XX
,,Wir sind bereit, mein Herr'', Korions feste Stimme erreichte Jarus. Es war endlich soweit. Jeden Moment würden sie angreifen. Endlich würde er das bekommen, was er seit unheimlich vielen Jahren wollte. Gerechtigkeit. Für das, was ihm genommen wurde.
Er konnte nicht anders, als sich in diesem Moment Klea vorzustellen, wie sie jetzt wohl vor ihm stehen und ihn wahrscheinlich mit verurteilendem Blick anstarren würde. Sie würde es nicht wollen. Würde nicht wollen, dass er in den Krieg zog, jedenfalls nicht für sie.
,,Ich habe dich etwas gefragt! Was ist mit meinem Kind, Klea?!'', ich bereute für einen kurzen Moment die Stimme gehoben zu haben, aber die Wut in meinem Inneren ließ nichts anderes zu.
,,Liebst du mich, Jarus?'', stellte sie eine einfache Gegenfrage. So einfach, wie die Antwort.
,,Natürlich tue ich das. Mehr als alles andere dieser Welt.''
,,Liebst du unser Kind?'' Was sollte diese Fragerei? Sie kannte die Antwort doch ganz genau.
,,Es ist mir das Teuerste dieses Universums'', sprach ich die absolute Wahrheit.
,,Dann tu das, was am besten für mich und das Kind ist. Behalte es für dich, dass es deines ist. Du würdest mir, dir und auch dem Kind das Leben nur unnötig schwer machen, wenn ganz Kiros und Rukalis davon erfahren würden.'' Ich wusste, dass sie Recht hatte. Das Kind würde als Bastard abgestempelt werden, sollte Klea tatsächlich zu Macan gehen. Und wer weiß, wie Macan sich gegenüber des Kindes - meines Kindes - verhalten würde, wüsste er, dass es nicht seins ist. Es würde ein riesiges Chaos geben.
,,Du weißt, dass du unheimliches von mir verlangst, oder?''
,,Ja, das weiß ich. Aber das Herz kann man nun mal nicht zwingen, Jarus. Ich liebe ihn.'' Wieso konnte sie nicht einfach den Mund halten? Ich wollte es nicht hören. Ich wollte nicht hören, wie sie immer und immer wieder diese drei Worte, die mein Herz immer mehr zerstückelten, wiederholte.
,,Was passiert, wenn ich dich nicht gehen lasse?'' Ich würde sie nie zu etwas zwingen. Niemals würde ich handgreiflich gegenüber ihr werden. Aber diese eine Frage wollte ich dennoch stellen.
,,Ich frage dich hier nicht um Erlaubnis. Ich stelle nur Tatsachen klar.'' Ich hatte das Gefühl, die plötzliche Kälte ihrer Stimme war kurz davor einen Schlussstrich zu ziehen. Doch ich war noch gar nicht bereit dazu. Ich war nicht bereit sie gehen zu lassen. Mein Kind gehen zu lassen.
,,Und was ist, wenn ich es sehen will? Mein Fleisch und Blut? Ich hätte vollstes Recht darauf.''
,,Dann würde es auffliegen. Und du würdest das Leben deines Kindes zu einer einzigen Hölle machen. Ich bezweifle, dass du das willst.'' Mit einem Mal schien es mir, als würde eine ganz andere Frau vor mir stehen. Eine, die mir absolute fremd war. Und da wurde mir klar, dass ich nichts mehr tun konnte.
,,Wann?''
,,Was meinst du? Wann ich aufbreche?''
,,Nein. Wann habe ich dich verloren?''
Eine lange Stille folgte auf meine Worte. Klea sah mir nicht mehr in die Augen, sondern starrte auf den Boden vor sich. Ich wusste nicht, ob sie Schuldgefühle hatte. Oder ob es ihr egal war, dass sie mit ihrer Tat gerade mein Leben zerstört hatte.
,,Wann, verdammt nochmal?!'', schrie ich und sprang auf. ,,Sag es mir. Wenn du schon gehst, dann ist es das mindeste, was du mir noch geben kannst! Denn im Moment nimmst du mir alles, was mir etwas bedeutet hat!''
,,Ich weiß es nicht genau. Ich- vielleicht als ich Macan das erste Mal gesehen habe. Und ihm in die Augen sah. Ich weiß es nicht, Jarus.'' Nach diesen Worten drehte sie sich um und stürmte aus dem Saal. Doch bevor sich die Türen hinter ihr schlossen, konnte ich sehen, wie sie sich noch ein Mal umdrehte und mit Tränen gefüllten Augen zu mir blickte.
