Kämpfer ohne Phantasien V

Kämpfer ohne Phantasien V

899 72 163

Die nächste Gedichtsammlung…

Sascha

Sascha

105 11 2

Meiner Ansicht nach ist die Liebe, und ich hatte mir geschworen, dieses Wort nicht im ersten Satz von Sascha niederzuschreiben, das schönste, das einem Menschen in seinem Leben widerfährt. Es mag schnulzig klingen, und vielleicht ist es das auch, aber ich glaube, man sollte es genau so sehen; jeder einzelne von uns. Denn die Liebe ist der einzige und einzigartigste Ausdruck, um seiner Selbstwillen geliebt zu werden. Geliebt zu werden ist Bestätigung und Bestärkung in einem, eine Art Wundermittel gegen Selbstzweifel. Liebe ist ein zuhause, eine Heimat. Liebe befindet sich in einem Menschen. Jeder, der liebt, vollzieht Wunder und jeder, der geliebt wird, hat es einfacher von dem, was ihn vielleicht Sorgen bereitet, Abstand zu nehmen. Denn mit Liebe, mit gegenseitiger Liebe, ist immer die Zweisamkeit verbunden. Es ist Vollkommenheit, ganz im Sinne der griechischen Sage, in der Zeus die Menschen geteilt at und sie auf die Suche schickte, ihre zweite Hälfte zu finden. Liebe ist Vertrauen; dem anderen alles sagen zu können und zu dürfen, keine Angst davor haben zu müssen, dass man zu viel „ich" ist, dass man selbst ganz irrelevant in der Gesamtheit einer wunderbaren Vereinigung ist. Denn Liebe ist ein Wunder.…

Irreversibel

Irreversibel

29 5 2

Als er an der Tür drückte, sie sich öffnete und er den Foyer des langen Flures betrat, leuchteten über ihm dieselben grellen hellgelben Neonlampen, die er schon damals als wahnsinnig unangenehm empfand. Ihren Wackelkontakt hatten sie wohl inzwischen reparieren lassen, aber dennoch vermittelten sie, obgleich mit oder ohne Komplikation ihrer Lichtübertragung, eine unangenehme Atmosphäre.…

Das Mädchen und der Jüngling

Das Mädchen und der Jüngling

50 1 2

Wir müssen jemanden finden, der nicht das Ansehen, sondern die tatsächliche Schönheit eines Menschen finden will; nicht das, was wir sehen, sondern das, was wir sind. Aus dem platonischen Gedanken, der so wiederholt wie abgenutzt klingt, liegt doch ein tatsächliche Wahrheit zugrunde: Die Ästhetik der Schönheit ist eben das, was sich konstruiert; die Verknüpfungen, die Erlebnisse, das summa summarum eines Menschen. Die Steine, die wir sammeln, die Momente, die uns prägen. Ist das nicht die Schönheit? Ist das nicht de Wald in uns? Ist das nicht unsere eigene Natürlichkeit?…

Das Märchen von Hexe und Schneemann

Das Märchen von Hexe und Schneemann

11 0 2

Es war einmal vor langer Zeit, und das ist schon einige Tage her, da lebte hinter sieben hohen Bergen und einem dichten Birkenwald eine kleine Hexe mit gerade einmal 238 Lebensjahren. Und wer jetzt denkt, dass das schon ein wirklich stattliches Alter sei, der habe wohl noch nie von ihrer Großmutter Alrunda gehört, die schon weit über eintausend Jahre alt war und bereits aufgehört hatte, die, so sagte sie es zumindest, unsinnigen Zahlen zu zählen. Ihre Enkelin nun, Amila genannt, war vor gerade einmal achtunddreißigen Jahren von zuhause losgeflogen, um sich mit Besen, Zauberbuch und schwarzem Kesselchen einen geeigneten Platz für ein eigenes Heimchen zu suchen. Das war etwas ganz besonderes im Leben einer jeden Hexe gewesen!…

Prinzessin Adrienne

Prinzessin Adrienne

14 3 2

Es war einmal vor langer Zeit, als aus einem Wunsch noch Wirklichkeit werden konnte, da lebte auf einer fernen, ganz fernen Insel eine junge Prinzessin. Die Eltern gaben ihr den Namen Adrienne und sie wohnte in einem schönen und beschaulichen Schlosse, lange bevor ihre Insel an ebenjener Stelle, wo heute noch ihr kleines Schlosse stand, auseinanderbrach; aber das ist ein anderes Märchen.…

Leipziger Tage

Leipziger Tage

33 8 2

Leipziger Tage waren ganz anders als Leipziger Nächte. Leipziger Tage werden von Leuten regiert, die morgens früh aufstehen, in ihren großen Karren durch die leeren Straßen der Stadt düsen und sich auf Konferenzen wie ein Platzhirsch beweisen. Wenn es in Leipzig Tag ist, haben Leute das Sagen, die weiß, männlich, heterosexuell, zumeist übergewichtig sind und christliche Ideale verfolgen. Männlichkeit ist hier noch ein positiv besetzter Begriff, dem man sich hingibt. Man stellt sich eine ausländische Putzkraft ein, denn sie ist billig. Man wird schließlich nicht reich, indem man sein Geld ausgibt. Seine Macht hat ihm der freie Markt geschenkt: er hat das Geld und er kann entscheiden, wem er es gibt.…

