Sonnenschein und Finsternis

Über mir schreit eine Eule. Es ist ein eiskaltes, auf irgendeine Weise brutales Geräusch. Um mich herum scheint die Luft vor Kälte und vor Angst zu knistern. Der Wind prickelt auf meiner Haut. Die Dunkelheit ist so dicht, dass ich meine eigene Hand nicht sehen kann. Ich fühle mich blind, hilflos, ohne Schutz. Meine Orientierung habe ich längst verloren. Ich weiß nicht einmal, ob ich gerade die Augen geschlossen habe oder nicht. Die Zeit rast an mir vorbei und zieht sich gleichzeitig hin, wie Kaugummi. Alle Geräusche um mich herum vermischen sich zu einem Strudel aus Lärm, aus dem sich nur der Schrei der Eule ausmachen lässt. Es klingt als würden hunderte Stimmen flüstern und versuchen mir etwas mitzuteilen, was ich nicht verstehe. Ein Rauschen und Fauchen des Waldes. Bedrohlich und verzweifelt. Krallen kratzen über Steine und Schritte rascheln im Laub erschreckend laut über das Gemurmel aus anderen Lauten hinweg. Mein Magen zieht sich krampfartig zusammen und ich spüre das Blut, wie es durch meinen Körper gepumpt wird, beschleunigt durch mein rasenden Herz. Dessen Hämmern dröhnt so laut in meinem Kopf, dass ich fürchte, damit auf mich aufmerksam zu machen. Die Angst breitet sich in mir aus, wie ein kleiner Funke, der auf Öl fällt und sich rasend schnell in ein tödliches Flammenmeer verwandelt. Sie umschlingt mich und lähmt mich, wie eine riesige Faust, die jede Bewegung verhindert. Jeder Atemzug ist gepresst und schmerzhaft und das Rauschen meine Blutes in meinen Ohren steigert sich zu einem brüllend Tosen, wie ein Meer im Sturm dessen Wellen mit unglaublicher Wucht und Kraft an den Felsen brechen. Das Kratzen und die Schritte dringen kaum noch hindurch, aber ich spüre die Gegenwart von feuerroten leuchtenden Augen, die mich anstarren und meinem Körper endlich wieder in Bewegung bringen. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich renne. Jetzt weiß ich, dass meine Augen geöffnet sind. Jede Zelle meines Körpers dringt in mein Bewusstsein und ich spüre den Boden durch die Sohlen meiner Schuhe hindurch. Alles wirkt so unreal. Todesangst lässt alles greifbarer wirken. Die Luft, den Wind und die Dunkelheit. Meine Beine brennen und meine Lungen fühlen sich, als würden sie gleich in hunderte Scherben zerbrechen. Hinter mir höre ich den keuchend, röchelnden Atem meiner Verfolger, aber sie wirken nicht erschöpft. Mein Gehirn ist nicht mehr fähig einen klaren Gedanken zu fassen und so bin ich nicht in der Lage, einzuschätzen, wer oder was mich verfolgt und wie viele es sind. Kopflos hetze ich durch die Schatten der Finsternis, versuche mich an irgendetwas zu orientieren. Ein Geräusch, ein Licht oder irgendetwas, was meine Hoffnung wieder aufflammen lässt. Ohne Erfolg. Sie wird immer kleiner und mein Glaube daran, dass ich mich aus diesem Albtraum befreien kann, ist fast vollkommen verschwunden. Plötzlich falle ich. Der Boden hat nachgegeben. Ein stechender Schmerz schießt von meinem Bein durch meinen Körper und ich kann mir keinen gequälten Schrei nicht unterdrücken. Ich weiß, dass ich aufstehen und weiterlaufen muss. Meine Hände suchen nach etwas, an dem ich mich festhalten oder abstützen kann, aber da ist nichts außer dem kalten Boden. Etwas heißes tropft auf meine Schulter und ich brauche viel zu lange, um zu begreifen. Als ich beschließe, den Schmerz zu ignorieren und so schnell zu laufen, wie ich kann, ist es eigentlich zu spät. Erst eiskalt, dann kochend heiß fühlen sich die Krallen an, als sie sich in meinen Oberarm bohren. Ich kann es nicht sehen, aber ich spüre, wie das Blut über meinen Arm läuft. Es klebt an meiner Kleidung. Kosmischerweise verspüre ich keinerlei Schmerz. Die Angst und die Gewissheit machen mich unempfindlich. Das Wissen, dass ich es nicht schaffen werde, lässt mich ganz ruhig und kalt werden. Nur schemenhaft erkenne ich die Gestalten um mich herum. Mein Leben - wie eine Film, der an mir vorbei zieht, dann ein grelles Licht. Es scheint nicht zu existieren und doch ist es viel realer, als es hätte sein sollen. Was ist real und was nicht? Alles ist ineinander verwoben. Unzertrennlich.

Die Geschichte ist mal auf Wunsch von Catnipx3 entstanden. Sie meinte da ist zu wenig Blut ;).

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