19. Rejected
Diese Augen, ihre Augen, ich würde sie niemals im Leben vergessen und unter tausenden wiedererkennen. Es waren Lizzys Augen, die mich prüfend anschauten und beinahe einen Herzstillstand bei mir auslösten.
Als ich dann noch ihre Stimme vernahm, war ich einer Ohnmacht nahe.
„Hallo, ich bin Elizabeth, Sammys Mum."
Sie klang genauso wie vor dreißig Jahren oder sollte ich besser sagen, vor drei Monaten?
Aber vor mir stand nun nicht mehr das süße zwanzigjährige Mädchen, sondern eine erwachsene Frau, die meine Mutter hätte sein können.
Heilige Scheiße! Das musste ich erstmal verkraften!
„Na los, Niall, du musst sie begrüßen", hallte es in meinem Kopf. Ich konnte doch nicht einfach nur dastehen und nichts sagen!
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich meine Stimme wiederentdeckt, die irgendwie merkwürdig klang.
„Ich bin Niall."
Als sie kurz lächelte, konnte ich die vielen kleinen Lachfältchen erkennen, welche ihre Augen umgaben. Aber das machte sie nicht alt oder hässlich, sondern eher interessant. Oh Gott, was dachte ich da nur?
„Niall, reiß dich zusammen, du bist wegen Sammy hier, verdammt!"
Mein Gewissen war heute echt nervig, doch ich tat gut daran, darauf hören.
Gott sei Dank ertönte nun Phils Stimme in meinen Ohren.
„Da das Essen fertig ist, sollten wir uns alle setzen. Ich hab' nämlich einen Bärenhunger."
Dann gab er Lizzy einen Kuss auf den Mund, was ein seltsames Gefühl in mir auslöste. Eigentlich fühlte ich mich gerade wie in einem Traum, denn das konnte wirklich nicht die Realität sein. Doch als Sammy meine Hand ergriff, wurde mir bewusst, dass ich ganz und gar nicht träumte.
Langsam drehte ich mich zu ihr, konnte ihr hübsches Lächeln sehen. Oder war es das von Elizabeth? Warum war mir nie aufgefallen, dass Sammys Lächeln mich irgendwie an Lizzy erinnerte?
Mein Herz pochte immer lauter und ich hoffte, dass niemandem auffiel, dass ich vor Nervosität beinahe vom Stuhl kippte.
Während wir am Esstisch saßen und uns das wirklich vorzügliche Essen schmecken ließen, dachte ich verzweifelt nach.
Ob Lizzy sich an mich erinnerte? Vielleicht hatte sie mich aus ihrem Gedächtnis verbannt, weil ich damals einfach so verschwunden war und mich nie wieder gemeldet hatte. Wie auch? Ich konnte sie ja wohl schlecht im Jahr 1983 anrufen.
Glücklicherweise schien Sammy nicht zu bemerken, was gerade in mir vorging, denn sie redete munter mit ihrem Dad. Zumindest so lange, bis ihre Mutter zu sprechen anfing.
„Ich kannte auch mal einen Niall."
Lizzys Augen überflogen kurz mein Gesicht, als sie das sagte. Ich musste kurzzeitig husten, weil ich mich fast verschluckt hätte und senkte dann den Blick auf meinen Teller, während der Schweiß aus allen meine Poren brach.
„Was? Das hast du mir ja nie erzählt!", kam es von Sammy.
„Weißt du, dass ist dreißig Jahre her, da vergisst man so manches. Aber ganz plötzlich wird man wieder daran erinnert."
Mein Herz machte einen Satz. Sie hatte mich also erkannt und ließ es mich auf diese Art und Weise wissen.
„War er auch ein Ire?", fragte Sammy neugierig.
„Natürlich war er Ire!"
„Du hattest mal was mit einem Iren?" Phils erstaunte Frage trieb mir kleine Schweißperlen auf die Stirn und ich bekam unweigerlich Herzrasen. Dabei formten meine Gedanken folgende Sätze: „Klar hatte sie was mit einem Iren. Das liegt drei Monate zurück. Pardon, nach ihrer Zeitrechnung dreißig Jahre."
Ich fühlte mich plötzlich schlecht, als ich daran dachte. Was hatte ich nur getan? Wie konnte so etwas nur passieren? Es war eine einzige Katastrophe, die ich auf mich zukommen sah und es gab kein Entrinnen.
