Kapitel 17
»Wer den Glauben angreift, greift auch die Krone an. Und jemand der die Krone angreift, eignet sich nicht als Lord Kommandant der Königsgarde«, meinte Tommen von seinem Thron aus.
»Ich war schon Mitglied der Königsgarde, als Ihr noch nicht mal geboren ward«, sagte Jaime Lennister mit einem missbilligenden Unterton. Er hatte seine Rüstung abgelegt, die nun auf dem Boden des Thronsaals lag. Nun trug er nur noch sein Ledergewand. »Ihr müsst das nicht tun. Ihr seid der König. Ihr müsst gar nichts tun.«
»Ich muss mich vor den Göttern verantworten«, erwiderte Tommen nach kurzem Zögern.
»Nicht, wenn Ihr in diesem Stuhl sitzt.«
»Die Krone hat endgültig darüber entschieden.«
»Werde ich nackt durch die Straßen laufen müssen?«, stichelte Jaime. »Oder werde ich erst ein paar Monate im Verließ der Septe verbringen, wo man mir die Gnade der Mutter näherbringt?«
Tommen wechselte einen kurzen Blick mit Kevan Lennister, der neben seinem Thron stand. »Ihr habt Eurem Haus und Eurem König viele Jahre treu gedient«, begann der Junge, »und das werdet Ihr auch weiterhin tun, aber nicht in dieser Stadt. Ihr werdet zu den Flusslanden reisen und mit der Unterstützung der Freys vom Schwarzfisch die Burg zurückerobern.«
Jaime starrte Tommen fassungslos an, doch als er sich wieder gefangen hatte, verbeugte er sich knapp. »Wie Euer Gnaden befiehlt.« Ohne ein weiteres Wort schritt er davon. Ich beobachtete ihn von der Galerie aus, dann ging auch ich.
Es klopfte an meiner Tür. Die Sonne war draußen bereits untergegangen, und ich wunderte mich, wer um diese Zeit noch etwas von mir wollte. Ich erhob mich, streifte mein Kleid glatt und bat um Eintritt. Jaime Lennister betrat mein Gemach und verwundert musterte ich ihn.
»Was wollt Ihr hier?«, verlangte ich zu wissen.
»Wie Ihr wisst, werde ich mich zu den Flusslanden begeben. Ich habe vor, Euch mitzunehmen und Euch Eurem Großonkel auszuhändigen.«
»Als Geisel oder als Druckmittel, damit er Euch die Burg überlässt«, meinte ich finster.
»Nein«, erwiderte der Mann. »Ich werde Euch ohne irgendeinen Hintergedanken gehen lassen. Ich habe ein Versprechen einzuhalten - Euch wohlbehalten nach Hause zu bringen.«
»Schnellwasser ist nicht mein Zuhause. Winterfell ist mein Zuhause, und es ist besetzt von Verrätern.«
»Der Schwarzfisch wird Euch sicherlich helfen«, meinte der Lennister. »Packt Eure Sachen. Wir brechen beim ersten Sonnenstrahl auf.« Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte der Mann mein Zimmer verlassen.
Eine Weile stand ich einfach nur da, zu überwältigt von den Neuigkeiten und den Gefühlen, die mich durchströmten. Ich würde nach über einem Jahr Königsmund verlassen. Ich würde ein Stück mehr Richtung Heimat kommen, und vielleicht, nur vielleicht würde ich meine Familie wiedersehen.
Wie von selbst verließ ich mein Zimmer. Meine Wache musterte mich verwirrt, folgte mir jedoch wortlos. Ich erreichte das Gemach des Königs, zuerst verweigerte man mir den Zutritt, doch nachdem sie den König auf mich aufmerksam gemacht hatten, wurde ich hindurchgelassen.
»Was wollt Ihr hier?«, fragte mich der Junge und ich sah deutlich, dass er meine Anwesenheit missbilligte.
