20 - Flucht
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Schluchzend kam ich Zuhause, also bei Tante Jane an und schloss zögerlich die Tür auf.
Hingegen meiner Erwartung, sie wäre arbeiten, befand sich meine Tante in der Küche und lief verwirrt in den Flur, als sie mich hörte.
"Was zur Hölle machst du hier? Schon Mal auf die Uhr geschaut? Du müsstest noch mindestens 3 Stunden in der Schule sein.
Schwänzt du etwa den Unterricht? Das duldet vielleicht dein Vater, aber solang du hier bist, lebst du nach meinen Regeln. Verstanden?"
Sie stemmte die Hände in die Hüfte und sah mich abwartend an.
Ich konnte gerade alles Andere als ihr Gerede über Regeln und Normen gebrauchen.
Ich sah auf den Boden und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Noch immer konnte ich nicht begreifen, was gerade passiert war.
Mein Mathelehrer hat mich.. angemacht.
Oh gott, mir wird schon wieder schlecht.
"Mein Gott, wieso heulst du denn schon wieder? Nervst du dich denn nicht schon selbst damit?" fragte sie genervt, was mich nur mehr zum Weinen brachte.
Sie hatte doch überhaupt keine Ahnung, was ich gerade durchmache, noch dazu ihre ständige Nörgelei über all die Dinge, die sie nicht mag an mir.
Es gibt auch so Einiges, das ich nicht an ihr mag und selbst, wenn ich reden könnte, würde ich sie nicht den ganzen Tag damit runter machen.
Ich sah nach oben und suchte zum ersten Mal seit ich hier bin, gezielt Blickkontakt zu ihr, in der Hoffnung sie würde sehen, dass es mir wirklich, wirklich schlecht ging und ich das nicht nur spielte.
Denn ich brauchte Jemanden.
Das will ich nie zugeben, ich weiß.
Aber alleine halte ich nicht mehr lang durch.
Doch Nichts. Ich erkannte rein gar Nichts. Sie starrte mich einfach nur kalt an.
Ich schüttelte enttäuscht den Kopf und fuhr mir durch die Haare.
Eigentlich hatte sie recht, es nervt mich selbst, dass ich andauernd heule aber was soll ich machen?
Es passiert einfach und ich habe jeden Grund dazu.
Wieder schluchzte ich unkontrolliert und sie kam einige Schritte auf mich zu.
"Hör endlich auf Olivia!" zischte sie, doch ich konnte nicht.
Wie denn? Auf Kommando das Weinen aufzuhören, ist fast unmöglich.
"Hör auf damit!" schrie sie plötzlich, schloss die Lücke zwischen uns und gab mir eine saftige Ohrfeige.
Einige Sekunden war es muksmäuschen still.
Mein Schluchzen war erloschen und der Schock lag mir bitter in den Knochen.
Das Geräusch hallte in meinen Ohren und meine Wange begann zu brennen.
Ich starrte sie an, sie starrte mich an. Mein Mund stand offen.
Ist das gerade wirklich passiert?
"Das war vielleicht.. tut mir leid." sagte sie plötzlich schlicht und nahm Abstand von mir.
Sie blickte noch einen Moment in meine Richtung, bis sie mir den Rücken zukehrte und davon ging.
In den Moment erwachte ich aus meiner Trance, rannte die Treppe nach oben und nahm mir meinen Rucksack, um ein paar grundlegende, wichtige Dinge einzupacken.
Zwar waren meine Koffer noch nicht ausgepackt, doch damit wollte ich nicht wirklich durch Pickering laufen.
Also packte ich meine Zahnbürste, Wechsel- und Schlafklamotten und mein Ladekabel in meine Schultasche und schulterte Diese.
Ich rannte die Treppen wieder nach unten und knallte die Haustür hinter mir zu.
Hier zu bleiben, wäre verrückt gewesen und obwohl ich weiß, dass mein Vater es für eine schlechte Idee hielt, mich gleich mit in unsere neue Wohnung zu nehmen, war mir das gerade egal und ich suchte die Straßen mithilfe meines Handy Navis, nach der Adresse meines Vaters ab.
Als ich endlich vor dem dreistöckigen Wohnblock stand, begannen meine Hände leicht zu zittern.
Was ist, wenn er mich wieder weg schicken würde?
Tante Jane wäre noch mehr sauer und dann wäre es noch schlimmer bei ihr zu wohnen.
Ich lief die restlichen Meter zur Tür und klingelte.
Es dauerte eine Weile bis ein surrender Ton ertönte und die Tür vor mir aufging.
Ich trat ein und ging zwei Etagen nach oben, bis ich vor einer massiven Holztür stand und darauf wartete, dass Dad mir öffnete.
Ich klopfte noch mal an die Tür, die sich kurz darauf öffnete.
"Livi? Was machst du denn hier?" fragte er erschrocken, als er mein verweintes Gesicht sah.
Ich atmete tief durch und ging mit offenen Armen auf meinen Vater zu.
Ich brauche ihn mehr als alles Andere, denn wir haben nur noch uns Beide.
Wir umarmten uns und er strich mir sanft über den Kopf.
Es ist eine Ewigkeit her, seit ich ihn das letzte Mal so lang umarmt habe.
"Komm rein, aber bitte erschreck nicht." sagte er und wir betraten die kleine Wohnung.
Sie sah gepflegt aus, doch überall staden Kartons, obwohl wir gar nicht so viel von Zuhause mitgebracht hatten.
Gegen unser früheres Haus ist das hier wirklich traurig und klein, aber was wollen wir machen?
Uns fehlt eben das Geld und so viel Platz brauchen wir eigentlich nicht.
Wir gingen ins Wohnzimmer, in dem bereits ein Sofa stand, auf dem Dad vermutlich gerade schlief und ein kleiner Tisch war zu sehen, sonst nur Kartons.
Wir setzten uns und ich kramte meinen Block aus der Tasche.
"Ich hab es nicht mehr ausgehalten bei Jane, andauernd hat sie Irgendwas kritisiert. Kann ich bitte hier bleiben Dad?
Ich versuch mich zu bessern und es ist egal, wenn ich nur eine Matraze habe, ich will nur bei dir sein." schrieb ich auf den Zettel und schob ihn meinem Dad zu.
Er las es durch und atmete einmal tief durch.
"Na schön, aber ich kann dir wirklich nicht viel bieten momentan." sagte er schließlich und ich lächelte ihn ehrlich an.
"Wow, ist ne Weile her dich so zu sehen." sagte er plötzlich strahlend, was auch mich noch ein wenig mehr pushte.
"Ich zeige dir dein Zimmer." sagte er und stand auf, weshalb ich ihm folgte.
Dort angekommen fand ich ein kleines Zimmer mit großem Fenster vor.
Ein paar Kartons mit Möbeln, die aufgebaut werden mussten standen darin.
"Ich dachte hier könnte dein Bett stehen. Ich habe dir schon eins gekauft, das war meine oberste Priorität, sollen wir es schon aufbauen oder reicht für heute Nacht die Matratze?" fragte er und ich zeigte auf die Matratze, die an der Wand gelehnt stand.
Wir konnten mein Bett auch am Wochenende aufbauen, ich hatte es nicht so eilig.
"Ich hab auch schon andere Möbel besorgt, hatte aber durch die Arbeit keine Zeit sie aufzubauen, tut mir Leid Schatz. Wir können hier auch noch streichen und sowas." sprach er und ich umarmte ihn erneut, um ihm zu zeigen, dass mir das gerade so egal war und ich einfach nur überglücklich war, hier bleiben zu dürfen.
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