Kein Zurück

,,Also New York Times Bestseller? Ziemlich unglaublich, Cas." Dean lächelte über den Tisch hinweg, als er an seinem schwarzen Kaffee nippte.

,,Ich war von dem Erfolg des Buches überrascht", gab Castiel zu. ,,Ich denke, es liegt daran, dass meine Hauptperson so sympathisch ist." Er erwiderte Deans Lächeln, und die Wangen des anderen Mannes färbten sich wieder pink.

,,Dem bin ich mir nicht so sicher", sagte Dean leise, stellte seinen Kaffee ab und fummelte an der Kappe auf seinem Kopf herum.

,,David ähnelt dir in vielerlei Hinsicht. All die tollen Teile deiner Persönlichkeit."

,,Ja, aber die Größe, Haare und Muskeln? Du hast auf jeden Fall Sam beschrieben."

Cas schmunzelte. ,,Ja. Ich hatte Sam im Kopf. Und ich habe mich wie Victor beschrieben."

,,Jap, das habe ich bemerkt."

Cas nahm einen weiteren kleinen Schluck von seinem Latte. ,,Wie geht es ihnen? Sam und Victor?"

,,Nun, Vic ist unten in DC und arbeitet beim FBI, Fallanalytiker oder sowas. Er hat erst letztes Jahr geheiratet. Sammy ist noch Single, aber verdammt glücklich. Er ist auch in DC, arbeitet als Forscher beim Smithsonian. Sie bezahlen ihn tatsächlich, damit er seine Nase in alten Büchern vergräbt."

,,Oh Gott, verlässt er überhaupt einmal das Haus?", fragte Cas mit einem Lächeln.

Dean schmunzelte. ,,Gelegentlich. Er passt zu der Rolle; Haare länger als je zuvor, Lesebrille, schäbige Tweedjacke mit Flicken an den Ellbogen... Er ist dort unten im Sammy-Himmel. Er hat sich diese perfekte kleine Wohnung geholt, die nur mit alten Büchern vollgepackt ist, und ich schwöre, manchmal vergisst er, dass es eine Welt vor der Tür gibt. Ab und zu schaffe ich es, ihn zum Abendessen oder zu einem Baseballspiel oder so zu schleppen. Allerdings gelingt es ihm immer, seine Fitnessstunden einzubringen. Er ist der verrückte Professor, doch wie The Rock oder so gebaut."

Castiel schmunzelte und schwenkte die restliche Flüssigkeit in seinem Becher umher.

,,Wie geht es deiner Familie?", fragte Dean.

,,Besser. Die Dinge laufen...besser. Mein Vaters ist wie üblich die Freundlichkeit in Person, meine Mutter ist noch so verrückt wie eh und je und ich rede immer noch nicht wirklich mit Lucifer, aber... seit das Buch veröffentlicht ist und sie es alle gelesen haben, können sie mich besser verstehen. Meine Mutter beleidigt mich immer noch viel, aber sie steht mir nun nicht mehr so kritisch gegenüber. Sie ist viel angenehmer. Ich sehe Gabriel weiterhin am öftesten. Wir sind den Sommer über nach Tijuana in den Urlaub gefahren. Das war ziemlich lustig, obwohl es ihm immer noch an der Fähigkeit mangelt, 'ihn' in seiner Hose zu behalten, was gelegentlich sehr peinlich sein kann."

Dean warf den Kopf zurück und lachte. Cas' Blick folgte dem Verlauf seines Halses. ,,Hört sich nach Gabe an. Erinnerst du dich an dieses eine Mal, als er versucht hat, Pam abzuschleppen? Sie ließ es nicht zu."

,,Nein, hat sie nicht. Pam war schon immer temperamentvoll. Und natürlich hat Gabriel Sam immer getriezt." Er nahm den letzten Schluck seines Kaffees und stellte dann den leeren Becher auf den Tisch. ,,Siehst du sie noch? Die alte Gruppe? Ich denke oft an sie."

Der andere Mann starrte auf den Tisch hinab und hob die Hand, um sich am Nacken zu kratzen. ,,Nein, nicht wirklich. Ich bin die Tage über sehr beschäftigt. Ich lebe draußen auf dem Land und habe...einfach nicht viel Zeit."

,,Malst du noch?"

Dean lachte erneut, aber es war kein richtiges Lachen. Es war gezwungen und klang bitter nach. ,,Nicht wirklich. Ich unterrichte. Ich unterrichte Kunst an der Parkville High."