Leipziger Nächte

Leipziger Nächte

39 4 2

Leipziger Nächte haben einen bitteren Beigeschmack. Unter den Sternen seines Lebens verrauchen ehemalige Studienanfänger in Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften Selbstgedrehte, deren Qualm wie unheilvoller Dunst in die dunkle Nacht hinaufsteigt. Die wenigen Sterne, die hoch oben über ihnen stehen, verblassen von Kippe zu Kippe, werden von mal zu mal dunkler, bis sie schließlich ganz und gar verschwinden. Man sitzt auf den Dächern alter Plattenbauten von einem Staat, den es heute nicht mehr gibt. Brüche zeichnen sich ab. In diesen Momenten fühlen sie sich ganz individuell, ganz frei, jeder Philosophiestudent mit Dreadlocks, jede Theaterwissenschaftlerin im Bachelor. Sie erzählen sich ihre depressiven Gedanken, weil ihnen das Leben ein trauriges Schicksal geschenkt habe. Sie weinen. Sie lachen. Sie können sich nicht entscheiden. Sie ficken miteinander. Sie ficken alles. Sie ficken jeden. Sie ficken sich selbst. Sie sind frei. Sie studieren in Leipzig. Sie sind unverbindlich. Sie sind ›woke‹. Das Leben geht weiter.…

Auf Scherben

Auf Scherben

11 0 2

Auf dem Wanderzirkus, der seine Stadt besuchte, gab es einen Schweinehändler. Er hatte mit vielem, aber gewiss nicht damit gerechnet. Es ist nicht so, dass er ihn nicht kannte, ganz im Gegenteil, beinahe jeder kannte den Schweinewirt, nur hätte er niemals im Leben gedacht, ihn als Aussteller des Wanderzirkus' hautnah erleben zu dürfen. Es war für ihn auch fragwürdig gewesen, wie der Ortsansässige Schweinehändler zum Wanderzirkus kam, aber er verfolgte die Frage nicht weiter, akzeptierte das Schicksal und stand, wie all die anderen, hinter der Abgrenzung und bestaunte fasziniert das Geschehen.…

Freiheiten

Freiheiten

21 1 2

Eilig stieg er über teilweise noch maroden Treppen seines Wohnhauses in der Baumbachstraße Nummer acht. Er hatte die alte Holztür am Eingang aufgestoßen und war hinauf in den dritten Stock gestürmt. Dort angekommen, legte er seine Hand auf den kalten Griff, riss auch diese Tür hastig auf und rannte in sein Zimmer. Er blickte auf die braunen, sich holzimitation nähernden, Möbeln aus Presspappe. Auf einem seiner hohen Regal stand eine alte Spielzeugente, die ihm seine Eltern auf einem Flohmarkt gekauft hatten. Daneben lag ein scheinbar noch unbenutzter Koffer.…

Am Nordpol ein Birnenbaum

Am Nordpol ein Birnenbaum

11 2 2

Am Nordpol ist es einsam. Das ist eine Feststellung, die gewiss viele von uns, ohne eingehender darüber nachzudenken, bestätigen würden. Es leuchtet wohl ganz klar ein; niemand, der eine längerfristige Gemeinsamkeit anstrebt oder den Sinn seines Lebens darauf reduziert, selbst kurzfristige Begegnungen einzugehen, würde auf die Idee kommen, den Nordpol als seine neue Heimat zu bezeichnen und dort ein Häuschen zu errichten. Und doch war es der junge Anders Nuur gewesen, den es, wieso auch immer, an den Nordpol verschlug.…

Zwischen Ewigkeit und Endlichkeit

Zwischen Ewigkeit und Endlichkeit

19 0 2

Während die Sonne den Himmel wieder in ein rotes Meer verwandelte und sich langsam den Wellen des Ozeans näherte, saß Ataios auf seinem altbekannten Platz. Es war ein größerer Fels gewesen, der an den Klippen der Küste lag. Ataios saß dort, wie er es schon jahrelang getan hatte. Verträumt blickte er auf das Schauspiel, dass sich jeden Tag vor seinen Augen abspielte. » Wenn sich die Sonne mit dem Wasser vereint «, sagte er, wie in eine Hoffnung versunken, » wenn sich zwei so unterschiedliche Welten langsam ertasten, für eine Sekunde berühren, ehe sie zu ineinander verschmelzen und zu einem Gebilde zwischen Feuer und Wasser werden, dann «, er neigte leicht seinen Kopf » , dann ist wirklich alles möglich. «. Er blickte an diesem Abend noch lange auf das Meer vor ihm und die Wellen, die unaufhörlich Wasser an den Strand, an die Klippen seiner Heimatstadt spülten, als würde die Ewigkeit Einzug in sein Leben erhalten.…

