Kapitel 4: Erinnerungen an die Schlacht
Der Abend war kühl, als Hermine Granger in der Bibliothek saß und versuchte, sich auf ihre Studien zu konzentrieren. Die Regale um sie herum waren voll mit alten, staubigen Büchern, die sie für ihre Hausaufgaben durchgehen musste. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Draco Malfoy ab. Ihr Verstand kämpfte damit, das Bild zu verarbeiten, das sich immer weiter vor ihr entfaltete: Der Draco Malfoy, den sie vor Jahren gekannt hatte, war ein ganz anderer als der junge Mann, der heute in den Fluren von Hogwarts umherging.
Hermine hatte immer noch Schwierigkeiten, die Veränderungen zu begreifen. Seine Haltung war anders, ja, aber noch mehr verwirrte sie der Blick in seinen Augen. Es war nicht mehr der arrogante, hochnäsige Blick eines verwöhnten Erben des Hauses Malfoy, sondern etwas viel Tiefgründigeres, das sie nicht sofort einordnen konnte. Doch an diesem Abend konnte sie sich nicht einfach von ihren Gedanken ablenken lassen. Es gab Aufgaben zu erledigen. Die bevorstehenden Prüfungen standen an, und sie musste sich darauf konzentrieren.
Die Tür zur Bibliothek öffnete sich leise, und Hermine hörte, wie jemand langsam die Stufen heraufkam. Sie drehte sich nicht um, um zu sehen, wer es war, und vertiefte sich wieder in ihre Notizen. Doch dann ertönte eine bekannte, leicht raue Stimme, die ihren Namen rief.
„Granger."
Hermine erstarrte. Sie wusste sofort, wer es war. Draco Malfoy.
„Was willst du?", fragte sie ohne sich umzudrehen, ihre Stimme war kühl, aber sie konnte das leichte Zittern in ihr nicht verbergen. Es war nicht der Moment für eine Auseinandersetzung, und doch hatte sie das Gefühl, dass er sie unbedingt ansprechen wollte.
„Ich wollte mit dir reden", antwortete er leise, als ob er sich bewusst war, dass er ihr keine weiteren Angriffsflächen bieten durfte. Hermine drehte sich nun langsam zu ihm um. Draco stand da, eine Hand in seiner Tasche vergraben, die andere leicht erhoben, als wolle er etwas sagen, sich aber nicht trauen.
„Was ist los, Malfoy?", fragte sie, bemüht, ruhig zu bleiben. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Warum stehst du hier und redest mit mir, anstatt zu verschwinden wie früher?"
Draco trat einen Schritt näher, und für einen Moment fühlte Hermine sich von seinem Blick gefangen, als er sie anstarrte, ohne ein Wort zu sagen. Sie konnte die Unsicherheit in seinen Augen sehen, die er nicht in Worte fassen konnte. Hermine seufzte, setzte ihren Blick wieder auf ihre Bücher, aber die Stille zwischen ihnen schien plötzlich erdrückend zu werden.
„Es tut mir leid", sagte Draco schließlich, und diese Worte klangen so wenig wie alles, was sie je von ihm gehört hatte. Es war keine entschuldigende Geste, keine Form der Reue, wie sie sie erwartet hatte, sondern eine einfache, fast schüchterne Feststellung. Sie sah ihn an und erkannte, dass es nicht nur eine Entschuldigung war, sondern eine Bitte, um Verständnis, die er aussprach.
„Was tut dir leid, Malfoy?", fragte Hermine, ihre Stimme war wieder schärfer. Sie konnte es kaum fassen, dass er tatsächlich ein Gespräch mit ihr suchte, nachdem all die Jahre voller Bitterkeit und Hass vergangen waren.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", antwortete er. „Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Ich habe nie gewollt, was passiert ist. Ich habe nicht wirklich gewusst, was ich tat."
Hermine sah ihn an, als ob sie sich einen Moment lang in einem Albtraum befände. Draco Malfoy, der Junge, der einst einen Imperius-Fluch gegen andere eingesetzt hatte und sich in den Reihen der Todesser wiederfand, schien ihr nun so verloren. Ein Teil von ihr wollte ihm immer noch nicht glauben. Doch ein anderes, leiseres Gefühl drängte sich durch ihre Wände der Abwehr.
„Du redest von der Schlacht, nicht wahr?", fragte sie leise.
Er nickte und senkte den Blick, als der Schmerz in seinen Augen wiederauflebte. „Es gibt Dinge, die man nicht einfach ablegen kann. Dinge, die man nicht ungeschehen machen kann. Ich..." Draco zögerte und sah dann auf, als ob er endlich den Mut fand, die Worte auszusprechen, die er all die Jahre unterdrückt hatte. „Ich war kurz davor, Harry zu töten. Und es hätte keinen Unterschied gemacht. Ich war so in meiner eigenen Welt, dass ich nicht sah, was ich tat. Ich wusste nicht, wie falsch alles war, bis es fast zu spät war."
Hermine blieb stumm. Sie hatte schon oft darüber nachgedacht, was er in dieser Nacht getan hatte, und wie er an der Schwelle zwischen Tod und Leben gestanden hatte. Doch sie hatte nie wirklich versucht, es aus seiner Perspektive zu sehen. Jetzt, in diesem Moment, begannen sich die Puzzleteile zu verbinden.
„Ich... Ich habe immer das Gefühl, dass ich nicht genug tue, um das wiedergutzumachen", sagte er schließlich. „Ich weiß, dass du mir nie verzeihen wirst, Granger. Aber... ich wollte, dass du das weißt."
Für einen Moment war alles still. Hermine fühlte die Schwere seiner Worte in der Luft, und der Druck in ihrem eigenen Herzen war kaum auszuhalten. Sie sah ihm in die Augen, sah den Jungen, der sie einst gehasst hatte, aber der jetzt irgendwie, auf seine eigene Weise, um Vergebung bat.
„Du bist nicht der Einzige, der mit seiner Vergangenheit zu kämpfen hat, Malfoy", sagte sie schließlich, ihre Stimme sanft, aber fest. „Aber das bedeutet nicht, dass du dich einfach verstecken kannst. Du musst Verantwortung übernehmen – für das, was du getan hast, und für das, was du noch tun kannst."
Draco nickte, und in seinen Augen war ein Hauch von Erleichterung, als ob er endlich eine Form der Anerkennung erhalten hatte. Doch seine Lippen verformten sich zu einem traurigen Lächeln, das mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete.
„Vielleicht ist das der Anfang", murmelte er. „Der Anfang, um es irgendwie richtig zu machen."
Hermine nickte und blickte auf ihre Bücher, versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es war ein seltsamer Moment – ein Moment, in dem sie Draco Malfoy nicht mehr als den Feind sah, sondern als jemanden, der ebenso von der Vergangenheit gezeichnet war wie sie selbst. Doch ob sie ihm tatsächlich vergeben konnte, wusste sie nicht. Es war ein langer Weg, der noch vor ihnen lag.
„Vielleicht", sagte sie leise und fügte hinzu: „Vielleicht müssen wir einfach beide versuchen, vorwärts zu gehen."
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