Kapitel 37

Flashback: Valentina (Clara) Archer

Neue Schule, neues Glück, so sagt man. Ich für meinen Teil denke nicht so. Ich bin noch keinen Tag hier und schon kursieren die Gerüchte, warum ich von der letzten Schule hierher gewechselt habe. Oder warum ich geflogen bin, das ist deren bevorzugtes Wort dafür.

Und irgendeiner von denen hat auch mitbekommen, dass ich nicht im Guten von der letzten Schule gegangen bin. Aber eigentlich bin ich nicht von der Schule geworfen worden, sondern gegangen, aber das interessiert die Gerüchteküche natürlich nicht.

Mit ein bisschen Glück halten sich die Gerüchte nicht lange, aber das kann ich nicht beeinflussen. Alles, was ich machen kann, ist mich zu verstecken und einfach unter zu gehen. Dann vergessen sie mich sicherlich ganz schnell.

3 Monate später

>Hey Van.< Mit einem Augenrollen drücke ich die Tür zur Kantine auf, rücke meine Brille zu Recht und will sie ignorieren, aber eine Viola lässt sich nicht einfach übergehen. Aber genau deshalb liebe ich meine neue beste Freundin. Wenn man sich erst Mal an ihre hartnäckige, laute Art gewöhnt hat, muss man sie einfach ins Herz schließen. >Komm doch am Wochenende mit. Wir fahren in das Ferienhaus meiner Eltern und feiern. Erik wird auch da sein<, verspricht sie mir, senkt beim letzten Satz die Stimme. Nervös sehe ich mich um, aber niemand scheint uns gehört zu haben.

>Hör auf damit<, bitte ich sie, dann bleibt mein Blick an ihm hängen. Erik, der Typ, der viel zu nett zu mir ist und der mein Herz ständig höherschlagen lässt, kommt direkt auf uns zu. Seine Frisur sitzt perfekt, das tiefe Schwarz seiner Haare passt zu seiner Lederjacke, die er immer trägt. Das ganze Wochenende habe ich ihn nicht gesehen und es ist wie jeden Montag einfach wunderbar ihn anzustarren. Aber nicht, wenn er auf mich zu kommt. >Ich muss gehen. Ich-<

>Van, warte Mal<, ruft er plötzlich, lässt mich inne halten. Wir haben einige Blicke auf uns, schließlich ist er eine der begehrtesten Kerle hier. Manche von den Mädchen hassen mich dafür, dass ich schon nach zwei Wochen mit ihm und Viola am Tisch der beliebten sitzen durfte. Und das, obwohl ich mich immer im Hintergrund gehalten und niemandem gezeigt habe, was ich zu verbergen habe. Der Grund, warum ich die letzte Schule verlassen musste. Obwohl ich ein graues Entlein bin, haben sie mich aufgenommen, mehr oder weniger zu einer von ihnen gemacht. >Du bist am Wochenende dabei, oder?<, will er wissen, mustert mich freundlich mit seinen wunderschönen, blauen Augen.

>Ja<, kommt es heiser von mir, darum räuspere ich mich schnell, starte einen neuen Versuch. >Ja, ich werde auch mitkommen.< Er lächelt, hebt eine Hand und ich schlage mit ihm ein, was auch mich breit lächeln lässt. Ich freue mich jedes Mal wie ein kleines Kind, wenn ich ihn berühren kann, ohne, dass es ihm wirklich bewusst ist.

>Perfekt. Denkst du, deine Eltern können mich mitnehmen? Wir treffen uns bei Martin und so weit will ich nicht laufen.< Er wohnt nicht weit von mir entfernt und mein Vater fährt mich bestimmt, deshalb nicke ich.

>Klar. Ich kläre das mit meinem Dad.< Zu Frieden nickt er, dann wendet er sich an Viola.

>Sag Jeff, dass er nicht wieder so viel von dem harten Alkohol mitnehmen soll. Ich will nicht, dass wir die ganze Zeit nur Schnapsleichen rum liegen haben. Es soll Spaß machen und keiner ins Krankenhaus müssen.< Jeff ist der ältere Bruder von Viola und als einziger schon alt genug für den hochprozentigen Alkohol.

>Geht klar<, meint sie sofort, dann schiebt sie mich an ihm vorbei, weiter in Richtung Essenausgabe. >Aber jetzt müssen wir erst Mal unsere absolut leeren Mägen füllen<, beschließt sie und ich lasse mich von ihr weiterschieben. Erik sagt nichts mehr, doch als ich mich noch einmal nach ihm umsehe, sieht er uns nach und erwidert mein Lächeln, was mein Herz höherschlagen lässt. >Er steht so was von auf dich<, meint Viola überzeugt, wofür ich ihr gegen den Arm boxe.

