7 - Leere Worthülsen

Kirans POV:

In meinem früheren Bett liegend, starre ich blind für mein altes Zimmer an dessen weisse Decke. Es fühlt sich nicht an wie mein Zimmer. Im Gegenteil, es ist mir fremd. Heute bin ich so viel mehr bei mir als zu der Zeit, als ich hier mit Kaia gelebt habe. Ich fühle mich um Jahre älter. Genau genommen war ich das wohl schon immer, aber jetzt fällt es richtig auf. Es wird eine Herausforderung sein, mit dem was ich erfahren und wiederentdeckt habe, andere nicht vor den Kopf zu stossen. Aber ich werde mein Bestes geben.

Während ich so daliege und mir über die kommenden Tage Gedanken mache, darüber wie die anderen Kinder wohl auf mich reagieren werden, schleichen sich die Erinnerungen an unsere Rückkehr in die Stadt ein.

Als Irven im Wald verschwunden ist, nahmen wir uns noch einen Augenblick Zeit, uns zu sammeln. Das war auch nötig, denn ich fühlte mich schrecklich. Kaia realisierte es sofort und entschied noch etwas zu warten. Ich habe Irven so lange nicht gesehen und nun sind wir endlich wieder in derselben Dimension. Wir dürfen wieder zusammenarbeiten. Aber genau das macht es mir umso schwieriger, dennoch wieder körperliche Distanz zu ihm erfahren zu müssen.

Meine Erinnerungen an unsere gemeinsamen Zeiten in dieser Welt, kamen erst in Andakla zurück. Zuvor spürte ich diese alte und tiefe Verbundenheit, hätte diese aber nie weiter beschreiben können. Nachdem ich diese Gedanken vorbeiziehen lassen konnte und ein paarmal tief geatmet hatte, war ich bereit.

«Wollen wir?», flüsterte Kaia leise und sah mich besorgt an.

Ich nickte ihr zu, was sie, nach wie vor skeptisch, hinnahm. Leise und vorsichtig arbeiteten wir uns weiter zu den Feldern vor, bei denen nach unserem letzten Wissensstand bis in die Nacht hinein Wächter oder Arbeiter anzutreffen sein sollten. So war es dann auch tatsächlich. Es dauerte von unserem Standpunkt aus nicht lange, bis wir erste Stimmen hören konnten. Ich spürte klar und deutlich, wie die sanfte Anspannung in uns allen, um einiges stärker wurde.

Fynn und Kaia wechselten lange einen Blick, bevor er sagte: «Da umzukehren keine Option ist, sollten wir es hinter uns bringen.»

Ich registrierte dabei belustigt, wie er sich selbst Mut machte, in dem er die Schultern straffte. Bald hatten wir die Aufmerksamkeit der Wächter erregt und sie kamen bedrohlich in unsere Richtung. Wir gaben uns indes grosse Mühe, mit viel Lärm und Umständen durch das Gestrüpp zu brechen. Kombiniert mit unserem Schlammbedeckten aussehen, sowie unserer scheinbaren Unbeholfenheit, hätten wir wohl auch für den herzlosesten Menschen noch mitleiderregend ausgesehen. Ich klammerte mich dabei, wie ein Kind es eben tun würde, an meine grosse Schwester und lies ihre Hand nicht einmal los.

«Wer seid ihr?», herrschte uns eine Stimme an.

Auch wenn sie nur oberflächlich böse klang, überlief es mich kalt. Es war ein so harter Kontrast zu allem, was wir in der letzten Zeit erlebt hatten. Fynn übernahm die Führung.

«Ich bin Fynn, das ist Kaia und ihr Bruder Kiran. Die beiden werden seit einiger Zeit vermisst. Ich habe sie gefunden und zurückgebracht.»

Der Wächter zuckte bei dieser Schilderung kaum merklich mit den Augenbrauen nach oben. Auch Fynn entging diese Reaktion nicht und er ergänzte: «Kaia und ich sind schon auf der Arche Freunde gewesen. Ich konnte sie und ihren Bruder nicht der Wildnis und was da draussen alles ist, überlassen.»

