III

Die Kapuze meines langen Mantels hatte ich mir tief ins Gesicht gezogen, meine Haare hatte ich so gerichtet, dass man sie nicht sehen können würde und den Blick hielt ich stets am Boden. Zu meinem Glück verhielt sich mein Pferd mehr als nur ruhig und bereitete mir nicht mehr Probleme, als dass ich sie auch so schon hatte.

Jeden Moment müssten sie hier vorbeikommen - die Botschafter meines Vaters, auf dem Weg nach Kiros. Und ich würde nicht hier bleiben, nein, ich würde ihnen nachreiten und mir das Nachbarreich ansehen. Ich spürte, wie mir alleine bei dem Gedanken gegen die Vorschriften meines Vaters zu verstoßen das Adrenalin durch die Adern schoss. Ob das gut oder schlecht war, wusste ich nicht. Eigentlich war ich nicht der rebellische Typ - immerhin gehörte sich das nicht für die Tochter des Königs. Schon seit ich klein war, wurde mir beigebracht, wie ich mich zu verhalten hatte, was ich zu sagen hatte, wann ich etwas zu tun hatte, wann ich etwas nicht zu tun hatte und wie ich zu leben hatte. Aber in letzter Zeit schien sich irgendetwas geändert zu haben. Und nicht die Tatsache der Änderung verunsicherte mich, nein. Mich verunsicherte, dass diese Änderung nach dem Prozess des Verbannten eingetreten war.

Kaum war der Unbekannte wieder in den Mittelpunkt meiner Gedanken eingebrochen, schob ich ihn sofort beiseite. Ich wollte nicht an ihn denken, ich wollte mich nicht an ihn erinnern, denn diese Augen, die mich mit einer solchen Intensität angesehen hatten, ließen immer wieder einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen.

Das leise Schnaufen meines Pferdes holte mich aus meinen Überlegungen und ließ mich meinen Kopf heben. Aber das war nicht die weiseste Entscheidung meinerseits, wie ich mit einem Mal feststellen musste.

Schnell drehte ich dem blonden Mann, der gerade seinen Blick auf mich gerichtet hatte, den Rücken zu und schloss die Augen, während ich still vor mich hin ein Stoßgebet gen Himmel sendete. Was zum Teufel hatte er hier nur verloren? Mit Absicht hatte ich mich weit abseits im Schutz der Bäume verkrochen und dennoch mussten seine Augen direkt auf mir landen.

Bitte nicht. Bitte nicht. Bitte nicht.

Aber als ich die Schritte hinter mir hörte, wusste ich, dass ich seine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Eine Aufmerksamkeit, die sich nicht so leicht abschütteln lassen würde.

,,Hallo mein Schöner. Willst du mir vielleicht deine treue Begleiterin vorstellen?'', hörte ich ihn zu meinem Pferd sagen. Ich fragte mich, ob er öfter alleine Spaziergänge unternahm oder ob er etwas zu erledigen hatte. 

Ich spürte, wie sich seine Hand auf meine Schulter legte und mich vorsichtig zu ihm umdrehte.

Ich räusperte mich und verstellte leicht meine Stimme: ,,Die treue Begleiterin muss bedauerlicherweise wieder los.''

Ohne hinzugucken, wusste ich, dass er in diesem Moment seine Stirn runzelte und seinen Kopf leicht schief hielt. ,,Gibt es einen Grund, warum die treue Begleiterin mir ihr Gesicht nicht offenbaren will?''

Ja, diesen Grund gab es tatsächlich, denn wenn Johnathan erfahren würde, dass ich einen Abstecher nach Kiros machen wollte, hätte ich ein riesen Problem.

,,Wissen Sie...'', ich schluckte. ,,Ich bleibe lieber diskret.''

Kurze Zeit war es still und ich wollte schon fragen, ob alles in Ordnung war, als ich im nächsten Moment ein leises Lachen hörte.

,,Zarida, du denkst doch nicht ernsthaft, ich hätte dich nicht erkannt. Meine Liebe, ich würde dich unter Tausenden blind herauspicken können.''

Verflucht seist du Johnathan. 

Keinen Sinn mehr im Verstecken sehend, hob ich meinen Kopf und konnte mir ein genervtes Aufatmen nicht verkneifen.

,,Was willst du?'', fragte ich und versuchte so unfreundlich, wie nur möglich zu klingen. Ein amüsiertes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen, während er mich mit hochgezogener Augenbraue betrachtete.

,,Was ich will? Wissen, was du alleine am Rand des Reisepfads tust und warum zum Henker du versucht hast, dich vor mir zu verstecken?!'' Wüsste ich es nicht besser, hätte ich fast gesagt, er hörte sich leicht sauer an.