,,Ein Kunstlehrer? Du konntest schon immer gut mit Kindern umgehen, also überrascht mich das nicht, aber Dean, du hattest reihenweise Jobs. Aufträge. Was ist passiert?"

Er wich Cas' Blick aus. Dean starrte einfach nur in seinen Kaffee, als ob der halbleere Becher all die Antworten enthalten würde.

,,Du bist gegangen."

Die Luft verließ Cas' Lungen in einem Zug und er realisierte: Das war sie. Deshalb hatte Dean ihn ausfindig gemacht. Das war ihre zweite Chance, der große erneute Versuch. Als der andere Mann weiterhin in seinen Becher starrte, spürte Castiel die ersten Anzeichen von Hoffnung in sich, die wie Prunktwinden beim Sonnenaufgang erblühten.

Dean war derjenige, der sich abgewandt hatte. Es war egal, dass Cas derjenige war, der gegangen war. Dean war ihm einfach durch die Lappen gegangen, und das war ihre zweite Chance.

,,Lass mich dich zum Abendessen einladen. Bitte."

Erschrocken sah Dean auf und blinzelte, blickte Castiel jedoch nicht in die Augen. ,,Cas..."

,,Wir können von vorn anfangen. Einander wieder kennenlernen?" Castiel hielt seine Stimme unbeschwert, beiläufig, da er Dean nicht verschrecken wollte.

,,Cas." Dean zappelte herum und spielte mit dem Becher in seiner Hand. ,,Ich kann nicht. Ich... Ich..."

,,Was?", fragte Cas ihn sanft.

Da war Schmerz in den grünen Augen, als er seinen Blick schließlich auf Cas' treffen ließ. Dann stand er abrupt auf. ,,Ich werde heiraten. In vier Wochen." Dean riss seine Jacke von dem Stuhl. ,,Es tut mir leid. Ich hätte nicht kommen sollen."

Und ohne weiteres war der Moment vorbei, die Stimmung zerschmettert. Auch Dean war fort, in der samstagnachmittaglichen Menge untergetaucht, verschwunden, bevor Castiel überhaupt anfangen konnte zu begreifen, was gerade passiert war. Deans zerfleddertes Exemplar von Painted Angels war der einzige Beweis, dass er überhaupt jemals dagewesen war.

_____

Er stieg in den Impala und fuhr einfach los, durcheinander und gedankenverloren, und es war keine Überraschung, dass er sich schließlich vor Sams Wohnung wiederfand. Sam öffnete, bevor Dean überhaupt klopfte. Die Lesebrille hielt seine langen Haare zurück. ,,Gott sei Dank. Anna hat jeden angerufen, und du bist nicht an dein Handy gegangen."

Dean klopfte seine Taschen ab und zog das Handy aus seiner Jacke. Der Bildschirm war schwarz und reagierte nicht, als er auf die Knöpfte drückte. ,,Schätze, der Akku ist alle." Er drückte erneut darauf.

,,Wo zur Hölle bist du überhaupt gewesen? Sie sagte, du hättest dich total verschlossen aufgeführt."

,,Bin zu einem Ort gefahren, zu dem ich nicht hätte fahren sollen", murmelte er. ,,Kann ich reinkommen?"

,,Ja." Sam hielt ihm die Tür auf und trat zur Seite, um ihn hereinzulassen. Wie üblich war jede verfügbare Fläche mit Büchern bedeckt: fiktionale, nicht fiktionale, moderne, historische; es war ein Mix aus allem und es war ganz Sam. Sein MacBook stand leuchtend in der Mitte seines Wohnzimmertisches und war rundherum von Texten verschiedener Größe, Form und Alter umgeben.

All die Bücher ließen ihn schmerzvoll bemerken, dass er sein Exemplar von Cas' Buch auf dem Tisch im Starbucks gelassen hatte. Er fühlte sich unerklärlich traurig. Sicher, er könnte sich eine weitere Ausgabe kaufen, aber diese... Diese eine war seine.

,,Irgendwohin, wo du nicht hättest hinfahren sollen. Hat das irgendetwas mit dem zu tun?" Sam warf den Kunst- und Unterhaltungsteil der Baltimore Sun auf den Kaffeetisch. Die Seite war auf einem Farbbild von Cas und Details über die Buchsignierung geöffnet. Sam beobachtete ihn, als er seine Jacke auszog und sie über den Stuhl legte.

