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Sie waren schliesslich in eines der unzähligen kleinen Restaurants gegangen und hatten sich dort einen ruhigen Tisch gesucht, an dem sie sich nun gegenübersassen. Ein wenig von Kevins Nervosität war zurückgekehrt, doch es war nicht annähernd so schlimm, wie die ganzen Tage davor, als er sich in der Werkstatt vor Sunwoo versteckt hatte. Es war okay, schätzte er.

Er fand nicht einmal die Stille unangenehm, die zwischen ihnen herrschte, solange sie auf ihre Getränke warteten. Als die junge Kellnerin schliesslich wieder bei ihnen auftauchte, bat Kevin darum, gleich zahlen zu können. Er bezahlte beides, natürlich gehörte Sunwoo nicht zu der Sorte, die an dieser Stelle protestiert hätten. Erst später fiel ihm auf, dass es eigentlich Sunwoo war, der ihm noch Geld schuldete.

»Du heisst also eigentlich Kevin?«, durchbrach der Jüngere irgendwann ihr Schweigen. Er blickte ihn neugierig an und Kevin blinzelte ein paar Mal verwirrt. Es war richtig, dass er sich hier in Korea immer als Hyungseo vorstellte, einfach weil das weniger Fragen aufwarf, doch seinen Freunden hatte er irgendwann seinen richtigen Namen verraten. Wahrscheinlich hatte Sunwoo ihn zuvor aufgeschnappt, als Juyeon ihn angesprochen hatte, es wunderte ihn aber trotzdem, dass es ihm aufgefallen war.

Er lachte leise. »Das ist es, worüber du jetzt mit mir reden willst?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue, worauf Sunwoo heftig den Kopf schüttelte. »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln. »Ist es trotzdem in Ordnung, wenn ich dich so nenne?«

Kevin zögerte. Sein richtiger Name war zu etwas sehr Persönlichem geworden, seit er hier in Korea war. Er musterte Sunwoo nachdenklich und dann fiel ihm auf, dass dies wohl das erste Mal war, dass der Junge ihn überhaupt wegen irgendetwas um Erlaubnis bat. Sonst hatte er sich einfach immer nur genommen, wonach ihm gerade war. Das war ein Fortschritt, nicht wahr?

»Ich denke schon«, murmelte er deswegen unsicher. Waren sie sich mittlerweile wirklich schon so nahe, dass er Sunwoo mit seinen Freunden auf die gleiche Stufe stellen wollte? Wahrscheinlich nicht, aber im Grunde genommen würde der Junge auch nie wie seine Freunde sein, weil er in Kevins Herz längst einen anderen Platz eingenommen hatte.

Er beobachtete, wie Sunwoos Mundwinkel sich, wenn möglich, noch ein wenig weiter in die Höhe schoben. Ihm wurde augenblicklich warm ums Herz und er beschloss, dass er sich gerne für immer an diesen Augenblick erinnern wollte. Es mochte nichts Grossartiges sein, doch vielleicht genoss Kevin gerade die Einfachheit des Moments, den sie miteinander teilten.

Er lächelte ebenfalls und umfasste seine Tasse mit Kaffee. Im Gegensatz zu Sunwoo trank er seinen mit Milch und eindeutig zu viel Zucker. Dass der Junge eine ungesunde Neigung zu Kaffee hatte, war ihm aber auch schon in der Werkstatt aufgefallen. Er trank eigentlich gefühlt zu jeder Uhrzeit Kaffee und das am liebsten schwarz. Kein Wunder war er manchmal ein wenig aufgedreht.

Jetzt aber war er für einmal ganz ruhig, sogar trotz Kaffeekonsum, er sah ihn einfach nur an, ehe er sich schliesslich nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte. »Ich wollte dich nicht so überrumpeln, ehrlich nicht«, sagte er aufrichtig und Kevin glaubte ihm aufs Wort. Er konnte sehen, dass auch Sunwoo unter seiner unüberlegten Tat gelitten hatte, obwohl es bei ihm wohl eher an Kevins anschliessender Reaktion darauf lag.

Ihm tat es auch leid, doch er hatte einfach nicht gewusst, wie er jetzt damit umgehen sollte und so war er Sunwoo lieber ferngeblieben, als etwas falsches zu tun. Er nickte langsam, worauf ein wenig von der Anspannung von Sunwoo abfiel. Er war erleichtert, dachte Kevin und er selbst war das ebenfalls.