Dabei klang er so emotional, dass der Wächter sich tatsächlich keine Widerworte erlaubte.

Also meinte er nur: «Folgt uns.»

Dies taten wir dann auch. Ich nach wie vor an Kaias Hand geklammert, Fynn schützend vor uns und umringt von den Wächtern. Alle drei Wächter schienen noch ziemlich jung. Natürlich nicht im Vergleich zu mir, aber sie konnten kaum viel älter als Fynn und Kaia gewesen sein. Sie führten uns schweigend an den Arbeitern auf den Feldern vorbei, wobei der, der gesprochen hatte, die Gruppe anführte.

Bei diesem Marsch fiel mir, trotz dem wenigen Licht, auf, in welch erbärmlichem Zustand die Felder waren. Es bewegte mich tief und schmerzt mich auch jetzt noch beim Gedanken daran, wie viel die Natur hier unter der düsteren Schwingung auszugleichen hat.

In der Regel tut sie dies auf ihre eigenen Kosten. Bis es kein Zurück mehr gibt, bis sie selbst kaum noch eine Verbindung zur universellen Energie hat. So erlebten wir es auch auf der Erde. Die Natur gibt und gibt, bedingungslos, bis es nichts mehr zu geben gibt. Dann wird sie gezwungen auf sich selbst und ihre Regeneration zu achten, bevor sie endgültig verblasst. Eigentlich derselbe Lernprozess, wie bei uns allen. Dennoch berührt es mich auf eine andere Weise. Wir müssten nur lernen loszulassen. Denn wir besässen genauso alle Fähigkeiten, um in Harmonie zu leben. Doch wir verweigern uns lieber der Konfrontation mit uns selbst und leben auf Kosten anderer. Umso wichtiger ist es, dass wir nun an diesen, zu entgleisen drohende, Ort zurückgekehrt sind. Auch wenn es für uns alle nicht einfach ist.

Zurück auf unserem Weg in die Stadt, passierten wir das grosse Tor, nachdem der Anführer unseres Trupps flüsternd mit einem am Tor gesprochen hatte. Danach wandte er sich an uns.

«Sie werden euch zu den Anführern bringen», sein Ton war nach wie vor hart.

Dennoch konnte ich die leise Enttäuschung darin wahrnehmen, wahrscheinlich hatte er sich erhofft uns persönlich dorthin zu geleiten. Der neue Anführer unseres Trupps erteilte dem Jungen noch den Befehl, wieder auf seinen Posten zurückzukehren, nur um im selben Ton uns zu informieren, dass wir ihm folgen sollten. Als ob diese Selbstverständlichkeit nicht bereits aus der Situation ableitbar gewesen wäre.

Es dauerte nicht lange, bis wir vor dem Verwaltungsgebäude standen. Zügig wurden wir hineingeleitet. Nun zählte es, schafften wir es tatsächlich unseren Weg zurück in die Stadt so sanft zu gestalten? Bis wir vor den Anführern standen, hatte ich nicht die geringsten Zweifel daran. Doch als ich diesen seltsam düsteren Maurus in der Ecke des Zimmers stehen sah, wurde mir nochmals flau im Magen.

Zügig erinnerte ich mich an die ganzen Lektionen, die ich in Andakla hatte und auch in den Träumen davor. Ich spürte Irvens Präsenz klar und deutlich, ebenso die des Reisenden.

Genau genommen, wurde der Raum plötzlich sehr voll. Nur, dass davon ausschliesslich, Kaia, Fynn, Maurus und ich etwas mitbekamen. Die anderen sahen uns durchdringend an. Nichtsahnend darüber, dass der Ausgang dieser Konfrontation nicht in ihrer Macht lag. Der Dominanteste von ihnen übernahm das Reden.