,,Bin ich so leicht zu durchschauen?"

,,Ja."

Dean seufzte und sank auf die Couch. ,,Naja, es war eine dumme Idee. Eine wirklich dumme Idee." Er fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar. ,,Kann ich heute Nacht hierbleiben? Ich bin noch nicht bereit, nach Hause zu fahren."

,,Nein, du bist nicht bereit, Anna gegenüberzutreten. Aber ja, nenn mich verrückt, du kannst diese Nacht hierbleiben. Willst du chinesisch essen?"

,,Sicher."

,,Ich schätze, es ist unmöglich, dass ich dich dazu bringe, über das zu reden?"

Dean schnaubte. ,,Ja. Wird nicht passieren."

,,Gut." Sam warf ihm ein Handy zu. ,,Ruf wenigstens Anna an und lass sie wissen, wo du bist. Ich habe hier irgendwo ein freies Ladekabel herumliegen." Er ging aus dem Wohnzimmer und ließ Dean mit seinem schlechten Gewissen und dem Handy alleine.

Er starrte auf das Handy und wählte schließlich mit einem Seufzer Annas Nummer. Sie nahm beim ersten Klingeln ab.

,,Sam? Hast du von ihm gehört?"

,,Nein, ich...ich bin es."

,,Oh mein Gott, Dean! Ich versuche seit Stunden, dich anzurufen! Wo ist dein Handy?"

Dean wand sich. ,,Tut mir leid, der Akku ist tot. Hatte im Impala kein Ladekabel."

,,Warum bist du bei Sam? Wir hatten heute Abend eine Verabredung, erinnerst du dich?"

,,Es tut mir leid, Babe, ich schätze, das habe ich vergessen."

Anna blieb stumm. Er konnte sich vorstellen, wie sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Unterlippe tippte und herauszufinden versuchte, was zum Teufel dieses Mal mit ihrem Verlobten los war.

,,Geht es dir gut?", fragte sie schließlich.

,,Ja, vermutlich nur ein Fall von Lampenfieber vor der Hochzeit, richtig?"

,,Ja..." Anna seufzte. ,,Also gehen wir heute Abend nicht aus?"

,,Wenn das okay ist? Ich könnte jetzt losfahren..."

,,Nein, vielleicht brauchst du nur etwas Zeit mit deinem Bruder oder so."

Er konnte die gezwungene Fröhlichkeit in ihrer Stimme hören und es ärgerte ihn. Es ärgerte ihn, dass er sie dazu gebracht hatte.

,,Es tut mir leid, Anna. Wirklich."

,,Ist okay." Sie seufzte erneut sehr leise. ,,Du würdest es mir sagen, wenn etwas mit dir los wäre, oder?"

Dean ließ seinen Kopf gegen die Lehne des Sofas sinken und starrte an die Decke. ,,Ja, Babe, würde ich."

,,Okay", antwortete sie, und Dean konnte sie lächeln hören. Sie glaubte ihm. Und das ließ ihn wegen der Lüge verdammt schuldig fühlen. ,,Also, sehe ich dich heute Abend noch? Oder bleibst du?"

,,Ja, wir werden chinesisch bestellen und einen Film gucken oder so. Ich sehe dich morgen früh, Baby."

,,Okay", sagte sie erneut. Noch mehr gezwungene Fröhlichkeit. ,,Ich liebe dich."

,,Ich weiß", sagte er leise und legte auf. Er setzte sich hin, legte das Handy auf den Kaffeetisch und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Er spürte, wie Sam sich neben ihn setzte, hörte, wie die Bierflaschen auf den Tisch gestellt wurden. Sein Bruder reichte ihm eine Jogginghose zum Schlafen. Sam, der wie üblich intuitiv war, sagte nichts, sondern schaltete nur den Fernseher an. Das chinesische Essen kam und sie aßen ohne ein Wort. Sams Gegenwart war beruhigend, und als sie den Film guckten, sackte Dean weiter und weiter in den Bereich seines Bruders, das Gewicht des Tages lastete auf ihm. Irgendwann wachte er blinzelnd auf und sein Kopf befand sich auf einem Kissen in Sams Schoß. Die Finger seines Bruders rieben träge seine Kopfhaut, so wie er es für Sam getan hatte, als sie Kinder waren und Sam einen Alptraum hatte.