Meine einzige Chance war, dass Lizzy vielleicht die Einzelheiten in der Zwischenzeit vergessen hatte, immerhin lag es drei Jahrzehnte zurück. Doch ihr nächster Satz begrub alle meine Hoffnungen dahingehend und zwar gründlich.
„Ich kann mich an jede Einzelheit erinnern, als sei es gestern gewesen."
An jede Einzelheit! Oh shit!
Mir wurde ganz mulmig zumute und ich traute mich nicht aufzuschauen, sondern widmete mich nach wie vor dem guten Essen.
Hatte sie in der Vergangenheit nicht mal erwähnt, dass sie nicht besonders gut kochen könne? Das schien sich jetzt aber zum Glück gegeben zu haben, denn es schmeckte wirklich köstlich, auch wenn ich es vielleicht nicht so genießen konnte, wie erwartet.
„Schmeckt es dir, Niall?", hörte ich Lizzys Stimme.
Diese klang noch immer wie die des zwanzigjährigen Mädchens, in welches ich verliebt gewesen war.
Verdammt, wieso veränderten sich Stimmen nach dieser langen Zeit nicht? Das verwirrte mich total, denn wenn ich Lizzy nicht anschaute, sondern nur ihre Stimme hörte, sah ich automatisch ihre jüngere Ausgabe vor mir. Das war einfach nicht fair, vor allem Sammy gegenüber.
Schließlich zwang ich mich dazu aufzusehen, in Lizzys blaue Augen, die mich regelrecht scannten, jedenfalls kam es mir so vor.
„Danke, das Essen schmeckt wirklich sehr gut", erwiderte ich.
„Das freut mich. Weißt du, Niall, als ich jung war, konnte ich überhaupt nicht kochen."
„Lass mich raten, du hast diesem Iren eine Tiefkühlpizza vorgesetzt."
Diesen Satz hatte ich einfach sagen müssen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie jetzt sauer werden würde. Ihre Antwort erfolgte spontan und ohne jegliche Gefühlsregung. „Genau so ist es abgelaufen. Aber er hat es mir damals nicht übel genommen."
Gott was taten wir hier eigentlich? Wir saßen gemeinsam an einem Tisch, in Gesellschaft ihres Ehemanns und ihrer Tochter Sammy, meine Freundin, die ich liebte. Und auf den Tag genau vor drei Monaten oder dreißig Jahren, nach ihrer Zeitrechnung, waren Lizzy und ich zusammen im Bett gewesen.
Der Gedanke daran ließ mich fast durchdrehen. Es fühlte sich so an, als ob ich Sammy betrogen hätte und dann wieder auch nicht, denn sie war damals noch gar nicht auf der Welt gewesen.
„Was für ein komischer Zufall, dass du auch einen Typen mit dem Namen Niall kanntest", kam es jetzt von Sammy, die zu ihrer Mutter schaute.
Lizzy zuckte nur mit den Schultern, erwiderte jedoch nichts. Damit war das Thema Niall glücklicherweise beendet und ich durfte kurz durchatmen.
Hin und wieder warf ich Lizzy verstohlene Blicke zu. Ihr langes dunkelbraunes Haar fiel auf ihre Schultern hinab, jedoch nicht so gerade wie damals, sondern stufig geschnitten und ein bisschen kürzer. Ihre Augen strahlten noch immer eine immense Lebensfreude aus, auch wenn diese nun von zahlreichen Fältchen umgeben waren. Von ihrer Figur wollte ich gar nicht erst anfangen zu reden, denn diese hatte sich nicht viel verändert. Lizzy wirkte immer noch klein und zierlich. Es fiel mir wirklich schwer damit klarzukommen, dass sie jetzt dreißig Jahre älter war als ich. Aber diese Tatsache konnte ich nicht wegdiskutieren, geschweige denn, dass ich ihr aus dem Weg gehen konnte.
„Niall, möchtest du noch etwas essen?" Lizzys Stimme holte mich abrupt aus meinen Gedanken.
„Nein, danke, ich bin wirklich satt und es hat total gut geschmeckt", erwiderte ich und versuchte zu Lächeln, obwohl mir eigentlich nicht danach zumute war.