»Ich wollte mich von Euch verabschieden«, erklärte ich. »Ich werde Euren Onkel in den Norden begleiten.«
Tommen blickte mich schweigend an. »Ich weiß, wieso Ihr das alles getan habt«, meinte er schließlich. »Wieso Ihr mit mir ... Ihr wolltet nur meine Mutter verletzen.«
»Tommen -«
»Nein, ich habe es verstanden. Ihr liebt mich nicht und ich liebe Euch nicht. Ich liebe Margaery. Ich werde sie immer lieben.«
Ich lächelte sanft und trat einen Schritt auf den Jungen zu. »Passt auf Euch auf«, flüsterte ich. Ich hauchte ihm einen leichten Kuss auf die Wange, dann verschwand ich.
Der Trupp erstreckte sich über Meilen. Ich ritt neben Jaime und seinem Freund Ser Bronn vom Schwarzwasser, ein elendiger Ritter, eher ein Söldner, her. Meine Wölfe, die ich in all der Zeit in Königsmund nur selten besucht hatte, waren, sobald wir die Hauptstadt verlassen hatten, sofort losgerannt und aus meinem Sichtfeld verschwunden.
»Ich kannte Eure Schwester, M'lady«, sagte Bronn an mich gewandt. »Sehr hübsch und wohl erzogen. Sie hat das Beste aus der Ehe mit dem Zwerg gemacht. Aber Tyrion war auch nicht der schlechteste Mann, den sie je hatte.«
Ich sah, wie Jaime ihn wütend anfunkelte, und da verstand der Ritter.
»Verzeiht«, sagte er und räusperte sich. »Ich ... Ich ziehe mich nun zurück.« Er versuchte eine übertriebende Verbeugung auf seinem Pferd zu vollführen, dann ritt er davon.
»Ihr müsst Bronn verzeihen«, meinte Jaime. »Manchmal ist er etwas -«
»Nur weil ich Euch begleite und Ihr Euren Eid erfüllen wollt, heißt das nicht, dass wir beide miteinander reden müssen«, unterbrach ich ihn kühl.
»Ihr ähnelt Eurer Mutter sehr«, bemerkte der Lennister.
Ich gluckste vergnügt. »Ihr kanntet meine Mutter nicht.«
»Ich kannte Ihr Wesen«, meinte der Mann. »Ich war immerhin eine Zeitlang Ihr Gefangener.« Er sah mich von der Seite an. »Es ist schon lustig, nicht? Unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Jedes Mal war es ein anderer.«
Ich stöhnte genervt auf, gab meinem Pferd die Sporen und schaffte einen großen Abstand zwischen mir und Jaime Lennister.
Der Rauch der Lagerfeuer stieg gen Himmel empor. Der Wind peitschte erbarmungslos in die Gesichter der Ankommenden, das Wasser trieb unruhig im Flussbett. Schnellwasser stand auf einer Insel, geschützt von allen Seiten durch den Roten Arm. Die mickrige Zahl der Freys hatte sich vor dem Burggraben postiert und versperrte den einzigen Ausgang für die Tullys. Doch konnten die Soldaten auch nicht die Burg stürmen, denn der Schwarzfisch hatte die Zugbrücke hochfahren lassen.
»Ein erbärmlicher Abklatsch von einer Belagerung«, bemerkte Bronn mit einem Blick auf die Frey-Soldaten. »Jemand muss diesen armen Pfeifen zeigen, wie man Gräben aushebt.«
»Jemand sollte das dringend tun.« Auffordernd blickte Jaime seinen Begleiter an.
Der Lennister hatte mich schneller eingeholt, als mir lieb gewesen war. Er meinte, es wäre das Beste für mich, wenn ich mich in seiner und nicht in Gegenwart der Lennister-Soldaten befände - was er damit aussagen wollte, war mir sofort klar. Auch wenn ich es missbilligte, ritt ich den Rest der Reise an seiner Seite, jedoch schweigend.
»Oh, nein. Niemals. Ich bin nur ein emporgekommender Söldner«, erwiderte Bronn sogleich.
