•Bonuskapitel 66 || „Meine beiden Lieblingsmenschen."•
Bonuskapitel 66
„Meine beiden Lieblingsmenschen.“
Es regnete schon seit Tagen durch und so langsam ging mir das Wetter echt auf die Nerven. Ich war doch nicht nach Italien gezogen, um bei Regen in der Wohnung zu versauern. Naja, hauptsächlich war ich wegen Harry hergezogen, aber mein Mann verbrachte seine Tage momentan lieber auf Geschäftsreisen.
Seit er kurz nach unserer Hochzeit vor drei Jahren die Firma von seinem Vater übernommen, den Drogenring mit Hilfe der Polizei zerstört und sich mit der Zeit einen Namen als Kunsthändler gemacht hat, war er nur auf Reisen. Zwar sollte man meinen, dass so ein bekannter Mann genügend Angestellte hatte, um nicht selbst ständig zu Ausstellungen und Handelstreffen fahren musste, aber Harry war jemand, der die Dinge lieber selbst in die Hand nahm.
Also musste ich damit leben, dass er alle paar Wochen für einige Tage nach Hause kam, um sich auszuruhen. Ich hatte mich zwar damit arrangiert, war sogar einige Male mit ihm geflogen, um als sein Mann an seiner Seite zu sein, doch seit Freddie vor einem Monat aus London zu uns gekommen ist, um seine Sommerferien hier zu verbringen, hatte ich Harry nicht mehr gesehen.
Natürlich hätten Freddie und ich mit ihm nach New York fliegen können, aber ich wollte unserem Sohn die ganze Aufregung und den Pressewirbel ersparen. Allein dadurch, dass er mein Sohn war und dementsprechend oft mit mir als Autoren in Verbindung gebracht wurde, stand er schon häufiger, als mir lieb war, im Mittelpunkt der Öffentlichkeit.
Eleanor, Harry und ich versuchten zwar, ihn da, so gut es ging, rauszuhalten, damit er eine normale Kindheit hatte, aber es war gar nicht so einfach. Die einzigen Orte, wo sich nicht gleich die Presse auf uns stürzte, waren dieses kleine Dorf in Italien und Eleanors neue Wohnung in London, von der noch niemand etwas wusste.
Um ehrlich zu sein, war alles um einiges schwieriger geworden, seit Harry ein weltbekannter Kunsthändler wurde. Aber ich konnte damit leben, auch wenn ich mir natürlich mehr Privatsphäre wünschte, sobald ich in eine größere Stadt kam.
»Daddy, sind die Pfannkuchen gleich fertig?«, riss mein Sohn mich aus den Gedanken. Er stand neben mir und hielt eines seiner Autos in der Hand.
»Ja, es dauert nicht mehr lange. Magst du schonmal den Tisch decken? Dann können wir gleich anfangen, wenn der letzte fertig ist«, bat ich ihn und reichte ihm die Teller, die oben im Schrank standen.
Freddie war ein wundervoller Junge. Und seit Harry auch offiziell sein Papa war, war es einfach perfekt. Wir waren eine richtige, kleine Familie.
Ich betrachtete den kleinen Blondschopf, wie er fleißig den Tisch deckte. Er freute sich schon seit Tagen riesig darauf, dass Harry demnächst wiederkam. Die Ausstellung, die er in New York leitete, endete morgen und dann würde er sich bald auf den Rückflug nach Hause machen. Ich freute mich schon darauf, mit Freddie an den Flughafen zu fahren und ihn mit einem kitschigen Schild mit seinem Namen darauf zu empfangen.
Ich wendete den letzten Pfannkuchen in der Pfanne und streckte Freddie den ausgestreckten Daumen entgegen. Er saß bereits auf seinem Platz und grinste fröhlich, weil er so gut den Tisch gedeckt hatte.
Als ich den Herd ausstellte und mit der Pfanne zum Tisch ging, hörte ich mein Handy summen, das auf der Anrichte lag. Erst stellte ich die Pfanne auf dem Untersetzer ab, um Freddie einen Pfannkuchen aufzufüllen, den er gleich großzügig mit Apfelmus vollklatschte, bevor ich mein Handy holte.
Verwirrt runzelte ich die Stirn, als ich sah, dass die Nachricht von Harry kam. Ich öffnete den Chat und blieb auf dem Weg zurück zum Tisch stehen.
Harry: Schau mal runter! ~H
Schmunzelnd, weil ich mich noch genau an den Moment erinnerte, als wir von unserem Kletterausflug wiederkamen und er mir genau so eine Nachricht geschickt hatte, legte ich mein Handy auf den Tisch. »Ich komme gleich wieder. Mach keinen Quatsch und lass mir ein paar Pfannkuchen übrig, ja?«
Freddie nickte mit vollen Backen, als er sich den nächsten Kuchen auf den Teller legte.
Im Flur schlüpfte ich in meine Schuhe, ließ meine Jacke aber da hängen, wo sie war, weil ich wusste, dass es nicht kalt war. Es war immerhin Sommerregen. Ich öffnete die Tür und trat nach draußen auf die Treppe. Ein Lachen entwich mir, als ich die kleine Blume auf der letzten Stufe sah.
