49. Das sich ausdehnende Ende
Halsur eilte den Korridor zum Cockpit hinuter, als das Raumschiff urplötzlich einen Looping vollführte und der Korridorboden zweitweise zur Decke wurde.
„Nhol!", schrie der Wissenschafter. „Was fliegst du denn für einen Schrott zusammen!"
Als Antwort kam von jenseits der Cockpittür nur ein Jubelschrei, der ganz und gar nicht nach Nhol klang.
Halsur stolperte die letzen paar Meter und stieß die Tür auf.
„Hallo, Nhol, wir..."
Wie vom Donner gerührt blieb er stehen, und seine Kinnlade klappte hinunter.
„Was ist denn hier los?", verlangte er zu wissen.
Nhol starrte wütend vom Copilotensitz zu ihm hoch und zerrte an dem Gurt der ihn im Sitz gefangenhielt. „Sagen Sie diesen zwei Idioten, dass sie mich freilassen sollen!", knurrte er.
„Schrei nicht so herum. Das ist schlecht für meine Mikrophone."
„Cido, wieso sitzt du denn im Pilotensitz?", frage Halsur. „Ich wusste bisher noch nicht einmal, dass du fliegen kannst."
Der Junge zuckte mit den Schultern. „Ich auch nicht. Was soll's, es scheint funktioniert zu haben."
Er deutete nach links, auf den Bildschirm der die Hinterseite des Raumschiffs anzeigte. Die feindlichen Jäger waren weit zurückgefallen und schafften es trotz aller Mühe nicht aufzuholen.
„Ist irgendetwas besonderes los, Professor? Ansonsten muss ich mich aufs Fliegen konzentrieren."
Halsur grinste. „Ich wollte nur sagen, wir können uns aus dem Staub machen! Sende einen Funkspruch mit maximaler Reichweite aus. Das Universum ist gerettet!"
„Im Ernst? Ich habe gar nichts gemerkt."
„Es war eine besonders glatte Rettung."
„Ah. Ach so. Gut, wird sofort erledigt."
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Herr Niromet starrte auf die Nachricht auf dem Bildschirm des Funkgeräts und konnte es kaum fassen.
DAS UNIVERSUM IST GERETTET!!
WIRKLICH!
AUCH WENN SIE NICHTS BEMERKT HABEN!!!
„Verdammt!", brüllte er und schleuderte seine Laserpistole auf den Bildschirm. Sie prallte ab und verschwand irgendwo unter einem der Tische der Kommunikationsoffiziere.
Doktor Chu, die weiter hinten stand, behielt wie immer die Ruhe. „Vielleicht ist es besser so", kommentierte sie, während Niromet auf die Wände einschlug. „Immerhin, wenn wir das gesamte Universum als Geisel genommen hätten, was wäre wenn das Lösegeld nicht bezahlt worden wäre?"
Niromet schien sie nicht zu hören und trommelte weiterhin auf die Wände.
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DREI WOCHEN SPÄTER
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Zurfrieden sah sich Nhol Ukrot in seinem neuen Büro um. Wände aus Mahagoni, ein behaglicher Chefsessel... sehr viel bequemer als die Turtelnde Taube. Schließlich, nachdem er noch etwa 10 Minuten Zeitung gelesen hatte um seinen Besucher ein wenig zu ärgern, nahm er die Beine vom Tisch und wandte sich geschäftlichen Dingen zu.
„Sie sind also hergekommen, um Ihren Whiskey abzuholen, Herr..."
„Vosta", knurrte der dicke Mann in Anzug und Krawatte. „Fonte Vosta. Ja, Herr Ukrot."
Nhol seufzte. „Tja, Herr Vosta, ich weiß, dass die Lieferung Whiskey in meinem Laderaum eigentlich an sie gehen sollte, aber ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ich nicht mehr beabsichtige, Ihnen die Ladung zu verkaufen. Schauen Sie sich bitte die Titelseite dieser Zeitung an..."
Der ehemalige Pilot und frischgebackene Geschäftsmann hielt dem Kneipenbesitzer den Neptunkurier hin. Über einem Gruppenfoto von Nhol, Eeea, Narrtig, Cido und Halsur, auf dem auch die Turtelnde Taube und ihre Ladung zu sehen waren, stand in großen schwarzen Lettern:
DIE RETTER DES UNIVERSUMS
„Oh, und Sie können sich nicht vorstellen, Herr Vosta, wie viele Leute gerne den Whiskey trinken möchten, der bei der Rettung des Universums dabei war, selbst wenn er schmeckt wie eine Mischung aus Rizinusöl und Elephantenpisse. Ich habe bereits einige sehr lukrative Angebote erhalten."