Normalerweise ließ Dean das nicht zu, da die Geste viel zu gefühlsduselig für ihn war, aber es war ein langer Tag gewesen. Er war müde und emotional erschöpft. Es war einfach nicht mehr möglich, dass ihn noch groß etwas kümmerte. Es war warm und gemütlich, und er döste wieder ein.

Er träumte von blauen Augen, von Haut auf Haut und gemurmelten Worten, unvollständige Atemzüge in der Dunkelheit, Finger auf seinen Hüften, und Ölfarbe. Er träumte in leuchtenden Farben und verschwommenen Bildern. Er träumte von zerbrochenem Glas und Klaviertasten und dem Geruch von Bier und Leinöl.

Dean setzte sich mit einem Keuchen auf Sams Couch auf. Der Raum war dunkel, Sam fort, und er war mit einer Fleecedecke bedeckt. Sein Shirt klebte durch den Schweiß an seiner Haut fest und seine Hände zitterten. Er würde gerne sagen, dass es Jahre her war, seit er von den alten Tagen geträumt hatte, aber das stimmte nicht. Es waren nur ein paar Tage. Die Träume waren öfter vorgekommen, nachdem er das Buch gelesen hatte, und sie hatten sich seit der Ankündigung der Buchsignierung sogar noch gehäuft.

Er fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht, stand von der Couch auf und wanderte in die Küche.

In Sams Kühlschrank war kein Bier mehr, nur Wein, tonnenweise Obst und Gemüse und ein unglaublich uninteressant aussehendes Hühnchen. Er schnappte sich eine Flasche Wasser und grummelte vor sich hin, als er sie öffnete. Dann lief er durch die Wohnung, bis er vor den Balkontüren stand.

Dicke Schneeflocken sanken gemächlich zu Boden. Dean war überrascht; er hatte nicht gewusst, dass Schnee vorhergesagt worden war. Andererseits hatte er generell nicht viel auf irgendetwas geachtet, seit er die Anzeige für die Buchsignierung gesehen hatte. Selbst seine Schüler hatten bemerkt, dass er während der Woche nur halb anwesend gewesen war.

Aus irgendeinem Grund mochten die Kinder ihn und hatten versucht ihn aufzumuntern, hatten selbst ein paar andere Lehrer mit eingebracht. Am Ende hatte er getan, was er immer tat – gute Laune vorgetäuscht. Meistens funktionierte es.

Der Schnee war faszinierend, doch seine Gedanken waren Millionen Meilen weit weg, und er konnte Cas' Gesicht einfach nicht aus dem Kopf bekommen.

_____

September, 2000

,,Also das ist Benny's. Dort trinken wir alle. Und dann das Roadhouse Café, das ist Ellens und Bobbys Laden. Sie sind ein Paar alter Knacker und lieben mich wie einen Sohn, weshalb ich für keinen Scheiß bezahle. Manchmal spiele ich da drin Gitarre oder so und lasse sie das ganze Trinkgeld behalten, und manchmal übernehme ich eine Schicht am Grill. Ich lasse nicht zu, dass sie mir das alles bezahlen." Dean deutete über die Remington Avenue auf ein weiteres Geschäft. Auf dem Schaufenster standen die Worte Death Threads, und einige Vintage-Sachen hingen herum.

,,Das ist Tessas Bude, sie verkauft fantastische alte Klamotten. Hab hier letzte Woche dieses supergeile Zep-Shirt bekommen. Sie ist übrigens heiß. Neben ihrem Laden ist Pams Laden, Psychic Ink. Sie ist auch wahnsinnig heiß. Manchmal arbeite ich dort. Sie hat die ganzen Werke auf mir verrichtet. Das Retro Records wird von ein paar Kiffern geleitet, Andy und Ash. Sie sind toll und führen tatsächlich Schallplatten, Alter."

Cas nickte, sein Blick glitt die Straße entlang. Musik echote durch Remington, Gitarren und eine kleine Trommel, ein paar Leute lungerten einfach singend auf der Straße herum.

Ein Samstagnachmittag in der Nachbarschaft machte Dean immer glücklich. Er liebte seine Umgebung und wollte nie wegziehen, weshalb er die Feuerwache überhaupt erst gekauft hatte. Er liebte die Stimmung und die Leute und die kurze Entfernung zur Uni.

Vic war ein großartiger Freund, ein großartiger Mitbewohner. Benny war sein Adoptivbruder, Bobby und Ellen seine Adoptiveltern, verdammt, jeder war Familie. Er war etliche hundert Meilen von Zuhause entfernt, und obwohl er seinen Bruder Sammy schrecklich vermisste, stand er hier auf eigenen Füßen, tat, was er wollte.

