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Hastig lief ich durch die Straßen. Die Wunde an meiner Schulter schmerzte tierisch und mir rann der Schweiß immer wieder in meine Augen, sodass ich sie alle Sekunden aufs neue reiben musste. Der Plan hing im ersten Part nur von mir ab. Wenn ich es nicht zum Präsidenten und Reinhardt schaffte, war er zum Scheitern verurteilt.  Ich blickte zum Himmel, der schon langsam ins rötliche ging, und dann wieder zur Mauer. Wie die es geschafft hatten, innerhalb eines Tages eine kilometerhohe und lange Mauer zu bauen, war mir ein Rätsel.  Vielleicht hatten die ja unter Erde so eine Mauer gehabt und sie einfach hochfahren lassen, weshalb auch immer sie eine Mauer unter der Erde gehabt hatten. Klang jedenfalls wahrscheinlicher, als einen Zauberer unter ihren Reihen. Irgendwo weiter rechts ertönte ein Kreischen und ich beschleunigte. Mein Herz klopfte so laut und schnell, dass es die Kraft gehabt hätte, meinen Brustkorb zu sprengen und hinauszuhüpfen. Ich grinste. Wann nur hatte ich angefangen, so brutal zu denken. 

Yuuki musste sich gerade ebenfalls draußen aufhalten. Ich versuchte sie mir vorzustellen, wie sie mit ihren kurzen, asymetrischen Haaren und den blaugrünen Augen durch die Straßen humpelte und sich verzweifelt die Schulter hielt, in der Hoffnung, sie würde nicht lahmgelegt werden.  Zu viele Gedanken, Siles.  Du solltest übrigens Autor werden, du hast einen Hang zum Dramatischen.  Mittlerweile rannte ich.  Klaus war wohl für eine kurze Zeit zurückgekommen und nun auch wieder verschwunden, wenn ich die darauffolgende Stille in meinem Kopf richtig deutete. Bye bye Klaus. 

Ein Knallen ertönte und die Kugel schlug ein paar Meter weiter links in eine Mülltonne ein. Fluchend sprang ich hinter eine Hauswand und lugte hervor. So hoch wie sich die Soldaten befanden, konnten sie wohl nicht zwischen Versuchsperson und Mensch unterscheiden. Verübeln konnte ich es ihnen nicht. Ich selbst war da schon oben gewesen und hatte gesehen, wie es für sie da oben aussah. Kleine, sich bewegende Pünktchen. Aber hatten die nicht so ein Visier, womit sie ihr Opfer aus der Nähe sehen konnten? Etwas krachte wieder. Die schon davor getroffene Mülltonne rollte die Straßen entlang, eine weitere folgte. Heilige Scheiße, der Typ schien eine Vorliebe für Mülltonnen zu haben. 

Ich sah wieder hinter der Wand hervor und versuchte den oberen Rand der Mauer zu erkennen.  Als nach eine kleinen Ewigkeit kein Schuss mehr folgte, setzte ich mich wieder in Bewegung, in der Hoffnung, mein möglicher Mörder hätte sich ein neues Opfer ausgesucht.  Meine Hoffnung wurde bestätigt. Ich hörte weitere Mülltonnen etwas weiter rechts von mir krachen.  

Der Fahrstuhl zum oberen Plateau befand sich etwas weiter westlich meines Standpunktes, weswegen ich nach einer Weile nach links abbog und mich meinen Erinnerungen nach zu orientieren versuchte. Ein fotografisches Gedächtnis war in diesem Fall mehr als praktisch, und ich war noch nie in meinem ganzen Leben so froh darüber, eins zu besitzen.  Geradeaus, dann über den Zaun über den Garten, bis eine neue Straße auftaucht. Diese dann entlang und du hast es. 