Es war ihr nicht egal.
,,König! Herr!'', riss jemand Jarus aus seinen Erinnerungen an die Liebe seines Lebens.
,,Was ist?''
,,Ein Informant hatte Neuigkeiten für uns.''
Sofort stieg Jarus von seinem Hengst und trat näher an den Mann heran. Er kannte ihn bereits. Es war Flynn.
,,Ich hoffe es sind gute.''
,,Wie man es sieht. Lysander und Zarida scheinen geflohen zu sein.'' Für einen Moment stoppte Jarus' Herz. Er hätte den beiden nie im Leben etwas angetan, geschweige denn sie vorsätzlich verletzt, aber wenn sie geflohen waren, so waren sie vielleicht in Sicherheit. Anscheinend waren sich die beiden näher gekommen, als Jarus gedacht hatte.
,,Wie haben sie das geschafft?''
,,Die Prinzessin hat Lysander anscheinend befreit und ist zusammen mit ihm geflohen.''
Eine Welle an Stolz durchflutete Jarus. Egal, was die Menschen glaubten, egal, welche Lügen in der Welt rumgingen.
Zarida war durch und durch seine Tochter.
***
,,Wie lange wollen wir noch hier bleiben?'', fragte ich Lysander, der gerade mit einem neuen Stapel an Holz wiedergekommen war. Ich wusste nicht, ob es eine blöde Idee war diese Höhle zu unserem neuen Zuhause zu machen. Irgendwann einmal würden sie nämlich auch ganz bestimmt hier suchen.
,,Wir brechen morgen früh auf. Noch vor Sonnenaufgang'', antwortete er mir und ließ das Holz auf den Boden fallen. ,,Das ist für heute Abend.''
,,Ich habe nachgedacht. Was ist unser Plan?'', stellte ich meine nächste Frage, die schon seit einiger Zeit meine Gedanken einnahm.
,,Plan?''
,,Na ja, was machen wir jetzt? Ich meine, wir sind geflohen, verstecken uns in einer Höhle...und nun?''
Eine Falte hatte sich zwischen meinen Augenbrauen gebildet. Ein sicheres Zeichen dafür, dass mir etwas Sorgen machte.
Während mein Blick auf meine Hände gerichtet war, sah ich im Augenwinkel, wie Lysander zu mir trat und sich schließlich neben mir niederließ.
,,Weißt du, ich habe lange Zeit in dieser Zelle verbracht. Ich habe gedient. Ich habe ums Überleben gekämpft. Ein freies Leben hört sich da für mich nach einer ziemlich guten Alternative an.''
,,Ja, ich verstehe. Aber ist ein Leben auf der Flucht wirklich so frei?'' Die Frage hing für einige Minuten in der Luft. Beide durchdachten wir wohl die Möglichkeiten, die sich uns boten. Doch je länger ich es mir durch den Kopf ging ließ, desto mehr bekam ich das Gefühl, dass diese Möglichkeiten verdammt gering waren.
,,Weißt du was? Lass uns morgen darüber nachdenken. Wie wäre es mit einer Erfrischung am Fluss?'', holte Lysander mich schließlich aus meinen Überlegungen. Ich lächelte leicht über seinen Vorschlag und nickte zustimmend. Jetzt würde mir sowieso keine Lösung für unsere Situation einfallen.
Kurze Zeit später waren wir auch schon an unserem Ziel angekommen. Ich kniete mich hin und fing ein wenig Wasser mit meinen Händen auf.
,,Heute ist es wärmer, als sonst'', stellte ich fest.
,,Das werde ich gleich herausfinden'', hörte ich von der Seite und drehte meinen Kopf. Doch kaum hatte ich das getan, weiteten sich meine Augen. ,,Was zum Henker tust du da?!'', keifte ich ihn an, während sich eine Hand über meine Augen legte. Ein kratziges und dennoch wunderschönes Lachen ertönte.
,,Wonach sieht es denn aus?''
,,Nicht danach, wonach es aussehen sollte! Ich dachte, wir wollen uns erfrischen!?''
,,Genau das tue ich doch'', antwortete er, bevor ich auch schön hörte, wie er ins Wasser ging.
,,Willst du nicht mit rein? Und du kannst übrigens wieder gucken.'' Meine Hand verließ nur ziehend langsam mein Gesicht und gab mir schließlich die Sicht frei auf einen ziemlich gut aussehenden Mann.
Das Wasser glitzerte auf seinem freien Oberkörper, während er mich mit einem unwiderstehlichen Grinsen betrachtete. Es kam nicht oft vor, dass er einen solchen Gesichtsausdruck hatte und genau deswegen konnte ich es mir nicht nehmen, es für einen Moment einfach nur zu genießen.
