Der König auf den Wolken

Der König auf den Wolken

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Es lebte einst ein guter König im nahen Osten, der in einem Schlosse wohnte, das weit über die Berge und Täler seiner Heimat schaute. All die Höhen und Tiefen waren mit seinem Leben eng verbunden, ja, sie waren er geworden und immer, wenn er sie sah, wenn er aus den Zimmern seines Schlosses auf die Berge blickte, erkannte er sich in der gezeichneten Landschaft selbst. All die Bäume und Büsche, die Blumen, die Ranken, ja, alles, was er vor sich erblickte, hatte er schon in seiner Kindheit gekannt. Er war ein Teil dieses Landes und er liebte es, ja, er war ganz vernarrt in seine Heimat, das, was sie hässlich und das, was sie schön machte. Es hatte ihre ganz eigene, eine willkürliche Schönheit, die er nicht so recht beschreiben konnte, wenn man ihn fragte. Es hatte etwas eigenes, mehr sagte er meistens nicht. Und auf dieses „eigene" war er immer ganz besonders stolz. Er würde sein Land immer wieder erkennen, immer wieder finden, wenn er eines Tages ganz woanders sein würde. Niemals würde er das alles verlieren, niemals sich selbst. Eine ganz besondere Eigenschaft war es, dass er stets ein guter Mensch sein wollte und gerecht zu alen, die ihm begegneten. Es war in der ganzen Welt bekannt, dass kein einziger seiner Landsleute unter ihm Angst oder Furcht vor seiner Person und Herrschaft haben musste. Er regierte das Land mit bedacht, ließ Milde walten und man beohnte ihn dafür mit anhaltendem Respekt und Anerkennung.…

Über eigenen Stolz

Über eigenen Stolz

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Anne lebte in einer kleinen Stadt in Frankreich. Sie wuchs auf einem bescheidenen Gut auf, einem Bauernhof, den ihre Eltern in jahrelanger Arbeit mühsam aufgebaut hatten und mit der Zeit immer größer wurde. Es war ihre eigene Arbeit, dachten ihre Eltern, als sie vor ihrem Hab und Gut standen. All das hatten sie alleine aufgebaut, waren als arme Landsleute nach Châtellerault gekommen und ihr Glück in einer neuen Gegend gesucht. Sie hatten sehr viel Mut gehabt, ihr Zuhause zu verlassen, ihre Familien und Freunde und nun wurden sie dafür belohnt. Ihr Kind, Anne, war schließlich das größte Glück, das sie erreichte, davon waren sie überzeugt. Anne war das Beste, was ihnen in ihrem Leben geschah.…

Die Erzählung vom Fluss mit den goldenen Kieseln

Die Erzählung vom Fluss mit den goldenen Kieseln

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Es begab sich einst, und das ist schon ein Weilchen her, dass hinter einem großen Berg im alten Land, eine Gruppe von Menschen sich niederließ und dort ein kleines Dorf gründete. Sie waren mit dem, was sie hatten zufrieden, war doch der leitspruch, den sie allesamt teilten, der gleich gewesen: Wohlstand für jeden. Im Glauben, ein behütetes Leben zu führen, gründeten sie ebenjenes Dorf hinter großen, gar unüberquerbaren Bergen. Sie errichteten sich ein Rathaus, wo sie den Vorsitzenden der Gemeinschaft wählten, gründeten einen Marktplatz, wo es zu einem regen Austausch kam und lebten glücklich im EInklang mit der Natur. Ein kleiner Fluss, der nur wenige Schritte vom Dorf entfernt war, spendete ihnen Wasser und wurde zum geschätzten Lebensquell. Während einige Bürger und Bürgerinnen am Tag auf den Äckern arbeiteten, errichteten andere Häuser für die Nachkommen. Die einen erfüllten ihren Lebenssinn in der Backstube, ein anderer wurde Förster, eine andere Metzgerin, jemand schrieb über die Dorfgeschichte, es war der Chronist J., wieder andere wurden Köhler und Köhlerin, Händler und was es sonst noch alles so gab.…