,,Erstens geht dich das überhaupt nichts an und zweitens: Schon mal daran gedacht, dass du mir einfach auf die Nerven gehst und ich nicht mehr Zeit, als nötig mit dir verbringen möchte und deswegen schon zu solchen Mitteln greifen muss?''

Er schnappte gespielt empört nach Luft und schlug sich seine Hand auf die Region seines Herzens. ,,Du weißt gar nicht, wie sehr mich deine Worte verletzen. Tief, sehr tief in meinem Herzen bildet sich gerade eine große Wunde, die nur mit viel Liebe geheilt werden kann. Wenn es durch deine Liebe geschieht, dann natürlich viel schneller.''

,,Dann tut es mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Deine Wartezeit wird sich wohl etwas länger gestalten.''

Er verschrenkte die Arme, immer noch das spitzbübische Lächeln tragend und lehnte sich locker gegen einen der nahestehenden Bäume.

,,Weiß dein Vater davon?''

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und ich musste mich beherrschen, um nicht wütend aufzustampfen. ,,Wenn du meine unübertreffbare Abneigung dir gegenüber meinst - ich weiß es nicht. Aber wenn du es wünschst, erzähle ich ihm umgehend davon.''

Sein Lachen erfüllte die Stille um uns herum und würde ich ihn nicht so gut kennen, wie ich es tue, hätte ich es fast als schön empfunden. ,,Komm schon, Zarida. Was suchst du hier? Was hat dein schöner Kopf nur ausgebrütet? Anscheinend muss es ja etwas sein, von dem niemand etwas erfahren sollte.''

Mit Sicherheit - und das wusste ich - würde ich ihm nicht von meinen Plänen erzählen. Zum einen würde er es wahrscheinlich, egal auf welche Art und Weise, niemals zulassen und zum anderen wollte ich ihn schon aus Prinzip nicht einweihen. Ich traute ihm nicht.

,,Ich wiederhole mich: Es geht dich nichts an.''

,,Vielleicht sollte ich deinen Vater fragen?''

Ich konnte es einfach nicht fassen, dass dieser Mann mich erpresste. Das war pure Erpressung.

,,Du wirst nicht locker lassen, was?'', seufzte ich auf und verdrehte die Augen.

,,Niemals.''

,,Ok. Was willst du, damit keiner von dem hier-'', ich machte eine kurze Handbewegung mit der ich zwischen ihm und mir hin und her zeigte. ,,-erfährt?''

Er stieß sich leichtfertig von dem Baum ab und fing an vorsichtig und langsam Schritte nach hinten zu machen und sich von mir zu entfernen. ,,Mein Mund ist verschlossen'', mit diesen Worten drehte er sich um und beschleunigte seinen Gang. ,,Was deine Schuld angeht - auf diese werde ich zu gegebener Zeit zurückkommen'', rief er mir noch kurz, bevor er aus meinem Sichtfeld verschwand über die Schulter zu.

Ich konnte nicht anders, als laut und genervt aufzustöhnen. Ich war offiziell bei Johnathan verschuldet und das alles nur für einen Ritt nach Kiros. Dieser Besuch im Nachbarreich war es hoffentlich verdammt wert.

Gerade als ich nach den Zügeln griff und das Pferd etwas nach vorne führen wollte, wurde ich durch das Scharren von Hufen unterbrochen und einem lauten Gespräch. ,,Das sind sie.'', flüsterte ich vor mich hin und konnte nicht verhindern, dass mein Herz anfing schneller zu schlagen bei dem Gedanken daran, dass es nun endlich losgehen würde.

Als die drei Männer an uns vorbei geritten waren und ich bis zehn gezählt hatte, schwang ich mich gekonnt auf den Rücken des Hengstes und machte mich auf den Weg.

Ich versuchte meine Geschwindigkeit im Rahmen zu halten, durften mich die Botschafter doch auf gar keinen Fall bemerken. Denn bei ihnen würde ich nicht einfach verhandeln können, wie ich es bei Johnathan getan hatte. Wenn man es von dieser Seite betrachtete, dann könnte man fast meinen, ich hätte ein wenig Glück gehabt, dass mir nur der eingebildete Blondling über den Weg gelaufen war.

Ich lehnte mich leicht nach vorne und genoss das Gefühl des Windes, der mir ununterbrochen über mein Gesicht und die Haare strich, so als würde er mich begrüßen. Ohne mein Zutun bildete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht - es fühlte sich unheimlich gut an etwas verbotenes zu tun. Etwas, was gegen meine Vorschriften verstieß. Ich wusste, dass ich es vielleicht bereuen würde, immerhin konnte ich nicht sagen, was der Tag noch mit sich bringen würde, aber ich versuchte nicht daran zu denken. Ich hoffte nur, dass das Glück heute an meiner Seite stand. 

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