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»Wie bitte?« Geschockt riss ich meine Augen auf. Ich konnte gar nicht glauben, was mir mein Gegenüber da gerade verklickern wollte und schüttelte mehrmals ungläubig den Kopf. »Das ist doch ein schlechter Scherz! Ein sehr schlechter sogar!« Ein Seufzen entwich Elizabeths Lippen, die sich mittlerweile auch zu uns gesellt hatte. Sie legte einen Arm um meine Schulter und zog mich etwas näher an sich, um mich zumindest etwas zu beruhigen. Doch das alles brach nichts. Mir war auch gar nicht nach einer Umarmung zu mute. Nein, ich wollte einfach nur los stürmen. Weg von hier. Im Grunde genommen, wollte ich nur noch zu Zeldris.
»Beruhig dich bitte, Lou. So können wir dich erst recht nicht los lassen.« Nicht nur mein Zustand sprach dagegen. Mal abgesehen von der Uhrzeit, war Rubin noch nicht aufgetaucht und sie war für mich verantwortlich. Ich musste mir erst eine Erlaubnis von ihr einholen, bei solch einem Fall, der gerade stattfand. Ich hatte aber weder die Lust noch den Nerv dafür, unabsehbare Zeit auf Rubin warten zu müssen. Das war wertvolle Zeit.
Hilfesuchend sah ich rüber zu Elizabeth, die nur leicht mit den Kopf schüttelte, anstatt mir den Beistand zu leisten, den ich gerade eigentlich nötig hatte. Sie wusste doch am besten, wie wichtig mir das gerade war. Ginge es um Melodias, wäre sie kaum anders drauf und das wusste wir beide. Wieso also unterstützte sie mich nicht?
»Ihr werdet mich ja so oder so nicht gehen lassen«, murmelte ich beleidigt und verschränkte meine Arme vor der Brust. Mir war es gerade auch mehr als egal, wie sie mich deswegen einstufen würden — ob kindisch, einfach nur unreif oder sonst was.
Ein Seufzen ging von Luke aus, der mir gegenüber stand und sich durch seine Haare fuhr. »Du stellst dir das eben recht einfach vor, aber das ist es nun mal nicht. Ich würde dich ja gerne gehen lassen, Lou. Wirklich gern, aber das geht eben nicht so einfach, da kann ich eben auch nichts machen.« Daraufhin entwich ihm erneut ein leises Seufzen. Ich sah ihm an, dass er nicht log. Doch ich hatte einfach kein Verständnis; zumindest nicht in dem Moment. Mal abgesehen davon, dass bei mir sowieso alles noch dämmerte, da ich nicht auf die Situation klar kam, schoss mir immer nur wieder durch den Kopf, dass ich schnell zu Zeldris musste. Da durfte mir keiner im Weg rum stehen. Absolut niemand.
»Mach es doch einfach. Ich muss doch mit dem Ärger leben und Rubin wird das schon verstehen«, ich brachte es barscher rüber als ich wollte und konnte auch den Nachdruck nicht verhindern. Ebenso hatte ich schwer damit zu kämpfen, meine Augen nicht einfach zu verdrehen, so genervt wie ich war. Das würde mir sicher keine Punkte ein bringen.
Mittlerweile hatte sich ein kleiner Menschen Auflauf um uns gebildet. Sie sahen neugierig zwischen mir und Luke hin, einige wiederum musterten auch Elizabeth. Doch hauptsächlich standen wir im Mittelpunkt. Wenn hier irgendetwas vorfiel, sprach sich das schnell rum und Schaulustige gab es immer genug, sodass sie dann nicht unterlassen konnten, an dem Ort des Geschehens aufzutauchen. Sie wollten dafür sorgen, dass sie auch wirklich alles mitbekommen konnten, gerade die Tratschtanten, mit denen ich unter einem Dach leben musste, die ich jedoch bis auf den Tod nicht leiden konnte. Morgen würde das wieder die ganze Schule wissen, bloß in abgewandelter Form, die total überspitzt war. Wahrscheinlich würde Chiyo auch dafür sorgen, mich in ein schlechtes Licht zu rücke, das traute ich ihr auf jeden Fall zu. Das Weib kannte da keine Gnade. Ich wusste es zwar besser, aber die meisten anderen nicht. Ich hatte nun wirklich keine Lust, mich morgen mit den ganzen Kommentaren abzugeben, die manchmal auch eine Antwort verlangten. Nein, das konnte mir echt erspart bleiben. Wenn ich nur schon daran dachte, spürte ich leichte Wut in mir aufkommen. Das nervte halt echt. Vor allem dass sie dieser Tratschtante glaubten, von der sie doch wissen mussten, dass sie die Wahrheiten gerne verdrehte.