Mein Innerstes war total aufgewühlt und als Phil mir einen Whiskey anbot, nahm ich dankend an. Vielleicht würden meine gestressten Nerven dann etwas ruhiger werden.
Sammy räumte gemeinsam mit ihrer Mutter den Tisch ab, während Phil ein Gespräch mit mir begann. Er erkundigte sich, wann wir wieder auf Tour sein würden und wie lange diese dauern würde. Bereitwillig gab ich Auskunft über meine Arbeit, denn das lenkte mich ein klein wenig von Lizzy ab. Zumindest so lange, bis die beiden Frauen sich wieder zu uns gesellten.
Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass Lizzy mich sehr genau beobachtete, genauso wie ich das bei ihr getan hatte, als wir am Tisch saßen. Wahrscheinlich war sie ebenso schockiert wie ich, überspielte das jedoch recht gut. Wie oft hatte ich mir ausgemalt, was ich ihr sagen würde, wenn ich die Chancen haben sollte, ihr noch einmal zu begegnen. Jetzt war es soweit, doch ich konnte keinesfalls in Gegenwart ihres Ehemanns und meiner Freundin über unsere Vergangenheit sprechen. Das musste ich tun, wenn wir alleine waren. Nur wir beide, ganz unter uns.
Aber wie sollte ich das bewerkstelligen? Bestimmt arbeitete Lizzy, genau wie Phil und sie trafen am Abend gemeinsam hier ein. Die Idee, sie nach ihrer Handynummer zu bitten, fiel ebenfalls aus, da Sammy und auch Phil neben uns standen. Somit war guter Rat teuer, doch ein unglaublicher Zufall kam mir in jenem Moment zu Hilfe.
„Schatz, du hast es wirklich gut, dass du ab morgen frei hast", ließ Phil sich plötzlich vernehmen, während er Lizzy zuzwinkerte.
„Ich habe mir meinen Urlaub eben vernünftig eingeteilt. Außerdem steht Weihnachten vor der Tür und da habe ich noch genügend im Haus zu tun", erwiderte Lizzy.
„Hast du mein Geschenk schon eingepackt?", fragte Sammy vorwitzig, als sie zu ihrer Mutter schaute.
„Wer sagt dir denn, dass du überhaupt was zu Weihnachten geschenkt bekommst?"
Ich musste prompt schmunzeln, als Lizzy das losließ. Sammy besaß ihren Humor, definitiv.
„Trinkst du noch einen Whiskey, Niall?"
Phil stand plötzlich mit der Flasche vor mir und ich nickte einfach. Whiskey ließ mich locker werden und genau das brauchte ich am heutigen Abend.
Nachdem ich das Glas geleert hatte, begann ich zu überlegen, wann ich Lizzy einen Besuch abstatten sollte. Je schneller ich das tat, umso besser würde es für uns beide sein.
Der Plan in meinem Kopf nahm langsam Gestalt an. Sammy übernachtete zwar bei mir, aber sie musste am späten Vormittag die Uni aufsuchen und würde vor sechs Uhr abends nicht zurückkehren. Somit schien der morgige Tag perfekt für mein Vorhaben zu sein.
Als wir uns eine Stunde später von Phil und Lizzy verabschiedeten und kurz darauf in meine Range Rover saßen, atmete ich innerlich auf. Sekunden danach startete Sammy den Wagen und steuerte diesen vorsichtig aus der Parklücke auf die Straße.
„Du kannst ruhig ein bisschen Gas geben", murmelte ich in ihre Richtung.
„Damit wir einen Strafzettel kassieren? Das kannst du dir abschminken, Niall Horan", erwiderte sie lachend. Daraufhin legte ich meine Hand auf ihren Oberschenkel, um sie ein wenig zu ärgern.
„Willst du mich anmachen?", fragte sie sogleich.
„Aber klar doch", gab ich zur Antwort.
Der Whiskey entfaltete jetzt seine volle Wirkung, was mir ausgesprochen gut tat. Kein Stress wegen Elizabeth, die ich morgen besuchen würde. Stattdessen schlief ich sofort ein, als ich endlich in meinem Bett lag.
Am nächsten Tag wurde ich von Sammy mit einem liebevollen Kuss geweckt.
