Prolog

Victoria POV

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„Niemals."

„Victoria, jetzt hör uns doch erst mal zu."

Ich schüttle demonstrativ den Kopf und wische meinen Mund mit meinem Ärmel ab, wohlwissend, dass eine strahlend weiße Stoffserviette direkt auf meinen Beinen liegt.

Meine Mutter verzieht noch immer angewidert ihr Gesicht sobald ich diese Geste hervorhole, doch das ist mir herzlich egal. Ich tue alles, um mich gegen das Image eines reichen, verwöhnten Mädchens zu sträuben, und wenn ich dafür meinen Mund an meinem Ärmel abwischen muss, dann ist es mir ein großes Vergnügen.

Bekümmert sieht meine Mutter mich aus ihren grauen Augen an, während mein Vater sich nichts anmerken lässt, und weiter sein Essen mit Messer und Gabel bearbeitet. „Ich werde ganz bestimmt nicht die Schule verlassen." Ja, richtig. Ich möchte nicht aus der Schule genommen werden. Wieso? Ganz einfach: es wäre nur möglich, weil meine Eltern mit Geld um sich schmeißen können, was mir wiederum einen Strich durch die Rechnung bei meiner Rebellion machen würde.

Die Leute würden neidisch werden und mich mit einem dicken, fetten Stempel mit der Aufschrift „reiche Göre" zerdrücken. Und ich weiß nicht, wie das bei euch so ist, aber ich werde nicht gerne von Stempeln zerdrückt.

„Victoria-"

„Vicky!"

Meine Mutter zuckt leicht zusammen, als ich meinen Namen korrigiere, denn eigentlich trage ich den Namen meiner Großmutter. Victoria Maria Engel, vor drei Jahren an Krebs verstorben. Und hier bin ich nun - Victoria Alina Engel, seit ihrer Geburt der Rebell der Familie. Nur mein älterer Bruder versteht meinen Groll gegen den ganzen Luxus und all das Geld um uns rum, und auch er wehrt sich effektiv dagegen, von unseren Eltern in eine bestimme Form gepresst zu werden, und von seinen Mitschülern als verwöhnter Bengel abgestempelt zu werden.

Die Schule ist der einzige Ort, an dem ich mich nicht so fühle, als würde jeder mich wie eine Porzellanpuppe behandeln, und das gefällt mir. „Also, Vicky - du wirst diese Schule verlassen. Es gibt keine Diskussion, du bist sechzehn und somit noch nicht volljährig. Ab nächstem Monat wirst du zu Hause unterrichtet. Du solltest uns dankbar sein für diese Möglichkeit, nicht jeder hat die Chance auf solch eine gute Ausbildung." Ich schnaube nur und schüttle den Kopf. „Ihr werdet es wohl nie verstehen, oder?"

Meine Mutter sieht mich verwirrt an, und ich lege mein Besteck auf meinen Teller. Der Appetit ist mir nach schon nur vier Bissen vergangen. Das ist ein neuer Rekord.

„Was denn, Liebes?" Bei der heuchlerischen Stimme meines Vaters wird mir fast übel, und schnell blicke ich zu meinem Bruder, welcher nur Löcher in seinen Teller starrt. Seit Jahren führen wir diese Art von Diskussionen beim Mittagessen, zuerst bei ihm, und jetzt bei mir. Alex hat sich und seinen Willen so gut durchsetzen können, dass er bald sogar das studieren darf, was er will - und das ist weder Jura, noch BWL. Er wird Kunst, vor allem aber Architektur studieren, und ich bin mächtig stolz auf ihn.

Mein Ziel ist - zum großen Erleichtern meiner Eltern - tatsächlich ein Jurastudium, jedoch nicht, weil ich als Anwältin oder gar Richterin viel Geld verdienen will. Nein, ich hege schon seit klein auf den Wunsch nach Gerechtigkeit, der mit jedem Jahr größer geworden ist. Täglich erlebe ich hier die Art von Ungerechtigkeit, über die niemand spricht. Den Unterschied zwischen stinkreich und normal.