«Wir sind ausserordentlich froh, euch wohlbehalten wieder hier zu haben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Sorgen wir uns um euer Wohlergehen machten. So viele Massnahmen, Erkundungen und Suchtrupps haben wir nach euch gesandt. Leider ohne Erfolg. Vor ein paar Monaten dann verloren wir jede Hoffnung, als wir drei Rucksäcke fanden.»

Eigentlich war der letzte Satz nicht als Frage formuliert, doch an seiner Tonlage konnte ich klar erkennen, dass er eine Erwiderung unsererseits erwartete. Wieder übernahm Fynn die Führung.

«Das waren wohl die Rucksäcke von Darian, Kaia und mir. Mit Verlaub möchten wir uns dafür entschuldigen, euch solche Umstände verursacht zu haben. Aber damals befürchteten wir, dass uns die Wächter zurückbringen würden, bevor wir Kaias Bruder Kiran hier ausfindig machen konnten. Es war weder Darian noch mir möglich, Kaia davon abzubringen, also entschieden wir, dass es sicherer sei, sie zu begleiten.»

Der Anführer sah ihn dabei durchdringend an und erwiderte: «Euer Mut und eure Hingabe ist bewundernswert. Ich sehe, dass ihr Kiran wiedergefunden habt. Jedoch fehlt Darian in eurer Reihe. Wie darf ich das verstehen?»

Er versuchte uns mit seinem einlullenden Ton zu beeinflussen, zu verunsichern, doch Fynn war die Ruhe selbst.

«Unsere Wege trennten sich. Wir hatten gehofft, dass er bereits vor uns zurückgefunden hat.»

«Verstehe, dem ist leider nicht so», antwortete der Anführer und mir fiel auf, dass er kurzzeitig abwesend zu sein schien.

Dabei nahm ich eine Welle von Licht wahr, die den Raum erfüllte. Danach sah er uns wieder direkt an. Maurus schien indes kaum eine Chance, gegen diese Übermacht von Licht, zu haben. Auch wenn er sich sichtlich alle Mühe gab.

«Nun gut, wie mir scheint, habt ihr euer Bestes gegeben, hierhin zurückzukommen. Wie ihr so lange in der Wildnis überleben konntet, werden wir ein andermal klären. Wir werden euch kontaktieren.»

Mit einer wischenden Handbewegung wurden wir entlassen, während Maurus in seiner Ecke frustriert am Oberkörper zusammensackte.

«Wir danken euch, für euer Verständnis», antwortete Fynn, während Kaia und ich leise zustimmende Worte von uns gaben.

Damit durften wir gehen. Selbstverständlich waren wir noch nicht über jeden Verdacht erhaben, deshalb wurden wir von Wächtern zu unserem Haus geleitet. Fynn verabschiedete sich widerwillig von uns. Die Wächter bestanden darauf, dass er bei seinen Eltern schlief. Einerseits freute er sich sicherlich, die beiden beruhigen zu können, in dem sie sehen, dass er noch am Leben war, andererseits wäre ihm wohler gewesen, dieses Treffen noch etwas hinauszögern zu können. Ich konnte diesen Zwiespalt in seinem Feld klar erkennen.

«Gleich Morgen komme ich zu euch», flüsterte er Kaia und mir ins Ohr, als er uns lange umarmte.

Kaia und ich sprachen kaum, während wir uns nacheinander duschten und etwas Kleines assen. Die Wächter orderten gleich als wir rauskamen an, dass man Essen für uns vorbereiten solle. Dieses konnten wir wenig später mitnehmen.

Innerlich durchströmt mich eine tiefe Welle der Dankbarkeit für die Unterstützung, die wir erhielten. Wir waren nicht genötigt riesige Lügenkonstrukte zu bilden, ein paar kleine Änderungen der Realität hatten ausgereicht und nun mussten wir nur noch dafür sorgen, dass es nie zu den Anhörungen kommen wird. Ich bin zuversichtlich, dass uns auch das Gelingen wird. Endlich finde ich Schlaf.

Irven erwartet mich bereits. Ich freue mich ihn zu sehen und zeige ihm meine Dankbarkeit für seine Unterstützung mit den Führern.

