Kapitel 8
Alona schreckte auf, als etwas an ihrer Zelle rüttelte. Sie starrte die durchdringende Dunkelheit an. Die Tür wurde mit einem leisen Quietschen geöffnet. Eine Gestalt in einem schwarzen Mantel stand im Türrahmen. Angstvoll blickte Alona hoch. Quälend langsam näherte sich die Gestalt. Das Wesen verursachte keinen Laut, als es über den Boden ging. Langsam öffnete die Gestalt ihre Kapuze... Sie starrte in das Gesicht einer jungen Frau mit blonden gewellten Haaren, aber die Augen waren so leuchtend türkis, das man es kaum übersehen konnte. Die Frau zog einen Schlüssel aus dem Mantel. "Mach dir keine Sorgen! Ich werde um Mitternacht da sein!" Damit verschwand sie wieder, ohne eine Rascheln oder Knacken. Alona konnte ihren Augen kaum trauen...! Ein paar Minuten lang starrte sie in die Dunkelheit, aber sie entdeckte das Gesicht der jungen Frau nicht mehr.
Sie musste wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn als sie die Augen aufschlug, war die Sonne gerade aufgegangen und füllte ihre Zelle mit Licht. Verschlafen blickte sie sich um. Moment mal... Nein es war sicher nicht Morgen, denn das Licht war kaltes Mondlicht - es musste also ungefähr Mitternacht sein, überlegte sie. Alona fühlte etwas Warmes um ihren Hals verwundert starrte sie auf eine Engelskette. Der Engel war golden und warm, die Kette war ebenfalls golden, aber keineswegs so warm wie der Engel. Wo kommt denn so plötzlich diese Kette her, fragte sich Alona überrascht. Der Engel stützte den Kopf auf die Hände und schien Alona anzublicken. Getröstet von der Gegenwart des Engels setzte Alona sich auf. Sie hörte ein Knirschen im Schlüsselloch und schaute erschrocken zur Tür hinüber. Ein paar Momente knirschte es noch, dann wurde die Tür aufgerissen... Im matten Licht des Mondes sah Alona türkise Augen aufleuchten. "Komm, wir müssen sofort los!", hörte Alona die Stimme der jungen Frau. Sie rappelte sich auf und rannte zur Tür. Die Fremde nickte ihr kurz zu, dann schloss sie die Tür hinter Alona. Die junge Frau trug ein graues Hemd und eine abgewetzte Jeans. "Sabrina - ich bin Sabrina." sagte sie freundlich. An wen erinnerte Sabrina sie nur? Alona war sich sicher, dass Sabrina irgendjemandem glich, den sie kannte, aber wem? Zwei Gestalten standen am Ausgang. Erschrocken sah Alona, wie die beiden auf sie zukamen! Sabrina schob Alona nach vorne, auf den Ausgang zu. Sie erschrak, als die Engelskette auf einmal glühend heiß auf ihrer Haut wurde. "Sabrina? So spät in der Nacht noch unterwegs? " sagte eine der Gestalten erstaunt, Alona schien das Wesen zum Glück gar nicht zu bemerken.. "Es ist meine freie Wahl, um wieviel Uhr ich nachts noch unterwegs bin, das ist meine Entscheidung." antwortete Sabrina kühl. "Natürlich", murmelte die Gestalt. "Es besteht keinen Grund zur Sorge, es ist nur Sabrina, öffnet das Tor!" rief der Mann ein paar anderen zu, die sofort gehorchten. "Irgendwann - das schwöre ich - werde ich entkommen!" flüsterte Sabrina und Tränen glitzerten in ihren Augen. "Wenn es dieses Irgendwann noch einmal geben wird." Alonas Kette war auf einmal kalt, eiskalt. Sabrina schüttelte den Kopf und trat durch das Tor. Schnell rannte Alona ihr hinterher. Nun war die Kette wieder warm, wenn nicht sogar heiß und sie strömte wieder dieselbe Kraft aus wie zuvor. Beide gingen still nebeneinander her. Sie waren an einem schwarzen Strich angekommen. "Hier musst du ohne mich weiter gehen." Tränen rannen über ihre Wangen. Sie kann nicht gehen, sie darf mich nicht verlassen, dachte Alona! Sabrina kniete sich neben sie. "Weißt du, manche Dinge im Leben muss man einfach los lassen, so wie du mich jetzt - schaffst du das?" Sie lächelte gewinnend und strich Alona ein Haar aus dem Gesicht. "Ich kann nicht mit dir kommen, das geht einfach nicht... Verstehst du das?" Weinend schüttelte Alona den Kopf. Sabrina umarmte sie fest. Die Büsche raschelten, Alona zitterte angstvoll. Aus den Büschen heraus brach....ein weinender Tristan, der zu Boden sank. Er richtete sich schnell auf, als er Alona und Sabrina sah. "Ich dachte, du wärst tot!" Tristans Stimme zitterte. Alona sah ihn verblüfft an . Spricht er mit mir?, fragte sie sich. "Ich weiß, es tut mir so leid - wie ist es euch ergangen, wie habt ihr überlebt?" sagte Sabrina erschüttert. "Wie?" "Ich, wir.... wir wurden von einem alten Schreiner aufgezogen." Tristans Stimme klang verbittert. "Es tut mir so leid, so unendlich leid!!! Ich war eine schlechte Mutter für euch!" Sabrina weinte fast. "Nein", wiedersprach Tristan ihr leise. "Du konntest ja nichts dafür." Er umarmte Sabrina. Jetzt, wo sie nebeneinander standen, erkannte Alona die Ähnlichkeit zwischen den beiden. "Er ist -....". "Ich weiß!" unterbrach Tristan Sabrina. "Komm doch mit uns!" sagte er. Sabrina schüttelte den Kopf. "Sobald ich einen Fuß über die Grenze setze, bekomme ich einen tödlichen Schlag." Tristan starrte sie entsetzt an. "Es ist nicht so schlimm hier, wie du denkst. Mir geht es gut, solange ich keinen Fuß über die Grenze setze." "Aber... Du darfst mich nicht verlassen, nicht wieder! " Tränen rollten über Tristans Wangen. "Ach, Schatz", sagte Sabrina und strich Tristans Tränen fort. "Du musst jetzt stark bleiben; wir werden uns wieder sehen, versprochen, aber jetzt musst du alleine, ohne mich, weiter gehen. Bald wird es einen entscheidenden Kampf geben." Tristan starrte Sabrina mit leeren, vor Kummer weit aufgerissenen Augen an. "Versprochen. " Ein Rauschen ihres Mantels und sie war weg... "Nein, Mama!" Tristan weinte schrecklich und sank auf den Boden zusammen. Alona kniete sich neben ihn hin und legte ihre Hand auf seine Schulter. "Starr mich nicht immer so sprachlos an, dich interessiert es doch sowieso nicht, was mit mir ist!" Tristan stieß ihre Hand weg und rannte davon. Alona spürte, wie auch in ihr Tränen aufstiegen; sie liess sich ķraftlos auf den Boden fallen und vergrub das Gesicht in ihren Händen; was hatten Sabrinas geheimnisvolle Worte zu bedeuten, was hatte all das hier zu bedeuten? Alles erschien so hoffnungslos; was hatte sie nur getan?...
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