Zwei
Der Wald wurde immer lichter und schließlich standen wir am Rande.
Ich schaue über das weite Tal das sich mir nun offenbart und lasse meinen Blick schweifen.
Meine Sicht war durch ein dichtes Nebelkleid gedämpft, nur vereinzelt konnte ich Strohdächer sehen, die heraus ragten und der Nebel wirkte im Licht der untergehenden Sonne wie Feuer.
"Wir müssen eine Unterkunft finden, aber unentdeckt bleiben.", sagt Verá leise verzweifelt und schaut zu mir. Ich erwidere ihren Blick und sie lächelt als sie in meine Augen sieht, es scheint zu funktionieren. "Also Scar, irgendwelche Ideen?", fragend schaut sie erst zu mir, dann aber wieder über das weite Tal.
Ich folgte ihrem Blick, das Tal war wunderschön, auch wenn die Sonne unterging. Selten hatte ich das Schloss verlassen, natürlich zu meinem eigenen Schutz. Weiter als zum Marktplatz hatte ich mich nie fort geschlichen und nun stand ich vor einem Königreich das bald meines sein müsste und kenne es kaum.
Ich hatte keine Ideen, keinen Plan und war jetzt furchtbar erleichtert das Verá bei mir war. Alleine wäre ich höchstwahrscheinlich schon gefangen genommen. Mich erschauderst als ich an die Jäger denke, auch sie haben wir im Nacken. Ich drücke die Tränen zurück, Tyler. Ein kleiner Teil in mir hofft er würde die Jäger in die Irre führen, mich schützen und entkommen lassen. Doch ich weiß es besser, für Tyler stand das Königreich an erster Stelle, für mich würde er nicht seine Zukunft riskieren.
"Scar?", ertönt Verás Stimme dicht neben mir und mein Kopf schnellt zu ihr. Sie mustert mich besorgt, doch ich wende hastig wieder den Blick ab. Nicht auch meinen Schmerz soll sie tragen, schließlich hat sie ihr Leben hinter sich gelassen.
Ich fahre mir unbewusst durch die Haare. Ich höre Mutter förmlich hinter mir, wie sie mich für diese Geste tadelt, wie sie mir sagt wie ich mich zu verhalten habe.
Verá räuspert sich. Schon wieder bin ich in Gedanken abgeschweift.
"Wir sollten erst einmal ins Dorf reiten. Um so auffälliger wir reisen umso weniger werden Fragen gestellt.", entscheide ich und treibe Nachtschatten zum laufen an.
Nur langsam setzt er sich in Bewegung, auch er ist müde von dem langem Ritt. Ich kann es ihm nicht verübeln das er sich nach einer Rast sehnt.
Das Dorf war sehr klein, die meisten Bauer hatten ihre Höfe weit außerhalb, aufgrund der Hügel. Das Dorf selbst bestand aus wenigen Häusern, darunter ein Rathaus, ein Dorfplatz sowie ein Gasthaus.
Das Gasthaus Grey gehörte einer kleinen dicken Frau die uns bereits an der Tür begrüßte.
"Haben Sie Ställe für unsere Pferde?", fragt Verá freundlich. Die Frau durchbohrt uns mit ihren finsteren Blicken, lässt aber einen Stallburschen holen, einen kleinen schmächtigen Jungen.
Verá und Ich steigen beide von unseren Pferden und er führt sie davon.
"Könnt ihr bezahlen?", fragt die Wirtin schroff und verschränkt die Arme vor der Brust. Aus irgendeinem Grund will ich zurück weichen, zwinge mich aber es nicht zu tun. Verà nickt bekräftigend: "Haben Sie ein Zimmer für uns und etwas zu Essen?", ich ziehe den Mantel enger um mich.
Mittlerweile ist es duster und kalt geworden. Man hört nur die Pferde in den Ställen und vereinzelt eine Eule schreien. Durch den Nebel wirkte alles furchteinflössend. "Wie lange?", bricht die Wirtin die unheimliche Stille und schaut forschend zu Verá, mich scheint sie gar nicht wahrzunehmen.
Vielleicht denkt sie aber auch ich wäre Stumm.
