Piano-Mann
Es schneite erneut, als Dean den Impala vorsichtig die Avondale Road entlangmanövrierte, auf Annas kleinen Bungalow zu. Ihren kleinen Bungalow, korrigierte er sich gedanklich. Er lebte dort nun seit fast vier Monaten, nachdem der Mietvertrag seiner winzigen Einzimmerwohnung abgelaufen war. Es ergab Sinn, da sie immerhin bald heiraten würden.
Weihnachtslichter funkelten in den Fenstern des kleinen Hauses, als er den Impala in die Auffahrt hinter Annas blauem Civic fuhr. Der Schnee hatte bereits ihre Fenster bedeckt, also war sie offensichtlich seit einer Weile zu Hause. Dean hatte die Schule in Benommenheit verlassen, immer noch komplett durcheinander von Cas' Besuch, und auf dem Heimweg bei einer Bar gestoppt und ein Bier getrunken.
Als er in das Haus ging, bemerkte er den Baumständer und die Kisten mit Schmuck im Wohnzimmer. Der Baum war noch draußen. Sie musste ihn auf dem Heimweg mitgenommen haben. Er schätzte, er wusste, was er heute Abend tun würde.
Anna saß am Küchentisch und benotete Arbeiten, eine dampfende Teetasse neben sich. Ihr rotes Haar fiel über ihre Schulter, ein Ausdruck der Konzentration auf ihrem Gesicht, während sie eine Schülerantwort überprüfte.
,,Hey, Babe", begrüßte sie ihn, sah aber nicht auf.
Dean stellte seine Tasche auf einen Stuhl und beugte sich herunter, um sie auf den Kopf zu küssen. ,,Hey."
,,Wie war die Arbeit?"
,,Gut. Einige Kinder haben ein paar großartige Albumcovers abgegeben. Ich würde gerne einige davon behalten."
,,Albumcovers?", fragte sie verwirrt.
,,Ja, ich habe sie ein Album wählen lassen, das sie mögen, und dafür sollten sie ihre eigenen Covers machen. Ein paar davon sind unglaublich geworden. Es gibt einige wirklich talentierte Kinder in meinem Unterricht." Er öffnete den Kühlschrank und holte ein Bier heraus. ,,Ich sehe da eine Menge Potenzial."
,,Und ich benote währenddessen Englischarbeiten mit unmöglichen Fehlern für einen Haufen Achtklässler." Sie seufzte und warf ihr Haar zurück über die Schulter. ,,Ich habe erst letzte Woche Satzbau durchgenommen. An einigen Tagen ist es so, als ob es in ein Ohr reingeht und aus dem anderen wieder herauskommt."
,,Es sind nur Kinder, Anna. Sie vergessen nun mal einiges."
,,Du bist viel nachsichtiger als ich, aber andererseits unterrichtest du nur Kunst. Es ist ja nicht so, als ob sie es für ihre Zukunft brauchen, außer sie wollen graphische Kunst oder so machen."
Dean biss sich auf die Unterlippe und ignorierte bewusst die spitze Bemerkung. Die meisten Mitglieder von Annas Familie waren Lehrer, aber sie unterrichteten Dinge, die sie als wichtig ansahen, so wie Englisch, Naturwissenschaft und Mathe. Ihre Familie blickte auf Dean herab, da er etwas 'Lockeres' unterrichtete. Er hasste es wirklich, wenn sie seinen Job als nur Kunst unterrichten bezeichnete. Er wollte mit ihr diskutieren und die Statistiken erwähnen, die zeigten, wie wichtig Kunst- und Musikausbildungen tatsächlich waren.
,,Was möchtest du zum Abendessen?", fragte er stattdessen.
,,Keinen Hunger. Außerdem sind noch Reste da, und ich hatte gehofft, dass du den Baum in den Ständer tun könntest, damit ich ihn dekorieren kann." Sie sah nicht von ihren Arbeiten auf, schien nicht einmal zu bemerken, dass sie seine Gefühle verletzt hatte.
Dean seufzte. ,,Haben wir Freitagabend irgendetwas vor?"
,,Nein, ich denke nicht. Ich habe meine endgültige Kleideranprobe Samstagmorgen, aber du wirst da nicht mit hingehen. Darfst mich nicht vor dem 28. darin sehen." Sie grinste zu ihm hoch und er tat sein Bestes, um ein Lächeln aufzusetzen, das nicht wie eine Grimasse aussah. ,,Warum?"
