Kapitel 22

Ich vermisste Emmett furchtbar. Der Palast wirkte ohne ihn leer und einsam. Nachdem er bereits ein paar Wochen weg war, erhielt ich eine Nachricht von Kronprinz Asher aus dem Königshaus in Dänemark. Er bedankte sich für die Empfehlung die ich ausgesprochen hatte. Emmett sei ihm ein zuverlässiger Bodyguard und er war mit ihm nach kurzer Zeit bereits sehr zufrieden. 

Obwohl meine Laune wirklich mies war, versuchte ich mich zusammenzureißen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und damit musste ich jetzt leben.

Zusammen mit Jacob Reeves, unserem Sicherheitsberater suchte ich einen neuen Bodyguard aus. Ich erzählte allen, dass es Ungereimtheiten zwischen mir und Emmett gegeben und diese die Zusammenarbeit unmöglich gemacht hatten.

Bei der Auswahl des neuen Bodyguards wollte ich diesmal dabei sein, um einen aussuchen zu können, den ich nicht wieder gleich feuern musste, so sagte ich es zumindest Jacob. Eigentlich wollte ich nur unauffällig einen etwas älteren, verheirateten Mann aussuchen, in den ich mich nicht verlieben würde.

Nach einem Nachmittag intensiver Suche, stand ein neuer Bodyguard fest. Er war ruhig und freundlich, war glücklich verheiratet und hatte drei kleine Kinder. Die Voraussetzungen schienen ganz gut.

Um mich von meinem Kummer abzulenken, traf ich mich häufig mit Austin und Graham. Wie immer versuchten sie ihr Bestes, mich zu beeindrucken, was aber eigentlich nur dazu führte, dass ich sie bei jeder Gelegenheit mit Emmett verglich und schlussendlich enttäuscht war.

Die Umsetzung der Stiftung kam mir zu Gute. Wir begannen damit meinen Entwurf umzusetzen.
Es folgten unzählige Sitzungen und jede Menge Papierkram, die mich fast durchgängig in Beschlag nahmen. Mit Freuden nahm ich den Stress in Kauf, weil das bedeutete, dass mein Gehirn mit anderem beschäftigt war, als an Emmett zu denken.

„Ich habe mich auf Studien bezogen, die sich mit der mentalen Gesundheit von Soldaten auseinandersetzen."
Wir befanden uns mitten in einer Sitzung mit unseren Beratern, denen ich mein Konzept vorstellen sollte. Ihr Einverständnis war extrem wichtig.

Ich hatte eine Rede ausgearbeitet und mich bis ins kleinste Detail darauf vorbereitet, Fragen und Kritik Stand halten zu können. Daher reichte ich nun Mappen herum, in denen ich die wesentlichen Ergebnisse der Studien zusammengefasst hatte.

„Wie Sie sehen können, nimmt die Zahl an traumatisierten Soldaten zu. Das ist auch keinesfalls verwunderlich, immerhin werden sie von uns in Kriegsgebiete geschickt. Wir können uns nicht annähernd vorstellen was sie durchmachen müssen. Erschreckend ist aber die geringe Zahl an Soldaten, die nach der Rückkehr aus Kriegsgebieten erfolgreich in ihr normales Leben zurück finden. Über die Hälfte hat ernsthafte Probleme in den Alltag zurückzufinden. Ihnen ist es nicht mehr möglich soziale Kontakte zu pflegen, so wie sie es vor ihrem Einsatz getan haben. Familienmitglieder kommen mit den veränderten Charakterzügen nicht zurecht. Familien und Ehen gehen kaputt, die Soldaten verlieren ihren Job, dann ihre Wohnung und landen schließlich in schäbigen Unterkünften oder auf der Straße."

Eindringlich ließ ich meinen Blick über unsere Berater schweifen. Ich hatte diesen Blick lange vor dem Spiegel geübt und perfektioniert. Er sollte vermitteln, wie wichtig mir diese Angelegenheit war. Ich wollte damit etwas verändern und handelte nicht als naive Prinzessin. Im Gegenteil, ich handelte als zukünftige Königin und das musste deutlich werden.

„Es ist schrecklich, dass es so weit kommen musste. In ihrenUnterlagen sehen Sie auch die Zahlen der Suizide von zurückgekehrten Soldaten. Meine Herren, daran müssen und werden wir etwas ändern. Es kann nicht sein, dass wir Soldaten in den Krieg schicken, sie aber in ihrem Elend auf der Straße verrotten lassen, wenn sie wieder daheim sind. Daher werde ich die Grace for Veterans Stiftung ins Leben rufen."

Die Folie meiner Power Point Präsentation zeigte nun das Logo der Stiftung, dass ich in einer langen Nacht entworfen hatte.
Vereinzelt konnte ich in meinem Publikum zustimmendes Nicken ausmachen, aber auch einige Gesichter, die noch nicht überzeugt waren.

„Es gibt doch schon genügend Stiftungen für Veteranen. Warum wollen Sie unbedingt noch eine gründen?", fragte Mr Douglas, der offensichtlich von meiner Idee gar nichts hielt.