Cecile

Cecile

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Ich kannte sie schon lange. Damals war sie noch woanders, glich einem Mysterium, war eine Freundin, die irgendwo in Westdeutschland wohnte. Wir schrieben ab und an, mehr als ein „Hey" kam dabei vielleicht gar nicht heraus. Es war schön, wie es war. Manchmal erzählte sie mir aus ihrem Leben, dann erzählte ich aus meinem und der Chat war zu Ende. Wir lebten getrennte Leben, philosophierten davon, was geschehen würde, wenn man sich träfe. Es war eine schöne Vorstellung, sich in der Illusion einer Freundschaft zu verlieren. Auch wenn man sich nicht schrieb, man kannte sich, man wusste, dass es dort jemanden gab, da, auf der anderen Seite von Deutschland, der ein anderes Leben führte, dass man en detail gar nicht kannte. Es war vielleicht das Mysterium, dass es so interessant machte, nicht zu wissen, wer derjenige, diejenige wirklich war, was diesen Menschen ausmachte, ja, die Entdeckung eines neuen Lebens, neuer Erfahrungen, eines Sammelsuriums, dass aus unendlich unbekannten Erfahrungen und Erinnerungen bestand, die es verdient hatten, gehört zu werden. Vielleicht hielt mich das damals an ihr, an ihrem Namen, Cecile, meine Cecile.…

Über Engel

Über Engel

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Als er seine Augen öffnete, standen sie um ihn herum. Die Menschen redeten in einer Sprache, die er nicht verstand, wählten Wörter und Formulierungen, die ihm fremd gewesen waren und zeigten mit Fingern auf ihn, der vor ihnen auf dem Boden lag. Sie bestaunten und ja, voller Bewunderung, beglotzten sie ihn. Er war einer von ihnen geworden. Er war gefallen; vom Himmel hinunter auf die Erde und die Menschen hatten zugesehen. Sie hatten seinen Fall beobachtet und rannten zur Stelle, wo er schließlich aufgekommen war. Verwundert, ängstlich und verwirrt standen sie vor ihm und betrachteten seine Flügel, seine weißen Federn, die ihm aus dem Rücken kamen. Er war ein Engel und sie waren Menschen.…

Ostdeutsche Romanze

Ostdeutsche Romanze

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Sie saßen in ihrer Datsche und tranken Rotkäppchensekt aus den Gläsern mit grünem Stiel und Fuß. Gemeinschaft war ihm immer am wichtigsten gewesen. Es gab nichts, was mehr wert gewesen war, als Geselligkeit von Freunden, von der Familie, durch den Zusammenhalt zu profitieren. „Auf den Tag der Arbeit!", sagte einer von beiden dann, schmunzelte, weil er sich selbst etwas lächerlich vorkam. Aber ja, obwohl es schon damals mehr wie ein Zwang als wirklicher Wille gewesen war, die Helden der Arbeit zu ehren, hatte der erste Mai eine gewisse Heimatverbundenheit für ihn ausgedrückt, eine Liebschaft sogesehen, etwas, woran er sich aus seiner Jugend noch erinnerte, was ihm nicht genommen wurde. Sie tranken einen Schluck und er sagte wieder: „Alles für die Arbeiter, auf uns, auf die, die diesen Laden zusammenhalten." Er war stolz darauf gewesen, dass für eine Zeit, auch wenn sie nur kurz gewesen war, die Überzeugung geeint hat, dass nicht Großindustrielle und Geld Macht besaßen, sondern die, die auf den Feldern standen, in den VEBs arbeiteten und die Mehrheit der Bevölkerung darstellten; dass nicht Geld, sondern gegenseitiger Respekt von allerhöchster Wichtigkeit gewesen war. „Zum Wohl!", sagte er. „Auf die Arbeiter, auf die, die noch wirklich etwas tun!"…

Kämpfer ohne Phantasien IV

Kämpfer ohne Phantasien IV

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Gedichte (Band vier)…

Was wäre, wenn?

Was wäre, wenn?

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Sie verbrachten ein Leben zusammen. Sie kaufen sich ein Haus, zogen zwei Kinder groß, besaßen einen großen Garten, gingen in die Kirche, luden Freunde auf den großen Hof ein, hielten einen Hund, wuschen Wäsche in der Waschküche und spazierten auf dem Damm am Fluss. Häufig stiegen sie hinab, auf die Felder, die früher öfter überschwemmt wurden, aber das geschah schon lange nicht mehr. Dann standen sie zwischen Blumen und Gräsern, betrachteten den Himmel, hielten ihre Hände zeigten auf die Sterne, auf die Wolken, rätselten, lachten, küssten sich vielleicht.…