,,Ein alter Freund möchte uns zum Essen einladen. Wir sollen uns am Sotto Sopra um acht treffen."
,,Welcher Freund?"
,,Äh. Ein alter Kumpel vom College. Cas Novak." Falls sie den Namen wiedererkannte, zeigte sie es nicht, sondern lächelte nur und nickte.
,,Das klingt nach Spaß. Ich mag es, deine Freunde kennenzulernen."
,,Okay, cool. Das ist cool." Er steckte sein heißes Gesicht in den Kühlschrank, damit Anna nicht sah, wie er rot wurde. Als er durch die Reste wühlte, fand er den Hackbraten und den Kartoffelbrei, den er Freitagabend gemacht hatte. Das würde reichen. Er stellte den Behälter in die Mikrowelle, setzte sich an den Tisch, zog den Laptop aus seiner Tasche und startete ihn.
,,Hast du schon Geschenke für deine Trauzeugen rausgesucht? Und du solltest etwas besonders Spezielles für Sam kaufen."
,,Nein, ich wolltest dieses Wochenende einkaufen."
,,Okay, sorg nur dafür, dass du das auch tust. Und wir essen am Sonntag nach der Kirche zusammen mit Pastor Jackson. Also musst du dieses Mal wirklich mitkommen."
,,Anna..."
,,Weißt du, für jemanden, der früher verrückt nach dem Malen von Engeln und generell solchen war, hast du eine seltsame Abneigung gegen Kirchen."
,,Das stimmt nicht ganz."
Anna sah über ihre Lesebrille hinweg, die braunen Augen verengt. ,,Ich sag es ja nur, Dean. Ich hätte gedacht, du würdest Kirchen lieben."
Der Kommentar über seinen Job und jetzt das – etwas stimmte nicht. ,,Okay, was ist los? Du bist wegen irgendetwas angepisst und lässt es an mir aus."
Sie seufzte. ,,Cas Novak, was? Mit dem gehen wir zum Essen aus?"
,,Ja", sagte Dean argwöhnisch.
,,Ich weiß, wer er ist. Ich habe das Buch gelesen. Die Widmung am Anfang, und David, der Künstler aus Baltimore, der Engel malt, ist der Hauptcharakter? Hast du gedacht, ich würde nicht herausfinden, dass das Buch von dir handelt? Ich bin nicht dumm, weißt du. Und ich weiß, dass du Samstag dort warst. Es stand überall in den Zeitungen, dass er dort eine Buchsignierung gab, und Gott, Hester hat dich dort gesehen. Ihn zu sehen hat dich scheinbar mitgenommen oder so, sonst wärst du nicht bei Sam gelandet. Und dann hast du deswegen gelogen."
Dean gefror das Blut in den Adern.
,,Und nun gehen wir mit ihm essen? Das Nächste, was aus deinem Mund kommt, ist besser, dass er verheiratet ist oder eine feste Beziehung hat."
,,Ich weiß es nicht. Ich habe nicht gefragt. Aber ich habe ihm von dir erzählt. Er weiß, dass ich bald heiraten werde. Er wollte nur essen gehen und Neuigkeiten austauschen."
,,Also glaubst du, dass seine Absichten harmlos sind?"
,,Ja."
,,Nicht zu vergessen, dass du diese ganze Schwulensache im College hattest und nicht daran gedacht hast, es zu erwähnen."
,,Weil es nicht..."
,,Es ist wichtig!" Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ärger war ihr ins ganze hübsche Gesicht geschrieben. ,,Wir heiraten am 28. Dezember! Bis dahin sind es weniger als vier Wochen. Dinge wie diese sind wichtig. Du teilst eine sexuelle Vergangenheit mit deinem ehemaligen Mitbewohner. Wie konntest du das vor mir geheim halten?"
,,Ich dachte nicht..."
,,Du hast recht, du hast nicht nachgedacht! Also, was bist du? Bi, schwul? Soll ich in dieser Ehe immer auf die nächste Hiobsbotschaft warten? Wird es überhaupt eine Hochzeit geben?" Sie war wirklich aufgebracht und schrie jetzt. Dean ließ das Gesicht in seine Hände sinken.
,,So ist das nicht, Anna, ich schwöre. Cas und ich hatten im College eine Sache am Laufen, ich habe herumexperimentiert..."
,,Du sagst mir nie, dass du mich liebst."
,,Anna..."
,,Meine Familie weiß Bescheid. Jeder weiß Bescheid." Sie stand auf und stopfte willkürlich Arbeiten zurück in ihre Tasche. ,,Wird es überhaupt eine Hochzeit geben, Dean?"
