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Dass sie ganz eindeutig nicht dieselbe Definition von Spass hatten zeigte sich in den folgenden Stunden gleich mehrmals. Angefangen hatte es damit, dass Kevin den Jungen ein wenig in der Werkstatt herumgeführt hatte, damit dieser eine ungefähre Ahnung hatte, wo was zu finden war. Eigentlich hatte er das für eine gute Idee gehalten, denn dann konnte er später, wenn er etwas brauchte, einfach Sunwoo losschicken und musste nicht selber ständig hin und her laufen.

Das Problem bestand nur darin, dass er ständig das Gefühl hatte, dass Sunwoo ihm gar nicht erst zuhörte. Er schlurfte zwar die ganze Zeit über brav hinter ihm her, doch anstelle davon, dass er aufpasste, tippte er ständig auf seinem Smartphone herum und da Kevin keine Lust hatte, ihn darauf anzusprechen – am Ende würde er bloss wieder nur eine dumme Antwort dafür erhalten – liess er ihn gewähren. Im war es im Grunde genommen sowieso egal, was der Junge tat. Wenn Jaesang damit ein Problem hatte, dann sollte er sich doch bitte selbst darum kümmern.

Als sie ihren Rundgang abgeschlossen hatten, zog Kevin einen Schubladenstock herbei, in dem sie allerlei Werkzeug lagerten und erklärte wie die einzelnen Schlüssel und Zangen hiessen und erstaunlicherweise schien Sunwoo sich die ganzen Begriffe innerhalb von kurzer Zeit bereits merken zu können, auch wenn er nach eigenen Angeben bis dato noch nie irgendetwas davon selbst in der Hand gehalten hatte. Kevin wusste nicht wie er das schaffte, er selbst hatte Jaesang damals in seinen Anfängen ständig das falsche Werkzeug gereckt.

Nicht so Sunwoo, denn obwohl dieser mal wieder desinteressiert gegen eines der Autos gelehnt dastand, so reichte er ihm immer innerhalb von wenigen Sekunden genau das, was Kevin kurz zuvor von ihm verlangt hatte. Er war restlos begeistert. Der Junge mochte das totale Arschloch sein, aber ganz so unbrauchbar wie anfangs befürchtet war er wohl doch nicht.

Wenn da nur nicht ständig diese Blicke gewesen wären, die Kevin auch nach mehreren Stunden noch immer nicht einzuschätzen wusste. Er konnte nicht sagen, ob Sunwoo sich heimlich über ihn lustig machte oder ob er sich gerade überlegte, was er ihm als nächstes stehlen sollte, schliesslich war er ja so ein leichtes Opfer und anscheinend beklaute Sunwoo ja ständig andere Leute, wieso also nicht auch auf der Arbeit?

Auf jeden Fall war es Kevin aber unangenehm, bei der Arbeit beobachtet zu werden. »Reichst du mir mal den Siebzehner Schlüssel«, fragte er entnervt, als ihm das ganze angestarrt werden so langsam auf die Nerven ging. Beinahe augenblicklich stiess sich Sunwoo von dem Wagen ab und beugte sich über die bereits geöffnete Schublade. Kevin nutzte die paar Sekunden in denen er unbeobachtet war, um kurz durchzuatmen.

»Wird dir eigentlich nie langweilig?«, fragte Sunwoo, als er ihm den Schraubenschlüssel überreichte. Kevin griff danach und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Natürlich würde er es bevorzugen nicht den ganzen Tag in der Werkstatt zu verbringen, allerdings konnte er sich auch noch weitaus schlimmeres vorstellen. »Es ist ganz abwechslungsreich«, erwiderte er deshalb nur schulterzuckend. Sunwoo nickte langsam, als könne er seine Antwort nicht so wirklich nachvollziehen – natürlich konnte er das nicht, wie sollte er auch, nach nur einem Tag.

»Ist dir denn langweilig«, fragte Kevin und konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Sunwoo stöhnte auf. »Todlangweilig«, jammerte er und bemühte sich dabei möglichst gequält dreinzuschauen. Kevins Mitgefühl hielt sich in Grenzen. »Tja, ich weiss ja nicht, wie du hier her geraten bist, denn freiwillig bist du ganz sicher nicht da, aber wahrscheinlich bist du selbst schuld an deiner Situation.«

Augenblicklich verfinsterte sich der Gesichtsausdruck des Jungen. »Ganz dünnes Eis, Hyungseo«, zischte er ihm zu. Kevin erwiderte nichts darauf, sondern wandte sich wieder der offenen Motorhaube zu, allerdings nur, damit Sunwoo nicht sehen konnte, wie sich ein selbstzufriedenes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete. Er hatte ganz offensichtlich einen Nerv getroffen.