„Tschüss, Niall. Ich fahre jetzt in die Uni", hauchte sie mir ins Ohr. „Sehen wir uns heute Abend?"
„Klar", murmelte ich schlaftrunken und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
Nachdem Sammy verschwunden war, holte ich mein Handy hervor. Erstens, um die Uhrzeit zu checken und zweitens, um mir die beiden Bilder von Lizzy anzuschauen, welche sich noch immer darauf befanden.
Natürlich wirkte ihr Gesicht bei weitem nicht mehr so jugendlich wie auf den Fotos, doch sie zählte definitiv zu den reifen Frauen, die man noch immer gerne anschaute.
Es war genauso gekommen, wie ich es vermutet hatte. Sie war eine Frau, der man ihr Alter nicht unbedingt ansah und die eine enorme Ausstrahlung besaß. Wie sollte ich nur damit umgehen?
Mit einem Schlag wurde mir plötzlich bewusst, dass es viele Dinge gab, die ich ihr niemals würde sagen können, weil es mir einfach zu peinlich war. Doch ich wollte sie wissen lassen, dass es mir immer wichtig gewesen war, in Erfahrung zu bringen, ob es ihr gut ging. Vielleicht würde sie mich ja verstehen. Und ich musste ihr auf jeden Fall die Sache mit der Zeitreise erklären, denn dass ich damals nicht gelogen hatte, musste ihr nun klar sein.
Seufzend erhob ich mich aus dem warmen Bett und tapste gedankenverloren ins Badezimmer. Dort nahm ich eine ausgiebige Dusche, rasierte mich und zog anschließend frische Klamotten an.
Nach einem schnellen Frühstück machte ich mich auf den Weg in Richtung Camden, jenem Stadtteil, in dem Sammys Eltern wohnten.
Glücklicherweise herrschte kein Stau auf der kurzen Strecke, die ich zurücklegen musste und ich bekam einen Parkplatz, welcher sich in der Nähe meines Ziels befand.
Mit klopfendem Herzen lief ich zum Haus und betätigte die Klingel. Hoffentlich war Lizzy auch zuhause, denn sie konnte ebenso gut einkaufen gefahren sein, dann würde ich warten müssen. Doch ich schien Glück zu haben, denn ich vernahm Schritte, welche immer näher kamen und dann wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet.
Als ich Lizzy gegenüber stand, brachte ich zunächst kein Wort hervor. Ihre blauen Augen scannten mich nicht gerade freundlich, was mein Herz schneller klopfen ließ. Dementsprechend schwer fiel es mir auch, die nächsten Worte auszusprechen. „Kann ich mit dir reden?"
Ihre einzige Antwort darauf war, mir die Tür vor der Nase zuzuknallen. Die Erkenntnis, dass ich alles total verspackt hatte, traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Wahrscheinlich hasste sie mich für das, was ich in der Vergangenheit getan hatte und ich konnte es ihr nicht einmal verübeln. Welches Mädchen wünschte sich den Kerl zurück, der mit ihr geschlafen hatte und sie dann einfach so sitzen ließ? Die Antwort darauf lautete: Keine.
Doch was sollte ich jetzt tun? Sammy war meine Freundin, das Mädchen, das ich über alles liebte. Aber wie sollte unsere Beziehung funktionieren, wenn ihre Mutter mich nicht akzeptierte oder noch schlimmer, mich nicht ausstehen konnte?
Mit hängendem Kopf schlich ich zurück zu meinem Wagen, während sich Tränen in meinen Augen bildeten. Ich hatte Lizzy wehgetan, diesem süßen kleinen Geschöpf und es tat mir unendlich leid. Ich hasste mich in jenem Moment wirklich dafür aber ich wusste auch nicht, wie ich die Situation ändern sollte.
Dass ich jetzt dringend jemanden zum Reden brauchte, lag klar auf der Hand. Jemand, der mir einen guten Rat geben konnte, jemand, dem ich in Bezug auf Frauen vertraute. Dafür kam nur einer in Frage: Louis.
Seine langjährige Beziehung zu Eleanor machte ihn für uns zu einer Art Vorbild, was diese Dinge anging und so steuerte ich meinen Wagen ohne zu zögern in Richtung Louis' Heim. Er öffnete mir auch gleich freudestrahlend die Tür, doch als er mein Gesicht erblickte, erlosch sein Lächeln.
