XXVI
Wir hatten ihn an einen sicheren Ort gebracht. An einen Ort, an dem wir seine Leiche wiederfinden konnten, um sie später begraben zu können.
Ich hatte es kaum über mein Herz gebracht ihn erneut zu verlassen, doch ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Denn ich wollte mir nicht ausmalen, was passieren würde, wenn ich nicht nur John, sondern auch noch meinen Vater verlieren würde in diesem sinnlosen Krieg.
Mit tränenüberströmtem Gesicht hatte Lysander mir geholfen mich wieder auf das Pferd zu setzen, sodass wir die letzten, verbleibenden Meter bis zu unserem eigentlichen Ziel überwinden konnten.
Am Königshaus angekommen, sprangen wir beide von dem tapferen Pferd, das uns viele Stunden Fußweg erspart hatte in den letzten Tagen und machten uns ohne zu zögern auf den Weg in den Thronsaal. Bis dort hin sagte keiner von uns beiden ein Wort. Vielleicht war das auch gut so, denn um ehrlich zu sein, wusste ich noch nicht einmal, was ich in dieser Situation hätte sagen sollen. Meine Gedanken waren immer noch bei John und gleichzeitig versuchte ich mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Ich musste meinen Vater finden.
,,Er sollte dort drin sein. Den ohnmächtigen Wachen nach zu urteilen ist er es auch.'' Ich sah mich um und konnte die Panik, die in meinem Inneren stieg nicht unterdrücken. Jemand war hier gewesen. Und es waren auf jeden Fall nicht unsere Freunde gewesen.
,,Wir sollten nicht den Haupteingang zum Thronsaal nehmen. Ich wette jemand bewacht ihn. Lass uns den anderen Weg wählen. Es gibt doch einen anderen, oder?'', fragte Lysander und runzelte schon besorgt die Stirn. Aber es gab tatsächlich eine weitere Tür auf der anderen Seite des Saals, die wir benutzen konnten. Sofort machten wir uns auf den Weg dorthin und zu unserem Glück war diese unbewacht.
Gerade als ich meine Hand schon auf die Klinke gelegt hatte, hielt mich Lysander noch kurz auf.
,,Zarida. Egal, was dort drinnen passiert - ich bin für dich da, hörst du? Denn egal, was ich über John gedacht habe, in einem hat er recht gehabt: Du bist das beste, was mir passieren konnte.'' Seine Worte legten sich um mich, wie ein warmer Mantel. Ich konnte es kaum glauben, dass dieser Mann mich selbst in einem solchen Moment zu einem kleinen, unwillkürlichen Lächeln zwingen konnte.
Ich öffnete die Tür und trat ein. Zunächst konnte ich noch nichts sehen, nur zwei laute Stimmen drangen durch den Raum. Ich machte einige Schritte, vorsichtig - gut darauf bedacht nicht sofort entdeckt zu werden - nach vorne, bis ich sie sah. Meinen Vater und Jarus. Ich hatte Kiros' Herrscher nur wenige Male gesehen, doch ich konnte sofort sagen, dass er es war.
Und vielleicht hätte ich versuchen sollen erst herauszufinden, worüber die beiden sprachen, doch in meiner Freude meinen Vater wohl auf zu sehen, rannte ich einfach auf ihn zu.
,,Vater!'', schrie ich ihm zu. Mit geweiteten Augen drehte er sich zu mir und bevor er wusste, wie ihm geschah, lag ich auch schon in seinen Armen.
,,Zarida! Gott, was tust du hier?!'' Sofort erinnerte ich mich, dass John mich das gleiche gefragt hatte. Wahrscheinlich würde ich mich bis an mein Lebensende an jedes Wort des letzten Gesprächs mit Johnathan erinnern.
,,Ich musste einfach nach dir sehen'', erwiderte ich.
,,Lysander'', ertönte eine weitere Stimme - Jarus. Ich drehte mich zu Kiros' König und konnte sehen, dass er seinen früheren Untergebenen mit neutralem Ausdruck ansah. Er sah nicht sauer aus, nicht überrascht und auch nicht verwirrt.
,,Jarus.''
