Kapitel 8
Leise klopfe ich an ihre Zimmertür. Als sich auch beim zweiten Klopfen hinter der geschlossenen Tür nichts zu hören ist, nehme ich mir vor es später nochmal zu versuchen. Vielleicht hat sie sich schlafen gelegt oder möchte einfach ihre Ruhe. Das kann ich nur zu gut nachvollziehen.
Die Zeit bis zur Gruppentherapien bleibe ich kurzerhand ebenfalls alleine in meinem Zimmer.
Stunden sitze ich am Fenster und schaue auf den dichten Wald. Was war dort? Was war das für ein Licht? Ich finde keine plausible Erklärung dafür.
Vielleicht reflektiere irgendetwas einfach nur die Sonnenstrahlen oder meine Fantasie war von der Kinofilmkulisse dort unten einfach zu sehr angeregt worden.
Auch als ich die Treppe nach unten zum Gesprächstermin gehe, habe ich für mich noch keine Antwort gefunden.
Nach dem Termin mit Professor Green, gibt es in der Kantine Abendessen. Gerade als ich mir ein Tablett nehme möchte, entdecke ich Sophie, die in ihrem mintgrünen Jogginganzug durch die Tür kommt.
"Wir fühlst du dich denn?", erkundige ich mich gleich.
"Ach, irgendwie nicht so gut", antwortet sie leise, "Ich denke, es ist einfach die Mischung aus Heimweh und einer Erkältung."
In ihrem viel zu großen Sweater wirkt das zierliche Mädchen noch zerbrechlicher, was in mir ein unwahrscheinliches Mitgefühl weckt.
"Jetzt versuche erst einmal etwas zu Essen und hol' dir einen Tee, dann kannst du mir gerne alles ganz genau erzählen."
Gemeinsam setzten wir uns an einen freien Tisch am Mittelgang.
"Magst du Reden?", hake ich noch einmal nach, doch wir werden unterbrochen, als Selma, Miguel und Amy zu uns stoßen.
Amy redet ununterbrochen von ihrer Sitzung mit ihrem Psychologen heute. Doch plötzlich werde ich abgelenkt.
Zwischen den anderen am Eingang bahnte sich ein Typ seinen Weg in die Mensa. Für den Bruchteil von Sekunden treffen sich unsere Blicke.
Er ist groß und auffällig gut gebaut. Seine Haare trägt er seitlich kurz rasiert und das dunkle Deckhaar mit etwas Gel verwuschelt. Das dunkelbraunes Shirt gibt die vielen Tattoos auf seinem Arm preis. Alle Motive sind über den Arm mit dunklen Tribals verbunden, ohne Farbe nur in einfachen Grauschattierungen.
Aber es ist nicht sein Erscheinungsbild, das meine Aufmerksamkeit auf ihn zieht. Er geht mit einer männlichen Eleganz, wie ein Raubtier, während seine Gesichtszüge doch vollkommen emotionslos wirken.
Aber auch diese einnehmende Ausstrahlung ist nicht der Grund, warum ich meinen Blick nicht von ihm nehmen kann. Er hatte etwa an sich, etwas Besonderes, Etwas, das ich nicht richtig einordnen kann.
"Wer ist das im braunen Shirt", frage ich Miguel leise.
Schnell hebt er den Kopf und sucht mit seinen Augen die Menge ab.
"Wer? Da trägt niemand etwas Braunes."
Ich hatte meinen Blick nur für Sekunden abgewandt, als ich Miguel angesprochen habe, aber nun ist wer auch immer er war verschwunden. Schnell sehe ich mich um, er ist nicht mehr hier.
"Ach, schon okay", murmle ich und senke den Blick auf meinen Teller.
Allmählich komme ich mir selbst albern vor.
Ich suche Lichter, die vielleicht gar nicht da waren, sehe attraktive Männer, die plötzlich vom Erdboden verschwinden. Am Besten ich lege mich nach dem Essen direkt hin. Langsam glaube ich, mir haben die austretenden Gase im Ort doch zugesetzt.
Zunehmend fühle ich mich schwindelig, sodass ich das Abendessen früher abbreche und mich zurückziehe.
Müde schlüpfe ich in meine Yogahose und lege mich ins Bett. Der Tag war anstrengend und abenteuerlich. Gerade für jemanden wie mich, die ihr Zimmer seit Monaten kaum verlassen hatte. Die stickige Luft und die Aufregung haben dann den Rest dazugegeben.
Schnell schlafe ich ein.
Mitten in der Nacht werde ich von meinen eigenen Schreien wach. Ich schaffe es kaum zurück in die Realität, während ich jämmerlich schluchze. Hektisch wische mir die Tränen von den Wangen.
Schon wieder quälte mich ein Alptraum und verkürzt mir die Nacht.
Ich kann nicht mehr liegen bleiben. Also rapple ich mich auf und setze mich an meinen Lieblingsplatz am Fenster.
Draußen ist es noch finster. Nur der Mond und ein paar Sterne leuchten über dem schlafenden Wald. Er wirkt absolut ruhig und majestätisch. Was mich veranlasst mich einmal mehr zu fragen, was während unseres Aufenthaltes in Centralia dort vorging.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort über dem lodernden Brand unter der Oberfläche Tiere, geschweige denn Menschen, leben können.
Weil mich diese gewisse Neugier wieder gepackt hat, möchte ich nicht bis morgen warten, um mir Gewissheit zu verschaffen.
Leise schleiche ich durch die Gänge zum Computerraum. Dieses mal starte ich den PC und schließe die Tür, um möglichst unbemerkt zu bleiben. Leider finde ich keinerlei Einträge zu irgendwelchen Tieren, die hier noch in den Wäldern hausen. Da die Einwohner, bis auf ein paar Wenige, die sich weigerten, allerdings wegen Angst vor giftigen Dämpfen damals komplett evakuiert wurde, glaube ich nicht, dass es hier Bären oder andere große Tiere gibt.
Allgemein finde ich unendlich viele Einträge über die Stadt, doch etwas Neues steht in keinem der Berichte. Irgendwie muss ich vielleicht andere Quellen finden.
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