Ich lief hinunter und sammelte sie auf. Es war genau so eine, wie Harry sie mir damals geschenkt hatte. Die Wassertropfen fielen von ihren Blättern, als ich sie an meine Nase hob und den süßen Geruch einatmete. Während ich im Regen dastand und in Erinnerungen schwelgte, merkte ich, wie sich ein Kribbeln in meinem Magen aufbaute.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich die Augen öffnete und zur Straße sah. Mitten auf der Straße stand er. Gekleidet in ein durchnässtes, geblümtes Hemd, das ihm aufgeknüpft am Körper klebte, und eine hellbraune Stoffhose stand er dort und blickte mir aus leuchtend grünen Augen entgegen. Seine schulterlangen Haare hatte er sich nach hinten gestrichen, nur eine widerspenstige Strähne hing ihm ins Gesicht.
»Harry«, hauchte ich fast ein wenig ungläubig, dass er wirklich dort stand.
In seiner Hand hielt er eine einzelne Rose und ein schiefes Lächeln zierte seine Lippen. Keuchend, weil ich nicht glauben konnte, dass er wirklich schon hier war, lief ich auch die letzte Stufe runter und rannte zu ihm auf die sonst verlassene Straße.
Meine Schuhe wurden vom Wasser der Pfützen endgültig nass, als ich mich in die Arme meines Mannes schmiss. Erleichtert schlang ich meine Arme um seinen Nacken und presste mich auf Zehnspitzen stehend an seinen vertrauten Körper, den ich so vermisst hatte.
Ich spürte, wie er seine Arme um meine Taille legte und mich eng an sich zog. Sein Atem prallte auf die Haut an meinem Hals. »Hallo, Sonnenschein.« Das Grinsen war unverkennbar in seiner Stimme zu hören und brachte mich dazu, vor Freude zu schluchzen.
»Ich habe dich so vermisst«, sagte ich, als ich mich ein kleines Stück von ihm löste, um ihm in die Augen sehen zu können. Seine wunderschönen Augen.
»Ich dich auch.« Er legte seine eine Hand an meine Wange, die andere verweilte an meiner Hüfte. »Ich liebe dich, Lou.«
Verliebt grinste ich und schmiegte mich in seine Hand. Langsam beugte er sich zu mir runter, bis seine Nasenspitze gegen meine stieß. Ein Feuerwerk explodierte in mir, als ich endlich seine Lippen auf meinen spürte. Seufzend lehnte ich mich in den Kuss, öffnete meine Lippen und griff in sein Haar.
Die Anspannung der letzten Wochen fiel von mir ab. Harrys Hände brachten sie dazu, zu verschwinden, und ich fühlte mich entspannt wie lange nicht mehr. Irgendwann löste Harry den Kuss und lehnte seine Stirn gegen meine. »Ich habe doch gesagt, ich werde dich im Regen auf einer Straße küssen«, sagte er leise und streichelte mit seinem Daumen über meinen Wangenknochen.
Ich lachte erstaunt. »Das weißt du noch?« Glücklich blickte ich ihn an. Unfassbar, dass er sich an so eine Kleinigkeit erinnerte. Immerhin war das schon fast sechs Jahre her.
»Natürlich weiß ich es noch. Ich habe es dir doch versprochen. Und ich vergesse nie ein Versprechen.« Er grinste mich schief an.
»Ich will auch kuscheln!«, hörte ich unseren Sohn kreischen. Es dauerte nicht lange, bis er bei uns war und seine Arme um unsere Beine schlang. Harry lachte, hob ihn auf seine Hüfte und legte seine Arme um uns beide.
»Meine beiden Lieblingsmenschen«, seufzte er und drückte Freddie einen Kuss auf den Schopf. »Ich bin so froh, wieder bei euch zu sein. Ihr habt mir viel zu sehr gefehlt.«
Freddie sah breit grinsend zwischen uns hin und her und nickte wild. »Du hast uns auch gefehlt. Und Daddy hast du ganz doll gefehlt.«
»Ach ja? Woher weißt du das denn, hm?«
»Naja, nachts hat Daddy immer deinen Namen gerufen, Papa«, sagte unser Sohn stolz. »Du musst ihm richtig, richtig doll gefehlt haben.«
Peinlich berührt wünschte ich mir, einfach verschwinden zu können. Himmel, das konnte doch wohl nicht wahr sein. Unser Sohn hatte uns erwischt, während wir übers Telefon…
»Ich habe Daddy auch richtig doll vermisst, Freddo. Na, komm. Lasst uns rein gehen, nicht dass wir uns erkälten und die nächsten Tage krank im Bett liegen.«
Mit Freddie auf dem Arm griff Harry nach meiner Hand und zog mich mit zur Treppe. Bis über beide Ohren lächelnd folgte ich ihm und war einfach glücklich, dass wir jetzt alle wieder beisammen waren.
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