>Hör endlich auf hier darüber zu reden.< Sie rollt die Augen, schnappt sich ein Tablett und Besteck.
>Dann rede endlich mit ihm.< Sie weiß ganz genau, dass ich das nicht kann, darum sage ich nichts mehr dazu.

Freitagabend

Wir sind vor wenigen Minuten im Ferienhaus angekommen und ich muss zugeben, es ist wunderschön. Es ist aus Holz gebaut, die Zimmer sind groß und schön gemütlich eingerichtet. Hier muss man sich einfach auf Anhieb wohl fühlen.

Wir sind zu acht hier, stehen im Wohnzimmer und es gibt vier Schlafzimmer, die Aufteilung ist eigentlich schon klar. Viola und ich werden ein Zimmer nehmen, Grace und ihr Freund Rick nehmen das zweite. Erik wird mit Florian zusammen eines nehmen und für Jeff und Martin ist dann das Letzte. Zumindest kann ich mir keine andere Aufteilung vorstellen und genauso sprechen sie es gerade durch.

>Kommt gar nicht in Frage. Der schnarcht viel zu laut, da kann niemand schlafen<, beschwert sich Martin, was Jeff lachen lässt.

>Wenn ich getrunken habe, schnarche ich nicht<, wiederspricht dieser, was wiederum Viola lachen lässt.

>Es ist genau umgekehrt. Du schnarchst noch viel lauter, wenn du getrunken hast.< Jeff zwinkert ihr zu, trinkt einen Schluck von seinem Bier.

>Ist es echt so schlimm?<, hakt Erik nach und Viola nickt bestimmt. >Dann schlaf du bei Jeff<, bittet er Florian, der nur gleichgültig die Schultern hebt. Ich habe keine Ahnung, warum Florian wohl neben jemandem wie Jeff schlafen kann, aber das spielt für mich auch keine Rolle. >Passt dann alles?< Alle nicken, abgesehen von Martin.

>Ich teile mir kein Bett mit einem Kerl.< Viola und ich rollen die Augen, Jeff stöhnt genervt.

>Ich schau Mal, was wir zu essen da haben<, verabschiedet er sich aus der Runde und auch Florian macht sich davon.

>Wir haben aber nur Doppelbetten hier<, erklärt Viola, deutet auf Erik. >Und der kommt dir auch bestimmt nicht zu nahe, so Hetero wie der ist.< Erik grinst, Martin schnaubt genervt.

>Mir egal wie viele Mädchen er schon hatte, ich schlafe nicht neben einem Kerl und Ende.< Viola wirft hilflos die Arme in die Luft, dann hält sie plötzlich inne. Ihr Blick huscht zu Erik, dann zu mir. Augenblicklich wird mir schlecht und ich will sie aufhalten, bin aber zu langsam.

>Gut, dann teilst du das Bett eben mit mir und Erik schläft bei Van. Das ist mein Haus und mein letztes Wort<, beschließt sie einfach so und mein Herz setzt aus.

Nein, nein, nein, nein, nein, nein.

>Keine Sorge. Du wirst gar nicht merken, dass ich da bin<, meint dieser nur entspannt, als wäre alles in bester Ordnung aber ich kann nicht so tun, als wäre nichts. Dafür dreht in mir grade einfach alles zu sehr am Rad.

>Ich muss-<, ich breche ab, bevor es noch peinlicher wird, dann fliehe ich ins nächste Badezimmer.

Samstagnacht

Zu meiner Überraschung hat alles gut geklappt. Wir haben Freitag schon alle etwas getrunken, aber es hat sich im Rahmen gehalten. Erik ist lange nach mir schlafen gegangen, ich habe es fast nicht mitbekommen und nachts ist auch nichts passiert. Ich bin nicht wach geworden, demnach hat er einen sehr ruhigen Schlaf und am nächsten Morgen konnte ich ihn sogar ein bisschen ansehen, bevor ich aufstehen musste.

Den Tag über haben wir am Pool verbracht, gegrillt und einfach unheimlich viel Spaß gehabt. Viola und Martin haben Gefallen aneinander gefunden und küssen sich ab und an, was mir ein mulmiges Gefühl im Bauch verschafft. Schließlich ist es nicht völlig unmöglich, dass Erik und ich uns auch ein bisschen näherkommen, wenn wir schon im selben Bett schlafen. Abgesehen davon sieht er mich auch immer wieder an und ist so nett zu mir, macht so viele kleine, süße Dinge für mich, dass ich manchmal denke, ich träume noch.

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Glücklich strecke ich meine müden Glieder, betrachte mein leeres Glas.

