Epilog: Chad
„Ich kann nicht glauben, dass die das echt machen" Luzifer wirkte mehr als genervt und ich schmunzelte darüber, während ich ihm dabei zusah, wie er versuchte, sich die Fliege zuzubinden, die wir ihm passend zu seinem Anzug gekauft hatten.
„Also ich finds schön"
Er sah mich kurz genervt an und richtete den Blick dann sofort wieder auf den Spiegel. Er versuchte es noch ein paar Sekunden, bevor er die Fliege einfach in die nächste Ecke pfefferte, ein paar Knöpfe seines Hemdes öffnete, sich den Sakko auszog und eine Lederjacke überwarf. „Viel besser", seufzte er dann, weshalb ich lachen musste.
Ich ging auf ihn zu, während er sich zufrieden im Spiegel ansah und sich noch die Haare verwuschelte, die er sich zuvor so sorgfältig gemacht hatte.
„Würde es dich wirklich umbringen, für heute in einem Anzug herumzulaufen?", fragte ich ihn schmunzelnd, legte von hinten die Arme um ihn und drückte ihm einen Kuss in den Nacken.
„Umbringen vielleicht nicht, aber unnötig foltern!" Durch unser Spiegelbild sah er mich schmollend an und ich wusste, Diskussionen machten keinen Sinn, wenn er so drauf war.
„Können wir dann los?", fragte Luzifer mich schließlich, nachdem wir ein wenig so gekuschelt hatten.
„Ich warte nur auf dich", antwortete ich schmunzelnd, weshalb er die Augen verdrehte. Dennoch drehte er sich zu mir um und gab mir einen flüchtigen Kuss, ehe er mich an der Hand aus dem Zimmer zog. Im Flur musste er sich noch die Schuhe anziehen, aber dann konnten wir wirklich los.
„Ich traue der ganzen Sache nicht.", teilte Luzifer mir auf dem Weg zum Vampirreich mit.
Während dem Fahren warf ich ihm einen kurzen überprüfenden Seitenblick zu. „Wieso denn?"
„Als Raphael und Silas das letzte Mal heiraten wollten, ist alles schiefgegangen und hat in einem Krieg zwischen Menschen, Vampiren und Jägern geendet"
„Letztes Mal?", fragte ich verwirrt.
„In der anderen Zeitlinie"
Seufzend tastete ich nach seiner Hand und legte sie unter meiner auf den Schalthebel des Autos. Luzifer konnte einfach nicht anders, als immer wieder die Gemeinsamkeiten und die Gefahren der früheren Zeitlinie zu suchen. Er wollte auf alles vorbereitet sein und das war er auch, doch manchmal vergaß er einfach, dass das nicht mehr sein bzw. unser Leben war. Er schaffte es selbst nach zwei Jahren noch nicht gänzlich im hier und jetzt zu leben.
„Ich weiß, tut mir leid", brummte er schließlich nach kurzer Zeit, ohne, dass ich etwas gesagt hatte. „Vielleicht bin ich einfach nur mies drauf, weil du es immer noch nicht geschafft hast, mir einen Antrag zu machen" Ich hörte genau, wie er dabei grinste, obwohl er schmollend klingen wollte und musste deshalb lachen.
„Du beschwerst dich seit... immer darüber für wie lächerlich du Hochzeiten hältst, kannst es aber kaum erwarten, unter die Haube zu kommen, mh?"
„Ich lasse mich von dir gerne vom Gegenteil überzeugen"
Amüsiert drückte ich seine Hand und meinte: „Alles zu seiner Zeit"
Ich hatte noch keinen Antrag oder sonstiges geplant, auch wenn ich wusste, dass Luzifer sich das sehnlichst wünschte. Ich war mir sicher, wüsste er nicht, dass ich nicht heiraten wollte, dann hätte er mir schon lange einen Ring an den Finger gesteckt, doch so wartete er darauf, dass ich es tat. Das Problem bei der Sache lag nicht an ihm oder unserer Beziehung. Ich liebte ihn und mit ihm zusammen zu sein war das schönste, was ich jemals erlebt hatte. Ich brauchte diese Bestätigung einer Ehe einfach nicht und der Aufwand war mir ehrlichgesagt zu viel.
Raphael und Silas hatte das aber nicht abgeschreckt, genauso wenig wie Jay und Austin. Die vier hatten sich zu einer Doppelhochzeit entschieden. Es hatte mich gewundert, doch Jay war davon am meisten begeistert gewesen und hatte die Sache entschieden vorangetrieben. Boris hatte mir erzählt, dass Austin zwar gerne heiraten wollte, doch dabei nicht die ganze Aufmerksamkeit des Vampirreichs auf sich haben, daher fand er es ganz praktisch, die offizielle Verbindung zeitgleich mit Raphael und Silas durchzuführen, da Raphaels Krönung im Anschluss daran dafür sorgen würde, dass keiner Jay so wirklich beachtete. Darauf hoffte der Junge zumindest.
