Im Keller

Mit der anderen umfasste er einen der Metallstäbe. Seine Hände waren fein geschnitten für einen Mann. Er hatte lange, gepflegte Chirugenhände. Nun, nicht ganz so gepflegt und sauber.

Etwas Dunkles tropfte von seinem Handteller auf den staubigen Boden. Als er sich noch einige Zentimeter näherte erkannte ich den metallischen Geruch von Blut. Eine Gänsehaut bereitete sich über meinen gesamten Körper aus. Wessen Blut tropfte hier gerade vor mir in den Sand und versickerte ungesehen?

„Wie hätte ich dich dort lassen können?", murmelte er leise. Seine Stimme klang melodisch und tief. „Ich habe dich gesehen und wusste, du gehörst nun mir. Ich werde dir nichts tun. Ich verspreche es dir. Du bist mein und du wirst mir den Rest deines Lebens schenken. Aber vor allem", er begann sich seine Haare auszureißen und mir einige Büschel vor die Füße zu werfen. "Vor allem wirst du mir dein Haar geben. Aber keine Sorge. Ich werde es nachwachsen lassen und dich jeden Abend waschen, föhnen und kämmen."

Schockiert sah ich auf die Haarbüschel am Boden. Was zu Hölle? Was für ein gestörte Spaß war das denn?

Abwartend sah er mich an. Was jetzt? Sollte ich ihm dafür danken? Einen kleinen Knicks machen?

Ich hatte es definitiv mit einem hochgradig gestörten Psychopathen zu tun und die ganze Einrichtung hier unten zeigte mir, dass ich nicht das erste Opfer war.

„Ich bin erst zwölf. Normalerweise ist man für diese „den Rest seines Lebens mit jemanden verbringen Nummer" ein bisschen älter," sagte ich mit brüchiger Stimmer.

Warum ich so etwas überaus Blödes und Leichtsinniges zu meinem Entführer sagte, wusste ich auch nicht. Vielleicht war ich ja selber überschnappt oder litt unter posttraumatischem Belastungsstress.

Ich spürte, wie er mich taxierte und seine Hand ballte sich zu einer Faust.

Ich schluckte hart. Vielleicht hatte ich gerade mein eigenes Ende herbei beschworen. So eine Scheiße aber auch.

„Falls du den Versuch unternehmen möchtest, zu fliehen oder gegen mich zu kämpfen, wirst du die Folgen sehr bald und auf sehr schmerzhafte Weise spüren. Ich denke, du siehst, dass ich nicht jeden so gut behandle, wie dich." Seine Stimme war vollkommen ruhig und sanft, während er seine geballte Faust vor meinem Gesicht bewegte, sodass ich seinen blutbefleckten Handrücken sehen konnte.

Sein arrogantes und sorgloses Verhalten sollte mich nicht überraschen. Schließlich saß er auf der richtigen Seite der Gitterstäbe. Doch meine Reaktion war mir fremd. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Keinen einzigen.

Ich wollte am liebsten weinen, doch selbst dazu fehlte mir die Kraft. Ich wollte nur, dass er verschwand. Ich wollte mich zusammen rollen und einschlafen, nur um dann aufzuwachen und festzustellen, dass das ein schlimmer Alptraum gewesen ist.

Seine blutverschmierte Hand entspannte sich wieder und berührte nun fast mein Gesicht. Von wem kam das Blut? War noch jemand anderes mit mir hier? Oder war der- oder diejenige jetzt ... tot?! Denn die Schleifmaschine war sicher nicht ohne Grund hier.

Ich wollte weiter zurückweichen, aber da stieß mein Rücken an die Metallstäbe. Das Ende meines Käfigs.

Seine Hand umfasste mein schmutziges, strähniges, blondes Haar.

„Wie Gold", murmelte er leise. „So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Und jetzt ist es mein. Morgen werde ich Rapunzel sein", irre lachend zog er seine Hand zurück und verließ den Raum genauso schnell, wie er ihn betreten hatte.

„Mach es dir nicht zu gemütlich. Bald wirst du woanders schlafen."

Als er fort war, übergab ich mich würgend auf den sandigen Boden. Beschämt davon, wie stark meine körperliche Reaktion auf ihn war und mir zeigte, wie viel Macht er über mich hatte, vergrub ich weinend mein Erbrochenes mit einem Häufchen Sand, um es nicht mehr sehen und riechen zu müssen.

Die Tränen flossen ungehindert über meine Wangen. Es war, als wären mit seinem Verschwinden alle letzten Kraftreserven gebrochen. Und nicht nur das.

Es fühlte sich an, als wäre etwas in mir gebrochen. Etwas Wichtiges.

Ich würde hier niemals einen Weg herausfinden. Es war offensichtlich, dass er zwar ein geistesgestörter und empathieloser Psychopath war, aber er war nicht dumm. Niemand würde mich finden. Niemand würde kommen und mich retten.

Leise schluchzend rollte ich mich zu einer Kugel zusammen. Ich spürte, wie durch die Spannung meiner Arme wieder neues Blut aus der Wunde trat und über meinen Arm lief. Doch es war mir egal. Lieber erlag ich an einer Sepsis, als die Nächste unter dem Schleifstein zu sein.

Ich weiß nicht, wie lange ich dort im Dreck lag und jämmerlich, aber still weinte. Jegliches Zeitgefühl war mir verloren gegangen. Ebenso wie Zuversicht, Mut und Hoffnung.

Hoffnung, noch einmal den Sternenhimmel zu sehen, meinen Dad im Schach zu schlagen, oder Onkel Esteban's selbstgemachten Sirup zweifelhafter Herkunft zu genießen.

Die Hoffnung, frei zu sein.

Die Hoffnung, einfach zu sterben. Ohne Angst. Und ohne qualvolle Schmerzen.

Noch niemals hatte ich mich so allein gefühlt.

Einen Moment überlegte ich, mir eine handvoll Sand in die Wunde zu reiben. Die Blutvergiftung würde aufgrund der Tiefe des Schnittes in den nächsten Stunden erfolgen und wenn er mich die nächsten 24 Stunden in Ruhe lässt, hat er kaum noch eine Chance, die Sepsis aufzuhalten. Selbst, wenn er irgendwo illegal ein starkes Antibiotikum auftreiben würde.

Meinen Körper noch zur Kugel gerollt, das Gesicht auf der tränennassen Erde, grub ich meine Hand in den Sand vor mir. Der Sand, auf welchen vorhin noch das Blut von jemand anderen getropft war. Jemand Fremden, der wahrscheinlich auch gelitten haben muss. Der auch ein Leben hatte. Und eine Familie, die nach ihm suchte. Vielleicht auch Geschwister.

Ich wünschte, ich hätte welche, damit sie sich um meinen Vater kümmern könnten, wenn ich nicht wieder komme.

Es tut mir so leid Daddy!

Blind vor Tränen wog ich den dunklen Lehm in meiner Hand.

Ich setze mich schluchzend auf, den klumpigen Dreck schützend in meiner Hand. Mein friedvoller Weg hier raus.

Doch bevor ich meinen zweifelhaften und fragwürdigen Plan noch einmal durchdenken konnte, polterte es über mir. Ich horchte auf.

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