„Ich will nicht wie ihr sein. Ich will all das Geld nicht. Es macht mich nicht glücklich. Ich möchte einfach nur wie jeder andere, normale Mensch auch zur Schule gehen dürfen und dann ein Studium abschließen. Und danach werde ich arbeiten. Vielleicht finde ich sogar meine große Liebe, obwohl ich nicht davon ausgehe, dass ihr sowas erlaubt. Dann bekomme ich Kinder, lasse sie in normalen Verhältnissen aufwachsen, und irgendwann sterbe ich dann glücklich, mit dem Wissen, mein Leben so gelebt zu haben, wie ich es mir vorgestellt habe. Noch Fragen, oder habe ich mich endlich mal klar genug ausgedrückt?"

Eine Weile herrscht Stille, und sogar unser Dienstmädchen hat den Raum flüchtig verlassen. Die Spannung ist zum zerreißen, und ich weiß, dass ich einen wunden Punkt bei meinen Eltern getroffen habe. Auf Alex' Lippen kann ich deutlich ein unterdrücktes Schmunzeln erkennen, denn er weiß genau, wie sehr ich unsere Eltern mit meinem Verhalten ärgere. „Du willst also ein normales Leben führen können?" Meine Mutter sieht mich kühl an, und ich nicke. „Ich bitte darum, ja." Ich halte die Luft an, während meine Eltern Blicke austauschen, ehe mein Vater sich dann zu mir wendet.

„Gut, du wirst für ein Jahr nach Amerika gehen."

Ich verschlucke mich regelrecht an meiner eigenen Spucke, und hüstle eine Weile vor mich hin. Alex steht auf, umrundet den für meinen Geschmack viel zu großen Tisch, und klopft mir leicht auf den Rücken. Dann setzt er sich neben mich, und sieht nachdenklich zu unseren Eltern. „Amerika?" krächze ich, und gebe mein bestes, um meine Stimme wiederzufinden. „Ja, Amerika. Wir melden dich für ein Auslandsjahr an. Die Mittel dazu haben wir ja." Auch wenn sie es nicht ausspricht, weiß ich, dass meine Mutter Geld meint. Was denn auch sonst?

„Was soll ich denn in Amerika?" Verwirrt schaue ich meine Eltern an, und frage mich, ob sie was getrunken haben. Jedoch hat meine Mutter keine roten Wangen, und mein Vater fährt sich nicht alle drei Minuten durch die Haare. Sondern nur alle fünf Minuten, und dann auch nur ganz leicht, damit seine Frisur nicht verrutscht.

„Du wirst dort in eine Gastfamilie kommen, eine Highschool besuchen und dich alleine durchschlagen müssen. Das ist es doch, was du willst, oder? Leben wie jeder andere normale Mensch auch. Das hier ist die einzige Möglichkeit die wir dir bieten werden." Ich schaue unsicher zu Alex, dessen Hand noch immer auf meinem Rücken ruht, und überlege, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Ich, alleine in Amerika, für ein ganzes Jahr?

„Mach es", flüstert mir mein Bruder zu, und nach einem kurzen Hin und Her in meinem Kopf nicke ich schlussendlich. Wenn Alex sagt, ich sollte es tun, dann werde ich es auch tun. Denn mein Bruder würde mich nie ins offene Messer laufen lassen. Ich wende mich wieder zu meinen Eltern, die wohl fest damit rechnen, dass ich nicht gehen werde, und setze den entschlossensten Gesichtsausdruck auf, den ich kenne. Dann hole ich tief Luft und schaue meiner Mutter direkt in die Augen.

„Ich mach's."

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Willkommen meine Pupse :3 (Ja, ich hasse mich manchmal auch xD)

Ich freue mich extrem, eine neue Geschichte einläuten zu dürfen. Dieses Gefühl ist und bleibt eines der Besten ^.^

Wie denkt ihr, dass es für Vicky in Amerika wird?

- Xo, Zebisthoughts

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