2. Kapitel

Mit etwas wackligen Knien nähere ich mich dem Schulgebäude. Ich hasse es neu irgendwo zu sein. Zu viel Aufmerksamkeit und es dauert, bis man neue Kontakte geknüpft hat. Und wieso darf ich jetzt hier sein? Weil ich mich verdammt nochmal gewehrt habe. Doch eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. "Pass doch auf!" Ich muss wohl aus Versehen jemanden angerempelt haben. Das fängt ja gut an.

"Tschuldigung", murmele ich verlegen. Vor mir steht ein dunkelhäutiges, relativ großes Mädchen mit blau-grünen Augen, welche mich fast zu durchbohren scheinen. "Ich...bin neu hier. Könntest du mir vielleicht zeigen, wo ich die Direktorin finde?" Das Mädchen mustert mich noch ein letztes Mal, bevor sie nickt und mir die Hand hinhält. "Ich bin Bianca", stellt sie sich mir vor. Ich erwidere ihre Geste und schüttele ihr die Hand. "Camilla."

Bianca führt mich in Windeseile zum Büro von Larissa Weems, der Direktorin von Nevermore. "Danke", sage ich zu ihr gewandt. Bianca antwortet mit einem Nicken und geht dann wieder. Ich blicke mich noch kurz um bevor ich an die große, hölzerne Tür klopfe. "Herein!", ruft jemand von innen. Dann drücke ich die Türklinke hinunter und betrete das Büro von Ms. Weems.

Das erste, was mir auffällt, ist das alles in diesem Raum groß zu seinen scheint. Angefangen mit dem riesigen Raum, an dessen Ende ein großer Schreibtisch steht hinter dem eine knapp zwei Meter große, ältere Frau mit kurzem, weißem Haar sitzt und mir mit einer Geste bedeutet mich zu setzen. Ich lasse mich also auf einen der zwei Sessel nieder, die vor dem Schreibtisch stehen. "Du musst Camilla sein", sagt Ms. Weems und lächelt mich an. "Eigentlich nehmen wir mitten im Semester keine Schüler auf. Aber anhand deiner...besonderen Kräfte haben wir beschlossen eine Ausnahme zu machen" Sie lächelt wieder und ich erwidere ihre Geste gequält.

"Das letzte freie Mädchenzimmer hat dir leider schon eine andere Schülerin namens Wednesday Addams weggeschnappt. Allerdings ist heute ein Platz in einem der Jungen-Zimmer frei geworden. Ich hoffe dir macht es nichts aus, dir das Zimmer mit einem Jungen zu teilen?" Ich schüttele den Kopf. "Super!", erwidert Ms. Weems erfreut und erklärt mir noch die Regeln, die Essenszeiten und überreicht mir meinen Stundenplan und den Zimmerschlüssel. "Das wars so weit. Wenn du Fragen hast, steht dir meine Tür immer offen", beendet Ms. Weems ihren Vortrag. "Ich werde darauf zurückkommen", sage ich, stehe auf und gehe hinaus aus dem Büro.

Nach ein paar Minuten habe ich auch mein Zimmer gefunden. Ich öffne die Tür und trete ein. Im Zimmer steht ein Junge mit mittellangen, braunen Haaren welcher nur ein Handtuch um die Hüfte trägt. "Oh mein Gott...sorry", sage ich verlegen und drehe mich schnell weg. Er antwortet darauf erst einmal gar nichts. "Bist du...", beginne ich mit meiner Frage doch werde von ihm mitten im Satz mit einem "Ja" unterbrochen.

Ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Dieser Tag wurde ja immer besser. "Ich bin übrigens Camilla", breche ich die unangenehme Stille, in der Hoffnung mit ihm eine kleine Unterhaltung führen zu können. Da dreht er sich plötzlich ruckartig zu mir um. Seine ganze Aufmerksamkeit ruht nun auf mir. Habe ich was Falsches gesagt? Vielleicht habe ich den gleichen Namen wie seine Ex Freundin oder sowas? Das wäre wirklich unangenehm. "Wie lautet dein Nachname?", fragt er mich. Langsam wird mir mulmig zumute. Warum will er meinen Nachnamen wissen? Und wieso kommt mir seine Stimme so verdammt bekannt vor?