„Das stimmt", pflichtete ich ihm bei. „Es gibt bereits viele Stiftungen für Veteranen, wie die von den Armentrout's. Sie kennen sicher noch ihren Sohn Colin, der an dem Casting teilgenommen hat. Aber je mehr Hilfe es für Soldaten gibt, desto besser. Diese Männer und Frauen haben tapfer für unser Land gekämpft, sie verdienen auch danach die Unterstützung die sie benötigen. Deswegen halte ich eine weitere Stiftung für sinnvoll."

„Und wie sieht ihr Konzept aus? Welche Angebote wollen Sie bieten?", fragte ein anderer.
Ich rief eine weitere Folie auf, auf der ich alle Angebote aufgelistet hatte, die meine Stiftung zu bieten haben würde.

„Meine Stiftung wird Unterkünfte für die Soldaten bieten, damit sie einen Platz zum Schlafen haben. Ob sie diesen langfristig nutzen, oder nur für vereinzelte Nächte, bleibt allen selbst überlassen. Es gibt kostenlose Mahlzeiten, sowie verschiedene Programme. Einzeltherapie oder Gruppentherapie, aber auch Freizeitangebote. Die Veteranen sollen die Möglichkeit haben sich mit anderen auszutauschen. Ob in einem offiziellen Rahmen mit Therapeut oder beim Kartenspiel mit anderen. Eine detaillierte Liste finden Sie ebenfalls in ihren Unterlagen. Sollten Sie weitere Vorschläge haben, kommen Sie gerne auf mich zu."

„Das ist ja alles schön und gut", warf Mr Douglas ein. „Aber wie bitte wollen Sie das finanzieren? Sie brauchen ein großes Gebäude und Angestellte. Die ganzen Angebote und vor allem das Essen müssen bezahlt werden."

„Auch dieses Problem habe ich bedacht." Ich schenkte ihm ein freundliches, unechtes Lächeln. Mir war von vorneherein bewusst gewesen, dass er mich auseinandernehmen würde und die Blöße eine Frage nicht beantworten zu können, wollte ich mir ganz sicher nicht geben. Dazu war ich zu stolz.

„Ich habe ebenfalls einen Finanzplan erarbeitet. Selbstverständlich werden wir einige Stellen als ehrenamtliche Nebenjobs ausschreiben. Aber wir können natürlich nicht alle ehrenamtlich arbeiten lassen. Ein großer Teil wird deshalb durch regelmäßige Spenden gedeckt. Es wird ein Spendenkonto errichtet, auf das wir mit Hilfe der sozialen Medien aufmerksam machen wollen. Außerdem eignen sich jährliche Spendenveranstaltungen. Einen weiteren Teil werde ich mit meinen eigenen finanziellen Mitteln decken. Und dann meine Herren, wird uns ein Teil der stattlichen Mitteln zur Verfügung stehen, die für das Militär ausgegeben werden."

„Das könne Sie nicht machen!", rief Douglas empört. Aufgeregtes Murmeln entstand am Tisch.

„Darf ich Sie bitte wieder um ihre Aufmerksamkeit bitten?" Meine Stimme erklang laut durch unseren Sitzungsraum. Beinahe verwundert, dass ich die Stimme erheben konnte, sahen mich unsere Berater an, bevor ihr Blick zu meinem Vater wanderte. Aber dieser saß nur ruhig am Tischende. Er hatte mir versprochen sich heute nicht einzumischen, sondern mich machen zu lassen. Es war mein Projekt und ich wollte selbst die Verhandlungen führen.

„Mir ist durchaus bewusst, dass diese Gelder für die Ausrüstung und alle weiteren Kosten des Militärs benötigt werden. Aber ich habe die Finanzen gründlich überprüft und festgestellt, dass ein bestimmter Betrag abgezogen werden kann, ohne dass es dem Militär an Unterstützung fehlt. Sie finden einen ausführlichen Bericht darüber wie ich diesen Betrag berechnet habe in Ihren Unterlagen. Gerne dürfen Sie nachrechnen, aber ich versichere Ihnen, dass das Militär keine belastenden Kürzungen erleiden wird. Der Schutz durch die Streitkräfte wird bestehen bleiben."

„Sie können aber nicht einfach dem Militär Geld entziehen, um es für ihr eigenes Vergnügen einzusetzen." Mr Douglas funkelte mich wütend an. Am liebsten würde ich ihn am Kragen packen und kräftig durchschütteln.

„Mr Douglas, ich verwende das Geld nicht für mein eigenes Vergnügen, sondern für einen wohltätigen Zweck. Wenn Sie Bedenken haben, ich könnte es in meine eigene Tasche fließen lassen, tun Sie sich bitte keinen Zwang an, meine Finanzen regelmäßig überprüfen zu lassen. Bei allem Respekt, aber ich habe die Möglichkeit Kürzungen zu vollziehen und ich werde es tun, denn diese Kürzungen schaden weder dem Militär noch der Bevölkerung."

Mit beiden Händen stützte ich mich auf der Tischplatte ab, um Mr Douglas fest in die Augen zu schauen.