»Ich dachte halt es wäre witzig«, fuhr Sunwoo fort und zog eine Grimasse. »Und ich wollte dir beweisen, dass ich nicht nur grosse Töne spucke.« Er blickte Kevin entschuldigend an. Dieser neigte den Kopf zur Seite. So war das also. Er gab zu, dass er Sunwoo – damals als er es vorgeschlagen hatte – nicht zugetraut hatte, dass er tatsächlich in die Rolle seines Freundes schlüpfen könnte, dass die Sache schon alleine deswegen nicht funktionieren würde, weil niemand es ihnen abkaufte. Er hatte sich geirrt, offensichtlich.

»Ja das ist mir jetzt auch klar«, meinte er vorsichtig. Er hätte es nur gerne auf eine andere Art und Weise erfahren, doch das schien Sunwoo unterdessen auch gemerkt zu haben. »Verstehe«, sagte der Junge gedehnt. »Aber ich schätze witzig war es wohl nicht?« War das ein Anflug von Hoffnung in seiner Stimme? Kevin schüttelte innerlich den Kopf, das bildete er sich bestimmt nur ein.

»Du hättest mich vielleicht nicht ganz so sehr überrumpeln dürfen«, gestand Kevin, ehe er stockte. Was redete er da?! Am Ende glaubte der Junge noch er sei auf eine Wiederholung aus, dieses Mal mit Vorwarnung. Dieser schien seine ungeschickte Wortwahl jedoch nicht bemerkt zu haben, er ging zumindest nicht darauf ein. »Ich werde es mir merken«, versprach er.

Sie blieben noch eine Weile sitzen und redeten dabei über unverfänglichere Dinge, ehe Kevin so langsam das schlechte Gewissen überkam, weil er seine Freunde mehr oder weniger abserviert hatte. Er schrieb ihnen, dass er gerade dabei war, dass Restaurant zu verlassen und dass er bei Bedarf wieder zu ihnen stossen könnte. Die Antwort kam keine zwei Sekunden später von Hakyeon, der ihm ihren aktuellen Standort schickte.

Kevin verzog ein wenig unwillig das Gesicht, worauf Sunwoo laut auflachte. »Ich kann mit dir mitkommen, wenn du willst«, bot er breit grinsend an. Kevin sah in zweifelnd an. »Ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich auf dich nehmen solltest«, erwiderte er, weil er kein gutes Gefühl dabei hatte, den Jungen gleich seinen Freunden auszusetzen. Wahrscheinlich würden sie sich wie hungrige Hyänen auf ihn stürzen.

Er zuckte bloss mit den Schultern. »Ich habe dich schliesslich auch in diese Situation gebracht«, feixte er und Kevin ging bei diesen Worten auf, dass er eigentlich Recht hatte. »Stimmt. Jetzt lasse ich dich nicht mehr gehen, auch wenn du es dir anders überlegst«, sagte er und griff dabei schnell nach seinem Handgelenk. Sunwoo liess sich davon nicht wirklich beeindrucken, stattdessen zog er lediglich seine Hand ein wenig nach oben, sodass er stattdessen ihre Finger miteinander verschränken konnte.

Kevin riss erschrocken die Augen auf, doch der Jüngere grinste ihn nur frech an. Er hatte ihn reingelegt, mal wieder, doch nachdem sich Kevin erstmal an das Gefühl gewöhnt hatte, fand er es eigentlich gar nicht mal so übel. Er liess sich von Sunwoo mitziehen und ehe er sich versah, konnte er bereits seine beiden Freunde entdecken, die ganz offensichtlich auf ihn warteten.

Hakyeon war derjenige, der sie zuerst bemerkte. Er stiess Juyeon aufgeregt in die Seite, worauf dieser schmerzhaft das Gesicht verzog, doch als er die wild fuchtelnden Gestiken, mit denen sein Freund auf Kevins und Sunwoos ineinander verschränkte Hände deutete, weiteten sich überrascht seine Augen, ehe ein erheiterter Ausdruck in sein Gesicht trat.

»Habt ihr euch ausgesprochen?«, fragte er neckend, worauf Kevin wie auf Kommando errötete. »Scheint so«, antwortete Hakyeon an ihrer Stelle, der immer noch ganz akribisch auf ihre beiden Hände starrte. »Ich denke ihr schuldet uns eine Erklärung, angefangen damit, wer genau du überhaupt bist.« Er tippte Sunwoo mit nachdenklich zusammengekniffenen Augen vor die Brust. Dieser grinste, dann begannen sie zu erzählen.

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