40. Rain
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Die Sonne geht auf, die ersten Sonnenstrahlen durchbrechen die Baumwipfel. Tau tropft von den Blättern, langsam fällt das Wasser auf den nebligen Boden. Grüne Felder, neblige Weiden und der Geruch vom Morgentau, der in deine Nase zieht. Es könnte so schön sein, doch dann schaltest du die Dokumentation über Skandinavien aus.
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Es regnet in New York, du wirst von dem ewig tropfenden Regenwasser, das nach und nach vom Rollo tropft, geweckt. Von der Sonne keine Spur, du hast die Befürchtung, dass es heute den ganzen Tag nicht richtig hell werden wird. Trotzdem beschließt du loszugehen. Schließlich ist es schon acht Uhr abends. Du hast den ganzen Tag keine Lust oder Motivation, etwas zu unternehmen. Die letzten zwei Tage waren sehr anstrengend. Wanda, Marla und davor ganz nebenbei Flyer regnen lassen. Na ja, immerhin hat da das Wetter mitgespielt, anders als heute.
Sogar deine Handys blieben beide still. Du ziehst dich an, schmeißt dir die Lederjacke über, lässt deine Haare offen, was auch an dem gerade gerissenen Haargummi liegen könnte. Dann beschließt du, ins Afterlife zu fahren. Na ja, eigentlich fährt die U-Bahn, aber das ist dir auch lieber. Also, auf geht's, du verlässt deine Wohnung, schimpfst mit dir selbst, dass deine Lederjacke keine Kapuze hat. Aber das Thema hatten wir bereits.
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Als die U-Bahn ein paar Straßen vom Afterlife ankommt, sind deine Haare schon nass. Als du vor der Eingangstür stehst, siehst du Jules schon. Doch du bist überrascht, du hast nicht erwartet, dass er "im Dienst" lachen kann.
Denn genau das macht er gerade, als er dich sieht: „Na, Regenschirm vergessen, du nasser Hund?"
Du ziehst die Mundwinkel nach unten uns siehst ihn an: „Du bist ja heute soooo witzig!"
Jedoch tut das Jules guten Laune keinen Abbruch: „Ha, wenn du das man weißt!"
Er deutet nach drinnen: „Ist nicht viel los, könnte ja am Wetter liegen."
Wird das noch schlimmer mit ihm, doch du musst ihm etwas entgegenbringen: „Sei nur froh, dass du hier eine Überdachung hast!"
Schließlich gehst du rein und ignorierst sein kichern, als du an ihm vorbei gehst und den Club betrittst. Du hörst ihn auch drinnen noch lachen, aber das ist dir inzwischen egal. Du musst inzwischen selbst grinsen.
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Heute ist Gothic-Wave dran, schätzt du. Der DJ kommt von Sisters of Mercy, zu Depeche Mode. Das sind hier ungewöhnliche Klänge. Aber dir ist das heute gleich, zumindest passt es zu deiner Stimmung. Dann gehst du zur Bar, an der auch June steht. Sie hat scheinbar wenig zu tun und bastelt aus kleinen Cocktail-Papierschirmchen kleine Ketten. Ähnlich derer, die man aus Hawaii kennt, mit den Blumenkränzen, die sie dir da um den Hals legen.
Dann sieht sie dich: „Hey, Aaron", winkt sie dir zu, „gut, dass du da bist. Hier tanzen heute die Toten."
Du musst lachen: „Ja, nur anders als sonst."
Sie grinst: „Da magst du recht haben. Ging alles glatt bei dir? Du hast dich nur so kurz gehalten, in der Nachricht."
Du legst den Kopf schief: „Na ja, was passiert, wenn sich zwei sture Dickköpfe durchsetzen wollen? Nur ist das etwas ausgeartet."
June beißt sich auf die Unterlippe: „Oh, schlimm?"
