XIII

,,Lass mich rein. Bitte'', klopfte er erneut an die Tür ihres Zimmers. Doch wieder bekam er keine Antwort, obwohl er genau wusste, dass sie dort drin war.

,,Zarida, ich muss mit dir reden. Gott, ich weiß, dass ich momentan die letzte Person bin, die du sehen willst, aber bitte - öffne die Tür.'' Mit einem tiefen Seufzer fügte er schließlich noch hinzu: ,,Es geht um deinen kleinen Freund.'' Es überraschte Johnathan nicht, dass nach diesen Worten tatsächliche die Klinke nach unten gedrückt und die Tür einen Spalt weit geöffnet wurde.

,,Was ist mit ihm?'', fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. John konnte das Misstrauen, welches in ihrer Stimme mitschwang deutlich heraus hören.

,,Wenn du mich rein lässt, sage ich es dir.'' Nur mit unheimlich viel Mühe konnte er das leichte Schmunzeln auf seinen Lippen zurückhalten. Wie sehr er sich nur die Zeit zurückwünschte, als er und Zarida noch wie zwei normale Menschen miteinander reden konnten. Vielleicht sogar wie Freunde.

Mit einem leisen Schnauben machte sie ihm Platz, sodass er ohne Probleme eintreten konnte.

,,Also? Ich höre.'' Er konnte förmlich spüren, wie neugierig sie war zu erfahren, was er zu berichten hatte. Und gleichzeitig konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass sie es kaum erwarten konnte, ihn endlich wieder los zu haben.

,,Als ich Wache gehalten habe an der Grenze habe ich jemanden gefunden. Er wurde schlimm verletzt und verstarb in meinen Armen.'' Johnathan konnte erkennen, dass Zaridas Fassade nach dieser Information leicht bröckelte. Sie empfand Mitleid. Wobei er bezweifelte, dass dieses Mitleid auf ihn bezogen war. Er wollte es ihr unbedingt erzählen. Wieso genau, wusste er jedoch selbst nicht. Vielleicht fühlte er sich dadurch besser. Fühlte sich vielleicht so, als würde er noch nicht vollkommen aufgeben, was ihre Beziehung anging.

,,Ich vermute, dass der Täter der Gleiche ist, wie bei allen anderen Leichen, die bisher gefunden wurden.'' Und wie Johnathan es erwartet hatte, weiteten sich nach diesem Satz Zaridas Augen.

,,Ich habe es dir doch gesagt! Ich wusste doch, dass er unschuldig ist! Lasst ihn raus, jetzt habt ihr euren Beweis!'', entgegnete sie aufgebracht und machte einen Schritt auf ihn zu. ,,Ihr habt verdammt nochmal nicht das Recht ihn umzubringen, wenn er unschuldig ist!''

Das war der Moment, den Johnathan am meisten gefürchtet hatte. Denn nun hatte er die Wahl. Entweder entschied er sich für ein gutes Verhältnis zu ihr, aber dagegen sie jemals in den Armen halten zu können. Oder er entschied sich gegen das gute Verhältnis, aber dafür, dass auch nicht dieser abtrünnige Kerl sie an ihrer Seite haben würde.

Lange Zeit sagte er nichts. Denn in ihm fand ein Kampf statt, der einfach keinen Gewinner hervorbringen wollte.

,,Ihr könnt ihm nicht das Leben nehmen. Sprich mit meinem Vater, John. Ich bitte dich. Bitte.'' Als er sah, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten, hatte er seine Entscheidung gefällt. Denn diese Reaktion zeigte ihm, wie sehr sie nach dieser kurzen Zeit bereits an diesen Kerl gebunden war. Und es zeriss ihm das Herz, diese Tatsache festzustellen. Und es machte ihn gleichzeitig so unheimlich wütend.

,,Der König hat sich entschieden. Ich bin nicht in der Position seine Entscheidungen anzuzweifeln. Und auch du bist es nicht.'' Seine Stimme war fest. Hatte nicht den kleinsten Schlenker drin. Doch in seinem Inneren sah es anders aus. Und es wurde schlimmer, als das Mädchen seiner Träume an die Tür trat, diese öffnete und mit einer solch kalten Stimme, die er ihr nie im Leben zugetraut hätte, sagte:

,,Verschwinde.''