,,Ja, Anna! Er ist nur... Er bedeutet mir nichts, ich schwöre. Wenn ich versuchen würde es zu verstecken, würde ich dich dann Freitagabend zum Essen mit ihm mitnehmen?"
Sie hörte mitten in der Bewegung auf und starrte ihn direkt an. ,,Da läuft wirklich nichts zwischen dir und ihm?"
,,Nein, Gott, Anna! Ich schwöre."
Anna packte den Rest ihrer Arbeiten in die Tasche, zog sie zu und wandte sich ab. ,,Ich möchte dir glauben..."
,,Dann glaub mir", erwiderte Dean, stand auf und durchquerte den Raum. Er schlang seine Arme um sie und zog ihren Rücken an seine Brust. ,,Ich heirate dich, Anna. Nicht ihn. Und nur weil ich nicht Ich liebe dich sage, bedeutet das nicht, dass ich das nicht tue. Ich weiß nicht, warum ich es nicht sage, aber ich liebe dich."
Annas Körper entspannte sich gegen ihn. Er hielt sie für einen weiteren Moment fest und gab sich große Mühe, den Zorn zu unterdrücken, der in ihm brodelte. Sie hatte kein recht, ihn in Frage zu stellen. Er war immer ehrlich gewesen und hatte ihr nie einen Grund gegeben, ihn anzuzweifeln.
,,Okay. Also gut." Sie befreite sich aus seinen Armen, nahm ihre Tasche und verließ die Küche. Dean folgte ihr in den Flur, wo sie ihre Tasche neben die Tür stellte. ,,Ich werde ausgehen. Ich habe Hester gesagt, ich würde sie am Einkaufscenter treffen, damit wir etwas für Mom und Dad kaufen können. Stellst du den Baum auf, während ich weg bin?" Anna holte ihren Mantel und ihre Handtasche aus dem Schrank im Flur.
,,Ja, mach ich."
Dean folgte ihr nach draußen und parkte den Impala um, damit sie wegfahren konnte. Dann machte er sich auf den Weg zurück in die warme, kleine Küche und passierte mit einem Seufzer den Baumständer. Während er sich ein weiteres Bier schnappte, stieß er versehentlich seine Laptoptasche vom Küchentisch. Er war froh, dass der Laptop nicht darin war.
Als er sich bückte, um sie aufzuheben, glitt ein Buch heraus.
Painted Angels landete mit der Schriftseite nach oben auf dem Flur. Das Coverbild zeigte einen äußerst stilisierten Michael, der zu ihm hochstarrte. Es war Renis Michael. Der Erzengel war in weiblicher Form dargestellt, blond und in Rüstung, zerdrückte Lucifer unter seinen Füßen. Es sah ganz anders aus als das, welcher er gemalt hatte, obwohl die Pose ähnlich und definitiv von seinem Gemälde inspiriert gewesen war.
Er hob das Buch vom Boden auf und starrte es an. Seine Augen fuhren Cas' Namen nach, bevor er es mit einem Schnauben zurück in die Tasche schob. Dean nahm einen großen Schluck Bier und steuerte dann auf den Baum zu. Der übriggebliebene Hackbraten war längst vergessen.
_____
Oktober, 2000
Castiel wachte zu dem Geruch von etwas Warmen und Buttrigem auf. Es war ja egal, dass es seiner Uhr zufolge 3:25 am Morgen war. Er kroch aus dem Bett und zuckte durch die Kälte des Fliesenbodens der Feuerwache leicht zusammen. Nachdem er sich ein Paar Socken und eine alte Jogginghose angezogen hatte, wanderte er aus dem Raum in den Hauptwohnbereich.
Dean war von ihm abgewandt und zog ein Backblech aus dem Ofen. Eine ausgeleierte Jogginghose und ein zerlumptes, schwarzes Shirt hingen an seiner Gestalt herab. Er drehte sich, um Cas anzusehen, ein entschuldigendes Grinsen auf seinem Gesicht.
,,Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe. Ich konnte nicht schlafen." Dean schob die Cookies mit einem Pfannenwender vom Blech auf ein Abkühlgitter.
,,Schon okay. Sie riechen wirklich großartig. Mit Schokostückchen?"
,,Jap." Dean lächelte. ,,Meine Lieblingskekse."
