Kapitel 3

Mit offenen Augen starre ich an die dunkle Decke und wippe in meinem Bett leicht hin und her, während ich immer wieder mit meinen Händen über die Decke fahre, unter der es mir langsam viel zu warm wird. Ich weiß nicht wo mir der Kopf steht, denn ununterbrochen schleichen sich neue Gedanken in meinen Kopf,  die meine Nervosität ein bisschen mehr begünstigen. Meine Hände sind durch das ganze Reiben aneinander feucht und ungünstiger weise fühle ich mich als hätte ich Fieber, was ich jedoch auf die Aufregung schiebe, die sich in mir breit macht.
  The Havering Company.
  Nicht eine Sekunde habe ich daran gedacht, ausgerechnet dort angenommen zu werden. Zwar konnte ich ein hervorragend abgeschlossenes Studium in Wirtschaftspsychologie an der Universität von Oxford vorweisen, jedoch muss Glück in diesem Fall eine sehr große Rolle gespielt haben. Ohne Verbindungen zu dieser Firma zu haben, ist es so gut wie unmöglich hinein zu kommen.
  Umso mehr freut es mich, eine Zusage erhalten zu haben.
  Bei dem Gedanken bildet sich ein Lächeln auf meinen Lippen, welches durch den Gedanken an den ersten Arbeitstag sofort wieder verwischt.
  Ich freue mich, doch bereitet es mir gleichzeitig auch ein bisschen Angst. Von ganz vorne anzufangen, war mein Plan gewesen, doch ich kann nicht einfach so etwas zurück lassen, dass mich seit Jahren prägt, und mir es erschwert, einen vernünftigen Start hinzulegen, denn es wird mich weiterhin verfolgen, ob ich damit einverstanden bin oder nicht. Es kennt keine Gnade. Und ich selbst gebe mir die Schuld dafür.
  Langsam und noch leicht verschlafen, drehe ich meinen Kopf und starre den Wecker an. 6:15. Normalerweise hätte ich noch eine Viertelstunde, doch heute bin ich vor meinem Wecker wach.
  Ausnahmsweise.
  Ich kralle meine Hände in das Kopfkissen, um das Zittern unter Kontrolle zu bringen, welches sich unaufhaltsam in meinem Körper ausbreitet. Nichts macht mich so nervös wie wo neu anzufangen. Es graut mir fast davor. Doch eine andere Chance habe ich nicht. Kein Weg, der es irgendwie verhindern könnte.
  Die Nacht war schrecklich gewesen. Ich konnte kein Auge schließen und wenn, dann wachte ich nach guten zehn Minuten wieder auf, die sich ziemlich oft wiederholten. Um es hochzurechnen, konnte ich mir gerade Mal eine Stunde Schlaf leisten.
  Ich seufze und schließe kurzzeitig meine Augen, wobei mir kontinuierlich dieser eine Satz vorschwebt.
Mein erster Arbeitstag bei The Havering Company.
  Ununterbrochen. Es treibt mich komplett in den Wahnsinn. Es macht mich nervöser als ich es vor meinem letzten Vortrag an der Uni war, und da war ich gefühlt kurz vor einem Herzversagen oder hätte bestenfalls ein Stotterkonzert erster Klasse abgeliefert, wenn mich meine beste Freundin nicht beruhigt und mir gut zugeredet hätte! Wie sollte ich es denn jetzt schaffen, ohne mich zu blamieren?
  Ich mein, nicht jeder bekommt auf Anhieb eine Zusage von The Havering Company.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, um mich wenigstens ein kleines bisschen zu beruhigen, denn selbst meditieren, was ich schon seit Mitternacht probierte, wenn ich mal wieder aufwachte, hatte nicht die Wirkung, die ich mir erhofft hatte. Ich konnte nicht eine Sekunde lang ruhig sitzen, obwohl ich mir total die Mühe gab, und ich bin so schon kein Freund des Stillsitzens.
  Ich stöhne auf, als mein Wecker schließlich doch klingelt.
  Mist.
  Am liebsten würde ich mich den ganzen Tag unter meiner Decke verkriechen und nicht mehr herauskommen.
  Vielleicht würden sie ja gar nicht bemerken, dass ich nicht da bin?
  Da arbeiten tausende von Menschen, und da würde keinem auffallen, wenn eine kleine Skye nicht auftauchen würde.
  Doch umso länger ich über diesen Gedanken nachdenke, umso banaler kommt er mir vor.
