9 Der Nicht-Deal.
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❰ L I A M ❱
Fuck!
Mir dröhnte der Schädel.
Ein ekelhafter Geschmack lag auf meiner Zunge und ich rieb mir die Stirn. Zayn fucking Malik ein neues Passbild zu verpassen war nicht mein bester Plan. Aber es hatte so verdammt gut getan. Schwerfällig rollte ich mich auf die Seite und blickte blinzelnd auf meine Hände. Man sah ihnen an, dass sie auf Knochen getroffen waren.
Die Nacht in der Zelle auf der Polizeistation war nicht gerade erholsam und die nackte Pritsche nicht besonders bequem. Doch das war mir relativ egal. Malik dürfte mehr als ein paar Prellungen haben und das stimmte mich zufrieden.
„Hey!", dröhnte eine dominante Stimme und ich rappelte mich langsam auf. „Sie haben Besuch!"
„Ich dachte, man kriegt zuerst was Neues anzuziehen und eine Dusche spendiert", sprach ich dreist und wünschte mir eine Kopfschmerztablette oder eine neue Flasche Wodka. Der dicke Polizist, den ich schon öfters gesehen hatte, verließ den Raum.
Hätte ich nicht solche Kopfschmerzen, dann wüsste ich vielleicht, ob ich hinter dieser Gitterzelle schon einmal gesessen hatte. Ich erwartete, dass Niall oder Chet mich hier rausholen würden, doch zu meiner Überraschung war es keiner von ihnen.
Auf der anderen Seite der Gitterstäbe erschien Sophia. Elegant und ordentlich gekleidet, war sie so ziemlich das Gegenteil von mir. Ironischerweise trug sie das rote Kleid von unserer ersten Begegnung. Eine Haarsträhne war ihrem Haarknoten entwichen und die Tasche, die sie nun von ihren Schultern zog, war groß genug, um Zeichenblöcke einzupacken. Wahrscheinlich war sie auf dem Weg zur Arbeit gewesen.
Ihre grünen Augen huschte über mein Gesicht und dann sprach sie trocken: „Hübsches Veilchen."
Darauf antwortete ich nicht und schwieg. Das schien sie hinzunehmen und lehnte sich gegen die nackte Betonwand. Obwohl sie sorgfältig frisiert und geschminkt war, sah ich ihr an, dass sie eine genauso lange Nacht hinter sich hatte, wie ich.
Sophia reckte das Kinn und begann: „Ich habe lange nachgedacht und eine Entscheidung getroffen."
Na dann.
Ich musterte sie betont gleichgültig. „Gut, dann lass uns die Sache erledigen."
„Es gibt nichts zu erledigen", korrigierte Sophia mich und ich runzelte die Stirn. Sie erklärte: „Ich habe den Vertrag von uns noch einmal gelesen und gewisse Lücken gefunden. Demnach werde ich ausziehen."
Das war so unsinnig, dass ich laut lachen musste. Meine Stimme hallte von den kahlen Wänden wieder und ich schüttelte den Kopf: „So ein Blödsinn."
„Du bist nicht reif genug für ein Kind, geschweige denn, dass du gewissen Pflichten nachkommen willst", fuhr sie fort. „Und das ist in Ordnung."
„Komm zum Punkt", forderte ich sie auf. Die Kopfschmerzen machten mich wahnsinnig. Sophia schwieg einen Moment, es wirkte fast, als würde sie sich sammeln müssen.
„Ich werde das Kind nicht abtreiben."
Damit drehte sich bei mir der Magen um. Ruckhaft fuhr ich von der Pritsche und konnte nicht glauben, was sie da sagte. Fassungslos sah ich sie an: „Das kannst du nicht entscheiden!"
„Doch", behauptete sie.
„Ich will es nicht!", ich konnte nicht ruhig bleiben, meine Stimme hob sich prompt. „Geht das nicht in deinen Schädel? Ich will es verdammt noch mal nicht haben!"
Die Entschlossenheit in Sophias Blick bröckelte: „Ja, das habe ich verstanden und kann das nachvollziehen. Außerdem hast du es mir oft genug gesagt."
Ich baute mich vor den Gitterstäben auf und beugte mich vor: „Denk mal nach, Sweets. Du kannst es nicht behalten. Es würde sich alles ändern. Sieh dir mal deinen Alltag an, den kannst du selbst kaum bewältigen. Henry & Payne spannt dich dermaßen ein, wie willst du da ein Baby unterbringen?"
Das würde in den nächsten Jahren todsicher nicht besser werden. Ich kannte den Stress, die Hysterie und den Aufwand, den eine einzige Kollektion mit sich brachte. Meinen Vater sah man manchmal Wochenlang nicht und jetzt würde er bald zurücktreten. Das hieße, es gäbe noch mehr Arbeit für Sophia und so sagte ich es ihr auch.