«Ich weiss nicht, ob es so einfach gewesen wäre, ohne eure Anwesenheit.»

Während ich rede, streifen wir gemeinsam durch die nächtliche Landschaft. Die Monde haben heute eine harmonische Position zueinander, ihr silbernes Licht verleiht den Wäldern und Hügeln ein beinahe magisches Gewand.

«Ich hoffe, dass ich noch die Überzeugung in mir finde, die es braucht, damit wir nicht an diese Gespräche müssen.»

Irven in seiner grossen Wolfsgestalt sieht mir tief in die Augen. Ich weiss, dass er mir damit versichert immer da zu sein.

«Ich weiss nicht, wie ich mich wieder hier eingewöhnen kann. Ich fühle mich tausende von Jahre alt und stecke in diesem Körper, in dem man mich, wie ein Kind behandelt.»

«Das ist immer die Herausforderung einer neuen Inkarnation. Das weisst du Kiran. Aber du wirst einen Weg finden, damit in Harmonie zu leben. Versuche weiter das fröhliche Wesen zu bewahren, das so viel von dir ausmacht», antwortet mir Irven via Gedanken freundschaftlich.

Ich kann ein Bild vor mir erkennen, was er mir übermittelt und nehme das damit verbundene Gefühl wahr. Es wird mir helfen, mich im Alltag wieder in die Ruhe zu bringen.

«Danke, Irven.»

Als ich aufwache ist es bereits hell draussen. Irven und ich hatten uns im Traum auf einen Hügel gesetzt und von dort dem Sonnenaufgang zugesehen. Dennoch dauerte es wohl noch eine Weile, bis ich anschliessend vollständig in meinem Körper erwacht bin. Ich kann Kaia unten in der Küche hören. Ihre Energie scheint gedämpft. Es fällt ihr ebenfalls schwer, sich wieder hier einzugliedern und wenn ich das richtig herauslese, fehlt ihr die Nähe zu Fynn. Aber ich glaube, dass sie sich dessen noch nicht ganz bewusst ist. Wahrscheinlich schiebt sie es noch vollständig auf die aktuellen Umstände. Doch ich habe sie beobachtet und ausserdem bin ich oft genug mit ihr zusammen in Leben unterwegs gewesen, um solche Feinheiten zu erkennen. Meine Schulung in Andakla hat mir dabei geholfen, wieder die Genauigkeit und Sicherheit in diesen Fähigkeiten zu erlangen.

Ich stehe in Ruhe auf. Mir ist klar, dass ich heute noch nicht zur Schule muss, also habe ich einen Tag hier mit Kaia und ich hoffe sehr für uns, dass Fynn sich von seinen Eltern lösen kann und vorbeikommt. Als ich nach unten in die kleine Küche komme, steht bereits das Essen da. Auch Kaia hat gelernt, sie muss gespürt haben, dass ich im Begriff bin nach unten zu kommen.

«Setzt dich mein Sonnenschein. Ich komme auch gleich. Dann können wir zusammen essen.»

Also setze ich mich hin und warte, bis kurz darauf Kaia neben mir am Tisch Platz nimmt. Wir sehen uns einen Moment in die Augen. Blicken dann aber schnell wieder weg, weil sich dadurch das seltsame, fehlplatzierte Gefühl massiv verstärkt hat.

«Meinst du das Essen schmeckt? Die Pflanzen und Felder sind wirklich in einem grauenhaften Zustand», zweifle ich die Qualität und Lebendigkeit des Gemüses an, nicht ihre Kochfertigkeiten.

«Ich habe mich dasselbe gefragt. Es ist zum Heulen, diese halb toten Pflanzenhüllen zu verarbeiten.»

Nachdem sie das gesagt hat, sitzen wir immer noch nicht essend vor den Tellern und starren das Gemüse an.

«Wir könnten versuchen es mit Licht und Liebe zu beleben», sage ich vor mich hin und spüre, wie Kaias Blick zu mir herüberfährt.