Eine ganze Weile sagte wieder keiner von ihnen etwas und die Stille zwischen ihnen wurde nur ab und zu von Kevin unterbrochen, wenn er nach einem anderen Schraubenschlüssel verlangt. Irgendwann räusperte sich Sunwoo und als Kevin seinen Kopf nach ihm umwandte, bemerkte er, dass er in der Zwischenzeit neben ihn getreten war. »Mein Vater hat mich rausgeworfen«, sagte Sunwoo mit gesenkter Stimme, wahrscheinlich weil er nicht wollte, dass noch jemand anderes davon Wind bekam.

Kevin liess langsam den Schraubenschlüssel in seiner Hand sinken und richtete sich auf, damit er dem Jungen direkt in die Augen sehen konnte. Er log nicht, das konnte man ihm ansehen und alleine die Tatsache, dass er ihm das einfach so erzählte, obwohl es ganz offensichtlich so sehr an ihm nagte, liess Kevin vor Ehrfurcht erschaudern. Es schien Sunwoo egal zu sein, was er jetzt von ihm dachte und das beeindruckte Kevin. Er selbst erzählte den Leuten nicht einmal, dass er sein Studium abgebrochen hatte, aus Angst sie könnten ihn dafür verurteilen.

Sunwoo hingegen schien die Karten gerne offen auf den Tisch zu legen. Auf seinen Lippen lag ein verbittertes Lächeln, als er weitersprach. »Weil er herausgefunden hat, dass ich stehle und aus... anderen Gründen. Also ja, ich bin wahrscheinlich selbst schuld, da hast du schon ganz Recht.« Er stiess ein heiseres Lachen aus. Kevin biss sich auf die Unterlippe. Er wusste nicht was Sunwoo jetzt von ihm hören wollte – ob er überhaupt etwas von ihm hören wollte oder ob er etwas anderes damit bezweckte, indem er ihm erzählte, wie er hier gelandet war.

Er spürte nur Sunwoos scharfen Blick auf sich, wie er sich direkt in seine Seele bohrte und das beunruhigte ihn irgendwie. Er räusperte sich geräuschvoll, worauf Sunwoos Mundwinkel für ein paar Sekunden in die Höhe schnellten. »Was ist los Hyungseo, hat es dir die Sprache verschlagen?« Kevin presste die Lippen zusammen. Er würde ihm ganz bestimmt keine Antwort darauf geben.

Stattdessen wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, von der er sich am besten gar nie hätte ablenken lassen dürfen. Doch noch schien Sunwoo keine Ruhe geben zu wollen. »Du bist übrigens echt schlecht in dem was du da tust. Also, nicht dass ich eine Ahnung davon hätte, aber ich habe vorhin ein paar deiner Mitarbeiter beobachtet und bei denen sieht das einfach alles ein wenig eleganter aus, verstehst du was ich meine?« Er zwinkerte ihm unschuldig zu.

Mal wieder starrte Kevin den Jungen fassungslos an. Was nahm er sich eigentlich heraus? Selbst wenn er ja eigentlich Recht hatte und Kevin im Gegensatz zu den anderen hier nie eine Ausbildung zum Mechaniker gemacht hatte und bei ihm dementsprechend nicht alle Handgriffe so tadellos sassen, wie bei seinen Mitarbeitern, so war es doch einfach nur unverschämt, ihm sowas direkt ins Gesicht zu sagen.

Er schnaufte erbost auf. »Ach ja, tut es das. Tja wie wäre es dann, wenn du mal selber einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen würdest, anstelle davon hier immer nur dumme Sprüche zu klopfen?«, fauchte er, worauf ein altbekanntes Funkeln in Sunwoos Augen aufblitzte.

»Und ich dachte schon du fragst nie«, sagte er und grinste ihm dabei frech ins Gesicht. Ehe Kevin sich versah, schnappte er ihm den besagten Schlüssel aus den Fingern und sah ihn dann erwartungsvoll an. »Also, was muss ich machen?«, wollte Sunwoo wissen. Kevin schloss kurz die Augen und seufzte tief, ehe er es ihm schliesslich erklärte.

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