Damals - mit 6

Lachend drehte Magnus sich auf die Seite, schaute zu seinem Freund herüber. Sie hatten Imogen gebeten, in den Ruheraum gehen zu dürfen, hatten sich Kissen und Decken auf einen Haufen geworfen und gespielt, dass sie Igel in einem Laubhaufen seien. Dann waren sie weggedöst, ihre Kinderhände in einander verschränkt. Es war der letzte Monat im Kindergarten und beide waren unheimlich froh, dass sie in die gleiche Klasse gehen würden, sobald die Schule begann.

Auch Alexander war wieder aufgewacht, hielt die Augen geschlossen. Magnus piekste ihm in die Seite, um ihn zu wecken, doch wurde von seinem Freund überrascht, der sich auf ihn schmiss und ihn tiefer in die Kissen drückte. Sie wälzten sich herum, bis sich ihre Körper fast zum Boden vorgearbeitet hatten.

Japsend blieben sie liegen. Magnus grinste Alexander an und sagte, was ihm durch den Kopf ging. „Wenn ich groß bin, werde ich dich heiraten, Alexander."

Alexander wich erschrocken zurück, löste die Berührung ihrer Hände, Schultern, Knie. Er wollte lächeln und Magnus sagen, dass er das schon längst entschieden hatte. Aber er erinnerte sich an die Worte seiner Mutter und wurde traurig.

„Das geht nicht.", antwortete er reserviert.

In Magnus Stirn grub sich eine senkrechte Falte. Er konnte nichts dagegen tun, böse auf Alexander zu werden. Wieso sagte er das? Sie waren beste Freunde, für Magnus war es lange klar gewesen, dass sie auch ewig Freunde bleiben würden. Und wen man liebt, den heiratet man, oder so ähnlich.

„Warum?", grummelte er mit verschränkten Armen.

Alexander verdrehte die Augen, denn Magnus hatte offenbar einfach keine Ahnung. Wieso brachte Magnus Mutter ihm sowas nicht bei? Von Maryse wusste er viel über das Leben.

„Weil Jungs nicht heiraten dürfen.", wies er Magnus auf die Tatsachen hin. Es war also ganz egal, ob er ihn auch heiraten wollte, denn Alexander würde sicher nichts tun, was verboten war.

„Stimmt doch gar nicht!", schrie Magnus mit heller Stimme auf und schleuderte Alexander ein Kissen ins Gesicht, das ihn unvorbereitet traf. Alexander packte es und warf es zurück. Er verfehlte Magnus und warf noch zwei hinterher, die ihn trafen. „Wohl, hat meine Mama gesagt!", schrie er zurück. Wieso war Magnus so böse auf ihn? Er konnte doch nichts dafür, dass das die Regeln waren!

Magnus lief auf Alexander zu und schubste ihn in die Kissenburg, wurde jedoch am Arm hinterher gezogen. „Deine Mama ist doof!", brüllte er. Und heulte schmerzerfüllt auf, als Alexander ihm auf die Nase boxte.

Es hatte geknackt und nun tat es weh.

„Imogeeeen!" Magnus rannte zur Tür, riss sie auf und rief erneut nach der Erzieherin. Tränen liefen seine runden Wangen hinab, Blut tropfte aus seiner Nase.

Eilig kam die ältere Frau auf ihn zu und hob ihn hoch in ihren Arm. „Was ist denn mit dir passiert?" Sie trug ihn zurück in den Ruheraum, zog Taschentücher hervor und tupfte das Blut von Magnus' Oberlippe, merkte jedoch schnell, dass es nicht aufhören wollte, zu laufen.

„Alexander hat..." Magnus schluchzte. Alexander lag noch immer wie erstarrt auf dem weichen Hügel, starrte an die Stelle, an der Magnus gekniet hatte, als die Fingerknöchel mit dem Nasenrücken kollidiert waren. Das hatte er doch gar nicht gewollt! „Alexander hat mich gehauen.", schniefte Magnus. Und sofort überkam Alexander wieder die Wut. „Nur weil du gesagt hast, dass meine Mama doof ist!", schrie er. Ein strafender Blick der Erzieherin traf ihn.

„Jetzt beruhigt euch erst mal. Ich rufe einen Arzt an, Magnus. Und bis der kommt, sprechen wir darüber, warum ihr euch haut."

Um die beiden nicht erneut alleine in dem Raum zu lassen, nahm sie Magnus mit, während sie telefonierte. Dann hockte sie sich mit den beiden in den Raum und schloss die Tür.

„Ihr seid doch beste Freunde. Was ist passiert?", stellte sie die zwei zur Rede. Magnus presste sich ein Handtuch aufs Gesicht, das notdürftig das Blut aufsaugte. Alexander warf ihm einen besorgten Blick zu und begann, zu erzählen.

„Magnus hat gesagt, er heiratet mich, aber Mama hat gesagt, Jungs dürfen das nicht. Dann hat Magnus gesagt, meine Mama ist doof." Er schaute beschämt zu Boden. „Ich wollte ihm nicht wehtun. Aber meine Mama ist nicht doof."

Magnus nahm das Handtuch vom Gesicht. Das konnte er nicht unkommentiert lassen. „Ist sie wohl! Deine Mama lügt doch!", klagte er Alexander an, der die Lippen aufeinander presste. Er wurde wieder wütend, aber Magnus war schon verletzt, er müsste sich zusammenreißen.

Imogen lächelte beide milde an und Alexander war froh, dass sie ihm nicht sofort die Schuld gab.

„Nun, deine Mama hat Recht, dass ihr nicht heiraten dürft, aber das liegt daran, dass ihr sechs Jahre alt seid. Nicht daran, dass ihr Jungs seid. Wenn ihr wolltet, dann dürftet ihr in zwölf Jahren heiraten.", erklärte sie ganz nüchtern, wohl wissend, dass es Maryse Lightwood ziemlich gegen den Strich gehen würde, wenn Alexander ihr davon erzählte.

Alexander staunte. Hatte Magnus Recht und seine Mama hatte gelogen? Konnte er Magnus wirklich heiraten? Und wollte der das jetzt noch, wo sie sich gestritten hatten? Oder würde er es in zwölf Jahren noch wollen? Das war noch so lange hin...

Später brachte Imogen den Verletzten zum Notarzt, die Eltern waren bereits informiert. Alexander hatte dem Freund in seiner Wut die Nase gebrochen, die nun eingegipst werden sollte. Magnus fand sich unheimlich tapfer, dass er noch nicht nach seiner Mama geschrien hatte. Als sie vor dem großen, leuchtenden Wagen standen, bekam er dann aber doch Angst.

Imogen legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Weißt du was, Magnus?", erklärte sie ihm. „Ich bin mir sicher, Alexander sagt ja, wenn du ihn später nochmal fragst."

Der Junge wusste nicht mehr richtig, wovon sie sprach, in seinem Kopf waren da nur dieser große Wagen, der gruselige Arzt und die bange Voraussicht, sicher eine Spritze zu bekommen.

„Kann er mitkommen?", flüsterte er. „Kann Alexander mitkommen?"

Imogen schüttelte entschuldigend den Kopf. „Ihr habt euch doch gerade gestritten.", fragte sie verwundert nach.

Magnus schüttelte den Kopf. „Ist mir egal.", brachte er ihr bei. Als Imogen ihn sachte in den Wagen hob, schrie Magnus nicht nach seiner Mama. Er schrie nach Alexander, der ihn von drinnen nicht hörte.

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