Pygmalion hinter den Zypressen

Pygmalion hinter den Zypressen

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Pygmalion stand hinter Zypressen, als er sie sah, die, die er Dorothea nannte. Er hatte sie immer wieder beobachtet, war von ihr eingefangen worden, wollte sie sehen und ihr doch nicht zu nahe kommen. Sie war das Schönste, was er jemals erblickte, unfassbar, eine Gestalt wie aus einer anderen Zeit, eine Göttin, eine wahre Göttin wandelte für ihn über den warmen griechischen Sandboden. Ihr Körper war nur wenig verhüllt. Sie lachte, als sie mit anderen Frauen zum Strand ging und hinter den Zypressen stand Pygmalion. Er verfolgte sie, um ihre Schönheit zu genießen, prägte sie sich so gut ein, we es ihm möglich war. Sie sollte ihn nicht sehen, denn gewiss, täte sie es, sie würde ihn nicht haben wollen. Pygmalion wäre für sie nicht der richtige gewesen. Davor hatte er Angst. Davor hatte er unbeschreibliche Angst.…

All die schönen Tage

All die schönen Tage

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Sie trugen sie an einem warmen Sommertag zu Grabe. Die ganze Familie hatte sich im Licht der Sonne auf dem Hof versammelt, wo die Kinder und Enkelkinder früher noch mit Reifen und Bällen gespielt, sich erbitterte Federballschlachten geliefert hatten. Hier, wo das Foto mit Opa und ihnen beiden entstand, hier kamen sie alle zusammen. Die Blumen blühten wie jedes Jahr, ja, gar so, als wäre gar nichts wirkliches geschehen. Gemeinsam kamen sie als Familie zusammen, die im Sonnenlicht in schwarzen Kleidern und Anzügen standen, sich voller Herzlichkeit umarmten und davon sprachen welche Liebe sie doch empfanden.…

Fragil

Fragil

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» Weißt du «, sprach er, » ich will es einfach so sagen, wie es ist. Ich will mich nicht mehr hinter Platitüden, hinter schwafeligen Ausdrücken verstecken. Ich hab' jetzt gelernt, einfach alles rauszulassen, zu sagen, was ich denke. So will ich sein. « In der Hand hatte er ein Bier. Der andere Arm legte er über sein angewinkeltes Knie. Er blickte in den Sonnenuntergang, hatte sich das Cappi falschrum auf den Kopf gesetzt. Ich saß neben ihm und versuchte, ihn zu verstehen. Ich sah ihn kurz an und blickte dann ebenso hinüber. Die Sonne ging unter. Die Wolken zogen vorbei, ignorierten uns, sahen nicht mehr nur wie Schäfchenwolken aus. Ich hatte das Gefühl, dass sich alles verändert hatte.…

Gubina

Gubina

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Gubina war ein Glas mit konservierten Erinnerungen, das ab und an aufgemacht wurde, um den süßen Duft vergangener Tage zu inhalieren. Jede Sekunde, jede Sequenz, die geschah, wollte nochmal erlebt und wahrgenommen werden. Hier ging man ganz selbstverständlich in die Kirche, half jedem, der Hilfe benötigte, reiste an den Baikalsee, nach Norwegen, Irland, hier hatte ein starkes Herz für immer einen Platz gefunden, backte Kuchen, Torten, kochte, lachte, löste unendlich viele Sudokurätsel, ging über die Strae zum Einkaufen, holte Blumen aus dem Garten, erzählte Geschichten und scheute sich nicht, in den passenden Momenten ein liebes Wort zu sagen.…

Überleben

Überleben

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Schwierige Wochen zogen durchs Land und er setzte sich in sein Cabrio und fuhr davon. Er nahm sich ein Tuch, band es sich wie Marilyn Monroe oder Grace Kelly um den Kopf, damit seine Haare nicht zerzausten, und fuhr davon. Er konnte nicht loslassen, das war ihm zum Verhängnis geworden. Er wollte nicht loslassen. Er wollte und wollte es nicht. Er fuhr einem Strick, einem Seil hinterher, seinem Ende, den Knoten, die das Seil ausmachte. Es waren die Erinnerungen, sagte er. Es waren die gottverdammten Erinnerungen, denen er hinterherhetzte, die er nicht verlieren wollte, die er nicht aus seinen Händen gleiten lassen wollte. Er fuhr dem Ende hinterher, seinen Erinnerungen, den Schätzen; er konnte nicht loslassen. Er wollte sie berühren; wie ein Schwein nach der Karotte jagen und sie im Endeffekt doch nie bekommen.…