"Eine Nacht. Wir sind nur auf der Durchreise.", langsam wird Verá angespannter, still schaue ich zu ihr. Ihre Haare zerzaust und ihr Mantel vom Wald gezeichnet. Sie streicht ihre Haare zurück und schaut zu mir. "Kommst du Scar?", fragt Verá besorgt. Scheinbar hatten sie sich weiter unterhalten. Ich nicke nur wieder stumm und folge ihr ins Innere des Gasthauses.
Wider Erwarten war das Gasthaus gut besucht, trotz der Kriegszeiten. In vielen Teilen meines Königreichs tobten Zerstörung und Armut.
Doch vielleicht lag dieses Dorf auch einfach zu nah beim Schloss.
Verá zog mich mit nach oben, fern von neugierigen Blicken Fremder. "Essen ist in einer Stunde fertig.", damit schloss die Wirtin die Tür und verschwand. Ich sacke auf dem Bett zusammen. "Was ist los Scar?", fragt mich meine Zofe und Freundin besorgt und kniet sich vor mich. Ich hebe schwach den Kopf. "Ich habe Angst. Angst das ich erkannt werde, Angst das jemand aufmerksam wird.", sage ich tonlos und lenke meinen Blick zu ihrem Augen.
"Du bist zu geheimnisvoll Scar. Das Mädchen das nicht spricht.", ich denke über ihre Worte nach. Wahrscheinlich hat sie Recht, doch das machte es nur komplizierter.
"Ich habe Angst das falsche zu sagen.", gebe ich ehrlich zu, doch sie grinst dann nur schief.
"Wie viele Reden und Ansprachen hast du schon gehalten? Du findest immer die richtigen Worte, du musst dir nur mehr vertrauen."
"Ich werde noch alles zerstören.", sage ich leise. Ihre Frage beantworte ich ich nicht, es war sowieso eine rhetorische.
"Du wirst alles retten.", verbessert sie mich hastig und zieht mich auf die Beine. Die heiße Schüssel Wasser von der Wirtin ist fast schon kalt als Verá das Wasser benutzt um mein Gesicht vom Dreck zu entfernen. "Du musst aussehen wie es sich für eine Prinzessin gehört."
Ich nehme ihr das Tuch weg. "Du hast es mehr verdient."
Sie lässt sich von mir helfen und küsst mich dann auf die Wange, ich lächle matt. "Ich bin so froh das du da bist Verá.", sage ich voller Ehrlichkeit und während ich das laut Aussprach hatte ich das Gefühl ein Stein würde mir vom Herzen fallen. Sie strahlt nur zurück.
"Lass uns runter und was essen.", schlägt Verá grinsend vor als ihr Magen knurrt. Ich bedeute ihr kurz zu warten und überdecke mein goldenes Auge noch einmal mit frischem Wasser. Ich gehe zur Tür, doch sie hält mich auf. "Du bist zu sehr Prinzessin Scar, so wie du dich bewegst, wie du gehst und sprichst.", ermahnt mich meine treue Freundin und mustert mich nachdenklich.
Vielleicht überlegt sie wie sie mich ändern kann, doch ich bezweifle das es eine Möglichkeit gibt.
Seit ich laufen kann redet meine Mutter auf mich ein. Stets habe ich die Umgangsformen benutzt, schon bevor ich sie verstand. Ich konnte lesen und schreiben bevor ich überhaupt richtig rennen konnte, tanzen und reiten bevor ich eine Zofe bekam. In meinem Leben hatte ich noch nie eine Wahl.
Weder welches Kleid ich tragen will, welche Freunde ich gerne hätte und auch nicht wen ich liebe. Denn das hätten meine Eltern schlussendlich auch entschieden.
Mich hatte das nie gestört, ich kannte es schließlich nicht anders. Und jetzt wo ich anders sein soll, als ich es gelernt. Bin ich überfragt.
Wie verhält sich ein normales Bauernmädchen? Wie bewegt und spricht sie? Verá legt ihre Hände auf meine Schultern. "Du kriegst das hin, dass hast du immer.", sagt sie lächelnd und schaut tief in meine abartigen Augen. Wieder einmal wünschte ich unsere Rollen wären Vertauscht.
Verá bemerkt meinen gedankenverloren Blick und zerrt mich aus dem Zimmer. Bereits jetzt höre ich das Gegröle der betrunkenen Männer aus der Gaststube.
Angewidert lassen wir uns schließlich an einen Tisch gleiten. Prompt kommt unser Essen und Verá beginnt Belangloses Zeug auf mich einzureden.
