerade erst aufgewacht.

„Ist das der Herr des Hauses?", fragte JJ leise und ich hätte ihm am liebsten eine Kopfnuss verpasst. Ich warf ihm einen panisch-bösen Blick zu.

Jemma? Bist du im Büro?"

„Fuck, fuck. Raus mit euch!", zischte ich daraufhin, schaltete die Schreibtischlampe aus und deutete auf die Tür zum Balkon. Kiara drückte sich an mir vorbei und riss die Tür auf.

Nacheinander stiegen die Pogues durch den Rahmen, während ich die Luft anhielt und alle Tabs schloss.

Mein Blick traf JJs'. Er sah mich an. Ich sah ihn an. Meine Brust hob und senkte sich in unregelmäßigen Abständen. Da war etwas Unausgesprochenes zwischen uns. Alles war wie elektrisiert. Ich stand unter Strom.

Im nächsten Moment öffnete sich die Bürotür. JJ verschwand aus meinem Sichtfeld und mein verschlafener Vater betrat das Büro.

Er verengte seine Augen zu Schlitzen, als er den Laptop auf dem Schreibtisch sah — deutlich geblendet vom hellen Licht. Sofort stellte ich mich vor ihn und verdeckte den Bildschirm.

„Hey, habe ich dich geweckt?", fragte ich und bemühte mich, nicht nervös zu klingen. Müde rieb er sich die Augen und trat näher.

„Unruhig geschlafen. Ich war bis spät in die Nacht bei Ward. Warum bist du hier, Schatz?", entgegnete er und deutete auf seinen Laptop. Ich presste die Lippen aufeinander.

„Konnte nicht schlafen und habe ein paar Videos geschaut. Surf-Videos." Ich deutete mit meinem Daumen hinter meinen Rücken auf den Bildschirm. „Aber jetzt bin ich furchtbar müde."

„Ich habe Stimmen gehört." Mein Vater gähnte laut. Dann sah er zurück zu mir. „Nächstes Mal nimmst du bitte nicht meinen Laptop, ja? Der ist für die Arbeit."

Ich nickte verständnisvoll. „Tut mir leid, Dad.
Bei mir im Schlafzimmer gehen die Steckdosen noch nicht."

„So ein Mist, ich habe Jim fünf Mal gesagt, er soll schauen, dass die Leitungen Saft haben", erwiderte er. „Ich rufe ihn morgen nochmal an, okay?"

Gute Idee. Danke Dad." Ich schenkte ihm ein warmes Lächeln.

„Und du gehst jetzt besser auch schlafen. Heute wird ein langer Tag für dich." Sanft tätschelte er meine Schulter. Ich runzelte die Stirn.

„Wie? Was meinst du?", fragte ich.

„Ward hat uns zum Golfen eingeladen", erwiderte er.

Ich schluckte. Golfen. Die Camerons. Rafe.

Dad schob mich sanft beiseite und klappte seinen Laptop zu. Dann sah er auf mich herab. Seine Augen waren nicht länger klein und müde.

Vielleicht haben Rafe und du die Chance, anständig miteinander zu reden."

Ich war am Arsch. Mal wieder.

-
Hey, ihr Lieben,

ich hoffe, euch gefällt das neue Kapitel! Nicht so spektakulär, aber hat total Spaß gemacht, daran zu schreiben.

Im nächsten Kapitel gibt es endlich Konfrontation zwischen Rafe und Jemma. Sie kann ihm ja schließlich nicht ewig davonlaufen! Und zwischen JJ und Jemma fliegen so langsam die Funken. 🤭

Bleibt gesund und bis zum nächsten Mal!

- Michi <3

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