«Warum bin ich nur selbst nicht darauf gekommen», sagt sie und fasst sich an die Stirn.

Also versuchen wir es gemeinsam. Danach sieht das Essen zumindest von seiner Energie her anders aus. Tatsächlich schmeckt es auch gut. Es sättigt nicht gleich, wie die Beeren draussen in der Natur. Aber immerhin gibt es Energie.

«Ich glaube ich werde mich um die Landwirtschaft kümmern, sobald man uns etwas tun lässt», sagt Kaia nun richtig überzeugt.

«Ich spüre auch, dass das der perfekte Ort für dich wäre», antworte ich ihr, während ich ein Bild von ihr sehe, wie sie die Erde wieder zum Leben bringt.

Es berührt mich so sehr, dass ich beinahe Tränen in den Augen bekomme. Dabei erkenne ich, dass sich ihre Härchen an den Armen aufstellen. Sie hat das Bild wohl auch gefühlt. Nach dem Essen räumen wir gemeinsam auf, während ich ihr erzähle, dass ich Irven getroffen habe. Wie früher hört sie mir geduldig zu, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal ein wirkliches zuhören ist. Sie weiss nun, wie viel Realität in diesen Träumen steckt.

Am frühen Mittag hören wir draussen vor unserer Haustür lauter werdende Stimmen. Sofort erkenne ich, dass es Fynn ist. Dem kleinen Jungen würdig, der ich ja offiziell noch bin, stürme ich überglücklich nach draussen und umarme Fynn. Das unterbricht die Diskussion sofort, die er mit dem Wächter führte, der vor unserer Tür seine Position gehalten hat.

Erweicht von unserem Anblick und meiner Freude, lässt er Fynn mit einem Winken eintreten. Dieser ist, wie es scheint, komplett ohne Begleitung zu uns gekommen. Als die Tür hinter uns zu ist, spreche ich ihn gleich darauf an.

«Wie bist du deine Wache losgeworden?», meine Neugierde ist klar erkennbar.

Fynn grinst mich seinerseits an.

«Meine Eltern haben den jungen Mann ziemlich schroff darauf hingewiesen, dass ihr Sohn keine Gefahr darstellt und auch nicht beschützt werden muss. Sie haben ihn fortgeschickt.»

«Schon praktisch, wollen sie das mit ihm da draussen nicht auch versuchen?», mein schelmischer Blick entgeht ihm nicht und er quittiert ihn mit einem weiteren Grinsen.

«Mal sehen, was sie heute bewirken können. Sie sind vorhin los zu den Anführern.»

Gemeinsam setzten wir uns wieder an den Tisch. Ich beobachte den kurzen beinahe sehnsüchtigen Blick, der Fynn Kaia zuwirft. Sie bekommt es allerdings nicht mit und bringt uns allen ein Glas Wasser.

«Ich fühle mich so steif, wenn wir hier so sitzen. Wollen wir hoch in mein Zimmer. Dann sind wir auch etwas weiter weg von den zwei lauschenden Ohren da draussen», mit dem Blick nach draussen weisend, stellt Kaia ganz sicher, wen sie meint.

«Klar.», antwortet Fynn rasch und gemeinsam gehen wir hoch.

Zu dritt sitzen wir auf dem Bett und tauschen uns über den vergangenen Abend aus. Wie ich richtig wahrnahm, haben auch Fynn und Kaia realisiert, was im Raum geschehen ist. Fynn erzählt anschliessend, wie es ihm dabei ergangen ist, seine Eltern wieder zu treffen.

«Es war irgendwie seltsam. Ich verstehe nochmals besser, wie es euch mit euren Eltern gehen muss. Ich habe einfach nicht mehr denselben Bezug zu ihnen, wie früher. Wobei wenn ich ehrlich bin, wart ihr damals schon ein zentralerer Punkt in meinem Leben als sie. Aber jetzt ist es offensichtlicher. Es ist etwas schwierig, denn für sie hat sich nichts geändert.»