Ignoranz

Ignoranz

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Diesmal hatten sie sich zur Beerdigung zusammengefunden. Während die anderen seiner Familie in die Kirche gingen, stand er noch draußen und rauchte. Er blickte in den Himmel, träumte, hörte die Vögel zwitschern, fragte sich, was Schönheit ist, nahm einen letzten Zug und schnippste den Stummel auf den Sandboden, ehe er die abgequalmte Kippe mit seinem Schuh zertrat. Er sah hinunter, rümpfte die Nase, betrauerte einen zerquetschten Marienkäfer genau wie seine Schuhe, die neu gewesen waren. Schließlich ging er hinein. Er hatte heute schwarz angehabt, das, was für eine Beerdigung üblich gewesen war und so, wie ihn die anderen kannten. Neben einer seiner Cousinen und seinem Vater leuchteten die Kerzen. Helle Lichter, die jeder fokussierte, standen im Raum. Er setzte sich auf die Holzbank, wo schon die Kinder seiner Tante saßen und blickte auf die Holzverzierungen in der Kirche. Er stellte fest, dass es ein Barockbau gewesen war, konnte ihn genau datieren und blickte noch einmal auf sich hinab. » Wer weiß, was ich heute getragen hätte, wenn «, dachte er, bevor Freunde seiner Oma seine Cousinen begrüßten und einen kurzen SmallTalk führten.…

Kontinuitäten

Kontinuitäten

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Vor seinem Fenster standen die Bäume, die vor fast zwanzig Jahren gepflanzt waren, in einer hellen Blüte. Wie er konnte sie auch jeder andere erblicken und sich auf die Früchte, die schon bald an ihnen hängen würde, freuen. Um die Bäume hatte man Blumen gepflanzt, sie hübsch arrangiert, um zu zeigen, dass das Leben schön sein konnte. Er war zufrieden. Er war ein zufriedener Mann gewesen und erfreute sich ebenso an den Bäumen wie an den Blumen, die draußen, wenn er nach rechts blickte, vor seinem Fenster standen, auf die Blumen in der Vase, die seine Frau für ihn geschnitten und zu seinem Büro gebracht hatte.…

Dazwischen

Dazwischen

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Als man ihn zu Grabe trug, stand die ganze Partei vor seinem Loch. Der Sarg wurde mit schweren Seilen in die Erde gelassen und es schien schon ganz verwunderlich, dass nicht die Hymne seines Staates erklang. Die Männer in schwarzen Mänteln und den Hüten aus, ja, aus was stammten sie eigentlich? Wessen Hut trugen sie? Man stand dazwischen.…

Die Mär vom grausamen Mann

Die Mär vom grausamen Mann

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In einem sehr kleinen Land, man nannte es D., stand an einer Strecke für Schnellzüge ein ebenso kleines Bahnwärterhäuschen. Es erhob sich neben großen Fichten und Kiefern, die für diese Landschaft typisch waren, als sei es nur ein kleines, unbedeutendes Haus an einer Strecke, wo doch des öfteren die schnellsten Züge verkehrten, die die Welt zu bieten hatte. Die Fichten und Kiefern legten das ganze Haus in einen dunklen Schatten, dass nur selten vom Sonnenlicht durchdrunge wurde: An dieser Stelle fand N. seinen Arbeitsplatz.…

Wann war gestern?

Wann war gestern?

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Ich weiß nicht, wann ich zuletzt dort gewesen war. Dann denke ich nach. Es fällt mir ein. Es Weihnachten im letzten Jahr. Ich habe wieder oben geschlafen. Ich habe abends wieder geflimmert und zum Essen gab es Hackepeter. Als mir langweilig war, habe ich Klavier gespielt. Davor habe ich das Licht eingeschaltet, die Heizung angemacht und es erklang dieses typische Surren. Die Heizung hatten sie schon lange.…

Der Schachspieler

Der Schachspieler

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Vor ihm befand sich das Schachbrett. Er bewegte die Figuren. Er tötete Bauern, damit die Springer und Läufer Türme und Damen schlagen konnten. » Und wenn man nicht aufpasst «, sagte er dann, » wird aus einem einst so stolzen König «, er setzte die nächste Figur, » jemand, der durch einen Bauern gerettet werden muss «, sein Turm schlug die Figur vor dem König, » bis er schließlich «, er schmunzelte, » Schach-Matt ist. «.…

Wer mit dem Leben spaßt

Wer mit dem Leben spaßt

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Schon in seiner Jugend hatte er immer gerne Spaß gehabt. Jedes Mal, wenn man ihn fragte, ob er nicht mitkommen wolle, um in einer Kneipe etwas zu trinken, hatte er zugesagt. Er war beliebt gewesen. Er war genau deshalb beliebt gewesen. Denn er war immer da. Er überdauerte sie alle. Er war im Mittelpunkt gewesen, ein gefeierter Held, jemand, der zu Recht im Zentrum gestanden hatte. Während die anderen lernten, war er schon in die nächste Kneipe gegangen. Er hat sie alle gekannt. Er kannte alle Kneipen und er kannte alle Menschen. Er war ein Mann von Welt.…