„Freust du dich darauf, die anderen wiederzusehen?", wollte ich von Luzifer wissen, als wir aus dem Auto stiegen und Händchenhaltend durch den Wald liefen.
Er zuckte mit den Schultern. „Geht so. Zweisamkeit mit dir wäre mir natürlich lieber" Er grinste mich anzüglich an und zwinkerte frech, weshalb ich ihm einen leichten Klapser auf die Schulter gab.
Luzifer und ich hatten uns zwar eine eigene Wohnung genommen, doch trotzdem lebte ich die meiste Zeit alleine darin. Er lebte zwar mit mir und grundsätzlich auf der Erde, doch er stand dem Himmel jederzeit zur Verfügung. Mit kam es so vor, als ließ er sich da ziemlich ausnutzen, doch Luzifer hatte mir lang und breit erklärt, dass er, je mehr Präsenz er im Himmel zeigte, auch mehr beeinflussen und kontrollieren konnte, was den Wiederaufbau anging.
Gott hatte wohl die meisten der Engel ausgeschaltet, nachdem sie sich von Uriel hatten für seine Zwecke benutzen lassen. Einzig und allein diejenigen, die sich ihm damals wiedersetzt hatten, waren noch am Leben und neue erschaffen wollte Gott nicht mehr, laut Luzifers Aussage. Gott hatte es ihm freigestellt, selbst welche zu erschaffen und wollte ihm dafür sogar Teile seiner Macht zur Verfügung stellen, doch Luzifer hatte abgelehnt. Es kam mir so vor, als hätten beide von ihnen einfach nur Angst, einen weiteren Fehler zu begehen und es ängstigte mich ein wenig, dass selbst Gott durch Uriels Taten unter einem Trauma zu leiden schien.
So richtig wusste keiner, was es denn nun mit Luzifers Licht auf sich hatte. Gott war bei seiner vollkommenen Entstehung durch Luzifers Mutter nicht anwesend gewesen und diese war verschwunden, nachdem Gott seine gesamte Aufmerksamkeit der Menschheit gewidmet hatte. Nach dem letzten Versuch, es herauszufinden, schien Luzifer nun nicht mehr so wild darauf zu sein. Er war zufrieden so wie es war und ich war zufrieden, wenn er es war. Während er sich die meiste Zeit um Engelsangelegenheiten kümmerte, hatte ich zusammen mit Dale eine Initiative gegründet, die vor allem Kindern, Jugendlichen und Frauen Selbstverteidigung beibringen sollte. Unsere Kurse waren kostenlos und wir finanzierten das ganze hauptsächlich von Spenden. Zusätzlich arbeitete ich weiter als Krankenpfleger und Dale war nun bei der Polizei, wo es ihm zum Vorteil gekommen war, dass er Lügen erkennen konnte. Sie wussten nichts von seiner Herkunft oder von seiner Kraft, für sie war er einfach nur verdammt aufmerksam und gut in seinem Job. Ich war extrem stolz auf meinen kleinen Bruder und darauf, was er aus seinem Leben gemacht hatte.
„Chantal! Luziwuzi!", ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich das von Boris' Stimme hörte und drehte mich um. Er rannte zu uns und umarmte Luzifer und mich zeitgleich so fest, dass ich glaubte, zu ersticken. „Okay, Boris, lass uns bitte am Leben"
Charlie kam schmunzelnd bei uns an, als Boris uns losließ und Luzifer daraufhin mürrisch sein Hemd zurecht zupfte. „Wir haben uns ja fast Ewigkeiten nicht mehr gesehen!", stieß Boris aus, wirkte ganz aufgeregt. Charlie legte einen Arm um ihn und flüsterte „Beruhig dich ein bisschen, Kleiner" in sein Ohr, weshalb dieser nur die Augenverdrehte und mich auffordernd ansah. „Sag, dass du dich freust, mich zu sehen!"
„Klar", lachte ich. „Euch beide" Dabei warf ich Charlie einen kleinen Blick zu und erkannte sein Lachen.
Zu viert liefen wir weiter, doch wo vorher angenehme Stille geherrscht hatte, war da nun Boris' Stimme, die ununterbrochen irgendeinen Stuss redete. Ich konnte nicht abstreiten, dass ich ihn vermisst hatte. Nach allem, was passiert war, war ich ein paar Städte weitergezogen und hatte den Kontakt nur noch an besonderen Anlässen gepflegt. Davor hatten wir alle uns gründlich ausgesprochen, vor allem Charlie Boris und ich. Anfangs wollte sich Charlie nicht mal mit mir an einen Tisch setzen, doch nach ein paar Versuchen, Ausrastern, Streits und Tränen, konnten wir ehrlich miteinander reden.
