81. Kyle: Illusion

Dale befreite seinen Bruder von den Fesseln, während ich Silas im Sturz abfing und festhielt. Ich spürte dabei die Erschöpfung seines Körpers und den Kampf seines Geistes. Was er da eben getan hatte, hatte ihn enorm angestrengt, sodass er sich jetzt nur noch ausruhen konnte, damit es ihm wieder besserging.

Ich legte ihn sanft auf dem Boden ab, sah zu Raphael, der nach wie vor bewusstlos auf dem Tisch lag und dann zu Dale, der Chad grade half, sich hinzusetzen.

„Was ist passiert?", murmelte dieser immer noch leicht benommen und sah sich um. „Wo sind wir?"

Dale sah ratlos zu mir, flehte mich durch seinen Blick um Hilfe an. Ich seufzte, ging um den Tisch herum und stellte mich zu Dale, sodass Chad seinen verwirrten Blick auf mich richten konnte. „Dale und ich haben dich widererweckt, nachdem er dich umbringen musste. Ich habe dabei dafür gesorgt, dass deine Seele nicht mehr auf dieser Welt ist, um dich und deine Freunde vor den Engeln zu schützen. Silas hat sie jedoch wieder zurückgeholt, mit Raphaels Hilfe" Ich deutete zu den beiden und sah danach zu Dale. „Die Engel wissen bereits, dass Chad wieder der alte ist und was Silas und Raphael getan haben. Wir haben also keine Zeit zu verlieren"

Dale atmete tief durch, als ich ihn auffordernd ansah. Er schien mit sich zu ringen, ob er mir weiterhin glauben, ob er mir nochmal vertrauen sollte, doch ich wusste, er spürte, dass ich nun ehrlich war und nur das Beste wollte. Was Chad getan hatte, als er keine Seele gehabt hatte, war für mich nicht abzusehen gewesen. Ich wusste nicht, dass er wirklich so mächtig war, dass er auch noch ohne Seele Dinge wie Angst oder Wut spüren konnte, doch trotz den Toten bereute ich es nicht. Es war notwendig gewesen, wenn auch unschön.

„Was sollen wir tun?", fragte Dale schließlich überzeugt.

Ich nickte ihm zu, versprach ihm durch meinen Blick, mein Bestes zu geben, um diesmal alles in Ordnung zu bringen, und wusste, er glaubte mir.

„Wir müssen Chad, Silas und Raphael beschützen, solange sie es noch nicht selbst wieder können, dann sollten wir den König warnen, damit er sein Volk in Alarmbereitschaft versetzt und die Jäger ebenfalls..."

„Wovor genau sollen wir sie warnen?", Dale wirkte etwas überfordert, doch ich rechnete es ihm hoch an, dass er noch klar denken konnte. Andere in seiner Situation wären lange durchgedreht.

„Vor den Engeln. Sie werden kommen und alles vernichten, das mächtiger ist als ein durchschnittlicher Mensch. Das schließt jeden Vampir, Jäger und Menschen ein, der jemals in Berührung mit Kräften gekommen ist"

Dale murmelte ein „Fuck" und sah Chad dann fragend an. „Kannst du laufen?"

Sein Bruder erhob sich, nickte, wirkte jedoch sehr angestrengt dabei. „Mir geht es gut..."

Ich wusste, dass es nicht stimmte. Er musste sehr verwirrt sein, nachdem seine Seele irgendwo herumgeirrt war und vermutlich hatte er auch große Schmerzen, um seinen Körper wieder an diese Energie zu gewöhnen, mal ganz abgesehen von den Wunden, die er sich selbst zugefügt hatte, doch er war einfach nicht der Typ, der andere mit seinen Problemen belastete.

„Chad, geh voraus", bat ich und nickte mit Blick auf Dale zu dem an Boden liegenden Silas, während ich Raphael hochnahm, um ihn zu tragen. Dale verstand den Wink, hob den leichteren der beiden hoch und lief mit mir hinter Chad her.

Die Wachen an der Tür sahen uns alarmiert an, als sie Raphael bewusstlos in meinen Armen sahen.

„Wir müssen zum Königspaar"

Sie wussten wohl, dass zumindest Dale zu Raphael gehörte und waren es gewohnt, Befehle zu befolgen, also führten sie uns umgehend in den Thronsaal. Vielleicht hatten sie auch einfach keine List, Raphael selbst zu tragen...
Ich kannte den Weg zwar schon, aber es mussten ja nicht alle gleich wissen, dass ich ein ungewollter Bekannter war. Daher veränderte ich auch die Art, wie andere mich wahrnahmen, nur um den zeitraubenden Diskussionen aus dem Weg zu gehen.

Dale wirkte überrascht davon, doch ich machte ihm durch einen Blick deutlich, dass er nichts dazu sagen sollte und er schien es zu verstehen.

Am Thronsaal angekommen, klopften die beiden Wachen an und öffneten uns dann die Türen.

Wir brachten Silas und Raphael rein und Victoria lief direkt auf uns zu, sah uns besorgt an. „Was ist passiert? Hat es geklappt?"

„Es hat geklappt, die beiden sind nur sehr erschöpft", erklärte Dale. „Wir müssen aber etwas wichtiges Besprechen, Victoria. Wo ist Benedikt?"

„Er ist... etwas überprüfen"

„Oh nein", murmelte ich. „Was ist passiert?"