Na ja so angenehm war es nicht, für alle Beteiligten. „Schon irgendwie, Wanda ist halt Wanda und als der Stress durch unsere Flyer losbrach", du holst tief Luft, „war da noch Marla, die gereizt und ratlos, versuchte, die Wogen zu glätten. Doch irgendwann waren Wandas Sprüche zu viel. Marla tickte aus und gab ihr eine Ohrfeige."
June sieht dich erschrocken an. „Ach herrjeh, das ist dann ja übel ausgegangen!"
Du nickst: „Jop, Wanda ist getürmt, wollte nur noch weg. Ich sollte hinterher. Das habe ich auch gemacht, habe sie in ein Motel gebracht und auf sie aufgepasst."
Diesmal legt June den Kopf zur Seite. „Äh, auf sie aufgepasst?" Junes Augen werden immer größer.
Du schüttelst dich: „Alter, nein. Ich habe auf der Couch geschlafen", stellst du richtig, „sie im Bett und den nächsten Tag habe ich sie zu ihrer Mutter gefahren."
Ein, „Ahhh", kommt erleichtert aus ihr heraus.
„Na du musst ja ein hohes Bild von mir haben", schaust du sie enttäuscht an.
„Ey, das hätte ich auch nicht erwartet", sagt sie entrüstet.
„Kümmern, kann auch etwas anders bedeuten." Sie spreizt Zeigefinger und Daumen ab und zeigt mit dem Zeigefinger auf dich.
Dann verstehst du, was sie damit sagen will: „NEIN", sagst du entschlossen.
„Soweit würde ich nicht für Marla, nein, nicht mal für euch gehen."
„Das hoffe ich auch", sagt June nachdenklich.
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„Egal, Themawechsel", sagt June schließlich. „Ich mixe Dir erstmal was zum Verdauen." Erneut studiert sie dich und stützt sich mit den Ellenbogen auf den Tresen. Ihren Kopf, legt sie auf die Hände, doch eigentlich schaut sie dir nur direkt in die Augen. Es kommt dir vor, als ob ihr euch ewig ansehen könnt.
Doch dann sagt sie: „Ich weiß es."
Sie dreht sich um. Wieder jongliert sie die Flaschen, von einer Hand in die andere. Du hast dich schon gefragt, wie lange sie gebraucht hat, bis sie das so konnte. Doch bevor du fragen kannst, dreht sie sich um.
„Et voilà", sie grinst dich an. „Da isser, der 'White Russian'."
Du musst laut lachen, hältst dann aber erschrocken den Mund zu. June schaut dich überrascht an.
„Seh' ich etwa aus wie der Dude???"
Da muss auch sie lachen: „Kennste, ja?"
„Klar, der Film ist Kult", doch du bist neugierig. „Aber warum mixt du mir diesen Cocktail? Bin ich wie der Dude?"
Sie lacht: „Nein, eher nicht." Sie beobachtet dich: „Obwohl, die langen Haare? Nein Spaß, du bist anders, aber hast deine Prinzipien."
„Der Dude nicht wirklich!" Stellst du fest. „Außer Bowling."
June lächelt: „Ach scheiße man, der Cocktail ist genauso Kultig, wie der Film!"
Du nippst an dem Glas: „Außerdem lecker!"
June schnappt sich dein Glas und nippt ebenfalls: „Das stimmt!" Als sie den Schluck verdaut hat, bestätigt sie dieses nochmal: „Definitiv!"
Ihr müsst lachen. Da heute jedoch so wenig los ist, könnt ihr in Ruhe genießen. Ihr lacht viel, als ihr über Gott und die Welt redet.
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Dir tut es gut, etwas Ablenkung, keine Gedanken wegen Wanda und Marla. Schließlich ist nicht abzusehen, wie Marla reagiert, wenn ihr noch mehr "Projekte" startet. Was würde dann mit Wanda passieren? Du sitzt zwischen den Stühlen, gefangen in einem Dilemma. Na das sind doch mal tolle Aussichten...
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