40. Kapitel

Harry:

Es dauert noch zwei Tage, bis ich wieder ins Büro fahre. Gestern habe ich von zuhause aus gearbeitet, heute habe ich beschlossen, dass ich lange genug auf dem Sofa gesessen (oder gelegen) habe und ich dringend wieder raus muss. Wie normalerweise auch, bin ich der erste im Büro. Ich hole mir in Ruhe einen Kaffee und setze mich dann an meinen Schreibtisch. Knapp eine Stunde arbeite ich in Ruhe, bis es an die Tür klopft. „Komm rein." Oliver setzt sich mir gegenüber an den Schreibtisch. „Guten Morgen. Geht es dir besser?" – „Ich kann wieder arbeiten", antworte ich ihm. Trotzdem steht eine Packung Taschentücher auf meinem Schreibtisch und ich denke, der Mülleimer wird sich heute definitiv noch bis zum Rand füllen.

„Wenn es dir noch nicht wieder gut geht, kannst du ruhig nach Hause. Du arbeitest sowieso viel zu viel", erwidert er. Ich schüttle den Kopf. „Ich wollte eigentlich nur einen Tag zuhause bleiben, jetzt waren es sogar drei. Ich möchte an den Projekten weiterarbeiten und zum Abschluss bringen. Außerdem habe ich kein Fieber mehr", stelle ich klar. Oliver nickt verstehend. „Okay, gut. Deine Krankschreibung hast der Personalabteilung schon geschickt, nehme ich an?" – „Ja, gestern schon", antworte ich ihm und trinke einen Schluck Kaffee. „Okay gut. Übrigens sind die Fotos von Nicks Hochzeit da. Du müsstest eine E-Mail bekommen haben."

Ich sollte direkt weiterarbeiten, aber als Oliver den Raum verlassen hat, suche ich als erstes die E-Mail. Es ist ein geteilter Ordner mit insgesamt über 500 Bildern. Viele davon zeigen (natürlich) das Brautpaar und deren Familien. Ohne etwas zu suchen, scrolle ich durch die Übersichtsseite. Dann bleibe ich bei einem Bild stehen. Ich wusste, dass ich vielleicht zu sehen sein werde; im Hintergrund oder bei Fotos von mehreren Personen. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass gezielt Bilder von mir gemacht wurden – von uns, um genau zu sein. Wieso habe ich das nicht mitbekommen? Ich öffne das Bild und betrachte es. Louis und ich stehen bei dir Torte und unterhalten uns. Es ist eine Momentaufnahme, eigentlich nichts Aufregendes. Und doch ist irgendetwas an diesem Bild so faszinierend, dass ich nicht wegsehen kann. Er nimmt sich gerade ein Stück Torte, sieht mich dabei aber an. Man sieht ihn nur von hinten, mich von vorne. Ich glaube, in diesem Moment hat er irgendetwas gesagt. Ich sehe ihn direkt an. Ich grinse nicht oder lache, aber der Gesichtsausdruck scheint mir ungewohnt. Einen Moment später klicke ich mich weiter durch die Bilder immer wieder sind welche von Louis und mir dabei: am Tisch, draußen beim Empfang und schließlich sind einige dabei, die uns auf der Tanzfläche zeigen. Wir sehen sorglos aus. Louis sieht mich an und lächelt ein wenig. Eine Hand liegt auf meinem Rücken auf der Höhe meiner Taille. Ich habe eine Hand auf seine Schulter gelegt und die andere liegt in seiner. Man könnte meinen, wir wären ein Paar.

Die Bilder zeigen uns aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Augenblicken. Je mehr Bilder ich sehe, desto mehr fällt mir auf, dass ich Louis über den Abend immer näher gekommen bin, bis schließlich nur wenige Zentimeter zwischen uns sind. Auf jedem einzelnen davon, sieht er mich genau an. Er schaut nicht zu den anderen Leuten oder zum DJ oder zum Buffett. Er sieht die ganze Zeit mich an. Es sieht nicht seltsam oder obsessiv aus. Es ist eher sanft und... liebevoll. Ohne darüber nachzudenken, speichere ich mir die Bilder ab. Ich schicke sie ihm nur einen Moment später. Er müsste gleich Schichtende haben.

Ich habe recht. Er schreibt mir wenig später. Sofort sehe ich vom Laptop auf und nehme mir mein Handy.

Louis: Woher kommen die Bilder?

Me: Hat Nick vor ein paar Tagen per E-Mail rumgeschickt. Ich dachte, du möchtest die vielleicht auch haben.

Me: Ich finde sie erstaunlich gut. Welches magst du am liebsten?

Louis: Ich muss mir die gleich in Ruhe anschauen.

Me: Okay. Mir gefallen ja die von der Tanzfläche besonders gut. Und das, obwohl ich nicht einmal gut tanzen kann.

Louis: Okay.

Irritiert sehe ich auf mein Handy. Ein Okay sollte mich definitiv nicht so verwundern. Bestimmt ist er einfach auf dem Weg nach Hause und hatte eine anstrengende Schicht hinter sich. Wer weiß, was in den letzten 24 Stunden allen in London los war.

Me: Wie war die Schicht?

Louis: Ganz gut. Nichts Aufregendes.

Me: Wann musst du wieder arbeiten?

Louis: Morgen ab 10 Uhr.

Me: wieder 24 Stunden?

Louis: Obviously.

Me: Was machst du heute Abend?

Louis: Wieso fragst du?

Me: Hast du Zeit? Vielleicht könnten wir uns sehen.

Louis: Ich muss noch ein bisschen was machen.

Me: Okay.

Me: Meldest du dich, wenn du die Tage Zeit hast?

Louis: Ich dachte du musst so viel nacharbeiten.

Me: Das schaffe ich schon. Ich habe gestern schon im Home-Office einiges gemacht.

Louis; Okay.

Schon wieder Okay. Mich sollte dieses Wort nicht stören. Es ist nur ein normaler Ausdruck. Aber er stört mich. Unzufrieden sehe ich auf mein Handy. Es ist ein seltsames Gefühl, dass diese Unterhaltung in mir auslöst. Es ist kein schönes Gefühl. Dass ich es nicht einordnen kann, macht es nicht gerade besser. Meine Daumen schweben über den Buchstaben. Ich würde gerade weiter mit ihm schreiben. Oder ihn anrufen. Das mache ich allerdings nicht, weil er gerade auf dem Weg nach Hause ist. Und ich bin im Büro. Privatgespräche sind hier nicht gerne gesehen – von Notfällen und der Mittagspause abgesehen.

Louis ist offline. Ich scrolle hoch zu den Bildern und lächle ein wenig. Ich bin froh, dass diese Momente eingefangen wurden. Ob er das auch so sieht? 

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Meint ihr, Louis gefallen die Bilder? Und was denkt ihr, weswegen er so kurz angebunden ist? 

Love, L

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