„Was ist denn los, Niall?", fragte er besorgt und schob mich einfach ins Haus.
Da brach es auch schon aus mir heraus. „Sammy", begann ich zu stammeln.
„Was ist mit Sammy? Ist irgendwas passiert?" Louis klang alarmiert.
„Nein, Sammy geht es gut aber..." Ich holte tief Luft, doch ich war nach wie vor nicht fähig richtig zu sprechen. „Lizzy... Thompson..., ich meine Sammy Straton... Lizzy...."
Tränen strömten aus meinen Augen, als ich zu ihm schaute.
Louis legte nun seine Arme um mich. „Niall, beruhige dich und rede in ganzen Sätzen mit mir, sonst kann ich dir nicht helfen. Also nochmal ganz langsam, damit ich es auch verstehe."
„Elizabeth Straton, ehemals Thompson, also Lizzy Thompson ist Sammys Mum."
Jetzt war es endlich draußen.
„Oh Scheiße", war alles, was Louis im ersten Augenblick von sich gab.
Da jeder meiner Bandkollegen dank Zayn inzwischen wusste, dass ich mit Lizzy geschlafen hatte, konnte Louis sich ganz sicher ausmalen, wie es mir gerade ging.
„Oh mein Gott, das kann doch nicht wahr sein!", brachte er noch immer schockiert hervor.
„Sie hasst mich."
Nach dieser Aussage begann ich vom gestrigen Abend sowie von meiner gerade zurückliegenden kurzen Begegnung mit Lizzy zu erzählen. Louis hörte sich alles in Ruhe an und als ich ihm die Frage stellte, was ich nun tun sollte, antwortete er mit folgenden Worten darauf: „Wenn du Sammy liebst, dann musst du das in Ordnung bringen, Niall."
„Natürlich liebe ich Sammy! Aber Lizzy hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt! Wie bitte soll ich mit ihr sprechen, wenn sie sich weigert mich anzuhören?"
Ich spürte schon wieder Tränen der Verzweiflung in meinen Augen brennen, als Louis mich in den Arm nahm.
„Du kriegst das hin, Kleiner, ganz sicher. Weißt du, sie ist auch nur ein Mensch und wenn du jeden Tag vor ihrer Haustür aufkreuzt, wird sie dich ganz sicher irgendwann hereinlassen."
Schniefend schaute ich in Louis Gesicht, der mir aufmunternd zulächelte. „Glaubst du an Wunder?", fragte ich dann mit zitternder Stimme.
„Nein, aber ich glaube an Lizzy. Sie war damals wahnsinnig verknallt in dich und du hast ihr vermutlich mehr wehgetan, als du es dir vorstellen kannst. Trotzdem denke ich, dass sie dir eines Tages zuhören wird. Du musst dann eben nur die richtigen Worte wählen und schon kommt die Sache in Ordnung."
„Die richtigen Worte?", äffte ich ihn nach. „Was sind denn die richtigen Worte? Etwa, dass ich mit ihr geschlafen habe, um ihr Leben zu retten?"
„Zum Beispiel."
Mein Kopf senkte sich nach unten, als ich weiter redete. „Soll ich ihr sagen, dass ich es nicht getan hätte, wenn ich gewusst hätte, wie die Sache ausgeht? Also, dass sie mir als die Mum meiner Freundin begegnen würde?"
„Bist du verrückt", Louis schrie es fast, was mich erschrocken zusammen fahren ließ. „Das darfst du niemals sagen, du würdest sie damit total kränken! Außerdem entspricht es sowieso nicht der Wahrheit, oder?"
Resigniert schüttelte ich meinen Kopf. „Nein, das wäre eine Lüge."
„Gut, dann tue das, was ich dir geraten habe und geh wieder hin."
„Jetzt gleich?"
„Na klar, oder wolltest du bis morgen warten?"
Fassungslos starrte ich ihn an, nachdem er das von sich gegeben hatte. Louis war wirklich knallhart, aber auch ehrlich und genau das schätzte ich so an ihm. Also befolgte ich seinen Rat und fuhr erneut zu Elizabeth, in der Hoffnung, dass ich dieses Mal erfolgreicher sein würde, wenn es darum ging, mit ihr reden zu dürfen.