„Sollten Sie gegen meine Stiftung sein, bitte. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Wenn wir nicht bald anfangen etwas zu tun, um den Soldaten zu helfen, wird bald niemand mehr zum Militär wollen, aus Angst obdachlos zu werden. Dann können Sie aus ihrem feinen, gepolsterten Schreibtischstuhl selbst aufstehen und nach Afghanistan oder sonst wo in den Krieg ziehen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dort keinen einzigen Tag überleben."

Totenstille. Mr Douglas kochte vor Wut, ich konnte beinahe den Rauch aus seinen Ohren kommen sehen. Ich war mir sicher, dass er am liebsten auf mich los gegangen wäre, allerdings aus Respekt zu meinem Vater sitzen blieb.

Nachdem alle Fragen geklärt waren, wurde schließlich einstimmig für die Umsetzung der Stiftung gestimmt, was mich mit einem breiten Lächeln zurückließ. Selbst Douglas hatte dafür gestimmt, wenn auch widerwillig.

Einige Tage später hielt ich den selben Vortrag vor Investoren, die ebenfalls angetan waren und mir ihre Unterstützung zusagten.

Während die Wochen ins Land zogen, hatten wir bald ein passendes Gebäude gefunden, das wir kauften. Stellenangebote wurden ausgeschrieben und jede Menge andere Vorbereitungen getroffen.

Grace selbst kam mich besuchen, um zu sehen wie wir voran kamen. Bei einem Tee erzählte ich von meinen Fortschritten und was bis zum großen Eröffnungstag noch alles getan werden musste. Die Einweihungsfeier war auf Anfang Dezember angesetzt worden, was mich in Panik versetzte, da das bereits in wenigen Wochen war.

„Wir haben bereits Therapeuten, Köche und Putzkräfte eingestellt", zählte ich auf. „Das Gebäude ist renoviert und Möbeln ausgestattet worden. Die Website ist fast fertig und die Einladungen für die Einweihungsfeier in Auftrag."

„Klingt als würdet ihr gut vorankommen."
„Weil in meinem Kopf seit Wochen nichts anderes mehr existiert", seufzte ich. „Außerdem brauche ich noch eine Leiterin für die Stiftung."
Verwirrt sah Grace mich an. „Ich dachte das bist du."

„Ich sehe mich eher so wie die Gründerin. Schließlich habe ich bald noch andere Aufgaben, ich kann mich also nicht rund um die Uhr um die Stiftung kümmern. Daher brauche ich jemand der den Laden schmeißt und mit die Verantwortung trägt."

„Hast du die Stelle schon ausschreiben lassen? Immerhin hast du nicht mehr ganz so viel Zeit."
„Ehrlich gesagt habe ich da schon jemand im Kopf." Lächelnd sah ich sie an.

„Was? Nein! Meinst du ernsthaft mich?"
„Natürlich. Du warst es immerhin, die mich damals auf diese Missstände hingewiesen hat. Außerdem hast du noch keinen festen Job. Und da ich die Stiftung nach dir benannt habe, dachte ich du wärst perfekt für Stelle."

„Aber ich kenne mich doch mit all den Sachen gar nicht aus."
„Das ist kein Problem. Wenn du willst kannst du einen Crashkurs als Leiterin, Bürokraft oder so was machen, die Kosten dafür werden selbstverständlich von mir übernommen. Und mit was du überhaupt nicht klarkommst, dafür kannst du Personal einstellen. Ich möchte, dass du ein Auge darauf hast, dass alles am Laufen bleibt. Außerdem solltest du gravierende Entscheidungen die du triffst mit mir absprechen."

„Das ist wirklich lieb Wilhelmina", sagte Grace unsicher. „Aber ich glaube wirklich nicht, dass ich das Zeug dazu habe eine Stiftung zu leiten. Ich war eine einfache Soldatin und jetzt soll ich so einen wichtigen Job übernehmen?"

„Ich will dich nicht drängen, es ist deine Entscheidung, ob du mein Angebot annimmst oder nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du die Richtige dafür bist. Mal abgesehen, dass wir ein tolles Team wären."

Grace lachte verlegen.
„Danke."
„Wofür?"
„Dass du an mich glaubst." 
Ich lächelte. „Für was sind Freunde denn sonst da?"

„Die Stiftung wird ein Erfolg werden, da bin ich mir sicher. So wie du dich in die Sache hineingehängt hast, kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Du entwickelst dich immer mehr zu einer guten Königin. Zumindest wie ich das beurteilen kann."

*****

Die Muse hat mich bis Sonntag nicht geküsst gehabt, deswegen kam zur normalen Zeit kein Update. Da ich euch aber nicht bis zum Wochenende warten lassen wollte, kommt jetzt eines.

Meine Freundin hat mich letztens, nachdem sie das letzte Kapitel gelesen hatte, völlig entsetzt gefragt: „Ist Emmett jetzt wirklich weg?"
Ja, er ist wirklich weg. Und wer mich dafür ebenfalls hasst, bekommt ein Stück Kuchen als Trostpflaster. #Sorrynotsorry

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