Kapitel 5: Veränderung/Verwirrung
Nun lag ich da und versuchte die ganze Lage zu verarbeiten. War meine Mutter wirklich wieder da?! Um ehrlich zu sein kannte ich die Frau die mit mir in dieser Wohnung war nicht. Sie war noch nie so, nicht einmal als ich ganz klein war. Konnte es sein, dass sie so war bevor sie meinen Dad geheiratet hatte? Ohne es zu merken verfiel ich in einen Zustand, welcher dem Dösen recht nahe kam. Doch als ich, von einem Stich durchzuckt, hoch schreckte, war ich mir zuerst nicht sicher ob das alles überhaupt stattgefunden hatte. Um ehrlich zu sein wollte ich noch ein wenig liegen bleiben, jedoch schrie die Wäsche förmlich nach mir. Also rappelte ich mich mutwillig auf, was leider immer noch sehr schmerzvoll war.
Dieser Bastard von Patrick! Naja ich musste es positiv sehen. Mir fehlten nur noch 500€, welche ich zahlen musste. Mit mir zu schlafen, meinte er, seien ihm nur 50€ wert, sprich nur noch 10 Mal. Ich seufzte schwer und zwang meine Füße mich voran zu schleifen. Im Bad, wollte ich erst einmal die nassen Klamotten aus der Waschmaschine holen und sie in einen Korb legen. Jedoch war die Trommel leer. Irritiert kratzte ich mich am Kopf, weil ich keine Ahnung hatte wo alles hin war.
„Oh! Kay! Ich dachte du schläfst.", meine Mutter kam gerade herein und unter ihrem Arm war ein leerer Korb.
Ich konnte es mir zwar schon erahnen, jedoch musste ich sicherheitshalber fragen:
„Weißt du was mit den Klamotten passiert ist?"
„Nun ja! Ich hab sie auf dem Balkon zum trocknen aufgehängt. ... Das hast bisher auch immer du gemacht nicht wahr?!", sie schaute abwesend in den leeren Korb und, dann zu mir.
Ich nickte. In dem Seufzen meiner Mutter lag so viel Schmerz, als sie den blauen Behältern ab stellte, dass ich ihn förmlich greifen konnte.
„Aber dafür bin ich komplett selbstständig geworden.", versuchte ich sie irgendwie auf zu bauen.
„Das stimmt wohl.", lächelte sie leicht.
Doch auch hierbei konnte ich Traurigkeit heraus lesen. Ich merkte es deutlich, dass sie sich wünschte ich wäre auf eine andere Art und Weiße selbständig geworden. Leider konnte keiner etwas an dieser Tatsache ändern. Es war nun mal die Realität und diese konnte nicht unbedingt das angenehmste von sich behaupten. Was passiert ist, ist halt passiert! Punkt, aus, Ende.
„Du solltest dich besser wieder hin legen. Es sieht so aus, als könntest du es echt gut vertragen.", meinte meine Mutter.
Jetzt war ich mit dem Seufzen dran:
„Ich kann nicht. Diese ... 'Schlafstörungen' sind immer noch da.", ich wusste nicht warum ich es ihr gesagt hatte.
Vielleicht habe ich laut gedacht, oder wollte das mal los werden, oder ich hoffte einfach, dass sie wieder bei mir am Bett saß, damit ich wenigstens eine Nacht ohne Alkohol und Ohnmacht verbringen konnte. Im Grunde wollte ich es nicht sagen, denn in meinem Alter war so eine Sache ... naja ... nicht wirklich angebracht. Aber ich konnte halt nicht mehr. Jetzt fühlte ich mit einem Mal sämtliche, schlaflose Nächte, welche auf mich eindrückten. Ich schloss die Augen um mich zu beherrschen.
„Soll ich bei dir bleiben bis du eingeschlafen bist?", ich fuhr meinen Kopf herum, als ich die erhofften Worte von ihr hörte.
Sie lächelte:
„Es ist doch nichts dabei. Frag einfach nur! Ich verspreche von nun an bin ich für dich da. Komm!"