Panik machte sich in mir breit, als ich die Klingel zum zweiten Mal an diesem Tag betätigte. Was würde nun passieren? Würde ich erneut eine Abfuhr erhalten oder würde sie vielleicht doch mit mir reden wollen, wenn ich nicht so einfach aufgab?
Ich war so furchtbar nervös, dass ich fast nicht mitbekam, wie die Haustür geöffnet wurde. Erst, als ich in Lizzys blaue Augen schaute, welche mich überrascht und missbilligend zugleich anschauten, erwachte ich aus meinem tranceartigen Zustand.
„Bitte lass uns reden".
Wahrscheinlich klang das so erbärmlich, dass sie Mitleid mit mir hatte, anders konnte ich es mir in jenem Moment nicht erklären, dass sie mich am Arm packte und praktisch ins Haus zerrte.
„Beweg dich oder willst du, dass die Paparazzi eine hübsche Schlagzeile bekommen?", fragte sie beinahe spöttisch.
Alles was ich tun konnte, war ein stummes Kopfschütteln zu fabrizieren. Dann folgte ich ihr in die große luxuriöse Küche, in welcher es sogar Sitzgelegenheiten in Form von drei Barhockern gab. Alles war hell und sehr modern eingerichtet. Sie besaß wirklich einen guten Geschmack, den Sammy zweifelsohne von ihr geerbt hatte.
Naiv wie ich war, dachte ich, dass ich nun an der Reihe sei, etwas zu sagen, doch in dieser Hinsicht täuschte ich mich gewaltig. Lizzy stemmte die Hände in ihre Hüften und baute sich vor mir auf, als sie zu reden begann.
„Niall, du bist wirklich der Niall aus dem Jahr 1983, oder?"
„Ja und ich bin mit einer Zeitmaschine..." Bevor ich den Satz zu Ende bringen konnte, unterbrach sie mich. „Beweise es mir."
Wie zum Teufel sollte ich das tun ohne dass es jetzt peinlich wurde?
Verzweifelt kramte ich in meinen Erinnerungen nach Dingen oder Vorkommnissen, die unverfänglich waren.
„Wir waren zusammen auf einem Konzert von U2", sagte ich schließlich.
„Fein, das kann Sammy dir erzählt haben, dass ich mal dort war."
Ok, das war dann wohl nicht der richtige Beweis. Jedenfalls nicht für Lizzy. Dann musste ich wohl in eine Richtung gehen, die sich nicht mehr ganz so unverfänglich anfühlte.
Nach einem tiefen Durchatmen murmelte ich: „Du hast eine Narbe am rechten Unterbauch. Sie ist durch eine Blinddarm Operation entstanden."
„Oh". Lizzy zog ihre Augenbrauen ein wenig in die Höhe. „Auch das kann Sammy dir erzählt haben."
„Warum sollte sie?"
„Warum sollte sie nicht?"
Sie konnte also auch zickig sein, zumindest ein bisschen und sie zwang mich dazu, einen meiner letzten Trümpfe auszuspielen. Nicht den allerletzten, denn die Worte, dass wir miteinander geschlafen hatten, würden nicht über meine Lippen kommen. Sowas konnte ich einfach nicht bringen, dazu fehlte mir der Mut. Aber ich war in anderer Hinsicht ziemlich mutig, ob es ihr nun gefiel oder nicht.
Langsam ging ich auf Lizzy zu, streckte meine Hand aus und berührte mit meinem Zeigefinger jene Stelle an ihrem Bauch, wo die Narbe sich befand. Ich wusste das noch ganz genau, jeder Zentimeter ihres Körpers war mir in Erinnerung geblieben.
„Die Narbe sitzt genau da und sie ist ungefähr fünf Zentimeter lang und ich habe sie in der Nacht vom sechzehnten auf den siebzehnten Dezember 1983 geküsst."
Natürlich wurde ich puterrot, als ich das aussprach, doch es hatte gesessen, oder anders ausgedrückt, Lizzy überzeugen können.
Ein wenig fassungslos schnappte sie kurz nach Luft, um Sekunden später verbal über mich herzufallen.
„Ich weiß nicht, wie du ins Jahr 1983 oder auch zurück ins Jahr 2013 gelangt bist, denn das ist zweitrangig. Aber wenn du mit den Gefühlen meiner Tochter spielen willst, wirst du mich kennenlernen, das schwöre ich dir!"