»Ihr seid ein gesalbter Ritter. Das ist ein großer Unterschied.«
»Genau. Ritter werden bezahlt.«
»Ihr habt bessere Instinkte als alle anderen Offiziere der Lennister-Armee«, meinte Jaime.
»Als würde man sagen, ich hätte einen größeren Schwanz als alle anderen Unbefleckten«, gab Bronn nur zurück.
Jaime ließ seine Blicke schweifen. »Vermutlich befehlige ich in Kürze das gesamte Lennister-Heer. Ihr könnt meine verlorene rechte Hand werden.«
Was für ein Wortspiel, dachte ich nur, sagte jedoch nichts.
Bronn lehnte sich im Sattel zurück. »Ihr verspracht mir einen Adelsbrief und eine Ritterburg und eine hochgeborene Schönheit als Frau.«
»Und Ihr erhaltet alle drei. Die Lennisters bezahlen -«
»Sagt es nicht!«, unterbrach Bronn ihn sofort und trieb sein Pferd an. »Sagt es, verdammt noch mal, nicht.«
Wir ritten den Hügel hinab zum Feldlager, oder dem Lager, welches ein Feldlager darstellen sollte, denn wir konnten passieren, ohne dass uns irgendeine Art von Wall oder ähnliches zurückhielt. Wir stiegen von den Pferden ab und liefen mit einigen Männern der Armee durch das Lager zur Burg, vor welcher zwei Freys versuchten meinen Großonkel, den Schwarzfisch, zu überreden, zu kapitulieren.
»Kommt raus und stellt Euch, Schwarzfisch!«, rief einer der beiden. »Wir haben Lord Edmure.«
Erst jetzt sah ich den Mann, den der andere Frey festhielt und einen Strick um den Hals gelegt hatte. Lord Edmure. Mein Onkel. Ich hatte ihn das letzte Mal gesehen, als ich gerade laufen konnte - und selbst daran konnte ich mich noch kaum erinnern.
»Überlasst uns die Festung, sonst hängen wir ihn auf.«
Der Schwarzfisch erschien auf dem Wall. Er war viel älter, als ich ihn in Erinnerung hatte, doch seither waren auch viele Jahre vergangen. Ich kannte ihn nicht wirklich und er mich nicht.
»Das ist Eure letzte Warnung. Überlasst uns die Festung!«
Keine Antwort. Dem Mann schienen die Drohungen wenig zu bedeuten.
Der Frey, der Edmure festhielt, riss ihm augenblicklich die Schlinge vom Kopf und zückte ein Messer. »Denkt Ihr, ich tu es nicht, alter Mann?« Er hielt meinem Onkel die Klinge an den Hals. »Ich hab' schon Eurer Nichte die Gurgel aufgeschlitzt. Und wo ward Ihr? Auf der Flucht wie ein verdammter Feigling!«
Sofort straffte sich meine Haltung. Wenn es wahr war, hatte dieser Mann meine Mutter umgebracht. Doch Jaime Lennister bemerkte meine Unruhe und legte mir seine Hand auf den Unterarm. Wortlos riss ich mich von ihm los und weiterhin schweigend beobachtete ich das Spektakel.
»Übergebt uns die Festung oder ich schneid' ihm den Hals auf«, drohte der Frey.
Stille.
»Dann nur zu«, sagte der Schwarzfisch auf einmal. »Dann schneid' ihm den Hals auf.« Mit diesen Worten verschwand er aus unserem Sichtfeld.
Ich konnte nicht glauben, was ich da soeben gesehen und gehört hatte. Familie, Pflicht, Ehre. Waren das nicht die Worte der Tullys? Wieso scherte sich der Mann nicht um seine Familie?
Der Frey, der meinen Onkel festhielt, ließ das Messer sinken und entfernte sich. Er und sein, wahrscheinlich, Bruder kamen auf uns zu.
»Lothar, richtig?«, fragte Jaime denjenigen, der zuerst gesprochen hatte.