Castiel holte zwei Gläser heraus und nahm den Milchkrug aus dem Kühlschrank. ,,Kann Cookies nicht ohne Milch essen", erklärte er und goss ihnen beiden ein Glas ein. Dean lächelte, nickte und schaltete den Ofen aus. Er lud einen Haufen Cookies auf einen Teller und griff nach seinem Milchglas.
,,Lass uns auf die Couch setzen."
,,Okay."
Sie ließen sich nieder, die Cookies zwischen ihnen und die Gläser auf dem tiefen Tisch vor ihnen. Cas stopfte einen in seinen Mund und stöhnte wegen der warmen, buttrigen, schokoladigen Konsistenz. Er aß einen weiteren genauso schnell.
Dean starrte ihn mit hochgezogener Augenbraue und einem amüsierten Lächeln auf dem Gesicht an. ,,Alter. Das ist nur ein Cookie."
,,Nein, Dean, du hast keine Ahnung. Mein Eltern waren komplett gegen jegliche Art von ungesundem Essen. Und diese sind so ungefähr die besten, die ich jemals gegessen habe. Lecker."
,,Mensch, einfach nur Cookies", sagte Dean leise, obwohl ihm seine Freude über Castiels Lob in sein hinreißendes Gesicht geschrieben stand. ,,Ich mag es einfach zu backen."
,,Du bist gut darin. Wirklich gut", sagte Cas glücklich und schnappte sich einen weiteren Cookie. Diesen aß er ein wenig langsamer, genoss die schmelzende Schokolade auf seiner Zunge.
,,Also sollte ich vermutlich öfter für dich backen, was?"
,,Mhm, nur nicht so verdammt früh am Morgen. Warum bist du überhaupt wach?"
,,Weiß nicht. Konnte nicht schlafen. Lucifer ist fertig und ich bin bereit, mit Raphael anzufangen – und mein Vater hat angerufen. Er war betrunken und hat rumgeschwafelt und es war zu dem Zeitpunkt 1 Uhr morgens, also habe ich einfach aufgegeben."
,,Nun, die Cookies sind wunderbar, aber es tut mir wirklich leid, dass du nicht schlafen kannst."
Der andere Mann fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. ,,Ich bin daran gewöhnt. Ich werde oft so. Es ist die Hektik des Gehirns, das sich geistig darauf vorbereitet, Raphael zu malen, plus der Scheiß meines Vaters. Ich stehe am Anfang eines sehr verrückten Schlafrhythmus."
,,Wie sehen deine Pläne für Raphael aus?"
,,Willst du das wirklich wissen? Oder bist du nur höflich?"
Cas schüttelte den Kopf. ,,Nein, ich möchte das wirklich wissen. Da ich aus einer super religiösen Familie komme, finde ich deine Interpretationen hinsichtlich der Engel unglaublich interessant."
Dean sah überrascht aus. ,,Ernsthaft?"
,,Ernsthaft. Ich bin neugierig deswegen. Zum Beispiel, warum ist Lucifers Gesicht mit Wunden bedeckt und sein Heiligenschein aus Glas gemacht?"
Die grünen Augen funkelten. ,,Du willst wirklich meine ganzen komischen, dummen Theorien hören?"
,,Ja."
,,Okay... Nun, ich habe diese Überlegung, dass Engel auf der Erde nicht einfach in ihrer wahren Form herumlaufen können, weil sie im Grunde nur aus Licht und Energie bestehen. Damit sie auf der Erde gesehen werden können, müssen sie eine Hülle aussuchen. Aber es kann nicht irgendein Mensch sein; es muss ein besonderer Mensch sein. Jemand mit der richtigen Blutlinie." Dean errötete leicht und starrte auf seine Hände hinab.
,,Hüllen? Also müsste ein Engel prinzipiell einen Menschen besitzen?"
,,Exakt. Aber sie brauchen das Einverständnis der Hülle. Und Lucifer kann vielleicht nicht zur richtigen Hülle gelangen, weshalb er einen Menschen nimmt, der irgendwie passt. Aber die Hülle zerfällt, weil sie nicht seine wahre Hülle ist. Und das Glas repräsentiert Eis, da er ein Engel ist, kein Dämon, und ich denke, dass er kalt geworden ist, anstatt heiß. Deshalb ist die Hölle heiß. Um ihn noch mehr zu quälen." Dean nahm einen Schluck Milch. ,,Ich klinge wie ein Idiot."
,,Nein, es ist faszinierend. Ich möchte mehr hören. Was für eine Art von Hülle wird Raphael wählen?"
