Anfang und Ende

1.

Ich fliege. Es ist sehr windig, aber wunderbar. Es bedeutet, dass ich frei bin. Ich darf machen, was ich will. Süßigkeiten essen, bis ich platze, hinfliegen, wo ich will und überall meinen Teddy mitnehmen. Da ist er und winkt! Ich fliege zu ihm und merke, dass er auf einem Schaf reitet. Schafe sind meine Lieblingstiere! Sie sind weich, auch das, auf dem ich jetzt sitze. Nur Teddy ist weicher! Oh, er tippt mich an. Sein Gesicht ist ganz besorgt! Der Arme, hat er Bauchweh? Schnell nehme ich ihn auf den Schoß und streichle ihn, aber dadurch wird er nicht ruhiger. Langsam mache ich mir auch Sorgen. Plötzlich wird alles schwarz und das Schaf ist auch weg. Hilfe, ich falle! Es wird immer schneller ... Nein! „Aaaaaaaaaaaaaah!"

Eine Hand berührt meine Schulter. „Toby?" Das ist Mama. Bevor ich wieder falle, umarme ich sie ganz fest. So bin ich sicher. „Schhht! Du hattest einen Alptraum. Alles ist gut." Aber irgendwie habe ich diesmal nicht das Gefühl. Da ist etwas. Etwas, das kommt, um uns wehzutun. Ich schniefe: Er kommt.

{DOOMSDAY}

2.

Ich muss grinsen. Im Grunde gibt es zwar keinen vernünftigen Anlass und in dieser Situation ist es komplett grausam. Aber seit wann bin ich vernünftig und nett? Meine Mundwinkel heben sich noch weiter, bei dem Gedanken an das, was kommen wird. Ein guter Freund hat es mir prophezeit. Und was er sagt, stimmt so gut wie immer. Ihm sind große Durchsetzungsfähigkeit und großer Egoismus und hat er einen Wunsch, setzt er alles daran, diesen auch umzusetzen. Oft leiden einige Menschen unter seinen Entscheidungen und daraus resultierenden Taten, aber wenn man es recht bedenkt, ist dies oft genug seine auch Absicht. Genau wie bei mir. Besonders klug ist er nicht, aber mächtig und stark. Wer ihn herausfordert, verliert zumeist. Allerdings würde ich ihn nicht als schnellen oder flinken Menschen bezeichnen. Das mag einerseits daran liegen, daran liegen, dass er ziemlich langsam ist und gemächlich handelt (da bin ja selbst ich schneller!), und andererseits daran, dass er kein Mensch ist. Das haben wir wieder gemeinsam.

Ja, ich muss grinsen. Denn gerade hat mich ein weiterer Mensch bei sich einkehren lassen. Ich liebe ihre Gesellschaft, obwohl sie meine eher ... sagen wir fürchten.

{INTERITUS MUNDI}

3.

Ihr Leute geht euren alltäglichen Beschäftigungen nach. Einkaufen, lesen, arbeiten. Am wichtigsten: euch über eure alltäglichen Probleme aufregen. Über das Hier und Jetzt. Niemand macht sich Gedanken über morgen. Das, was in einer Woche passiert oder welche Folgen eure Handlungen haben. Keiner denkt an die Zukunft. Doch schon bald wird diese es euch heimzahlen. Nicht beachtet zu werden, ist hart. Für jeden. Jedoch wird es für jene, die den missachten, der mächtige Verbündete wie hat, sehr viel härter. In deiner Kurzsichtigkeit kannst du, Menschheit, es nicht sehen. Du möchtest es ja gar nicht. Noch scheint alles normal, in Ordnung. Weil die graue Wolke, welche sich vor die vielen weißen schiebt, nicht bemerkt wird. Sie wäre wohl dir größte, von der ihr jemals hättet behaupten können, sie erblickt zu haben, würdet ihr auch nur einmal weiter als bis zu eurer Nasenspitze schauen. Bedrohlicher und tiefer hängender als der Druck, welcher auf all euren Schultern lastet, zusammengenommen. Doch ihr, die „Spitze der Evolution" habt einen gewaltigen Makel: Blindheit. Ihr alle seid zu beschäftigt mit dem, was ihr große Probleme nennt, um das echte Problem zu erkennen, das kurz davor ist, jegliches andere zu beseitigen. Jegliches andere Problem, Wesen, Kaffeeschlückchen. Er ist da.

{FIN DU MONDE}

4.

Meine Zeit ist gekommen. Sie ist gekommen, wenn sich die Zeit anderer dem Ende neigt und nichts Anderes ist der Fall. Ihr Ende ist gewissermaßen mein Anfang. Aber es wäre langweilig, sollten sie nichts davon wissen, bis es vorbei ist, oder? Nun, das muss ich ändern. Sie erwarten Donnergrollen, Blitze, Stürme und Feuer. Sie sollen es bekommen! Sie sollen meine Anwesenheit spüren, wissen, dass ich da bin und sie nichts mehr gegen mich ausrichten können.