  Ich reibe meine Augen und krieche ich von meinem Bett, verweile jedoch einen kurzen Moment auf der Bettkante, um mich zu sammeln. Ich werde das hinbekommen, und niemand wird mich dabei aufhalten!
  Noch müde trabe ich ins Bad, ohne dabei wirklich meine Augen zu öffnen. Zu kraftlos bin ich, um mich dafür zu überwinden.
  Blind tappe ich nach dem Lichtschalter, den ich nach ein paar Sekunden schließlich finde. Am liebsten hätte ich ihn nicht gefunden und das Licht ausgelassen, denn was ich im Spiegel sehe, versetzt mir einen Schock.
  Heiliger Mist.
  Die Nacht hat deutlich ihre Spuren hinterlassen, denn unter meinen Augen zeichnen sich Augenringe, die man von Timbuktu aus noch sehen kann, meine langen Haare stehen in alle Richtungen ab, als hätte ich die Nacht in der Steckdose verbracht, und meine Haut ist so blass, dass es einer Begegnung mit einer Leiche gleicht.
  So kann ich doch niemals dort erscheinen!
  Panisch schaue ich auf die Uhr. 6:42. Ich habe noch eine gute halbe Stunde, um an der U-Bahn Station zu sein, um pünktlich anzukommen.
  Okay. Keine Panik kriegen, Skye. Keine Panik kriegen. Alles wird gut!
  Ich versuche mich innerlich zu beruhigen, so gut es nur ging, atme tief ein und aus, und steige in die Dusche, in der mir eiskaltes Wasser über den Rücken läuft und mich nun endgültig wach macht.
  Anschließend nehme ich mir meine Augenringe vor und probiere sie irgendwie in den Griff zu bekommen. Meine Haare bürste ich einmal kräftig durch, föhne sie, und schmiere mir leicht getönte Tagescreme ins Gesicht, damit ich nicht aussehe, wie ein Zombie.
 Noch etwas Puder und letzten endlich mein Outfit, das aus einer Jeans, einem lockeren weißen T-Shirt, sowie einem Blazer und einem Mantel besteht. Das Ganze wird mit High-Heels abgerundet, die mir schon jetzt Fußschmerzen bereiten.
  Schnell laufe ich in die Küche, um mir mein Frühstück zu schnappen, wobei ich auf Sam treffe. Ihre Lockenmähne steht dabei in alle Richtungen.
  ,, Na, aufgeregt?" Lässig sitzt sie an der Theke und schiebt sich ihr Müsli in den Mund.
  Im Gegensatz zu mir, hat Sam nicht das Bedürfnis aufgeregt zu sein. Es ist ihr ein Fremdwort. Möglicherweise fehlt ihr einfach das dafür zuständige Hormon. Und in diesem Moment würde ich mir wünschen, dass es auch bei mir fehlt.
  ,, Mir geht es zwar wie vor einem vermeintlichen Herzinfarkt oder so etwas ähnlichem, konnte die ganze Nacht nicht schlafen, aber sonst ist bei mir alles in bester Ordnung, wie man sehen kann", sage ich sarkastisch, lasse meine Schultern hängen, und nehme einen Schluck Wasser.
  ,, Beruhige dich, Skye! Das wird schon schief gehen! Die haben dich nicht aus Spaß angenommen, sondern weil du wirklich was auf dem Kasten hast, und das kann ich als deine beste Freundin wirklich bezeugen", antwortet sie augenverdrehend, woraufhin auch ich die Augen rolle. Sie muss es wissen.
  ,, Du hast eindeutig gut reden. Du musst nicht gerade bei einem der angesehensten Unternehmen in London heute deinen ersten Arbeitstag haben." Ich fuchtle mit meinen Händen in der Luft herum.
  ,, Immer schön tief ein und aus atmen." Sie setzt sich vor mir auf und macht es vor. ,, Anders verschlimmerst du es nur, und das wird dir nicht weiterhelfen.“
  Theoretisch gesehen, könnte sie auch Psychotherapeutin sein. Praktisch wäre das ein ganz anderer Fall.
  ,, Du weißt, dass ich es nur gut meine, und das Beste nach allem für dich will“, fügt sie hinzu und nimmt mich in den Arm. Für einen Moment tut es gut, und auch die Aufregung scheint sich ein wenig zu legen.
  ,, Danke, Sam!“ Ich löse mich aus der Umarmung. ,, Manchmal wüsste ich nicht, was ich ohne dich machen würde, auch wenn du mich manchmal wirklich zur Weißglut bringen kannst“, füge ich schmunzelnd hinzu.