~~
Zwei Wochen waren nun inzwischen herum und ich weiß nicht wieso aber meine Mutter machte mir von Tag zu Tag immer mehr Angst. Es lag wahrscheinlich ... nein ... es lag definitiv daran, dass ihr Wandel für mich völlig ungewöhnlich war. Beginnen tut es schon am Morgen. Ich muss zugeben, dass ich leider wieder auf den Alkohol umgestiegen bin, weil es mir dann doch mit der Zeit ein wenig unangenehm wurde. Meiner Mum sagte ich einfach, dass ich langsam der Meinung war es würde schon gehen. Auf jeden Fall stand sie schon mal Punkt fünf Uhr auf, um ja rechtzeitig auf der Arbeit zu erscheinen. Sie bestand nahezu darauf das Frühstück zu machen, auch wenn es meistens nur gebratene Eier waren und uns beiden bewusst war wer im Haus am besten kochen konnte. Unser Kühlschrank war auf einmal immer voll. Und da waren manchmal Lebensmittel wie Biofrikadellen dabei, wo ich mir einfach nur dachte, Wtf! Ich fand immer frische Wäsche in meinem Schrank, was in meinem Fall nicht selbstverständlich war, und ums Geschirr musste ich mich auch nicht mehr so häufig kümmern. Ab und zu ging meine Mutter sogar abends aus. Es war echt schwer für mich die ersten Male wo sie weg ging, mich zusammen zu reißen um mir nicht krampfhaft Sorgen zu machen.
Und sie redete. Mein Gott konnte die Frau reden. Fast ununterbrochen quatschte sie, von ihrem Tag, ihrer Arbeit, diesen komischen Nelson, dass er auch Witwer war und einen Sohn hatte, welcher auf die Akademie ging. Ein Handy besaß meinem Mutter inzwischen auch und machte bzw. zeigte regelmäßig Fotos. Meistens arbeitete sie bis um sechs und wenn sie dann Daheim war schwirrte sie in der Wohnung umher, sodass mir manchmal richtig schwindelig wurde.
Ich verschwand heute ausnahmsweise mal schon vor fünf aus dem Haus, weil ich das Geplapper in der Früh nicht unbedingt wollte. Das war halt so ungewohnt und plötzlich für mich, denn ich war nicht der Typ zum Reden oder sich Unterhalten. An sowas hatte mich nie jemand gewöhnt. Ich brauchte also ein gewisses Maß an Ruhe und ich wusste, dass sie heute Abend beim 'gemeinsamen Abendessen'- noch eine Veränderung – genug quatschen würde. Da ich nun sehr viel Zeit hatte, änderte ich meine übliche Rute und ging anstatt in den Park die Einkaufspassagen durch. Ich sah in Schaufenster von Läden, die schon bald aufmachen würden. Das ein oder andere kleiner Geschäft hatte sogar schon offen. Es waren meist nur solche Läden, wo man alles Mögliche an Krimskrams kaufen konnte. So gegen sechs Uhr, fing die Stadt, dann auch schon langsam an zu erwachen und ich konnte nur staunen wie schnell sich die Straßen mit Passanten füllten. Ich schlenderte gemütlich umher, was ich auch zum ersten Mal tat. Einfach nur rum gehen, sich Sachen ansehen. Das war schon irgendwie interessant, wären da bloß nicht so viele Menschen. Kaum stand man ein wenig im Weg, und das konnte ich mit meinen fast zwei Metern nun mal nicht vermeiden, wurde schon umher geschubst und gedrängelt. Irgendwie schaffte ich es mich abseits zu halten, als irgendwer von hinten in mich hinein lief.
„Autsch.", hörte ich eine kindliche Stimme und sah auch schon das Mädchen, als ich mich umdrehte.
„Entschuldigen Sie bitte.", sagte sie, als hätte sie es wie ein Gedicht auswendig gelernt.
Zwei Zöpfchen, rosa Jacke, rosa Ranzen, rosa Schuhe. Und überall waren Hallo Kittys zu sehen. Sie war schon irgendwie niedlich.
„Na Kleine. Bist du alleine unterwegs?", fragte ich und bekam ein schüchternes Nicken.
So klein und alleine unterwegs? Man lernt heut zu Tage wirklich nie aus.
„Du bist also schon ganz groß oder? Wie heißt du denn?"
Ich ging vor ihr in die Hocke um das Größenverhältnis ein wenig aus zu gleichen.
„Nadine Mauerer! Und ich bin schon fast neun. Ich komme bald in die vierte Klasse!"
Warte Mal! War das hier etwa die Schwester von diesem Tim? Jetzt wo der Gedanke gefallen war erkannte ich auch die Ähnlichkeit der beiden Geschwister.