,,Na los, jetzt komm schon'', versuchte er mich dazu zu bringen mit rein zu kommen.
,,Na gut'', stimmte ich letztendlich zögernd zu. Ich zog meine Schuhe aus und setzte vorsichtig einen Fuß ins Wasser, doch bevor ich das Ganze fortsetzen konnte, wurde ich unterbrochen.
,,Was genau tust du da?''
,,Ins Wasser gehen? Offensichtlich?''
,,Mit deiner einzigen Kleidung, die du hast?''
,,Ja?''
,,Zieh es aus.''
,,Das kannst du vergessen.''
,,Zarida.''
,,Lysander.''
,,Später wirst du es bereuen. Es ist verdammt kalt in der Nacht in nassen Sachen zu schlafen.''
,,Ich werde mich nicht vor dir ausziehen!''
Mit einem Mal konnte ich beobachten wie er langsam auf mich zukam und Zentimeter für Zentimeter mehr von seinem Körper offenbarte. Doch ich würde ganz bestimmt nicht starren. Nein, ich würde mich auf sein Gesicht fokussieren.
Als er schließlich direkt vor mir angekommen war, hatten meine Augen immer noch nicht für einen Moment die seinen verlassen.
,,Du scheinst angespannt'', stellte er fest, während sich ein schelmisches Schmunzeln auf seine Lippen legte.
,,Blödsinn.''
,,Dann beweis es.'' Und nach diesen Worten konnte ich mich nur noch auf seine Hände konzentrieren die zunächst meine leichte Stoffjacke vorsichtig von meinen Schultern schoben und schließlich auf den Boden fallen ließen. Ich schluckte.
,,Immer noch entspannt, Prinzessin?''
,,Absolut.''
Das dunkle Oberteil wurde Stück für Stück aufknöpft. Bis auch das unten landete.
Das einzige, was mich jetzt noch davon abhielt nur in Unterwäsche vor Lysander zu stehen, war meine Hose.
,,Bringe ich dich schon aus dem Konzept?''
,,Nicht mal annähernd.'' Ich würde ganz bestimmt nicht nachgeben. Ich würde nicht verlieren bei diesem Spielchen, das er hier gestartet hatte.
,,Na gut, dann - soll ich?'' Er meinte meine Hose. Doch ganz sicher würde ich das nicht zulassen.
,,Das schaffe ich auch selbst, danke'', entgegnete ich mit einem falschen Lächeln. Nach kurzem Zögern zog ich die Hose schließlich mit unheimlicher Geschwindigkeit aus. Je schneller ich es hinter mir hatte, desto besser.
Und da stand ich nun. Entblößt vor dem Mann, der mir den Kopf verdreht hatte.
,,Zarida. Du weißt, dass du wunderschön bist, oder?'', flüsterte er, während sein Blick langsam über meinen Körper glitt.
,,Können wir ins Wasser?''
,,Klar. Aber ich glaube bei dir fehlt noch etwas.'' Ich schloss für einen Moment die Augen, bis ich hörte, wie er lachte. ,,Ich geh ja schon.'' Und somit verschwand er wieder.
Als ich meine Augen wieder öffnete, konnte ich sehen, dass er mich nicht ansah. Er gab mir die Chance es zu tun. Also tat ich es. Bevor ich schneller als man bis zwei zählen könnte, ebenfalls bis zum Hals unter der Wasseroberfläche verschwand.
,,Sieh mal an, wer mir hier Gesellschaft leistet. Die Thronfolgerin. Ich glaube, ich kann mich besonders fühlen.''
,,Du bist ein Mistkerl.''
,,Aber einer, der sich ziemlich besonders fühlt.'' Ich konnte das kleine Lächeln, das sich auf meine Lippen zwingen wollte, einfach nicht mehr zurückhalten.
,,Sind das etwa erhobene Mundwinkel?''
,,Du bildest dir da etwas ein.'' Mittlerweile stand er direkt vor mir. Nicht einmal eine handbreit von mir entfernt. Ich konnte sogar die Wärme, die von seinem Körper ausging, deutlich fühlen. Und dennoch verursachte seine Nähe eine Gänsehaut bei mir.
,,Dann ist es die schönste Einbildung, die ein Mensch haben kann.''
Lange Zeit sah er mir nur in die Augen, bevor er sich immer mehr zu mir beugte und mir einen federleichten Kuss auf die Lippen gab.
,,Und ich glaube, ich habe mich in diese Einbildung verliebt.''
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