Kapitel 8

Morgen, mein kleiner Jäger. Wie geht es dir? Eine gewisse Valerya Marie wartet unten auf dich", weckt mich meine Mutter. Schläfrig öffne ich meine Augen und gähne. Dann recke ich mich und drehe mich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. „Soll ich sie wegschicken?"
Prompt bin ich wach. Ich reiße den Kopf nach oben - dummer Fehler. Miese Kopfschmerzen erwarten mich. Schmerzerfüllt fasse ich mir an die Stirn. „Wie spät ist es?"
„Spät. Dreizehn Uhr. Valerya wartete seit einer halben Stunde auf dich, bis sie geklingelt hat."
Erschrocken blinzel ich mit den Augen. Wie lange habe ich geschlafen? Was war passiert? Das darf doch nicht wahr sein. Der Alkohol. Nie wieder. Nie, nie wieder Alkohol. Meine Mutter übergibt mir eine Packung mit Schmerztabletten. Dankbar nehme ich diese entgegen und schlucke gleich zwei auf einmal. Dann greife ich nach meinem Handy. Mehrere verpasste Anrufe von Hunter. Fragen, wie, ob es mir wirklich gutgeht oder ob ich noch lebe. In keiner steht, dass er sich Sorgen um mich macht. Na, warum sollte er auch?
Mama tätschelt meine Schulter. Das ist sozusagen mein Zeichen für heute. Nachdem sie das Zimmer verlassen hat, reiße ich wahllos ein paar Sachen aus meinem Schrank. Letzten Endes entscheide ich mich für ein blau-weiß kariertes Hemd zu einer Jeanshose. Nicht zu schick, dennoch hübsch. Nun eile ich die Treppen runter. Dort steht sie in einem knielangen blauen Kleid mit einem gewissen Touch Glitzer. Es ist ähnlich dem Kleid ihrer Mutter, nur kürzer. Da ich noch keine Ahnung habe, wie man ein Gespräch richtig führt, geschweige denn beginnt, sage ich ihr leider genau das ins Gesicht. Nur habe ich es etwas anders formuliert als meine Gedanken gedacht haben. Statt die Gedanken direkt so laut auszusprechen, habe ich ihr gesagt, dass sie in dem Kleid so wunderschön aussieht wie ihre Mutter. Ich meine, ja, es ist wahr, ihre Mutter ist wunderhübsch und sie hat das tolle Aussehen von zwei Seiten, aber, ob man das so ausdrückt... Ich weiß ja nicht. „Danke, das hat man mir schon oft gesagt. Geht es dir gut?"
Definiere gut, möchte ich sagen, stattdessen sage ich, dass es mir bestens geht. „Tut mir leid, dass ich zu spät wach geworden bin. Gestern..."
„...hast du deine Freunde wiedergefunden. Deine Schwester hat es mir erzählt. Ehrlich, ich verstehe das."
Wir verabschieden uns von meiner Mutter und zu meinem Übel von meinen drei Schwestern, die hinter Valeryas Rücken die Daumen nach oben strecken. Super. Wirklich, ich liebe sie alle drei. Trotzdem gehen sie mir häufig, sehr häufig gewaltig auf den Keks.
Sobald sich Valerya von mir und meinen Schwestern weggedreht hat und sich stattdessen meiner Mutter zuwendet, strecke ich ihnen kindisch die Zunge raus. Die Zarentochter lacht. Oh Mann, sie hat es gesehen. Leicht peinlich. "Können wir?", lenke ich von meiner Nervosität ab. Ein Date, ein Kuss, das alles hatte ich noch nie.
Meine Mutter drückt mir zum noch größeren Übel einen Kuss auf die Stirn. Dann beeile ich mich noch mehr, mit Valerya aus dem Haus zu kommen. "Also, wohin wollen wir?", frage ich, als wir endlich aus dem Haus sind.
"Wie wäre es mit einem Pfannkuchen bei Omi's Pfann?" Connors Uroma hat neben der eigenen Klamottenfirma mit den anderen Großmüttern auch noch eine Art Restaurant eröffnet, wo es all das gibt, was man in einer Pfanne braten kann. Eigentlich gab es dort zu Anfang ausdrücklich nur Pfannkuchen in den verschiedensten Sorten. Dann hat sie überall das Kuchen aus dem Pfannkuchen gestrichen und geblieben ist Omi's Pfann ohne, wobei überall das andere Wort noch zu erkennen ist, nur halt durchgestrichen.