Schweigende Menschen sind so viel auffälliger.
Im Nacken spüre ich einen durchbohrenden Blick. Mich überläuft eine Gänsehaut und ich verstärke den Griff um meinen Suppenlöffel. Ich unterbreche Verá.
"Welches Element?", frage ich sie einfach und sie versteht sofort. Sie verengt die Augen zu schmalen Schlitzen. "Feuer.", sagt sie düster und schaut wenige Sekunden später auf ihre Hände. Ich mustere sie sofort besorgt, doch ihr Blick gleitet wieder zu dem mysteriösen Fremden.
"Wie sieht er aus?", frage ich angespannt und zwinge mich meine Suppe weiter zu essen. Verá legt nachdenklich den Kopf leicht schief.
"Er ist ganz in schwarz gekleidet, auch seine Haare sind dunkel. Er hat strahlende goldene Augen und ja.. er sieht sogar attraktiv aus.", meint sie und grinst leicht. Ich verdrehe die Augen und lasse meinen Blick durch die Gaststube gleiten.
"RUHE!", reißt mich wieder aus den Gedanken und lässt mich aufschrecken. Alle Augenpaare, meine eingeschlossen, starren zum Eingang. Eine Gruppe schwarz-blau gekleideter Männer stand in der Tür.
Die Jäger.
Tyler war es der an die Wand ein Plakat klebte und drauf zeigte. Mein Name stand dort, dick gedruckt.
"Die Prinzessin hat Verrat an ihrem eigenen Königreich verübt. Sie muss dem König ausgeliefert werden, jeder der sie beschützt oder ihr hilft wird zum Tode verurteilt.", forschend schaut er durch die Menge. Ich darf den Blick nicht abwenden, das wäre zu auffällig. Verá hatte meine Frisur geändert und ich trug meinen schäbigen Mantel, doch er würde mich zweifelsohne erkennen.
Tylers Blick streift durch die Menge, gleich würde er mich sehen.
"Wie sieht die Prinzessin aus? Sie war selten für uns normale Bürger sichtbar.", ertönt eine raue tiefe Stimme hinter mir. Augenblicklich wandert mein Blick zu ihm. Es ist der mysteriöse Fremde Feuerbändiger der uns beobachtet hatte. Wieso erhebt er seine Stimme? Seine Augen strahlen so hell das jeder blinde es sehen würde. Er ist der Feind.
Die Jäger, teils Wasserbändiger, teils Dúne, keine Bändiger, nahmen ihre Angriffshaltung ein. Nur Tyler ist ein Erdbändiger, denn er ist der Anführer dieses Jägertrupps. "Außerdem suchen wir noch andere Leute.", knurrt Tyler finster. Die Menschen im Gasthaus versuchen sich unauffällig von dem Feuerbändiger weg zu bewegen. Doch dieser sitzt noch immer auf seinem Stuhl, die Beine auf dem Tisch. Weiß er nicht das die ihn gefangen nehmen? Oder ist er arrogant genug zu glauben er hätte eine Chance.
Doch es konnte mir gleich sein, niemand wird sich mehr um mich scheren und er war sowieso der Feind.
Doch dann läuft alles anders als geplant. Die Jäger greifen ihn an und er kann mühelos widerstehen, blitzschnell steht er auf dem Tisch und wirft eine Suppenschüssel um. Auf dem Boden zerscheppert sie in tausende Scherben. Menschen schreien herum und versuchen den Raum zu verlassen.
Verá steht auf und stellt sich schützend vor mich, denn ich kann den Fremden nur anstarren. Aus seiner Hand schießt Feuer, vollkommen fasziniert starre ich ihn an. Wenige Feuerbändiger konnten selbst Feuer hervor rufen, eigentlich brauchten sie Feuer in ihrem Umfeld, was sie dann ähnlich wie Wasser bewegen.
Er schießt erneut und Tyler verbrennt sich stark. Augenblicklich vergesse ich meine Bewunderung und will zu ihm. Verá hält mich zurück. "Wir müssen weg Scar!", brüllt Sie gegen das Geschreie der panischen Menschen. Ich nicke nur und schaue leidend zu Tyler. Doch sie zerrt mich nach draußen, bis ich aus dem Augenwinkel sehe wie Feuer auf sie zuschießt. Augenblicklich stelle ich mich vor Sie und bändige schützend Suppe vor uns.