Der Donner rollt tief und laut über die winzigen Lebewesen auf der Kugel hinweg. Nun wundern sie sich. Soeben noch war alles still. Gleißende Blitze folgen, bewirken erste Zerstörung. Natürlich denken sie, es wäre ein ganz gewöhnliches Gewitter, das nur überraschend aufgezogen ist. Pah, ich und gewöhnlich! Bald werde ich sie eines Besseren belehren. Mit Stürmen haben sie nämlich nicht gerechnet. Stürme, die alles von ihnen mühselig errichtete wegfegen, die alles, was über Jahre hinweg verschlossen war, endlich gründlich durchlüften. Oh, frische Luft tut so gut! Noch erfreulicher wird es doch, wenn es ein wenig schaukelt. Also soll die Erde beben, mir einen letzten Freudentanz aufführen. Und das Beste vom Ganzen: das Licht. Es darf auf keiner Party fehlen. Nichts wäre besser geeignet als Feuer. Das Feuer spendet nicht nur diese dramatische Erleuchtung, sondern auch die höllische Hitze, welche mir so lieb und vertraut ist. Die Menschen hielten es einst für eines der wichtigsten Elemente, wenn nicht sogar für das wichtigste, das sie zum Überleben benötigten. Wie ironisch, dass es in baldiger Zukunft ihre Vernichtung bedeutet. Nichts wird nicht versengt, zu Staub komprimiert, sobald es in seine Nähe gelangt. Wenn die tödlichen Flammen sich einmal ihren grausamen Weg über den gesamten Planeten gebahnt haben, sind sie mehr als unaufhaltsam und gewaltiger als jeder Sturm. Dann leuchtet die Erde wie eine Sonne, bevor sie sich darauf beschränkt, die Lichtmenge eines schwarzen Loches auszustrahlen. Wenn diese Zeit gekommen ist, wenn es keine Zeit mehr für den rauchgrauen Planeten gibt, die Zeit bis auf das letzte Sandkorn der Sanduhr abgelaufen ist, ist mein Werk vollbracht. Dann gibt es keinen Tod mehr, weil es kein Leben mehr gibt, das enden könnte. Kein Ende mehr, vor dem man sich fürchten kann, weil es bereits vorüber ist.

Ich bin geboren, das Lebende sterben zu lassen. Die Welt untergehen zu lasse. Ich, der Weltuntergang, bin geboren.

Und mein Leben, im Gegensatz zu eurem, ist noch sehr lang.

{EINDE VAN DE WERELD}

5.

Ihre Augenlider senken sich langsam über ihre Augen und für einen Moment sieht sie nichts als weiche, ruhige, friedliche und willkommene Dunkelheit. Schnell ist dieser Augenblick vorbei und die Panik um sie herum erreicht wieder ihr Bewusstsein, vermag sie es dennoch nicht zu erobern. Diese versteht nicht. Wieso machen alle es noch schlimmer, als es sowieso schon ist? Es gibt für sie keinen Grund, den Instinkten zu folgen, von hier fort zu flüchten. Nirgendwo ist sie sicher, das weiß sie. Erneut schafft sie es, ihre Umgebung für eine verschwindend kurze Sekunde auszublenden. Eine perfekte runde Träne kämpft sich aus ihrem rechten Augenwinkel. Gefüllt mit Salz, wie jedwede andere auch, enthält nicht etwa den Geschmack von Angst oder Trauer, sondern jenen von tiefer Sehnsucht. Sehnsucht danach, dass dieser Geschmack sich auf der Zunge ihrer geheimen Liebe ausbreiten möge. Dass sie der Besitzerin eben dieser ihr größtes Geheimnis ins Ohr flüstern kann, auf dass es keines mehr sei. Dass sie die Chance erhält, ihren einzigen Herzenswunsch zu erfüllen, welcher bereits seit Jahren in dem Leben und Liebe verkörpernden Organ schlummert. Ein drittes Mal wandeln ihre Lider ihre Sicht in Schwarz, während sie nur noch eines zu spüren vermag: die Sehnsucht, stärker als zu jedem vergangenen Zeitpunkt. Schließlich schafft es eine zweite Träne, dem linken Auge zu entfliehen. Sie rinnt das Gesicht hinab bis zum Kinn, fällt nieder auf den Grund, wo sie ihre vollendete Form verliert. Nur wenig später schlägt der gesamte Körper neben ihr auf, die Muskeln erschlafft, die Augen geschlossen. Niemals wieder sollen die Lider sich heben, die Augen, eines grau wie die Zukunft, eines grün wie die Vergangenheit, preisgeben.

{WELTUNTERGANG}



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