Das Prinzip der schlesischen Weber

Das Prinzip der schlesischen Weber

8 3 2

Obwohl Emilio Caivano seine Heimat liebte, dort, wo sich seine Eltern fanden, nachdem sie ebenfalls, wie er es nun tun sollte, auf Wanderschaft gingen, hatte er sie zu verlassen. Das kleine Haus, dass die Eltern bezogen hatten, das Dorf, wo Emilio aufwuchs, musste er hinter sich lassen. So wollte es die Gepflogenheit. Jeder musste sich auf Wanderschaft begeben, um schließlich irgendwo anzukommen, wo er von vorne beginnen konnte. Auch wenn es Emilio nicht verstand, er wütend darüber war, den Ort, wo er so gerne seinen Lebensabend verbringen wollte, so sehr schätzte, hatte er doch trotzdem fortzugehen, um einen Platz zu finden, wo er Arbeit finden würde. Mit Sicherheit wäre er an seinem Heimatort glücklich gewesen, davon war er überzeugt; davon war er hundertprozentig überzeugt. Aber was hätte ihm sein Glück gebracht, wenn er von den anderen dafür ausgegrenzt und verachtet worden wäre. Und so begab er sich seinem Schicksal hin. So begab er sich auf die Reise, in anderen deutschen Ländern eine Arbeit, eine neue Heimat zu finden.…

Lavendelabende

Lavendelabende

12 1 3

Seine Haut glitt durch die lilafarbenen Blüten im Lavendel. Mit jeder Berührung schien es, als er nehme er ihren Duft in sich auf. Jede Knospe konnte er ertasten, jeden Lavendelstrauch von den anderen unterscheiden. Dann setzte er sich hin. Die Strahlen der Sonne ertasteten seinen Körper im Abendlicht. Seine schwarze Haut schimmerte zwischen den Lavendelsträuchern hervor. Während sie langsam unterging, beoachtete er, wie sie sich dem Horizont Minute für Minute näherte. Das war das schnste, wenn er hier saß: Wenn sich die SOnne in ein warmes rot einhüllte und ein letztes Mal die Dächer der Stadt beschien, bevor die dunkle Nacht mit all seinen Gefährten einbrach.…

Professor von Katz

Professor von Katz

10 0 2

Professor von Katz war, nicht, wie anfänglich wohl vermutet, ein, vor allem, junger Gelehrter an der Universität einer größerer Stadt gewesen.…

Über das Seelenfunkeln

Über das Seelenfunkeln

13 3 3

Sie saß wieder in ihrem Lieblingscafé. Sie hatte es vor einer Zeit entdeckt, als sie durch die Straßen lief und von einer Gewitterwolke überrascht wurde.…

Nach den Wolken

Nach den Wolken

17 1 2

» Und was kommt nach den Wolken? «, fragte er, als sie beide weiterliefen.…

Über den Wolken

Über den Wolken

15 0 2

Er blickte in den Spiegel und starrte sich an. Er blickte auf ihn. Er fokussierte sich ganz bewusst auf die scheinbar kleine Stelle, von der er irgendwann tatsächlich dachte, man könnte sie von außen sehen. Da saß er. „Es", korrigierte er sich. „Ich darf ihn nicht vermenschlichen", dachte er. „Es", betonte er dann gedanklich ganz bewusst, „ist einfach nur eine mutierte Zelle." Dann drehte er sich weg vom Spiegel weg, als könnte er davonlaufen. Danach drehte er sich wieder zurück und zwang sich, seine Gedanken auszublenden. Das war also aus ihm geworden. Vor ihm im Spiegel erkannte er einen Mitte Dreißiger, dessen Geheimratsecken immer größer wurden und dessen Stoppelbart in letzten Tagen, seit er die Diagnose bekam, nicht mehr rasiert worden war. Ein paar Falten zierten einen Mann, der, und das dachte er sofort, als er sich im Spiegel näher betrachtete, bereits aufgegeben hatte. „Das bin ich nun", dachte er sich wieder. „Ich sehe aus wie ein ganz normaler Mensch. Vermutlich denkt niemand, dem ich begegne, dass ich bald schon sterben werde; außer Hunde vielleicht", korrigierte er sich dann zügig schnell. „Die können ja irgenwie alles erschnüffeln: ob jemand krank ist, ob er Diabetes hat oder ob eben im Gehirn ein unaufhaltbarer Tumor heranwuchs."…

Der Kampf um das eigene Glück

Der Kampf um das eigene Glück

15 3 2

Er warf seinen langen grünen Schal um seinen Hals und er wusste, dass er ein Dieb gewesen war.…

Hinter den Wolken

Hinter den Wolken

10 3 3

Er hatte es geschafft. Nachdem er so lange davon träumte, hatte er tatsächlich eine große Lesung gehalten. Das Publikum hatte an diesem Abend mit Spannung seiner Stimme gefolgt und die Wörter, die er vor Urzeiten einmal niedergeschrieben und dafür verlacht, ja, ausgeschlossen wurde, in sich aufgenommen. Den Gedanken daran, dass es einige von ihnen selbst waren, die ihm damals sagten, dass das, was er schrieb, nicht gut sei, verdrängte er in diesem Augenblick. Diesmal zählte nur, dass er glücklich gewesen war; so glücklich wie sonst nie.…