"Von mir aus gerne. Ähm und der Auftritt meiner Familie und mein zu langes Schlafen tut mir übrigens schrecklich leid", entschuldige ich mich erneut. Ich fühle mich deswegen echt mies. Mein erstes Date und ich verschlafe es plus meine aufdringliche Familie, die überpünktlich wach war, um alles zu bewachen.
"Ach alles gut, wirklich. Deine Familie ist toll. Es ist süß, wie nahe ihr euch steht."
"Stehst du deiner Familie denn nicht nah?"
"Doch, klar tue ich das. Wie du liebe ich jede ihrer Macken, aber... Es ist anstrengend. Meine Eltern waren bis zur Geburt meines Bruders angeblich sowas wie echte Abenteurer. Sie waren Reisende, haben Orte gesehen, die ich nie gesehen habe. Verstehst du? Das ist der Grund, warum ich raus möchte, weg von Paris. Das Leben genießen. Nicht als eine Prinzessin gesehen werden, die ich nicht bin. Ich kann nicht mit Tieren sprechen, bis auf Hunde mag ich Tiere noch nicht Mal so gerne, ich hasse es diese fetten Kleider zu tragen, reiten kann ich auch nicht. Ich sehe nicht Mal annähernd aus wie eine Prinzessin."
"Kannst du singen oder tanzen?" Prinzessinnen können das doch eigentlich. Betonung liegt auf eigentlich. Jeder andere normale Mensch kann natürlich ebenfalls singen.
Schief sieht die Prinzessin mich an. "Denke schon, warum?"
"Ebenso etwas, was meist eine Prinzessin beherrscht."
"Trotzdem...", beharrt sie.
Der Duft nach Pfannekuchen steigt mir in die Nase. Ich nehme einen tiefen Atemzug, dann öffne ich galant die Tür und lasse sie vor mir eintreten. Die Zarentochter oder Prinzessin deutet einen Knicks an. "Siehst du, knicksen kannst du ebenso. Außerdem ist eine Prinzessin hübsch und das bist du. Beweisstück A, B und C."
Kopfschüttelnd lacht sie. "Ein waschechter Polizist halt."
In den Räumlichkeiten über uns ertönt eine liebliche Melodie. Irgendwoher kenne ich das Lied, doch wie das nun Mal so ist, kommt man in den richtigen Momenten einfach nicht drauf.
"Ich mag das Lied. Das ist das Lied meiner Familie. Tanzt du mit mir?"
Jetzt, wo sie sagt, dass es das Lied ihrer Familie ist, fällt es mir wieder ein. Es war einmal im Dezember, gesungen von Anya oder Anastasia zusammen mit ihrer geliebten Oma, Valeryas Uroma. "Jay, du brauchst mich übrigens nicht Valerya Marie nennen. Nenn mich Val. Sofern du mir magst. Ich will dir das nicht aufdrängen. Du kannst, musst aber nicht."
"Ich habe kein Problem damit dich Val zu nennen", beende ich ihre Sorgen.
Wie beim Ball führe ich sie auf die Tanzfläche, ja, dieses Restaurant ist im Besitz einer kleinen Tanzfläche. Ich drehe sie und wir lachen zusammen über unsere Tanzkünste, wobei sie nur behauptet, sie könne nicht tanzen, obwohl das völliger Quatsch ist. Val kann besser tanzen als so manch andere. Zwischenzeitig merke ich, wie sie mir immer näher kommt und ich fühle mich unwohl. Warum fühle ich mich unwohl? Sie ist mein erstes Date. Sie ist ein besonderes Mädchen und dennoch stehe ich vor ihr und weiß nicht weiter. Weiß nicht, ob ich das richtige mache. Auf einmal liegen ihre Lippen auf mir. Es fühlt sich komisch an. Ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Meine Augen wollen sich gar nicht erst schließen. Val ist hübsch, aber irgendwas stimmt nicht. Es fühlt sich falsch an. Dabei habe ich davon doch keine Ahnung. Ich habe noch nie geküsst, geschweige denn, dass ich geküsst wurde. Davon träume ich nur schon seit Jahren, aber sie scheint nicht die Richtige für mich zu sein. Unbeholfen schiebe ich sie von mir. Das Lied hat längst aufgehört, ein neues hat begonnen. Ich werfe ihr noch einen entschuldigenden - ihrer deutet hingegen auf Verletztheit, wodurch ich mich gleich noch schlechter fühle - Blick zu, dann laufe ich los. Durch die Tür nach Hause. Weiter und weiter. Selbst an meinem Zuhause, wo ich eigentlich Zuflucht suchen wollte, laufe ich dann doch vorbei. Ich brauche meine Ruhe, Zeit zum Nachdenken.

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