»Ser Jaime«, meinte dieser überrascht. »Wir wussten nicht, dass Ihr kommt.«
»Weil ihr keinen Verteidigungsring angelegt habt«, erklärte der Lennister. »Ihr habt gerade achttausend Männer unbehelligt anrücken lassen.«
»Ein Glück, dass wir auf Eurer Seite sind, sonst würden wir Euch jetzt in den Arsch ficken«, sagte Bronn.
»Gebt Lord Edmure ein Bad und was zu essen«, wies Jaime, ohne auf den Kommentar seines Begleiters einzugehen, an.
»Woah, woah, wartet«, hielt der andere Frey die Männer zurück, die gerade meinen Onkel abführen wollten.
»Walder«, sagte Lothar nur warnend.
Walder schubste ihn zur Seite und trat Jaime gegenüber. »Edmure ist ein Gefangener von Haus Frey. Geht lieber zurück zu Eurer Hure«, er nickte mir zu, »und fickt sie weiter.«
Jaime musterte ihn von oben bis unten. »Nur ein Esel stößt Drohungen aus, die er nicht bereit ist, wahr zu machen. Sagen wir, ich drohe Euch zu schlagen, wenn Ihr den Mund nicht haltet, aber Ihr redet einfach weiter. Was, denkt Ihr, würd' ich tun?«
»Ist mir scheißegal -« Kaum hatte der Frey zu sprechen begonnen, schlug Jaime in mit seinem eisernen Panzerhandschuh ins Gesicht.
»Und die Dame, die Ihr soeben ungehobelt beleidigt habt, ist Lady Sienna Stark und die Nichte von Lord Edmure«, meinte der Lennister. »Ich bin auf Befehl des Königs hier, um diese Festung zurückzuerobern. Gebt ihm ein Bad und was zu essen - außer Ihr wollt an seine Stelle treten.«
Lothar hob beschwichtigend die Hände. »Verzeihung, Ser Jaime.« Er wandte sich an die Männer, die meinen Onkel hielten, und diese führten den Tully ab. Als er an mir vorbeilief, musterte er mich eindringlich, doch ich ließ nur den Kopf sinken.
»Die Belagerung steht jetzt unter meinem Kommando«, verkündete der Jaime. »Das nächste Mal, wenn dieser Schwarzfisch über die Zinnen blickt, wird er eine Armee vor seinen Toren sehen, nicht, was immer das hier ist.«
»Lasst Eure Jungs Verteidigungsgräben ausheben und stellt alle hundert Meter Wachposten auf«, wies Bronn an. »Und sputet Euch mit den Belagerungstürmen und Schleudern.«
»Das sind unsere Belagerungstürme«, rief Walder sofort.
»Wie ich schon sagte«, begann Jaime Lennister, »die Belagerung steht unter meinem Kommando. Wenn Euch das nicht passt, geht nach Hause.« Der Mann nickte einem Soldaten der Freys zu. »Richtet für Lady Sienna ein Zelt ein und stellt Wachen für sie auf. Wenn einer von euch ihr etwas antut, werdet Ihr meinen Zorn persönlich zu spüren bekommen.«
»Ihr sagtet, Ihr bringt mich zu meinem Großonkel!«, rief ich aufgebracht, als mich einer der Männer abführen wollte. »Ihr sagtet, ich gehe nach Hause. Das hier war nicht Euer Versprechen.«
»Ich halte es. Keine Sorge, M'lady«, meinte Jaime. »Aber wenn es zu einem Angriff kommen sollte, wärd Ihr da drin nicht sicher.«
»Ihr habt gelogen!«, schrie ich, während ich mich gegen den Griff des Mannes wehrte. »Ihr sagtet, Ihr bringt mich nach Hause. Ihr habt es meiner Mutter geschworen. Ihr habt es versprochen.«
1960 Wörter
Das ist das vorletzte Kapi.
Was sagt ihr zu Jaimes »Verrat«? Was, denkt ihr, hat er vor?
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