„Aber wir hatten abgemacht..."
„Mündlich, Herr Vosta, alles mündlich. Und Sie haben keine Zeugen."
„Wie viel bieten denn die anderen", knurrte Vosta.
„3 000 000 Credits, für die gesamte Ladung."
„Hören Sie, mein Chef, der vom Firmenvorstand ganz oben, hat mich autorisiert, ihnen 5 000 000 Credits zu bieten."
„Na dann sieht die Angelegenheit natürlich anders aus. Computer?"
Die mobile Sonde des ID-54-I-89-OT schwirrte in den Raum.
„Ja, Kumpel?"
„Rede mich gefälligst mit 'Herr Ukrot' an, du unverschämter Blecheimer. Ich bin jetzt ein Geschäftsmann, eine Respektsperson."
„Und ich habe jetzt auch ein Lasergeschütz in meiner Sonde ."
„Oh. Na, dann vergiss einfach was ich gesagt haben, ja? Bring bitte einen Vertragsvordruck, und hole schon einmal den Hut dieses Herrn. Außerdem kannst du Cido anfunken, er soll mit der Turtelnden Taube umdrehen. Die Northstar Whiskey-Company kann meine Lieferung vergessen."
„Ich zisch' schon ab, Kumpel."
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Zackopfab nahm einen gewaltigen Schluck aus dem Krug, den er in der Hand hielt. Er enthielt eine Flüssigkeit, von der man besser fernblieb wenn einem die eigenen Gehirnzellen lieb waren.
„Das war ja was Verrücktes. Ein Bankett zu meinen Ehren? Und ein Fototermin?" Er tippte auf die Zeitung, die vor ihm auf der Theke lag. „Ich war noch nie bei einem Fototermin. Und ich sehe so beeindruckend aus. Man hat mir sogar erlaubt, mein größtes Gewehr in der Hand zu halten."
„Na klar." Cido nippte an seinem Orangensaft und grinste. „Warum kommt dir das so seltsam vor? Immerhin wollten sie ihre Zeitung verkaufen."
„Ja, aber auf allen Fotos, die es bisher von mir gab, war nur ich allein vor einer Messlatte drauf, und darunter stand 'Dringend gesucht, am liebsten tot, 2 000 000 Credits Belohnung.' Die Gefängniswächter damals haben mir nie erlaubt mein Schießeisen zu behalten."
„Das ist jetzt vorbei. Immerhin hat man dir Amnestie gewährt , erinnerst du dich dran?"
„Und was nützt mir das? Wenn ich jetzt in eine Bar komme, muss ich für meine Getränke bezahlen. Früher hat der Wirt mir immer freiwillig einen ausgegeben. Keiner macht mir mehr auf der Straße platz, wenn ich vorbeigehe. Die Leute sind alle plötzlich viel unhöflicher, weil sie denken ich erschieße sie nicht mehr wenn sie mir auf den Fuß treten."
„Ich glaube, mit Höflichkeit hatte das weniger zu tun", meinte Eeea. „Aber du hast recht. So ist das Leben eigentlich langweilig. Ich mache euch einen Vorschlag: Liefern wir Nhols Ladung ab, und dann..."
„Ja, was dann?"
„Am Rand des Universums soll es seit der erneuten Ausdehnung ziemlich wild zugehen. Konkurrierende Planeten streiten sich über die Reste von denen, die zusammengekracht oder von Meteoriten zerstört worden sind. Überall Chaos, Hektik und viel Geld."
„Klingt gut."
„Klingt sogar ausgezeichnet," stimmte Eeea zu.
„Finde ich auch."
Überrascht drehte Eeea sich um und sah, dass eine kleine Sonde hinter ihr schwebte.
„ID-54-I-89-OT, was tust du denn hier?"
„Zuhören. Kann mir jemand ein Glas Benzin bestellen? Mein Tank ist fast leer."
Cido nickte.
„Ich bezahle. He, Ober. Ein Glas Benzin, und zwar dalli!"
Misstrauisch starrte Eeea das schwirrende Metallding an.