,,Ich weiß nicht. Ich wollte sie eigentlich alle zu männlichen Hüllen machen, aber direkt bevor mein Vater angerufen hat, habe ich gedöst und von dieser mächtigen, großen, schwarzen Frau geträumt. Unglaublich elegant und ein wenig unheimlich. Ich habe geträumt, dass ich vor ihr knie. Ihre Augen haben blau geglüht und sie war definitiv kurz davor, mich zu zerschmettern-" Er verstummte erneut und starrte Cas an. ,,Alter, du bist doch nur ungefähr drei Sekunden davon entfernt, die Klapse wegen mir anzurufen, stimmt's?"
,,Nein, warum denkst du sowas? Ich bin fasziniert! Ich bin derjenige, der Autor werden möchte, aber du, Dean, hast eine lebhafte Phantasie. Das haut mich um, um ehrlich zu sein."
Dean ganzes Gesicht erstrahlte. ,,Wirklich?"
,,Wirklich." Cas stellte den Teller mit den Cookies auf den Tisch und rutschte ein weniger näher an Dean heran. ,,Erzählst du mir von Gabriel?"
,,Okay", sagte Dean leise. ,,Gabriel ist ein kleiner, fröhlicher Typ. Er liebt Süßigkeiten und versteckt sich auf der Erde. Er hatte den Himmel satt und erfand sich als Loki neu."
,,Der Trickster?"
,,Ja. Also zieht er umher und legt sich mit Menschen an, von denen er denkt, dass sie es verdient haben, gibt ihnen ihre wohlverdiente Strafe. Er ist irgendwie ein Arschloch, aber gleichzeitig auch irgendwie großartig. Allerdings kann ich sein Gesicht noch nicht sehen."
,,Faszinierend. Und Michael?"
,,Ich weiß nicht." Dean biss sich auf seine Unterlippe. ,,Michael erscheint mir immer als eine jüngere Version meines Vaters. Mir... Mir gefällt das überhaupt nicht."
,,Oh."
Castiel studierte Dean für einen Moment, und der andere Mann blickte hoch. Sein Blick traf auf Cas'. Sie starrten einander irgendwie an. Es war seltsam.
,,Du weißt, dass Vic auszieht?", sagte Dean abrupt und zerstörte somit wirksam den Moment.
,,Nein, wusste ich nicht. Wann ist das passiert?"
,,Hat es mir heute erzählt. Er zieht mit seinem Mädchen zusammen." Dean stand auf, wischte sich Kekskrümel aus dem Schoß und überquerte den Flur, um sich in die Nähe des großen Fensters zu stellen. Seine Schultern sackten in sich zusammen, als er auf die Remington Avenue hinausstarrte. ,,Schätze, du wirst auch gehen?"
Castiel erschrak ein wenig. ,,Äh, würdest du... Würdest du das von mir wollen?", fragte er verwirrt.
,,Nein. Nein, ich möchte nicht, dass du gehst. Aber mit mir lebt es sich nicht einfach und niemand ist so lange geblieben wie Victor, und ich, ich weiß nicht, ich dachte nur, wenn er geht, würdest du das auch tun."
Zum ersten Mal sah Cas Deans Unsicherheiten, all die kleinen Verletzungen und Narben. Vic hatte ihm mehr oder weniger erzählt, wie hart Deans Leben gewesen war, und es gab die Dinge, die Dean ihm selber erzählt hatte, aber selbst damit schien Dean sich seiner selbst so sicher zu sein und sein Leben komplett im Griff zu haben.
Aber jetzt, gegen vier Uhr am Morgen, trug Dean sein Herz auf der Zunge und bemerkte es nicht einmal. Seine Verteidigungen waren fort und seine Mauern lagen in Trümmern zu seinen Füßen.
,,Dean, ich möchte nicht gehen. Mir gefällt es hier. Ich mag die Wohngegend und die Feuerwache, und ich mag dich. Also werde ich bleiben, bis du willst, dass ich gehe."
,,Ja? Obwohl ich nervig bin und mitten in der Nacht backe und manchmal aufbleibe und Klavier spiele?"
Cas konnte das erleichterte Lächeln in Deans Stimme hören, obwohl er sich nicht umgedreht hatte. ,,Fairerweise muss ich sagen, dass ich dich noch nie Klavier spielen gehört habe, also ist das letzte Wort hinsichtlich dessen noch nicht gesprochen."
Dean drehte sich um, ein schüchternes Lächeln auf seinem Gesicht. ,,Nun, dem zumindest kann ich Abhilfe schaffen." Er setzte sich auf die schwarze Klavierbank und dehnte seine Hände. ,,Was willst du hören?"