>Willst du noch?<, fragt Viola, aber ich schüttle den Kopf.

>Für mich ist Feierabend. Ich muss ins Bett<, erkläre ich und stehe auf, was ich nur langsam machen kann. Viola schmunzelt, welches jedoch von Martins Lippen zerstört wird. Seit die beiden etwas getrunken haben, wird das geknutschte immer heftiger.
>Für mich auch<, meint Erik unvermittelt, steht ebenfalls auf. Auch er muss langsam machen, was mich lachen lässt.

>Ich dachte, du bist trinkfest.< Er hebt eine Braue, reicht mir die Hand, um mir zu helfen. Seine Hand ist warm, gibt mir halt.

>Vielleicht bei ein paar Bier, aber wir saufen schon den halben Tag.< Mit einem Lächeln und Schmetterlingen im Bauch lasse ich mir von ihm aus dem Wohnzimmer helfen, dann verabschieden wir uns von den anderen und wanken nach oben. Es ist richtig lustig, wenn zwei wankende Leute eine Treppe ohne Geländer nach oben wollen, deshalb dauert es bestimmt zehn Minuten, bis wir es in unser Zimmer geschafft haben.

Dort lege ich meine Brille auf den Nachttisch, binde mir meine Haare zusammen und schnappe mir meine Schlafsachen aus meinem Koffer.

>Bin gleich wieder da<, erkläre ich Erik, ohne ihn anzusehen, wanke ins Bad. Summend ziehe ich mich um, wasche mir das Gesicht und Putze meine Zähne, dann betrachte ich mich noch kurz im Spiegel. Mit den geweiteten Pupillen sehe ich ein bisschen komisch aus, aber sonst ist alles bestens.

Zurück im Schlafzimmer will ich meine Sachen in meinen Koffer legen, komme aber nicht dazu. Warme, weiche Lippen halten mich davon ab. Seufzend erwidere ich seinen Kuss, meine Sachen fallen zu Boden. Es ist mir völlig egal, denn wichtig ist nur dieser himmlische Kuss und Erik.

Meine Hände legen sich an seine Brust und mir wird klar, dass er kein Shirt mehr trägt. Er drängt mich langsam zurück, bis mein Rücken an der Zimmerwand lehnt. Augenblicklich überkommt mich eine Gänsehaut, mir entfährt sogar ein Stöhnen. Erschrocken löse ich den Kuss, weiche zurück und starre ihn an. Seine blauen Augen sind auf meine gerichtet, dann huschen sie zu meinen Lippen.

>Ich will mehr davon<, verlangt er und schon küsst er mich wieder. Mein Herz kollabiert fast, dann packt er meine Taille, zieht mich an sich. Glücklich schmiege ich mich an seinen warmen Körper, kann nicht glauben, dass das hier wirklich passiert. >Du bist so schön, so perfekt<, sagt er dicht an meinem Mund, dann küsst er mich wieder. Zögernd versuche ich mitzuhalten, aber langsam wird es mir zu viel.

Macht er das nur, weil er mich gesehen hat? Weil er mehr von mir gesehen hat als sonst?

Ich will mich von ihm lösen, herausfinden, warum wir das hier machen, doch er weicht nicht zurück. Sofort versuche ich es mit mehr Kraft, doch anstatt mich los zu lassen oder auch nur ein bisschen zurück zu weichen, schiebt er mir seine Hüften entgegen.

Ich will das nicht.

Abrupt drehe ich den Kopf weg, löse den Kuss.

>Lass mich los.< Er macht ein brummendes Geräusch, packt mein Kinn mit festem Griff, dreht meinen Kopf zur Seite.

>Kommt gar nicht in Frage.< Diesmal presst er seine Lippen auf meinen Hals, nur, dass diesmal absolut nichts Schönes dabei ist.

>Viola!<, rufe ich nach meiner besten Freundin, hoffe, dass er mich endlich loslässt, doch er macht einfach weiter, als hätte ich keinen Ton gesagt.

>Hey, sie ruft den falschen Namen<, höre ich sie gedämpft lachen, mein Herz setzt aus. Es klingt so, als würde sie direkt vor der Tür stehen.

Was passiert hier?

>Hilf mir!< Sie lacht wieder und nichts passiert. Erik küsst mich weiter, greift nach dem Saum von meinem Shirt und schiebt es nach oben. Tränen steigen in mir auf, dann schließe ich die Augen, bete, dass er aufhört, bevor ich ihn dazu zwingen muss.

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28.12.2019

Wer es nicht verstehen sollte, das ist ein Flashback von Clara.
Klärt sich noch genauer in Kapitel 39.

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