***

Gleich nach dem Gespräch mit Zarida machte sich Johnathan zu seinem nächsten Ziel auf. Er wusste, dass es vielleicht nicht die beste Idee war, in seinem jetzigen Zustand dorthin zu gehen, aber er hielt es einfach nicht mehr aus. Er musste dem Mann, der förmlich für die Zerstörung seines Lebens verantwortlich war, in die Augen schauen.

Mit großen Schritten lief er nach unten zu den Zellen und dachte noch nicht einmal daran den Wachen am Eingang auch nur einen einzigen Blick zu schenken, nachdem er sich von ihnen die Schlüssel für die Zellen übergeben ließ. Er wurde respektiert unter den Untergebenen Macans, da war es völlig verständlich, dass niemand sein plötzliches Auftauchen im Kerker hinterfragte.

Ohne auf die anderen Gefangenen zu achten, durchquerte er den langen Gang, bis er schließlich am Ende ankam und vor den breiten Gitterstäben stehen blieb. Sein Atem ging flach, während seine Hände in Fäuste geballt waren. Johnathan war außer sich.

Mit einem leichten Zittern öffnete er die Zelle und trat ein.

Der Gefangene saß mit dem Rücken an die kahle Wand gelehnt dran und stützte seine Ellbogen auf seinen angewinkelten Knien ab. Er musste Johnathans Anwesenheit schon lange bemerkt haben, doch erst jetzt hob er quälend langsam seinen Kopf und blickte seinem Gegenüber unnachgiebig in die Augen. Die beiden Männer starrten sich eine Weile an, ohne, dass auch nur einer von ihnen das kleinste Wort verlor.

,,Du bist Schuld. An allem, bist nur du Schuld. Du hast sie verändert'', brachte Johnathan schließlich mit zischendem Unterton hervor. Doch seine Worte verursachten keine äußerliche Reaktion bei Lysander. Im Gegenteil, er blieb wie zuvor sitzen und blickte von unten auf Johnathan.

,,Du abtrünniger Bastard!'', schrie John mit brüchiger Stimme nun und machte einen Schritt auf den Verbannten zu. ,,Sie werden dich umbringen. Auf die grausamste Weise, die du dir vorstellen kannst. Und ich werde daneben stehen und dir zusehen. Und Zarida? Früher oder später wird sie an meiner Seite sein, mich lieben, mir Kinder gebären, mich bewun-'', weiter kam Johnathan mit seiner Aufzählung nicht, denn mit einer Geschwindigkeit, die er niemals jemandem zugetraut hätte, fand er sich mit einem Mal mit einer Hand um seine Kehle an die Wand gepresst.

,,Sie wird niemals jemanden, wie dich lieben, bewundern oder sonst etwas, was du versuchst dir krankhaft einzureden'', sagte Lysander mit einer Ruhe in der Stimme, die in keinster Weise zu seiner Handlung passte.

Johnathan konnte einfach nicht anders, als ein emotionsloses Lachen hören zu lassen. ,,Du magst sie. Mehr als du dir wahrscheinlich eingestehen willst, nicht wahr? Tja, dann sind wir wohl in der gleichen Situation. Der einzige Unterschied ist, dass ich noch leben werde, um sie für mich zu gewinnen. Du dagegen wirst in der Hölle schmoren.'' Mit einem Mal verstärkte sich der Druck um Johnathans Kehle.

,,Vielleicht werde ich in der Hölle schmoren. Vielleicht bekomme ich das schlimmste Urteil, das man von den Göttern erwarten kann. Aber sei dir nicht so sicher, dass dich nicht das gleiche erwartet.''

Nach Lysanders Worten hörte man Schritte, die sich mit hoher Geschwindigkeit näherten. Es war einer der Wachen, wie Johnathan gleich darauf feststellte.

,,Lass ihn sofort los!'', befahl er Lysander, doch anstatt dem Befehl Folge zu leisten, beugte er sich etwas näher zu Johnathan vor und sagte mit kratziger Stimme, die auch John einen Schauer über den Rücken laufen ließ: ,,Und merke dir ein für alle mal: Betrete nie die Zelle eines Gefangenen. Denn ein zweites Mal ist Gnade ein Geschenk. Und ich mache keine Geschenke.''

Mit diesen abschließenden Worten, ließ Lysander Johnathan auf den Boden fallen, bevor Letzterer sich mit dem starken Gefühl der Demütigung aufrappelte und wütend die Zelle verließ.

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