Nach diesen Worten wird er nachdenklich und ich kann die Auseinandersetzung in ihm sehen. Es fällt ihm schwer, sie vor den Kopf zustossen und das möchte er auch nicht unbedingt.

«Du wirst einen Weg finden, mit ihnen umzugehen und sie nicht vor den Kopf zu stossen. Hast du ihnen von unseren Erlebnissen erzählt?», fragt Kaia, die wohl zum Selben Schluss gekommen ist wie ich. Dabei greift sie nach seiner Hand, um das Gefühl in ihrer Stimme zu unterstreichen.

Seine Schultern verlieren an Spannung, als er durchatmet und sie ansieht.

«Ich habe nur ein paar kleine Dinge erwähnt und ihnen erklärt, wie wir Essen gefunden haben. Solche Dinge eben. Aber Andakla wäre wohl noch zu viel für sie.»

«Verstehe», antwortet Kaia, die immer noch Fynns Hand hält.

Ich glaube, sie merkt es nicht einmal bewusst. Er jedoch schon. Ich freue mich für ihn. Schon früher ist mir aufgefallen, wie sehr er sie mag. Also versuche ich mich möglichst ruhig zu verhalten, damit ich diesen Moment nicht unterbreche.

«Meinst du, sie können uns helfen, dass wir nicht zu diesen Anhörungen müssen und wir normal arbeiten können?», fragt sie nun weiter.

«Ja, wahrscheinlich. Weisst du denn jetzt klar, wo du hingehörst?», fragt Fynn zurück.

Kaia wird ganz freudig aufgeregt und sieht mich an. Dabei zieht sie ihre Hand von Fynns weg und gestikuliert, während sie spricht.

«Kiran und ich hatten heute Morgen so eine Art Eingebung zur Bestätigung. Seither sind wir vollkommen sicher, dass ich bei den Feldern am Meisten werde bewirken können. Ich habe so viel gelernt über Pflanzen und wie sie wachsen, was sie brauchen. In erster Linie ist es Liebe und Hingabe. Vielleicht gelingt es mir darüber die Menschen dort zu erreichen.»

Während sie erzählt, leuchten ihre Augen immer mehr. Es ist sehr hübsch anzusehen. Da ich in der Unterhaltung gerade nicht gebraucht werde, lege ich mich in ihren Schoss. Sanft streicht sie mir durchs Haar und ich geniesse die Nähe.

«Ja, das passt sehr zu dir. Schauen wir was sie machen können. Aber wenn du dahin gehörst, wirst du dahin kommen», dabei lächelt Fynn gedankenverloren.

«Was würdest du denn gerne machen?»

«Ich weiss es nicht genau. Vielleicht könnte ich unterrichten oder so. Da könnte ich mit den Kindern arbeiten. Als Wächter würden sie mich nie nehmen und da will ich auch nicht hin.»

Ich spüre, dass sich da noch einiges bewegen wird, behalte meine Gedanken aber für mich. Denn es scheint tatsächlich so, dass Fynn seinen Platz in der Hinsicht oder sein Potenzial noch nicht entdeckt hat. Seine Fähigkeiten sind klar sein Einfühlungsvermögen und sein Talent zu sprechen. Doch wie sollte er an eine Position kommen, in der das alles abgedeckt ist und für die man ihn auch zulässt. In dem Augenblick erhalte ich eine Botschaft von Irven.

Alles wird sich klären und dazu ein Bild von Fynn. Eine Art Botschafter oder Vermittler für Ruhe und besseres Verständnis innerhalb der Stadt. Ich lächle bei dem Bild. Es ist noch nicht soweit, dass ich es mit den beiden teilen kann. Doch mir ist nun klar, was seine Aufgabe sein wird und sie gefällt mir gut. Es passt sehr gut zu ihm.

So zieht der Nachtmittag an uns vorbei. Abends kommen Fynns Eltern bei uns vorbei und bieten uns an hier für uns alle zu kochen, so dass wir gemeinsam Essen können. Wir nehmen das Angebot dankend an.

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