  ,, Hey!“, ruft sie, kann sich aber schlussendlich ihr Lachen nicht verkneifen.
  ,, Jetzt aber los mit dir!“ Sie gibt mir einen Klapse auf den Hintern. ,, Sonst kommst du noch zu spät, und das wollen wir doch nicht!“
  ,, Yes, Mum!“
  Mit gestrafften Schultern begebe ich mich Richtung Tür, als ich über einen Karton fliege. Woher kommt der denn?
  ,, Sam!", fluche ich und schaue sie verärgert an. ,, Was soll der
Mist? Du solltest die doch wegräumen!"
  ,, Ich mache die ja noch weg“
  ,, Bitte zügig." Mit diesen Worte richte ich noch einmal meine Kleidung und verlasse das Apartment.
  Mir bläst ein kalter Wind entgegen als ich die Straße entlang laufe, und lässt meine Nase zu einem Eiszapfen werden. Ich hätte doch den Schal anziehen sollen.
  Mit hochgezogenem Mantel gehe ich an all den Frühpendlern vorbei, wobei einer weniger Platz macht als der andere und nehme schließlich die U-Bahn, die mich zügig nach Moorgate bringt, an der ebenso viele Menschen ein- wie aussteigen.
  Ich atme tief ein. Versuche die frische, kühle Luft einzufangen, als wäre sie hier anders, als bei mir vor der Haustür.
  Doch die Entspanntheit hält nur für einen kurzen Moment an. Die Schnelligkeit, die hier herrscht überrumpelt mich ein wenig. Sie rennen quasi zu ihren Arbeitsplätzen. Man könnte es glatt mit einem Schlussverkauf zur Weihnachtszeit vergleichen.
  Ich schüttle den Kopf.
  Zudem stellte es sich als schwierig heraus, auch nur in ein einziges Café zu kommen, um meinen geliebten Milchkaffee zu bekommen, der mir den Morgen ein wenig erheitern sollte. Nur der Gedanke daran, keinen zu ergattern, lässt die Alarmglocken in mir läuten. Darauf kann und will ich nicht verzichten.
   Mehrere Menschen stehen vor mir in der Schlange, die darf warten ihre morgendliche Routine mit einem Kaffee oder Cappuccino zu starten.
  Überwiegend tragen sie feine, maßgeschneiderte Anzüge, dessen Preis ich nicht wissen möchte, und wenn, dann käme mir der Übel.
  Ab heute gehöre auch ich dazu.
  Zu den Großen.
  Vermutlich nicht mit einem Anzug, aber mit dem Wissen, dass ich erlernte. Ich mag kein Unternehmen leiten oder in irgendeiner Führungsposition angestellt sein, doch das machte mir nichts.
  Ich hatte das erreicht, was ich wollte, und damit bin ich zufrieden.
  Nach gefühlten Stunden komme ich endlich an den Schalter. Eine junge Frau, die meines Alters sein könnte, schaut mich freundlich an. Auf ihrem Kopf befinden sich Elchsohren, die mich Schmunzeln lassen.
  ,, Was kann ich für Sie tun?“ Vermutlich träumt sie nachts von der Frage.
  ,, Hi, kann ich eine Vanille- Milchkaffee ohne Sahne bekommen?" Mir läuft das Wasser im Mund zusammen bei dem Gedanken ihn gleich trinken zu können.
  ,, Klar. Das macht dann £3.50."
  Ich greife in meine Tasche und hole ein paar Pfund raus, die ich ihr rüber reiche.
  Mit einem  ‚ Einen Moment, bitte‘ begibt sie sich zur Maschine und händigt ihn mir ein paar Minuten lächelnd aus.
  ,, Danke." Ich nehme den  Milchkaffee entgegen, wobei ich mir fast die Finger verbrenne, und demnächst wahrscheinlich auch meine Zunge. Gott, verdammt! Wieso muss der denn so heiß sein?
  Mit Mühe kann ich ihn aufrecht halten. Doch bei der Menge habe ich Angst, dass er gleich auf meiner Kleidung landet.
  Hektisch versuche ich die Tür des Cafés zu erreichen, was sich schwieriger herausstellte als gedacht. Konnte hier denn keiner wenigstens ein bisschen Platzt machen?
  Die Gäste stehen so press aneinander, dass es unmöglich ist, auch nur Millimeter voran zu kommen, weshalb ich mich mit meinem Ellenbogen durch die Masse drängle.
  Mit voller Wucht rammt mir dabei ein ziemlich aufgebrachten Mann seinen Ellenbogen in die Rippe, was mich kurz aufquiken lässt.
  ,, Au. Passen Sie doch auf!", fluche ich.
