Aurela
Julina sah aus, als ob sie gleich die Nerven verlieren würde und ich konnte sie absolut verstehen. Das, was wir nachts taten, planten wir oft Wochen, manchmal Monate voraus. Alles lief wie ein Uhrwerk, weil wir es so wollten. Und wenn uns ein Fehler unterlief, kostete er Leben.
Das, was heute geschehen ist, dass die beiden Männer jetzt hier in unserem Van standen, war nicht geplant gewesen und es brachte uns alle in große Gefahr. Es war ein Fehler. Egal, wie man es drehte und wendete.
"Die Mädchen sind versorgt. Wir können uns um die beiden kümmern", sagte ich. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass jede von uns dreien etwas anderes unter "kümmern" verstand. Mals wollte mit einem von ihnen essen gehen. Jules wollte wahrscheinlich beide mit ihrem Laptop niederstrecken und ich... tja, ich wusste nicht so recht, was ich eigentlich tun wollte.
"Ihr müsst das nicht tun", erwiderte er mit ruhiger Stimme. Seine Augen waren auf mich gerichtet, sein Blick war absolut furchtlos. In meinem Magen begann es schon wieder zu kribbeln... Blöder Magen...
"Tamo de Luca", kam es von Jules "größter und einflussreichster Zuhälter der Westküste. Bekannt, für sein brutales Handeln und Auftreten. Aufgestiegen durch das Eliminieren anderer Zuhälter und gewaltvoller Übernahme ihrer Geschäfte. Sprich dem erbarmungslosen Sexhandel mit Frauen."
Sie machte eine kleine Kunstpause, um ihre Worte wirken zu lassen und wandte sich dann unheilsvoll Nummer 2 zu: "Marco Diaz. Bekannt als Handlanger und Mitläufer von Tamo de Luca und trägt unter vorgehaltener Hand die Bezeichnung", sie schaute noch einmal in ihrem Laptop nach, dann tauchte ihr Kopf wieder auf "sangriento sueno, was so viel heißt, wie blutiger Alptraum", mit zusammengekniffenen Augen sah sie die beiden an, dann fuhr sie fort.
"Und die ganzen Aufenthalte in den Jugendheimen und in den Jugendstrafanstalten lasse ich mal weg. Die Liste ist so lächerlich lang, da geht uns der Benzin aus, bis ich die alle aufgezählt habe. Ebenso, wie eure bevorzugten Urlaubsgebiete, euer Lieblingsessen oder die gefälschten Transferaktionen mit den ganzen ausländischen Politikern, Strippenziehern und dem britischen Adel."
"Will sie uns damit sagen, dass wir sie beeindrucken?", raunte Marco Tamo zu. Jetzt kannte ich endlich ihre Namen. Tamo. Dieser bewegte keinen Muskel. Sah Jules nur an und in seinem Mundwinkel sah ich ein Zucken. Verdammt, konnte diesen Kerl denn nichts aus der Ruhe bringen?! Nicht mal, wenn meine Freundin seine schmutzigsten Geheimnisse präsentierte, die er mit viel Mühe versteckt hatte?!
Doch. Einmal hatte ich gesehen, dass er kurz davor gestanden hatte, die Kontrolle zu verlieren: Und zwar in dem Moment, als der Engländer mir bei der Auktion zu nah gekommen war, als er um mich bieten wollte. In diesem Moment habe ich die Mordlust und den blanken Hass in seinen Augen gesehen. Die Muskeln, die sich angespannt hatten, bereit zuzuschlagen. Die geballten Fäuste. Da war etwas Wildes und Animalisches an ihm gewesen, das hinaus wollte, um zu zerstören und zu töten. Etwas, dass er nur mit Mühe hatte zurückhalten können. Mich hätte dieser Anblick ängstigen sollen. Abschrecken. Doch in Wahrheit war nichts in meinem Leben Anziehender und Attraktiver gewesen als das, was ich in dieser kurzen Sekunde gesehen hatte.
"Nein, amico. Halt jetzt die Klappe und überlass mir das Reden, sonst werfen uns die drei Ladys aus dem Bus und fahren im Rückwärtsgang noch einmal über uns drüber."
Jules lächelte schmal. "Das ist gar keine schlechte Idee. Solange, bis nur noch undefinierbarer Brei von euch überig ist. Der Bus ist schwer. Es sollte also machbar sein, ohne viel Kraftstoff zu verschwenden."
"Der spanische Gott geht heute Abend mit mir essen. Er wird noch nicht überfahren", krähte Malu vom Steuer aus.
"Ich überlebe ein paar Stunden länger als du, hast du gehört?! Und ich bekomme sogar noch eine Henkersmahlzeit", frotzelte Marco.
"Du gehst mit niemanden essen, raven", fauchte Jules. "Schon gar nicht mit dem dunkelhaarigen Chris Hemsworth. Wir hatten über attraktive Männer gesprochen!" In ihrer Stimme klangen fünf Ausrufezeichen mit.
"Und sie finden mich attraktiv", frönte Marco seiner selbst weiter. "Gottgleich. Ein dunkler Thor!"