»Lou,nicht nur du bekommst Ärger. Ich bekomme auch ziemlichen Ärger, da es für mich verboten ist, dich gehen zu lassen. Versteh das doch bitte.«
Die Blicke der meisten wandten sich zu mir. Sie erwarteten alle eine Antwort. Vermutlich rechneten einige damit, dass ich jetzt ziemlich was zurück feuern würde. Doch ich sah, dass es keinen Sinn hatte, weiter mit Luke zu diskutieren. Das hieß aber nicht, dass er mich nicht davon abhalten konnte, zu Zeldris abzuhauen. Ich musste nur noch etwas Geduld haben. Dabei hab ich schon zu lange gewartet, nach meinem Geschmack zumindest.
»Was glotzt ihr denn alle so?«, fauchte ich meine Mitmenschen an. Da hatten sie ihre zurück gefeuerte Antwort. Zwar nicht wie erhofft gegen Luke, aber der Blick wie dumm sie aus der Wäsche schauten war einfach unbezahlbar, sodass ich mir sogar ein kleines Grinsen ab stahl. Danach befreite ich mich aus Elizabeths halber Umarmung und drehte einfach um, mit den an Luke gerichteten Worten, ich müsse noch was für die Schule machen. Er war zwar bei der Antwort etwas skeptisch, schenkte mir dennoch Glauben; ein Fehler.
*****
Das Feeling in der Nacht aus einem Fenster zu klettern, dabei acht zu geben, dass mich niemand hörte, da es verboten war und komplett in schwarz gekleidet zu sein, nur um sicherzugehen, dass ich nicht so schnell auffallen würde, war einfach unbeschreiblich und ich fühlte mich, als würde ich gerade die größte Straftat meines Lebens begehen. Ich hatte gewartet, dass Luke nochmal zu mir kam, mit dem ich extra nochmal geredet hatte — Das Gespräch verlief ganz gut, besonders für mich. Durch mein unzähliges Entschuldigen und mein Einsehen dafür, dass mein Verhalten nicht richtig gewesen sei, gaben ihm mehr Vertrauen in mich und vermutlich ein gutes Gewissen. Wäre ich nicht so fixiert darauf gewesen, zu Zeldris zu gelangen, hätte mich mein schlechtes Gewissen Luke gegenüber zurück gehalten. Neben den ganzen Entschuldigen hatten wir noch normal erzählt über alles mögliche. Ich stellte fest, dass wir viele Ansichten teilten und er wurde mir auch im Allgemeinen sympathischer.
Er war zwar nicht unbedingt wie ein Vater für mich — auch wenn er nah an den Vaterersatz ran kam — aber wüsste ich es nicht besser, würde ich manchmal selbst schon fast glauben, dass er mein älterer Bruder war. Tatsächlich war mein Betreuer auch noch gar nicht so alt, sondern mit seinen Mitte bis Ende Zwanzig sogar eigentlich ganz jung. Rubin zum Beispiel wars schon älter, sie hatte schon die Dreißig überschritten, auch wenn sie sich im Großen und ganzen noch gut hielt.
Faust lautlos kamen meine Füße am Boden auf. Dabei konnte ich lauter gar nichts wahrnehmen, außer vielleicht mein warmer Atem, den ich wie leichten Nebel auspustete. Mein Kopf bewegte sich leicht nach allen Seiten. Ich wollte sicherstellen , dass mir hierbei auch wirklich niemand zu sah. Spätestens jetzt wäre ich auffällig geworden, denn schon allein, dass ich komplett in schwarz gekleidet war, sollte einige stutzig machen. Ich schlich langsam weiter, passte dabei so gut es ging auf, keine unnötigen Geräusche von mir zu geben. es war nämlich nicht unüblich, dass einer der jüngeren Betreuer auch um diese Uhrzeit noch gerne mal draußen waren.
Ich hatte die Zeit vorhin noch genutzt, um mich bei Elizabeth zu entschuldigen. Ich hatte sie auch angeschnauzt gehabt, dabei konnte sie dafür gar nichts. Erst recht nicht für die Situation mit Zeldris. Nue war ich durch die schaulustigen Leute, die ein Teil des Geschehens durchs bloße mit Anschauen seien wollten noch zusätzlich genervter als von dieser doofen Lage ohnehin schon. Trotzdem konnte sie ja nichts dafür und es war ungerecht von mir, das sah ich ja auch ein.
Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, dabei musste ich jetzt bei vollem Verstand sein. Meine Gedanken durften mich nicht ablenken. Ich musste im Hier und Jetzt sein. Das war wirklich wichtig. Zeldris war wichtig. Deshalb musste ich auch wohl auf bei ihm ankommen und er hatte ja schon einmal darauf angespielt, dass man nachts nicht sicher war. Also sollte ich lieber aufpassen.
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Ob das was wird?
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