Ich musste wohl gar nicht erst erwähnen, wie sehr es mich quälte, was ich getan hatte. Ich selbst konnte mich an nichts erinnern. Boris hatte mich darüber aufgeklärt, dass ich Charlie irgendwie menschlich gemacht hatte, Dale hatte mir erzählt, dass ich unsere Eltern und die Anwesenden der ansässigen Polizeistation umgebracht hatte... Ich hatte ihnen glauben müssen, denn sie hatten Beweise, doch wahrhaben wollte ich das bis heute nicht. Manchmal wachte ich nachts schweißgebadet auf, nach einem Alptraum, doch konnte nie sagen, ob es nur die Schuld in mir war, die mir mein Gewissen vorhielt oder wirkliche Erinnerungen. Die meiste Zeit über fühlte ich mich gar nicht dazu in der Lage, auch nur dem kleinsten Insekt etwas zu leide zu tun. Doch manchmal, wenn Luzifer nicht bei mir war, schien seit meiner Auferstehung eine dunkle, unkontrollierbare Seite in mir zu brodeln, die ich weder kannte noch wirklich kennenlernen wollte. Ich sprach darüber mit niemandem, denn ich wusste, sie hatten nach wie vor Angst vor mir und wenn ich ehrlich war, hatte ich das selbst auch manchmal. Ich wusste nicht, wozu ich noch fähig war und ich war nicht scharf darauf, es herauszufinden.
„Wie weit bist du mit deinen Aufzeichnungen?", fragte Luzifer Boris mitten in seinen Erzählungen.
„Geht so" Er war leicht verwirrt von der Unterbrechung, sprang aber auf den Themawechsel an und auch ich versuche nun, dabei zu bleiben. „Ironischerweise bin ich grade bei der geplatzten Krönung" Er zuckte mit den Schultern. „Diesmal habe ich aber ein gutes Gefühl." Er lächelte zuversichtlich und wirkte tiefenentspannt.
Boris sah es als seine Aufgabe an, all unserer Erlebnisse niederzuschreiben, für zukünftige Generationen. Dabei hatte er darauf verzichtet, sie nur für Jäger zu verschlüsseln, da er der Meinung war, wenn jemand so verzweifelt war, Rat in unseren Erlebnissen zu suchen, musste man ihm diese Hürde nicht auch noch auferlegen. Während Boris sich also selbst zu Autor unserer Lebegeschichte erklärt hatte, hatte Charlie sich so langsam wieder in seinem Leben als Mensch zurechtgefunden. Eric konnte wohl Menschen in Vampire verwandeln, ohne sie umzubringen, doch selbst nach unzähligen Versuchen von Charlie, hatte er nicht nachgegeben und Charlie hatte es akzeptiert, dass er nun als Mensch weiterleben musste. So langsam glaubte ich aber, er fand Gefallen daran. Allein, wenn man ihn beim Essen beobachtete, wurde schon klar, wie sehr er das genoss. Ich war immer wieder amüsiert davon, ihm beim Essen zuzusehen, so auch jetzt, nachdem wir im Thronsaal angekommen waren, wo die Krönung stattfinden und die Ehe geschlossen werden sollte. Es waren nicht viele Leute da, nur die persönlichen Gäste und Leute von den Medien, die dafür sorgten, dass die Zeremonie überall übertragen wurde.
Wir bekam ein paar Häppchen serviert und Boris unterhielt uns weiter. „Ich kann einfach nicht glauben, dass Austin Dale als Tauzeugen wollte und Silas Chris. Ich war so fest davon überzeugt, dass sie sich um mich prügeln werden" Er verdrehte die Augen darüber.
„Haben wir das nicht schon tausend Mal ausdiskutiert, Boris? Dass du nicht ihr Trauzeuge bist, ändert doch nichts daran, dass sie dich lieben..."
„Ja besser so, sie haben mir immerhin ihr erbärmliches Leben zu verdanken" Seine Laune schien gesunken zu sein und er kuschelte sich schmollend an Charlies Schulter. Er sah mich nur mit einem vielsagenden Blick an, der mir deutlich machte, dass man Boris bei diesem Thema nicht widersprechen sollte, also tat ich das nicht.
„Mir gefällt deine neue Haarfarbe", meinte ich stattdessen. „Das Grau steht dir..."
„Also bitte!", empörte er sich. „Das ist Silber!"