Sie sah mich misstrauisch an, und dann, als Dale sprach, wieder ihn. „Wir können ihm vertrauen, er hat Silas gerade geholfen, Chads Seele zurück zu bringen... und er hat uns gewarnt vor einem Angriff der Engel"

Victoria musterte Chad eingehend, teilte ihm mit, wie froh sie war, dass er wieder der Alte war und schluckte dann fest. „Benedikt und viele andere Vampire sind an der Grenze. Wir wissen nicht genau was los ist, aber der Schutzwall scheint zu brechen..."

„Das sind die Engel", nickte ich überzeugt, ohne einen Moment nachdenken zu müssen. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, sofort allen mitzuteilen, was hier los ist?"

„Solange Raphael und Silas in diesem Zustand sind, nein", Victoria schüttelte bedauernd den Kopf.

„Können wir den Wall irgendwie stabilisieren?", hakte Chad geistesgegenwärtig nach.

Victoria wirkte frustriert. „Charlie und Benedikt haben ihn vor fast 1000 Jahren errichtet, um Vampiren auf ihrer Flucht vor den Jägern einen Schutz bieten zu können. Ich weiß nicht wie sie das gemacht haben, ich war einer der Vampire, der von diesem Ort angezogen wurde, um in Sicherheit hier zu leben. Charlie wird euch bestimmt besser weiterhelfen können..."

Dale zog sein Handy raus, fluchte dann aber, da er keinen Empfang hatte.

„Was machen wir denn jetzt?" Er sah mich leicht verzweifelt an und ich grübelte und grübelte und grübelte.

„Ich könnte versuchen, einen eurer Freunde außerhalb des Reiches zu erreichen, wenn ihr etwas von ihnen habt, das ihnen etwas bedeutet... ich könnte ihnen eine Illusion schicken, die eine Nachricht übermittelt, allerdings wird das die Aufmerksamkeit der Engel auf mich lenken und sie nur noch angriffslustiger machen"

„Wieso sollten sie es auf dich abgesehen haben?" Ich sah die Verwirrung in Dales Blick, die Frage in Chads und die Aufforderung in Victorias.

Seufzend stellte ich fest, dass dies der Punkt war, an dem ich meine Tarnung aufgeben musste. Mein Plan war lange nicht erfüllt, doch ich wusste grade nicht, wie es anders weitergehen sollte.

Wir übergaben Raphael und Silas zwei Wachen, die die beiden auf Victorias Befehl hin in das Gemach des Prinzen brachten. Während die beiden rausgebracht wurden, atmete ich tief durch und ließ die meisten meiner Illusionen, die mich eine Menge Arbeit gekostet hatten, einfach fallen. Ich versuchte lediglich, meine Energie vor den Engeln zu verbergen. So kam es dazu, dass ich wenig später so vor meinen Mitstreitern stand, wie ich als Mensch gelebt hatte, bevor ich selbst zum Engel geworden war. Blonde Locken, helle Haut, blaue Augen. Das einzige, was sich verändert hatte, waren die weißen Flügel, die ich nun mit mir herumtrug.

Victoria, Chad und Dale machten alle große Augen, doch während Chad und Dale fasziniert zu sein schienen, war Victoria eher schockiert... berechtigt. Für sie war ich der junge Mann, der ihren geliebten Sohn auf dem Gewissen hatte. Sie kannte die Wahrheit nicht und dies war gewiss nicht der richtige Moment, sie einzuweihen.

„Wie kann das sein?", hauchte sie fassungslos. Ich sah den Vorwurf in ihren Augen, den Hass. Den Unglauben, dass jemand wie ich zum Engel geworden war. Denn das einzige, was sie jemals in mir gesehen hatte war die personifizierte Sünde, um ihren Sohn zu Schandtaten zu verführen.

„Ich erkläre es dir, sobald wir die Zeit haben", versprach ich ihr, wusste, dass ich hier mit dem Feuer spielte, doch wusste auch, dass allen klar sein musste, dass ich auf ihrer Seite war. Ich begab mich gewiss nicht in Lebensgefahr, weil ich Spaß daran hatte, mir den Hass des Himmels aufzuladen.

„Habt ihr persönliche Gegenstände von einem eurer Freunde außerhalb des Walls?"

Zunächst bekam ich keine Antwort, dann atmete Victoria jedoch tief durch und teilte mir mit, dass wir in Charlies Gemach bestimmt etwas finden würden. Wir machten uns also auf den Weg dorthin, durchsuchten sein Zimmer nach irgendetwas, das emotionalen Wert für ihn besitzen könnte.

„Was ist hiermit?" Dale legte eine kleine Schatulle auf das Bett, öffnete sie einfach, da sie nicht verschlossen war und fand darin einen goldenen Ring, sowie Porträts.

Victoria überreichte mir den Ring, sah dabei überzeugt aus. „Das ist der Ring seiner Frau, als er noch ein Mensch war. Er ist zwar darüber hinweg, doch er liebt seine Familie trotzdem noch, selbst, wenn sie alle tot sind. Reicht das?"

Ich nickte bloß, umklammerte den Ring fest mit der Hand und sah die anderen drei währenddessen warnend an. „Sobald ich das getan habe, wird es hier wild zugehen, wenn die anderen wissen, dass ich auf eurer Seite bin." Ich bekam Blicke zugeworfen, die mir verdeutlichen sollten, dass sie bereit waren, schloss dann die Augen und dachte daran, was Luzifer mir beigebracht hatte.










Ok was hat Kyle jetzt mit Luzi zu tun? Warum hilft er? Vermutungen?

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