,,Was auch immer du spielen möchtest."
Er dachte eine Minute nach, seine Stirn runzelte sich zu einem süßen Ausdruck. ,,Ha. Ich weiß! Ich spiele das absolut klischeehafteste Lied, das ein Typ auf dem Klavier spielen kann."
Finger tanzten über die Tasten, spielten eine Reihe kleiner Töne, von denen keine wie ein richtiger Song klang. Dann lächelte er Cas an und legte wirklich los. Er erkannte das Lied sofort, Billy Joels Piano Man. Dean grinste über Cas' Gesichtsausdruck.
,,Hab dir gesagt, es ist klischeehaft", schmunzelte er und begann zu singen.
,,It's four am on a Wednesday, and Castiel shuffles in. There's a plate of cookies sitting next to me, and the day has begun to begin." Dean brach in Kichern aus, absolut begeistert von seiner eigenen Parodie des Songs.
Castiel lachte mit ihm, äußerst amüsiert. ,,Okay, das ist genial. Du bist echt witzig."
Schließlich beruhigte sich Dean. ,,Okay, okay, ich spiele dir jetzt etwas Richtiges vor." Er krümmte seine Finger erneut und fing an zu spielen. Dieses Mal erkannte Castiel die Musik zuerst nicht. Und als Dean zu singen begann, war er überrascht.
Mit Piano Man hatte er herumgealbert, aber dieses Mal...
Seine Stimme war tief, leicht rau, und so warm wie Whiskey. ,,There are places I remember. All my life, though some have changed. Some forever not for better, some have gone and some remain."
,,All these places have their moments, with lovers and friends I still can recall. Some are dead and some are living. In my life I've loved them all." Seine Finger tanzten über die Tasten, sein Gesicht war friedlich und im Lied verloren.
Castiel war fasziniert. Nicht zum ersten Mal bemerkte er, dass er von Dean hypnotisiert war, vor der Art, wie er sich bewegte, seiner Stimme und jeder Kleinigkeit von ihm.
,,But of all these friends and lovers, there is no one compares with you. And these memories lose their meaning, when I think of love as something new." Dean drehte den Kopf und lächelte Cas an, nickte mit dem Kopf, um ihn zu zeigen, dass er sich neben ihn auf die Bank setzten konnte. Benebelt stand Cas auf und ging auf das Klavier zu. Dean nickte zur Ermutigung und Castiel setzte sich neben ihn.
,,Though I know I'll never lose affection, for people and things that went before, I know I'll often stop and think about them. In my life I love you more."
Dean griff um ihn herum, nahm Cas' rechte Hand und legte sie auf die Tasten, positionierte seine Finger da, wo er sie haben wollte. Dean benutzte Cas' Hand, um die Noten zu spielen, und beendete das Lied.
,,Though I know I'll never lose affection, for people and things that went before. I know I'll often stop and think about them, in my life I love you more."
Castiel konnte kaum atmen, während er in Deans Augen blickte.
,,In my life I love you more."
Die letzte Note verklang in der Luft. Dean starrte ihn an, als ob er Castiel zum ersten Mal sah.
Cas hielt den Atem an.
Dean kam näher, seinen Augen glitten langsam zu. Sein Arm lag immer noch um Castiels Taille.
,,Verdammt nochmal, Winchester, es ist vier Uhr morgens um Himmels Willen, und ich liebe deine Cookies wirklich, aber verdammt Mann, ich brauche meinen Schönheitsschlaf!"
Der andere Mann zuckte zusammen und zog sich von Cas zurück. Seine Wangen waren gerötet und seine Augen aufgerissen.
,,Ich meine, Cookies sind super, und wenn du danach aufgehört hättest, wäre das okay für mich gewesen, aber niemand braucht Die Beatles um vier Uhr morgens, okay?" Victor stand in der Mitte des Raumes und kratzte sich durch sein Baltimore PD-Shirt am Bauch.
,,Hey, Cas."
,,Ja, konnte nicht schlafen, und dann wollte Cas mich spielen hören. Sorry, Vic."
,,Schon okay."
Dean sprang von der Bank und ging in die Küche, um aufzuräumen. Castiel sah ihm beim Weggehen zu, Frust brannte tief in seinem Magen.
Er war sich sicher, dass Dean Winchester dabei gewesen war, ihn zu küssen.
Und für einen Moment wollte Castiel Victor Henriksen umbringen.
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