Ich bat natürlich untertänigst um Verzeihung, wie sich das gehörte, und war erleichtert, als auch Gerti mit den Kindern ihren Weg zu uns fand. Obwohl ich sie nett begrüßte und anlächelte, schien Chloe doch nach wie vor Angst vor mir zu haben oder naja, sie hasste mich, das traf es wohl eher. Übelnehmen konnte ich ihr das nicht. Ich hasste mich selbst dafür, was-
„Hei" Luzifer stupste mit seinem Knie an meines. „Schenk mir ein Lächeln, Liebling"
Natürlich wusste er, was in mir vor sich ging. Ich lächelte ihn also dankbar an und bekam einen liebvollen Blick zurück.
Kurz danach begann die Trauung. Hier und da musste sogar Luzifer sich ein Tränchen verdrücken, als beide Paare ein wenig melancholisch wurden, doch wir überstanden die Zeremonie ohne große Vorkommnisse.
„Die Krone steht dir absolut nicht, lass mich mal!" Boris drückte Charlie sein Glas in die Hand und streckte sich zu Raphael hoch, doch dieser wich zurück und knurrte: „Untersteh dich!", was uns alle zum Lachen brachte, vor allem, als Boris ihm die Zunge rausstreckte.
„Also ich finde, du siehst fabelhaft aus, mein König", lächelte Silas verliebt. Raphael erwiderte es ebenso, doch schaute dann wieder böse zu Boris als dieser brummte: „Du bist auch davon abhängig, dass er die Beine für dich breit macht"
Bevor Raphael ihn tadeln konnte, zog Charlie ihn mit sich zum Tanzen und warf Raphael einen entschuldigenden Blick zu.
„Wird er jemals erwachsen?", fragte er uns genervt.
„Naja, wenn man bedenkt, dass seine Seele theoretisch schon 46 ist, würde ich sagen, du hast deine Antwort" Luzifer verstand die Ironie in Raphaels Frage nicht, doch brachte uns durch diese Erinnerung zum Lachen.
Mein Blick fiel auf Austin und Jay, die engumschlungen auf der kleinen Tanzfläche standen und deine Sekunde voneinander ablassen konnten. Die beiden hatten extrem viel Glück gehabt, dass sie sich kurz vor dem Kampf mit Michael verbunden hatten, sonst wären sie nun beide nicht mehr am Leben. Es hatte sich herausgestellt, dass Jay durch die Verbindung ebenfalls Selbstheilungskräfte entwickelt hatte und Austins Möglichkeit, sich selbst und andere zu heilen über seine vorigen hinausging.
Michael hatte Briana damals erstochen. Er hatte sie umgebracht, doch trotzdem hatte Austin drauf bestanden zu versuchen, sie zu heilten, nachdem er selbst aufgewacht war. Sie war noch nicht lange tot gewesen, deshalb hatte es funktioniert, doch seitdem hatte Austin nicht nochmal versucht, kürzlich Verstorbene zu heilen. Luzifer hatte es ihm untersagt, um ehrlich zu sein und ich war das beste Beispiel dafür, dass es für ihn allen Grund gab, sich daran zu halten.
Briana hatte sich nach allem, was passiert war erstmal zurückgezogen, sich der Schule und der Uni gewidmet und den Kontakt nicht mehr wirklich gesucht. Sie brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten, bis heute.
„Bist du schon wieder in Gedanken?", fragte Luzifer mich wissend und strich dabei mit dem Zeigefinger eine Locke zurück, die mir ins Gesicht fiel. Auch Raphael und Silas waren tanzen gegangen und hatten mich mit Luzifer somit hier zurückgelassen.
„Ein bisschen", gab ich verlegen zu und nahm seine Hand in meine. „Ich kann einfach nicht glauben, wie wir nach all dem Chaos zu diesem Punkt hier kommen konnten. Ich hätte niemals gedacht, dass mein Leben einmal so... schön werden würde."
Luzifer lächelte mich an, gab mir einen Kuss und murmelte dann: „Gern geschehen"
Lachend schubste ich ihn von mir, doch zog ihn dann sofort wieder zurück, um ihm einen weiteren Kuss zu geben.
Ein einziger Moment mit ihm, indem er mich einfach festhielt, für mich da war und mir seine Gefühle offen darlegte, reichte mir bereits als Belohnung für alles, was ich bisher hatte durchmachen müssen. Ich fragte mich nur, womit ich ein ganzes Leben an seiner Seite verdient hatte.
Durch Luzifer hatte ich nicht nur meine große Liebe gefunden, sondern auch Freunde, die zu meiner Familie geworden waren. Alles, was wir bisher zusammen erlebt hatten, bewies, dass wir zusammen unbesiegbar waren und das war es, was mir selbst in den dunkelsten und einsamsten Momenten Hoffnung gab, einen Grund weiterzumachen und den Beweis lieferte, dass es richtig war, immer auf mein Herz zu hören.
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