  ,, Nicht meine Schuld, Ma'am." Der große Mann mit Bart und Glatze zuckt mit den Schultern und dreht sich wieder um.
  Unfassbar! Noch nicht einmal ein ,Entschuldigung'.
Kopfschüttelnd drehe ich mich wieder um, und laufe gegen eine steinharte Brust.
  Das kann doch jetzt nicht wahr sein!
  Bevor ich überhaupt reagieren kann, muss ich mit ansehen, wie sich mein Kaffee auf dem strahlend, weißen Hemd der Person vor mir verteilt. Scheiße!
,, Oh mein Gott, es tut mir so, so leid." Panisch schnappe ich mir ein Tuch von dem Tisch neben mir und versuche, auch wenn nichts passiert, den Kaffeefleck irgendwie wegzubekommen.
  Gott ist das peinlich!
  ,, Ma'am? Sie wissen schon, dass das nichts bringt?"
  Aus den Augenwinkeln kann ich sein Schmunzeln sehen. Das sehe ich doch gerade selbst!
  ,, Man kann es ja mal versuchen..." murmle ich leise vor mich hin und fühle, wie meine Wangen anfangen zu glühen.
  Beschämt langsam schaue ich auf. Schlagartig wird mir schlecht.
  Ausgerechnet er ?! Wie groß kann denn der Zufall sein, dass man sich in so kurzer Zeit, in noch so einer so großen Stadt, mehrfach begegnet?
  Zudem realisiert auch er, dass ausgerechnet ich vor ihm stehe.
  ,, So sieht man sich also wieder.“ Er schmunzelt. ,, Irgendwie scheinen Sie es mit mir zu haben – ich meinte natürlich das Anrempeln.“
  ,,Jaa. Was für ein Zufall, nicht wahr?" Errötet versuche ich ihm nicht in die Augen zu sehen.
  ,, Und dieses Mal habe ich Milchkaffee auf meinem Hemd.“ Er riecht kurz daran. ,,Auch noch mit Vanille." Mit einem Grinsen schaut er auf sein Hemd, dann hebt er seinen Kopf, und schaut mit seinen Augen, die mich bei unserem ersten Treffen schon wahnsinnig machten, direkt in meine.
  Für kurze Zeit bleibt mir die Luft weg, ehe ich mich wieder sammle.
  ,,Ich werde Ihnen auf jeden Fall die Reinigung bezahlen oder ich ersetze es, Sir“, versuche ich abzulenken, um mir nicht anmerken zu lassen, was für eine Wirkung er auf mich hatte. Am liebsten würde ich gerade im Boden versinken.
  ,, Machen Sie sich darauf keine Gedanken. Es ist doch nur ein Hemd, welches man ersetzen kann." Er sieht mir in die Augen.
  ,,Wahrscheinlich ein sündhaft teures Hemd", murmle ich leise vor mich hin, mit der Hoffnung, dass er es nicht hört.
  ,, Ja, da haben Sie wohl recht." Verdammt. ,, Aber auch das ist ersetzbar.“
  ,, Ich werde mir auf der Arbeit ein neues anziehen, und schon wäre das Problem im Handumdrehen gelöst." Mit seinen Händen streift er über sein Hemd, wobei sich sein trainierter Oberkörper leicht zu erkennen gibt. Unwillkürlich entfährt mir ein Seufzer.
  Wie sehr ich ihn gerade begehrte.
  Lustvolles Kribbeln durchfährt meinen Körper und am liebsten hätte ich meine Hand ausgestreckt, um ihn zu berühren.
  Ich schüttle den Kopf. Dieser Gedanke ist absurd.
  ,, Ehm, ich muss dann auch mal gehen." Hastig löse ich mich von seinem Anblick und komme so langsam wieder in die Realität zurück.
  Immer noch halte ich meinen Becher in der Hand, den ich mittlerweile fast zerquetscht hatte.
  ,, Auf Wiedersehen.“
  Mit aller Kraft drücke ich mich durch die immer mehr gewordene Menschenmasse, und lasse ihn stehen ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, auch wenn ich weiß, dass er mir genau in dem Moment hinterherschaut
  Mit einem Kribbeln im Bauch und dem Milchkaffee in der Hand, verlasse ich das Café.
 
 


Hey ihr Lieben,

mein drittes Kapitel ist nun online und irgendwie hat Wattpad Lust, mir in diesem Kapitel die Zeilen und Wörter auseinander zu ziehen 😅 Ich hoffe, es stört euch dennoch nicht.

Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem!
Wenn ihr Freude daran hattet, lasst doch ein Vote und Comment da! Es würde mich riesig freuen.

Bis hoffentlich und bald zum nächsten Kapitel.

Alles Liebe,
Eure Vanessa ❤

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top