Sie hörte mir zu und nickte schließlich: „Ja, das weiß ich bereits, aber dafür werde ich eine Lösung finden."
„Komm schon, hilf mir, wieso fällst du trotzdem eine solch dumme Entscheidung?", versuchte ich sie zu provozieren. „Wieso wehrst du dich so dagegen? Viele Frauen lassen Unfälle abtreiben und heutzutage ist es nichts Ungewöhnliches mehr."
Während meiner High School – Zeit hatten einige Mädchen Abtreibungen hinter sich. Sie verschwanden für zwei Wochen und danach lief alles seinen gewohnten Gang. Einige von ihnen waren mittlerweile trotzdem Mütter und 'anständig' verheiratet.
„Wenn du später Kinder kriegen willst, dann nur zu, aber nicht mit mir!", setzte ich hinzu. Ich wollte dieses verfluchte Kind nicht. Es würde mein Leben zerstören und ich liebte mein Leben, wie es gerade war.
Kurz wich Sophia meinem Blick aus, doch ich schien sie in ihrem Entschluss nicht umstimmen zu können. Wütend stieß ich mich von den Gitterstäben und trat gegen die Pritsche. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm sie meinen Wutausbruch hin.
„Ich habe Kaution für dich bezahlt", teilte sie mir mit. „In einer Stunde wird man dich entlassen. Außerdem habe ich Niall angerufen, er sagte, er würde sich um den Rest kümmern." Leicht neigte sie den Kopf: „Vielleicht fährst du danach in die Klinik und lässt dich untersuchen. Du hast einiges abbekommen."
Damit wandte sie sich zum Gehen und ich brüllte ihr nach: „Ist das den Ernst? Du entscheidest einfach über meinen Kopf hinweg?"
„Ja!", bekräftigte Sophia. „Ich kann nicht anders."
„DU KANNST NICHT ANDERS?", ich war kurz davor richtig auszuflippen. Alles in meinem Körper rebellierte. „WEISST DU WAS DU VON MIR VERLANGST?"
Sie hielt inne und drehte sich zu mir, in ihrem Gesicht las ich Wut und Scham: „Wenn du von mir verlangst, dass jemand an meinem Körper herumpfuscht, dann ist es in Ordnung, aber wenn ich deinen Willen übergehe, dann ist es plötzlich inakzeptabel?"
„Niemand würde an dir herumpfuschen!", fuhr ich sie an. „Ich würde dich nur einem vernünftigen Arzt überlassen."
„Und trotzdem will ich das nicht!", wehrte sie sich energisch. Sie atmete angestrengt aus. „Hör zu, ich werde alles tun, damit du so wenig wie möglich mit der Sache zu tun hast. Du musst dich um nichts kümmern. Keine Verpflichtungen und keine Erwartungen. Gar nichts."
„Es gibt IMMER Verpflichtungen!", brüllte ich und mir war danach die Gitterstäbe herauszureißen. Ich fühlte mich, als würde sie mir jedes Bisschen Mitsprache wegnehmen oder die Freiheit. Nichts gegen ihre Entscheidung tun zu können, machte mich hilflos und schwach, und das hasste ich fast mehr als alles andere.
„Nein", behauptete Sophia. „Ich verspreche dir, dass ich niemals auch nur irgendetwas von dir verlangen werde."
„So, wie du dein Versprechen gehalten hast, dass du dich um die Verhütung kümmerst?", verspottete ich sie. „Deine Versprechen sind einen Scheiß wert!"
Kurz glaubte ich, sie würde etwas darauf erwidern, aber das tat sie nicht. Stattdessen schwieg sie und mein Puls ging vor Unverständnis an die Decke. Deshalb hörte ich beinahe nicht, wie sie schließlich sagte: „Das ist alles, was ich dir geben kann."
Als würde sie mir einen verfickten Gefallen damit tun!
„Ich verstehe das nicht", sprach ich überfordert. „Wir waren uns immer einig." Zumindest hatte ich das immer geglaubt. „Was hat sich geändert, dass du es jetzt so kompliziert machst?"
Sophias Haltung veränderte sich, ihr Selbstbewusstsein bekam Risse und ihre Schultern sackten herab. Ich hätte mich besser fühlen müssen, da ich ihren wunden Punkt getroffen hatte, aber das tat ich nicht. Stattdessen war mir danach die Frage zurückzunehmen.
Sie drehte sich um und sah mich auf eine Art und Weise an, wie sie es noch nie getan hatte. Ihre Stimme war fest und mit nur wenigen Worten war sie so aufrichtig zu mir, wie noch nie ein Mensch zuvor.
„Ich liebe dich."