"Du bist nicht meine Mum, robyn", motzte Malu weiter. Aber diesmal deutlich leiser.
Julina hatte derweil gerötete Wangen und sah Marco wütend an. "Wenn ich dich jetzt noch ein Wort sagen höre, werfe ich dich als Ersten vor die Räder."
"Ey Ey, mam", kam es deutlich kleinlauter von Marco und er hielt tatsächlich den Mund. Tamo warf ihm einen Blick zu a lá Habe ich es dir nicht gesagt?
Jules hatte sich mittlerweile wieder etwas gefasst. "Ihr seid nicht besser, als die Männer dort drinnen."
Tamo trat einen langsamen Schritt auf sie zu. Sein Blick wanderte zwischen mir und Jules hin und her.
"Doch. Das sind wir. Und du weißt das."
"Wie kommst du zu solch einer Annahme?", fragte Julina provozierend.
Tamo antwortete ihr, sah aber mich dabei an:
"Weil wir sonst schon längst tot wären."
Einige Sekunden sagte keiner etwas, doch dann brach ich das Schweigen.
Ich ging auf Jules zu und schirmte damit die beiden Männer hinter mir schützend ab.
"Sie haben uns geholfen, robyn. Sie sind keine Gefahr. Sie sind wegen des Mädchens gekommen, um es zu retten", dabei zeigte ich auf die schlafende Summer auf einer der Liegen.
"Wir haben für diesen Fall ein Protokoll. Eines, dass wir noch nie benutzt haben, aber dann ist es heute das Erste Mal. Wir werden ihnen das Mädchen mitgeben und sie zurück in ihr Leben lassen. Sie werden nichts verraten. Uns nicht verraten."
"Woher willst du das wissen", fragte sie voller Zweifel.
Ich zeigte auf meinen Magen und dann auf meinen Kopf. "Weil ich es weiß. Und ein gutes Gefühl habe. Und weil du mit deinem unwiderstehlichen Charme dafür sorgen wirst." Ich lächelte sie an. "Vertrau mir."
Im Hintergund hörte ich Marco bei den Worten "unwiderstehlicher Charme" leicht schnauben.
Einige Sekunden rang Julina sichtlich mit sich. Dann atmete sie einmal tief ein und aus und stapfte zu ihrem Laptop. "Ihr beiden", rief sie im Befehlston "herkommen!"
"Ja, zu Befehl meine Königin", murmelte Marco leise. "Was immer Ihr wünscht."
"Ich habe mich in all eure Systeme gehackt. Online Geschäfte abzuwickeln ist immer scheiße. Ich habe jeden eurer Fußabdrücke. Seht ihr? Hier sind alle eure wichtigen Kunden, die mit euch schmutzige Geschäfte hatten. Eure Transaktionen. Ich habe alle Codes entschlüsselt und zu ihrem Urheber zurückverfolgt. Alle Kommunikation, die online stattfand, habe ich rekonstruiert und sie bringt euch hier schwarz auf weiß mit euren Kunden in Verbindung. Eure exklusiven Käufer können sich von ihrem Recht auf Exklusivität verabschieden, solltet ihr uns in irgendeiner Fußnote eures Lebens erwähnen. Und wie es mit euch weiter geht, muss ich sicher nicht sagen. Aber eines kann ich euch versichern. Egal, wo ich euch verstecken werdet, ich werde euch finden und euch an den Meistbietenden verraten", sie ließ den beiden einen kurzen Moment, um alles wirken zu lassen. Marco sah tatsächlich schockiert aus, als er die Liste sah.
"Scheiße, bist du estúpido oder was?! Mit dem hast du auch noch Geschäfte gemacht? Que, demonios...", während Marco weiter schimpfte wandte sich Tamo an Julina.
"Ich verstehe. Unser Schweigen für dein Schweigen. Abgemacht", und er hielt ihr seine Hand hin.
Jules überspielte ihre Verblüffung über seine schnelle Kapitulation mit einem kurzen Nicken, ignorierte jedoch seine Hand.
"Ich habe auch eine Bedingung", erklang da Tamos dunkle Stimme.
Julina's Augenbrauen schossen in die Höhe. "Du bist sicher nicht in der Situation Bedingungen zu stellen. So, wie ich das sehe, haben wir dein Mädchen gerettet und euch beiden Quartier gewährt."
"Ich denke, das bin ich sehr wohl, robyn", sagte Tamo unbeirrt und benutzte dabei bewusst ihren Spitznamen. Seine gesamte Körpersprache war locker. Er lehnte in wirklich cooler Pose an meinem Kühlschrank für besondere Impfstoffe und strahlte dabei ein Selbstbewusstsein aus, für das ich ihn tatsächlich bewunderte. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, das hier wäre sein Bus.
"Und was ist deine Bedingung", fragte Jules ungeduldig.
Seine dunklen Augen suchten meine und das Kribbeln in meinem Magen war noch stärker als vorhin. Ich schluckte schwer. Sein Blick brannte sich förmlich in meinen. Alles fühlte sich so ... intensiv in seiner Nähe an. Vielleicht war ich aber auch irgendwie krank.
"Ich will mit der pricipessa reden. Allein."
WAS?
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