„Habe ich dich richtig verstanden? Du willst mitkommen?"
„Ja, du hast es falsch verstanden. Ich will nicht nur, ich werde auch."
„Aber du gehörst Nhol."
„Na und? Dann kauft mich eben. Wenn ihr weg wollt, müsst ihr sowieso ein Raumschiff kaufen. Wieso dann nicht gleich ein gutes?"
„An Selbstbewusstsein mangelt es dir ja nicht gerade."
„Und an gut funktionierenden Lasern auch nicht."
Cido räusperte sich.
„Das ‚ich bezahle' von gerade eben hat sich nicht nur auf das Benzin bezogen."
„Willst du den Bleicheimer etwa wirklich kaufen?" verlangte Eeea zu wissen.
„Ja, er ist mir sympathisch. Und Geld genug habe ich ja, schließlich habe ich ja gespart, erinnerst du dich?"
„Ja. Und ich erinnere mich auch daran, das ich damals schon gesagt habe, du hättest besser auf Larvenjagd gehen sollen."
„Noch so eine Bemerkung, du freches Ding und ich verbrenne dir den Hintern. Ah, da kommt mein Benzin. Lasst uns auf die Zukunft anstoßen!"
(<>..<>)
Zufrieden blickte Professor Narrtig an sich hinab. Anzug Hose, Krawatte - schon viel besser. Und seit er gebadet hatte, war auch der Schimmel verschwunden. Nur den Schlapphut, den er unten in der Kloake gefunden hatte, hatte er behalten, aus Sentimentalität.
„Und, Drusilla, wie gefällt Ihnen die Arbeit als meine Sekretärin?" frage er die ex-Kassiererin hinter dem Schreibtisch am anderen ende des Raumes.
„Nun, ich kenne nur etwa jedes zweite Wort das sie mir diktieren, aber es ist auf jeden Fall weit interessanter als den ganzen Tag Zahlen einzutippen. Und Sie wissen hoffentlich, dass der Hut überhaupt nicht zu Ihrem Anzug passt."
„Natürlich. Deswegen lasse ich ihn ja die ganze Zeit auf. Ist die Urkunde, die mich als Vorsitzenden des Wissenschaftskongresses wieder einsetzt, schon eingetroffen?"
„Ja, zusammen mit einer dreifachen Entschuldigung."
„Ah. Na dann, los. Auf in den Kongressaal."
Als Narrtig und Drusilla den Kongressaal betraten, stand der erste Redner des Tages bereits hinter dem Pult: Halsur, in einem langen weißen Kittel mit drei Kugelschreibern in der Brusttasche, stand in der Mitte des Raumes und platzte beinahe vor Erwartung. Sein großer Tag war gekommen.
Er stand inmitten aller anderen bedeutenden Wissenschaftler am Sprecherpult im großen Saal des Kongressgebäudes. Dies war der Moment, von dem er sein ganzes Leben lang geträumt hatte. Dass alle außer ihm immer noch irgendein Körperteil bandagiert hatten, minderte seinen Triumph keineswegs.
„Meine Damen und Herren. Ich bin stolz, Ihnen das neueste und schwerwiegendste meiner Forschungsergebnisse vorzulegen."
Er nahm einen kleinen, mit Luftlöchern versehenen Kasten aus seiner Tasche, öffnete ihn, und hielt ihn hoch.
„Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich präsentiere die neueste wissenschaftliche Entdeckung im Bereich der Astro-Zoologie: die Gliszuboüwü Bneoriuwdi Tethla Halsuris."
Stürmischer Beifall brach los.
(<>..<>)
Irgendwo weit entfernt, an einem sehr viel ruhigeren Ort als dem Kongresssaal, tief im Innern der U3-Maschine, wachte eine andere Wüstenlarve über ihre Brut, die sich sehr gut zu entwickeln schien. Sie war weder auf dem Foto der Retter des Universums erschienen, noch hatte sie viel Geld daran verdient, und eine Amnestie bekommen hatte sie auch nicht.
Sie wusste nicht einmal dass es ihr Schleim gewesen war, der zwei falsch gesetzte Platinen elektrisch verbunden und damit vermieden hatte, dass das Universum auf die Größe eines Atoms gequetscht wurde.
Aber das war ihr ehrlich gesagt auch ziemlich egal.
ENDE
Und wenn es nicht verschwunden ist, dehnt sich das Universum heute noch aus...
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