Im ersten Augenblick hörte ich auf zu Atmen. Dann sickerte die Bedeutung ihrer Worte zu mir durch, aber noch bevor ich darauf reagieren konnte, erklärte sie sich. „Deshalb kann ich dir bei einer Abtreibung nicht zustimmen. Es wäre, als würde ich einen Teil von dir wegschmeißen."
Sophias Mundwinkel zuckten leicht, so als wollte sie ein Lächeln andeuten. Doch es funktionierte nicht.
Unfähig etwas zu sagen, konnte ich sie nur betrachten. Doch Sophia schien das auch nicht zu erwarten: „Tut mir leid, dass ich unseren Deal gebrochen habe. Es war nicht meine Absicht, aber ich werde mich auf keine weitere Abmachung mit dir einlassen."
Eine Antwort wartete sie nicht ab, sie ging einfach und als die Tür hinter ihr schwer zufiel, da hallte das Geräusch bizarr in meinen Ohren wieder. Wie ein Kartenhaus fiel alles in sich zusammen. Kraftlos ließ ich mich auf die Pritsche fallen und stütze den Kopf in meinen Händen.
Was zum Teufel passierte hier?
Innerhalb von 24 Stunden brach buchstäblich das absolute Chaos aus.
Ich wusste nicht, wie lange ich wartete, ob es tatsächlich eine Stunde war oder länger, aber irgendwann pfiff mich ein Bulle zusammen und schloss die Zellentür auf. Auf Autopilot laufend stand ich auf und holte meine privaten Sache an der Ausgabe ab. Ich kannte die Prozedur nur zu genau, deshalb blickte ich das erste mal auf, als ich im Vorraum des Reviers stand.
Was sollte ich jetzt tun?
Ich war total überfordert und zum ersten Mal in meinem Leben war es mir nicht egal, dass ich keinen Plan hatte. Denn das war es, was ich brauchte, eine Vorstellung, wie es weiter ging. Eigentlich hatte ich erwartet, dass man mich anbrüllte und mitteilte, dass Malik ein Verfahren wegen Körperverletzung anstrebte, doch nichts dergleichen teilte man mir mit.
„Der Ausgang ist hier", sprach eine belustigte Stimme und ich wandte mich nach rechts. Zu meiner Überraschung stand Harry dort und musterte mich. Er schien mir meine Verblüffung anzusehen und hob die Hände: „Ich nehme dir das mal nicht übel, dass du unseren Super-Anwalt, statt mich erwartet hast. Das ist schon okay."
„Du hast mich noch nie abgeholt", rieb ich ihm trocken unter der Nase. Unwirsch zuckte Harry mit den Schultern: „Weil ich oft genug neben dir gesessen habe oder nicht wusste, dass du überhaupt einkassiert worden bist."
Mochte sein. Ich schwieg daraufhin und Harry vergrub die Hände in den Hosentaschen. Leicht neigte er den Kopf und die Häme verschwand aus seinem Gesicht: „Du siehst aus, als hättest du eine Menge Stress hinter dir."
„Ja", mehr blieb es dazu nicht zu sagen.
Und noch einmal überraschte Harry mich, denn nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte, da gab er mir einen Klaps gegen die Schulter und meinte: „Komm, lass dich zum Frühstück einladen. Nach einem starken Kaffee und was im Magen sieht die Lage wieder ganz anders aus."
Das bezweifelte ich stark, aber ich trottete trotzdem hinter ihm her. Harry und ich landeten in einem schwach besuchten Diner. Ich kannte es, weil ich hier schon einmal mit Niall gewesen war. Ein paar Bauarbeiter pflanzten ihren fetten Hintern an die Theke, ein Fernseher rauschte und es es roch nach Eier, Pancakes und Bacon.
Sobald ich saß, war mir danach, einfach für den Rest des Tages nichts anderes zu machen. Harry stellte keine Fragen, er bestellte Essen, Kaffee und war einfach nur anwesend. Sein Blick ging aus dem Fenster und schien keinerlei Eile zu haben.
Der frische Geruch von Kaffee belebte mich nicht. Ich fühlte mich weiterhin leer und ausgelaugt. Der Schmerz des Veilchens war mir egal. Im Grunde könnte mir nun alles gleichgültig sein. Aber dieses Gefühl stellte sich nicht ein.
Stattdessen fühlte es sich an, als würde jemand mir die Haut auf links drehen. Noch begriff ich nicht, dass das nur daran lag, weil ich wusste, Sophia würde nicht so selbstverständlich in meinem Leben bleiben, wie ich angenommen hatte. Ihre Worte hallten immer wieder wie ein Echo durch meinen Kopf.
Sie ging, weil sie glaubte, dies wäre genau das, was ich wollte.
Einen Scheiß wusste sie. Genauso wie ich.
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