Trotz seines verdammten Vaters.

Der Mann neben ihm lächelte, als sie die Straße hinunterliefen, zum Roadhouse zurück. Mit etwas Glück war Jo mit etwas anderem beschäftigt, und er und Cas konnten in Ruhe Frühstück essen und sich gegenseitig ein wenig kennenlernen.

Cas war ein Rätsel. Dean war bisher zu beschäftigt mit Lucifer gewesen, um einen Moment mit seinem neuen Mitbewohner zu reden.

Heute Morgen war er aufgewacht und hatte einfach entschieden, dass er sich etwas Zeit nehmen würde, um Cas herumzuführen und mit dem Typen zu reden. Er wusste, dass er vermutlich bereits einen verdammt guten Eindruck gemacht hatte, so komplett in sein Erzengelprojekt vertieft, beschäftigt damit, die Glasscherben auf der Leinwand zu befestigen. Es war nervig und unglaublich zeitaufwändig, doch am Ende würde es sich lohnen.

Dean drückte die Tür zum Roadhouse auf und war überhaupt nicht überrascht, Benny bereits residierend an einem Tisch vorzufinden. Ellen legte ihm ihre Hand auf die Schulter, während sie seinen Kaffee nachfüllte. Bobby stand am Grill und summte vor sich her, während er fröhlich Pfannkuchen umdrehte. Die Truckermütze befand wie immer fest auf seinem Kopf. Sein alter Kumpel Rufus saß an der Bar und arbeitete sich durch einen großen Stapel Pfannkuchen und den Sportteil der Baltimore Sun. Er stöhnte und beschwerte sich bei jedem, der zuhören würde, über die Ravens.

Jo ist nirgendwo zu sehen, dachte Dean glücklich, als er in seine Lieblingsnische rutschte. Cas saß ihm gegenüber und griff nach der Speisekarte, die Dean ihm reichte.

,,Nun, wir sind hier nicht weit von Mount Vernon entfernt und auch das Kunstmuseum ist nicht allzu weit weg. Ich gehe dort manchmal hin, um mir Inspiration zu holen. Ich mag die Renaissance-Maler und die mittelalterlichen Engelgemälde. Also, meine sind ziemlich anders als die von, sagen wir, Michelangelo, aber trotzdem gibt es dort Inspiration. Und wenn wir etwas freie Zeit haben, nehme ich dich zum Visionary Art Museum in Federal Hill mit. Ich habe dort drin jetzt sogar ein Bild zu hängen. Liebe diesen Ort."

Cas nickte, während er immer noch auf die Speisekarte starrte. Ellen schlängelte sich zu ihnen durch, legte ihre Hand auf Deans Schulter und tippte sie an. Er verstand und rutschte rüber, damit Ellen sich auf die Bank plumpsen lassen konnte.

,,Hey, Kleiner. Wer ist das?", fragte sie freundlich.

,,Mein neuer Mitbewohner", verkündete Dean stolz. ,,Castiel Novak."

Ellen lächelte, streckte die Hand über den Tisch und Cas schüttelte sie. ,,Schön, dich kennenzulernen, Schätzchen. Tut mir leid wegen deiner Unterkunft; mit dem hier ist das Zusammenwohnen nicht ganz so einfach."

,,Hey", protestierte Dean.

Ellen winkte ab. ,,Castiel? Möchtest du etwas Kaffee?"

Cas lächelte, seine blauen Augen funkelten. ,,Ja, Madam, danke."

,,Sag bloß nicht Ja, Madam zu mir. Aber du könntest Dean hier ein paar von deinen guten Manieren beibringen."

,,Hey!", rief Dean erneut aus.

,,Ist die Wahrheit. Möchtest du auch Kaffee?"

,,Ja, bitte." Dean grinste.

,,Siehst du, war das so schwer?"

Dean erwiderte nichts, und sie ging, um ihren Kaffee zu holen.

,,Ich mag sie", sagte Cas lächelnd.

,,Ich auch", antwortete Dean ehrlich. ,,Sie ist gut zu mir."

Ellen kam mit ihrem Kaffee wieder und nahm ihre Bestellungen auf; Pfannkuchen, Eier und Speck für Dean, und Pfannkuchen und ein Würstchen für Cas.

,,Also, wo kommst du her?", fragte Dean, als sie wieder gegangen war.