„Sag mal du bist aber groß. Warum ist das so?", fragte sie mit ganz interessiert.
„Nun, das liegt daran, dass mein Papa auch so groß war."
„Mein Bruder ist auch groß aber er ist größer als mein Papa. Und die Mama ist auch kleiner!"
„Na ist doch gut, dass dein Bruder so groß ist. Dann kann er dich besser beschützen."
Sie nickte freudestrahlend:
„Jap Tim ist der super bestestesete und tollste Bruder überhaupt. Er spielt immer mit mir und Lola Hase, dann trinken wir alle zusammen Tee. Manchmal wenn Mama nicht hinguckt gibt er mir was Süßes. Aber das ist ein Geheimnis, dass darfst du nicht meiner Mama sagen sonst kriegt Tim ganz dolle Ärger. Und ich will nicht, dass sie wegen mir auf ihn böse ist."
Haha! Na wer hätte das gedacht, dass der ach so draufgängerische und unerreichbare Tim, privat Kaffekränzchen mit seiner Schwester und Lola Hase spielte. Sowas hätte man nun wirklich nicht erwartet.
„Wenn wir doch über Süßigkeiten reden. Würdest du kurz hier warten, dann kriegst du welche."
Mit glitzernden Augen nickte sie und war sichtlich begeistert von meinem Vorschlag. Also ging ich in das Süßigkeiten Geschäft an welchem wir zufällig gestanden haben. Sie hüpfte auf der Stelle auf und ab und klatschte in die Hände, als ich mit einer Tüte Bonbons heraus kam.
„Dankeschön! Lola Hase bedankt sich auch.", sie holte aus ihrem Ranzen einen rosa Stoffhasen heraus und ließ ihn mein Hand schütteln. Süß!
„Keine Ursache.", ich tippte ihr kurz auf die Nase und sie fing an zu kichern:
„Und nun hopp zur Schule!"
Sie nickte und ging los. Doch sie drehte sich noch einmal um, um mir zu winken. Oh verdammt! Ich konnte da Kind gerade noch rechtzeitig am Ranzen packen und weg zerren bevor das hupende Auto knapp an ihr vorbei raste. So ein Spinner! Nadine zitterte und schniefte immer noch am Ranzen über dem Boden hängend. Sofort stellte ich sie wieder hin und nahm sie in den Arm.
„Nicht weinen! Ist ja alles gut. Es ist ja Gott sei Dank nichts passiert! Komm ich bringe dich noch in die Schule ok? Nicht weinen, du bist doch schon ganz groß!"
Sie nickte und versuchte sich zusammen zu reißen, was mit den geschwollenen Backen und dem Schmollmund richtig niedlich aussah."
Hand in Hand führte ich sie in die Richtung in welche sie mich hin loste. Inzwischen hatte sie sich ganz eng an mich gepresst und ihren Hasen in einem Würgegriff gefangen. Oh man! Nun war ich jetzt auch noch Babysitter. Aber was soll's. Bei ihr machte mir das irgendwie nichts aus.
Als wir an der Grundschule ankamen, auf welche ich lustiger Weise früher war, wurde es an der Zeit Abschied zu nehmen. Doch sie zerrte bloß an meinem Ärmel.
„Wie heißt du?"
„Ich? Kay."
„Bist du mein Schutzengel?", jetzt wurde es merkwürdig.
Ich war was? Fragend schaute ich zu ihr herunter.
„Meine Mama hat mal gesagt, dass jeder einen Engel hat, der sie beschützt. Manchmal kann man sie sehen, dann bewahren sie einen vor großer Gefahr. Mama meinte auch, dass mein Engel wohl riesengroß sein müsste, weil ich so ein Tollpatsch bin. Bist also du mein Engel?"
Ich war total irritiert und wusste nun überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Ich fragte mich was andere in meiner Situation wohl täten, doch dies brachte mich nicht weiter.
„Du wirst es mir nicht sagen oder?! Mama meinte schon, dass ein Engel seinem Schützling nie verraten würde, dass er es ist. Aber ich weiß es, hörst du?! Ich weiß das du mein Engel bist.", mit diesen Worten rannte sie auch schon lachend ins Gebäude und winkte mir noch ein paar Mal.
Ich war nun komplett verwirrt. Was erzähle Eltern, den bitte ihren Kindern?!
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