Der Feuerbändiger mustert mich, jedoch nicht voller Hass sondern Bewunderung. Die Suppe wehrt seinen Schuss ab und klatscht dann auf den Boden. Ich lasse mir meine Verwirrung nicht anmerken und ziehe Verá nach draußen. "Danke Scar ich--", ich winke ab. "Die Pferde, wir müssen weg. Sofort.", sie nickt nur und eilt davon.
In der Gaststube herrscht noch Chaos als ich nach oben eilen will um Verás Waffen zu holen. "Wie hast du das gemacht?", fragt die tiefe raue Stimme hinter mir und mich überläuft eine Gänsehaut. Ich lasse mir jedoch nichts anmerken und greife nach einem ihrer Dolche. "Ich bin eine Wasserbändigerin.", antworte ich schlicht und stecke den Dolch in meinen kniehohen Stiefel. Von normalen Schuhen hatte ich noch nie viel gehalten.
"Ich weiß, aber du bist außergewöhnlich gut. Das sieht man dir gar nicht an.", meint er herablassend. Langsam drehe ich mich zu ihm um und schaue in sein Gesicht. Seine strahlenden goldenen Augen durch bohren mich, seine Kapuze ist zurück gefallen und man sieht sein Rabenschwarzes wildes Haar. Spöttisch verziehe ich das Gesicht. "Vielleicht will ich ja auch nicht das man es mir ansieht."
"Du willst also unterschätzt werden.", meint er kalt und schaut wieder in meine Augen, meine verdrehe ich.
"Meine Schwester und ich verlassen das Königreich, es ist besser schwach zu wirken.", sage ich ziemlich überzeugend und greife nach Verás Bogen und Köcher. "Du scheinst keine Angst vor mir zu haben.", stellt er fest und ich lache unecht.
"Sollte ich etwa?"
Ich will an ihm vorbei laufen, doch er hält mich am Arm zurück. Wütend schaue ich zu ihm. "Du solltest Angst vor mir haben.", Zische ich finster und er erwidert meinen Blick.
"Wasser hat keine Chance gegen Feuer, das weiß jedes kleines Kind.", sagt er grinsend. Ich schüttel seinen Arm ab. "Du unterschätzt mich.", sage ich kalt und verlasse das Zimmer ohne mich umzusehen. Er tat genau das was ich beabsichtige.
"Wo warst du nur solange? Die Jäger werden bald aufbrechen und weiter nach dir suchen.", Zischt Verá mir leise zu, doch es schien nicht leise genug gewesen zu sein.
"Sie waren also wegen dir da.", sagt die tiefe kalte Stimme des Feuerbändigers. Irgendwas in mir hört Erleichterung. Dachte er sie suchen ihn? Gehört er zu den anderen Leuten?
Ich drehe mich nicht zu ihm um und drücke Verá nur wortlos ihre Waffen in die Hand. Sie schaut erst verwundert zu mir dann zu ihm.
"Wer bist du?", fragt sie prüfend und lässt ihren Blick über ihn gleiten. "Chris wird reichen.", sagt er und grinst uns an. "Wofür reichen?", frage ich genervt und Verá mustert ihn skeptisch.
"Ich werde euch begleiten, da braucht ihr doch einen Namen.", sagt er und steigt auf sein Pferd. Verá und Ich folgen seinem Beispiel, jedoch nicht als Zustimmung.
"Wieso sollten wir dich mit kommen lassen?", frage ich bissig, doch er lacht nur. "Die Jäger suchen dich, sie lassen mich sicher am Leben wenn ich dafür Sorge das sie dich finden." Bei diesem Satz reißt mein Geduldsfaden und ich springe vom Pferd. "Du drohst mir? Mir! Wie kannst du es wa---", doch Verá unterbricht mich, bevor ich noch persönlicher werden kann. Chris grinst nur vielsagend.
"Scar Bitte.", fleht meine Freundin schon fast und ich steige zurück auf Nachtschattens Rücken. "Du bist also Scar. Und das ist? Deine Dienern?", fragt er spöttisch als er zu Verá guckt. Doch diese bleibt Ruhig, ruhig wie ein Fels in der Brandung. Wie mein Fels.
"Ich bin Verá, ihre Schwester und sehr bald dein schlimmster Albtraum."
~ K
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