,,Es ist schön zu sehen, dass du noch lebst, mein Freund.''
,,Am Leben bleiben ist meine Spezialität'', entgegnete Lysander und trat neben mich. Jarus' Blick richtete sich auf mich.
,,Hallo, Zarida.''
,,Warum zum Henker greifen Sie uns an?!'', keifte ich zurück und konnte die Wut in meiner Stimme einfach nicht zurückhalten. Ich konnte sehen, wie Jarus für einen Moment die Augen schloss und schluckte.
,,Es gibt vieles, das du nicht weißt.'' Was sollte das denn jetzt?
,,Wovon sprechen Sie?!'' Ich spürte, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte, so, als würde man mich aufhalten wollen. Die Hand gehörte meinem Vater. Als ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah, konnte ich eine gewisse Sorge in seinem Gesicht erkennen. Wovor hatte er Angst? Schlimmer konnte es doch kaum mehr werden.
,,Was ist Macan? Möchtest du es ihr vielleicht sagen?'' Jarus Stimme hatte eine komische Klangfarbe angenommen. Er hörte sich...frustriert an.
,,Überleg dir gut, was du tust, Jarus. Du zerstörst alles.''
,,Zerstören? Zerstören?! Ist das dein verdammter Ernst?! Alles was sie glaubt zu wissen, ist eine verfluchte Lüge, nichts weiter! Und du willst sie wirklich damit weiter leben lassen?! Ist es das, was du möchtest, Macan?!'', fuhr Jarus meinen Vater an. Er schien eine unheimliche Wut auf ihn zu haben, doch ich konnte mir einfach nicht erklären woran es lag. Was stand zwischen den beiden, das zu allem Überfluss auch noch mich zu betreffen schien?
,,Und du findest deine Lösung ist besser? Ich bitte dich, ich hatte doch bis vor einigen Minuten selbst keine Ahnung von der ganzen Sache.''
,,Übertreib nicht. Nur von einem Bruchteil wusstest du nicht.''
,,Das stimmt, nur ist dieser Bruchteil offensichtlich der Wichtigste an der ganzen Geschichte.''
Ein schneller Blick zu Lysander verriet mir, dass er genau so wenig folgen konnte, wie ich.
,,Was ist hier los?'', drängte ich. Sie sollten einfach mit der Sprache herausrücken. Nun war es sowieso schon fast raus.
,,Zarida. Du...-'', mein Vater zögerte. Es schien ihm wirklich schwer zu fallen es mir zu erzählen. Was konnte nur so schlimm sein?
,,Was ist mit mir?''
,,Du bist nicht seine Tochter.'' Es war nicht mein Vater und es war auch nicht Jarus, der diesen Satz aussprach. Als ich meinen Blick mit gerunzelter Stirn neben mich richtete, konnte ich sehen, dass auch nicht Lysander diese Worte gesagt hatte. Nahezu gleichzeitig drehten wir uns alle zum Eingang, den auch ich und Lysander zuvor benutzt hatten.
Ein Mann lief langsam mit hallenden Schritten auf uns zu. Sein schwarzes Haar lag verwuschelt auf seinem Kopf, während er seine Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben hatte. Seine Augen trafen direkt auf meine. Wer war das? Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Die Verwirrung diesen Fremden hier zu sehen, war so groß, dass ich mich noch nicht einmal richtig auf seine Aussage konzentrieren konnte.
,,Oh mein Gott'', entwich es Jarus hinter mir geschockt. Kannte er diesen Mann?
Als der Unbekannte nur noch wenige Schritte von uns entfernt war und Lysanders Hand bereits schützend an meinem Unterarm lag, blieb er schließlich und endlich stehen. Ein unübersehbares Lächeln zierte sein Gesicht. Anstatt jedoch jeden einzelnen von uns anzusehen, war ich die einzige, die ihn wirklich zu interessieren schien.
Es war eine lange Zeit einfach nur still. Doch als der Unbekannte sich schließlich doch noch dazu entschied zu sprechen, wusste ich nicht ob ich die Stille dem Gesagten doch vorgezogen hätte.
,,Hallo, Schwesterherz.''
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