,,Von oben um Hereford rum, in der Nähe der PA Grenze. Du?"

,,Aus einer winzig kleinen Stadt ungefähr fünfzehn Minuten westlich von Charleston, West Virginia. Hicksville, USA. Ich habe sie gehasst. Konnte nicht warten, da rauszukommen. Ich bin in Lawrence, Kansas, geboren, aber meine Mutter... Wir sind weggezogen, als ich noch ziemlich klein war, und mein Vater hat uns viel herumgefahren. Schließlich sind wir hier gelandet." Dean hob seine Kaffeetasse und nahm einen großen Schluck.

,,Und du bist Student am Maryland-Institut?"

,,Jap", sagte Dean stolz. ,,Hab auf der High School ein solides Portfolio zusammengestellt und es geschafft, ein Vollstipendium zu erhalten, was toll ist, da Dad nicht... Nun, er wollte nicht für eine Kunstschule bezahlen, das ist verdammt sicher."

Dean würde den Tag nie vergessen, an dem er John Winchester gesagt hatte, dass er Kunst studieren wolle. Es war ein interessanter Tag gewesen, denkwürdig hinsichtlich des Faktes, dass er viele neue Wörter in dem Wortschatz seines Vaters entdeckt und eine neue Narbe auf seiner Kopfhaut erworben hatte. Wenigstens versteckten seine Haare sie.

,,Ich habe auch ein Vollstipendium, aber meine Eltern hätten bezahlt. Sie heißen es vermutlich gut, dass ich Englisch als Hauptfach studiere."

,,UMBC, richtig?"

,,Ja", sagte Cas und nippte an seinem Kaffee. ,,Vic geht da auch hin, oder?"

,,Ja, Hauptfach Strafjustiz. Obwohl man nie denken könnte, dass er eine polizeiberufliche Zukunft hat, wenn man ihn trinken sieht!" Dean schmunzelte. Er wollte Cas gerade nach seiner Familie fragen, als sein Teller abrupt auf den Tisch gestellt wurde, sodass sein Speck am Rand abprallte.

,,Was zum..." Er sah zu einem Paar funkelnder, ärgerlicher brauner Augen hoch.

,,Denkst du, dass du witzig bist?", fauchte Jo. Zorn färbte die oberen Teile ihrer Wangen rosa.

,,Äääh", stammelte Dean und sah über den Tisch zu Cas, der verwirrt zusah. Sein Teller war ordentlich vor ihn hingestellt worden. ,,Äh, Jo, das ist Cas, mein neuer Mit..."

,,Ist mir egal. Ich bin angepisst. Dazu hattest du kein recht, Dean Winchester!"

,,Jo, sieh mal, ich bin sicher, dass ich etwas ziemlich Dummes getan habe, da das sowieso Standard bei mir ist, aber ernsthaft, ich habe keine Ahnung..."

,,Du weißt es ernsthaft nicht?" Wut tanzte in ihren Augen und sie warf sich ihr langes, blondes Haar über die Schulter. ,,Du. Bist. Ein. Arschloch." Und damit drehte sie sich auf dem Absatz um, stolzierte vom Tisch weg und ignorierte einfach Bennys Nachfrage nach mehr Kaffee.

Dean begegnete Bennys Blick und bekam ein Augenzwinkern, als sein Freund grinste und ihm zuwinkte.

,,Was war das denn gerade?", fragte Cas.

,,Himmel, wenn ich das wüsste. Die Frau ist verrückt." Dean stach in sein Frühstück. Er und Cas teilten eine kameradschaftliche Stille, während sie aßen. Benny schlenderte zu ihrem Tisch und stellte sich vor. Bobby und Rufus taten es ihm gleich, und Ellen sagte, sie habe keine Ahnung, was mit Jo los sei, und er wäre auf sich gestellt.

Nach einer Weile gingen sie mit vollen Bäuchen zurück. Dean war bereits mit Farbe bedeckt und von Lucifers Glasteilen umgeben, als er bemerkte, dass er Cas haufenweise Sachen über sich erzählt, aber überhaupt nicht viel aus Cas herausbekommen hatte.

Er lächelte und schmierte ein bisschen Rot auf Lucifers Stirn. In Gedanken nahm er sich vor, Cas diesen Abend zu Benny's zu bringen, ihn heiter und betrunken zu machen und den Mann nach all seinen Geheimnissen auszuhorchen.

Castiel Novak faszinierte ihn. Und er hatte keine Ahnung, warum.

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