#2 Absprung

Nach meiner Rückkehr nach Hause begann ich gleich mit meinen Hausaufgaben. Diese waren wie gewohnt schnell erledigt, sodass ich noch genügend Zeit hatte, mir Gedanken über meine weiteren Aktivitäten zu machen. Da ich jedoch nicht wusste was man in so einer Kleinstadt schon tun konnte, entschied ich mich dafür, in den Garten zu gehen und gymnastischen Übungen zu machen. Auf diese Weise konnte ich zumindest ein Stück aus meiner Vergangenheit bewahren.

»Du bist zu früh abgesprungen«, erklang eine männliche Stimme, als ich mich umdrehte und einen Mann im Nachbarhaus am Fenster sah. »Ich bin Ethan, ehemaliger Turner. Ich weiß also, wovon ich spreche.« Die Arroganz in seiner Stimme und Haltung veranlasste mich sofort wütend zu erwidern: »Dann mach es doch besser!« Er entfernte sich vom Fenster und ich war überzeugt, dass er sich drücken würde. Daher setzte ich meine Aktivität fort, bis er in meinem Garten stand.

Er fragte nach meinem Namen, den ich ihm nannte. Da wir Nachbarn waren und uns öfter sehen würden, blieb mir wohl nichts anderes übrig. Dann führte er die gleiche Übung wie ich durch, nur leider viel besser. Irgendwie kam mir der Kerl bekannt vor, aber ich wusste ihn nicht zuzuordnen. Das konnte aber auch dran liegen, dass ich heute unzählige neue Gesichter gesehen hatte.

Ich bedankte mich, nachdem ich Ethans Anweisungen befolgt hatte und die Übung perfekt gelungen war. Das entlockte ihm ein selbstgefälliges Lächeln. Er fragte mich, warum ich nicht Teil des Schulmannschaft sei. Ich erklärte ihm, dass es keinen Trainer dafür gäbe. Doch er glaubte mir nicht und provozierte mich damit erneut. Ich reagierte impulsiv und sagte ihm, dass er mich mal kann. Daraufhin antwortete er, dass er bereits vergeben sei. Ich konnte nicht fassen, dass er einfach nicht aufhörte und mich weiterhin mit seiner Anwesenheit nervte.

»Für dein Alter bist du ziemlich negativ eingestellt. Du solltest dankbar sein, dass ich dir helfe, anstatt so zu meckern«, sagte er dann. Wahrscheinlich weil er endlich meine schlechte Laune bemerkt hatte. »Man kann hier ja auch sooo viel Spaß haben. Ich bin total begeistert von dieser wundervollen Stadt. Und dann noch ein Held, der mir zur Hilfe eilt. Und mir sagt, wie ich meine Übung machen soll. Ohne dich wäre ich verloren gewesen«, erwiderte ich sarkastisch.

»Ethan was machst du hier?«, erkannte ich sofort die Stimme. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Und jetzt wusste ich auch, warum mir Ethan so bekannt vorkam. Es war der Typ aus der Schule, wegen dem ich meine Bücher habe fallen lassen, der sich inzwischen zu uns gesellt hatte. Wie viel Pech konnte man nur haben. »Na wunderbar. Natürlich sind Mister Hau sie um und Mister Ich komme dir zu Hilfe verwandt.«

«Ihr kennt euch also schon«, fragte Ethan. Der andere Typ nickte leicht. »Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich jetzt gerne alleine in meinem Garten sein. Zwei von euch ertrage ich nicht!« Doch Ethan lachte nur. »Sei doch nicht so unfreundlich, Bell!« Ich zuckte zusammen und meine Gesichtszüge entglitten mir. Bell... Wieso musste er das nur sagen.

»Suchst du nach den richtigen Worten? Komm schon! Hau raus!«, machte Ethan weiter. Ich nahm mein Handtuch vom Stuhl und verließ den Garten, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. In meinem Zimmer warf ich wütend alles herum, was mir in die Hände kam. Niemand hatte das Recht, mich so zu nennen, außer ihr. Der Schmerz war unerträglich, meine Wut nicht zu bändigen. Die Erinnerungen waren überwältigend.

Ein Gegenstand, den ich warf, prallte ab und verletzte meinen Unterarm. Die Verletzung war nicht so schwerwiegend, dass ich nicht hätte weitermachen können, aber sie blutete, so dass ich innehielt. Ich begab mich in die Küche und drückte ein Stück Küchenrolle auf die Wunde. Ich spürte nichts davon. »Was ist passiert?«, fragte Blake plötzlich. »Ich habe mich verletzt«, antwortete ich in Gedanken.

Er nahm den Verbandskasten und versorgte meinen Arm schweigend. jedoch nahm ich nichts davon wahr. Ich war gefangen. Der Moment, in dem sich alles für mich geändert hatte, spielte sich immer wieder vor meinen Augen ab. Es würde nie wieder so sein, wie es einmal war. Wie sollte ich damit umgehen, wenn ich bereits nach dem ersten Schultag erschöpft war? Und warum hört diese Wut einfach nicht auf? Es sollte doch leichter werden. Wieso wurde es dann nur schwerer?

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