Es ging ihr also gar nicht um mich, oder das was früher zwischen uns geschehen war, sondern um Sammy. Zumindest erweckte ihre Äußerung diesen Eindruck bei mir. Doch ich hatte mich mal wieder getäuscht, denn als ich ein entrüstetes „Ich spiele nicht mit Sammys Gefühlen, was denkst du denn von mir?", von mir gab, spürte ich, wie sie innerlich zusammenzuckte. Ich konnte es deutlich an ihrem Gesicht erkennen.
„Warum hast du das getan?" Ihre Stimme war nur noch ein leises Wispern aber ich verstand genau, was sie damit meinte. Sie hätte diese Frage auch anders stellen können.
„Warum hast du Idiot mit mir geschlafen, wenn du genau wusstest, dass du wieder zurück ins Jahr 2013 reisen würdest?"
„Das war verantwortungslos und ziemlich egoistisch von dir!", warf sie mir nun an den Kopf. „Auch wenn es dreißig Jahre her ist, ich habe es nicht vergessen!"
Einerseits war es ziemlich verantwortungslos gewesen, so zu handeln, anderseits war es jedoch die größte und beste Tat meines Lebens überhaupt. Und genau das wollte ich sie wissen lassen. Louis hatte vollkommen Recht, ich musste es ihr sagen.
„Lizzy, hör mir bitte zu!"
„Nenn mich nicht Lizzy!"
„Und wie bitte soll ich dich nennen?"
„Liz!"
Wir redeten in einer Lautstärke miteinander, dass es schon nicht mehr feierlich war.
„Ich hab's verdammt nochmal getan, um dein Leben zu retten! Nur deswegen! Begreifst du das!?"
Als unsere Augen sich trafen, konnte ich ihre Zweifel erkennen, aber auch eine Art Fassungslosigkeit. Schnell wanderte mein Blick nun zu einem Tablet, welches auf der Anrichte in der Küche lag. Ich schnappte mir das Ding und drückte es ihr in die Hand.
„Gib Harrods, 17.12.1983 bei Google ein", forderte ich sie mit fester Stimme auf.
Während sie das tat, redete ich erneut. Hektisch kamen die Worte aus meinem Mund.
„Da wir aus dem Jahr 2013 in das Jahr 1983 zurückgereist sind, hat man uns gesagt, dass wir am 17.12.1983 um 13 Uhr 21 nicht in die Nähe dies Harrods gehen sollen, weil an diesem Tag und zu dieser Zeit ein Bombenattentat stattfinden würde. Du wollest an diesem Tag unbedingt Weihnachtsgeschenke einkaufen. Wenn ich dich damals hätte gehen lassen, wärst du vermutlich gestorben. Ich wollte dein Leben retten, deswegen habe ich es getan."
Ich konnte und wollte ihr nicht sagen, dass dies nicht der einzige Grund meines Handelns gewesen war, denn das hätte die Sache zwischen uns noch viel komplizierter gemacht.
Als Lizzy sich zu mir drehte, sah ich, wie Tränen ihre Wangen hinunterliefen. Es brach mir fast das Herz, sie weinen zu sehen.
„Bitte geh jetzt", presste sie hervor. „Ich möchte alleine sein".
Mit gesenktem Kopf stolperte ich kurze Zeit später aus dem Haus. Als ich endlich in meinem Range Rover saß, legte ich meine Arme gekreuzt auf das Lenkrad, barg mein Gesicht darin und begann hemmungslos zu weinen.
Es tat so furchtbar weh, von ihr zurückgewiesen zu werden.
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So meine Lieben, hier ist das Kapitel, auf das ihr sehnsüchtig gewartet habt. Die erste Begegnung zwischen Niall und Lizzy. Diese ist ja nicht gerade gut verlaufen.
Tut euch Niall leid? Und wie sieht es mit Lizzy aus? Könnt ihr ihre Reaktion nachvollziehen?
Wie mag das wohl jetzt weitergehen?
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und bedanke mich gleichzeitig für die vielen Kommentare zum letzten Kapitel. Das war Wahnsinn und ich freue mich auch schon auf die Reaktionen zu diesem Kapitel - das muss ich ehrlich gestehen.
LG, Ambi xxx
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