Ich sprang über den Zaun und landete erneut fluchend auf dem Boden. Meine Wunde war aufgerissen und der Fetzen von Yuukis Tshirt färbte sich wieder rot. Was für eine schöne Scheiße.  Mit schmerzerfülltem Gesicht rannte ich los, meine Seitenstechen ebenso wie den Schmerz meiner Wunde so gut es ging ignorierend.  Ich war so betäubt davon, dass ich die Person, die vor der neuen Abgrenzung des Gartens- genannt Zaun- versteckte, nicht sah. Ihre weiße Kluft blitzte auf und sie warf sich auf mich. Mir entfuhr ein Schrei und wir landeten beide im Dreck, das Monster über mir. Es war ein etwa gleichaltriger Junge mit rötlichen Haaren und braunen Augen. Seine ganzen Arme waren schon vom Blut seiner Opfer übersät und zwischen seinen Zähnen ragten Hautfetzen hervor. Sein Mundgeruch war so stark, dass mir das Essen hochkam und ich ihm ins Gesicht kotzte.  Mit einem animalischem Kreischen warf er sich angeekelt zurück, während ich mich hustend aufsetzte und ihm einen Tritt verpasste.  Sein Kopf schlug auf einen Stein auf und für kurze Zeit konnte ich den Hauch der Menschlichkeit in ihm erkennen, ebenso wie das innere Grauen, dass dieser Junge wohl erlebt haben musste. Dann jedoch floss etwas rotes aus seinem Hinterkopf hervor und seine Augen brachen.  Schniefend erhob ich mich wieder und rannte los.  Die Hände zusammengeballt, sodass sich meine Nägel in die Haut meiner Hand gruben. Verdammt, verdammt, verdammt. 

-

"Siles!" Doktor Reinhardt kam auf mich zugestolpert. Er trug eine schön dicke Army weste und seine Haare standen ihm in alle Richtungen ab. Er sah mich entsetzt an und schien nicht zu verstehen, was ich an diesem Ort machte. "Wo sind Tommy und Yuuki? Was machst du hier? Mein Gott, Siles, ich hatte dir doch gesagt, dass du zu den Bunkern gehen solltest!" Erst dann bemerkte er meine Schulterverletzung, die Kotze auf meinem Tshirt und den ganzen Dreck an mir. Er wurde blass und fing an sich sofort um meine Wunde zu kümmern. Zero kam angelaufen, die Schusswaffe lässig auf die Schulter gelegt. Seine Pose verlor ihre Wirkung, als er bemerkte, dass nur ich anwesend war. 

"Wo ist Yuuki?", fragte er angespannt. "Und der Kleine?" 

Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen.  Mein Atem ging zu schnell, mir war übel und das Gesicht des Jungen tauchte immer wieder in mir auf.  Ich hatte ihn umgebracht, verdammte Scheiße. Ich hatte ein Lebewesen umgebracht.  Zero bombardierte mich weiter mit Fragen, bis Doktor Reinhardt ihm harsch befahl, mir ein neues T-shirt und Wasser zu holen. Zero klappte den Mund zu und verpisste sich.

"Das sieht nicht gut aus.", murmelte Reinhardt. Er warf mir einen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf die Wunde. "Es könnte sich entzünden, bei all dem Dreck, der darein gekommen ist." Zero kam wieder und ich zog mir das dreckige Ding vom Leib und das neue T-shirt drüber.  Doktor Reinhardt nahm das Wasser und schüttete ein wenig über meine Wunde. Zischend sog ich vor Schmerz die Luft ein, doch der alte Mann vor mir machte unbekümmert weiter. Als er dann fertig war und ich mich wieder beruhigt und etwas getrunken hatte, machte ich mich daran, ihnen den Plan von Yuuki zu erklären. Alle Zombies zur Quarantäne zu locken. Das war unsere Aufgabe.

"Das ist nicht ihr Ernst." Zero blickte runter auf die Stadt vor uns. "Sie möchte ernsthaft alle Monster auf einem Fleck haben?"

"So dumm ist das gar nicht." Reinhardt erhob sich. "Ich werde dem Präsidenten davon erzählen. Es liegt dann allein an ihm, ob er es macht oder nicht."



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