"White", beantworte ich seine Frage. "Camilla. Ich bin es. Xavier", höre ich ihn sagen. Jedoch bewegen seine Lippen sich kein Stück. Ich schüttele erst langsam den Kopf und beginne dann in regelmäßigen Abständen "Nein. Nein das kann nicht sein" vor mich hinzumurmeln. Während ich das tue, starrt er mich immer noch an was mich wahnsinnig macht.

"Beweise es mir", sage ich zu ihm, nachdem ich mich einigermaßen gefasst habe. "Beweise mir das du es bist."

"War das mit den Gedanken nicht Beweis genug?", fragt er mich. Ich schüttele den Kopf.

"Wie soll ich es dir denn beweisen?", fragt er seufzend und setzt sich auf sein Bett. Ich setze mich ebenfalls hin und beginne ihm Fragen zu stellen.

"Wann habe ich Geburtstag?"

"Am 17. November", antwortet er.

"Ok... welche Hobbys habe ich?"

"Singen, Musik hören, lesen und du hast mal in einem Verein getanzt was du aber aufgegeben hast", antwortet er.

"Richtig. Endgegnerfrage. Zwischen welchen zwei Kleidern habe ich dich heute entscheiden lassen welches ich einpacken soll?"

"Rot und Blau. Und ich hoffe doch du hast das Blaue mitgenommen", sagt er und grinst.

"Ok ok. Ich glaub dir", sage ich und muss selber ein bisschen lächeln. Wer hätte gedacht das ich Xavier ausgerechnet hier treffe?

Nachdem wir uns länger unterhalten haben, kommt wieder die Frage auf wieso ich denn hier wäre. "Ich...", beginne ich doch meine Stimme bricht ab.

"Hey. Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht möchtest", sagt er und legt mir einem Arm um die Schulter.

"Ich...naja also ich habe dir ja schon von Mandy erzählt. Es war so, dass sie mal wieder einen Schüler schikaniert hat. Doch dieses Mal war ich das Opfer. Ich konnte mich nicht beherrschen und..."

"Du hast die Kontrolle verloren", beendet Xavier meinen Satz.

"Genau", ich bin froh, dass er es für mich ausgesprochen hat, "Und dann als ich ihr wieder hochhelfen wollte habe ich bei der Berührung so viel Wut und Hass gespürt das ich ohnmächtig geworden bin. Nun ja und meine Eltern haben entschieden das es das Beste für mich ist hier her zu kommen um meine Kräfte...besser kontrollieren zu können", beende ich die Geschichte. Xavier nickt verständnisvoll.

"Wer hat hier eigentlich vorher gewohnt?", wechsle ich das Thema. "Ein Typ namens Rowan. Er hat genau wie du telekinetische Kräfte. Er war ganz ok doch als ich ihn auf eine bestimmte Sache angesprochen habe ist er total durchgedreht und hat mich mit seinen Fähigkeiten gegen die Wand geworfen. Nun ja...Er ist heute Morgen abgereist" Ich frage nicht weiter nach. Wenn Xavier bereit ist mir die ganze Geschichte zu erzählen wird er es tun.

Als ich diese Nacht im Bett liege, muss ich noch lange über den heutigen Tag nachdenken. So scheiße er auch angefangen hat, desto besser hört er jetzt auf. Auch wenn die Nevermore Academy alles andere als mein Wunsch gewesen ist, bin ich doch gespannt, was für Geheimnisse sich hinter den dicken Mauern verbergen.

Ich drehe mich so herum, dass ich Xavier sehen kann. Er ist schon eingeschlafen und auch mir fallen langsam aber sicher die Augen zu.

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