39. Jaylin: Sorge
Nachdem Luzifer einfach verschwunden war und Austin einen Anruf von Dale bekommen hatte und mit Charlie aufgebrochen war, machten wir anderen uns natürlich große Sorgen. Boris versicherte uns aber, dass er es gespürt hätte, wenn etwas Schlimmes passiert wäre und wir daher ruhig bleiben sollten.
So richtig klappte das allerdings nicht. Briana unterhielt sich durchgehend mit Michael, Raphael und Silas knutschten und kuschelten herum und Boris versuchte mich abzulenken. Ich konnte mich aber einfach nicht beruhigen, wenn ich nicht wusste, was los war. Diese Leute waren nicht mehr nur meine Verbündeten, sie waren zu meinen Freunden geworden. Die ersten wahren Freunde, die ich jemals hatte, abgesehen von Briana. Auch, wenn wir hauptsächlich zusammenarbeiteten, weil wir ein gemeinsames Ziel hatten, fühlte es sich so an, als sei ich richtig bei ihnen, unter ihnen, als Teil von ihnen. Ich wollte nicht, dass das kaputtging, selbst, wenn ich mich absolut nicht dementsprechend verhielt.
Ich denke, es lag daran, dass ich nun etwas hatte, das mir wichtig war. Umso größer war meine Angst, es zu verlieren. Doch statt dies zuzugeben, tat ich so als sei es mir egal und ging lieber auf Distanz. Es war reiner Selbstschutz, selbst, wenn er unangebracht war. Ich war einfach so und ich konnte es nicht ändern. Briana wusste das, auch Boris kannte mich gut genug, um mich zu durschauen und Austin... Ich hatte das Gefühl, er sah jemanden in mir, der gar nicht existierte.
Boris hatte mir erzählt, wie es Austin wegen mir ging. Einerseits freute es mich, doch andererseits machte es mir Angst. Austin empfand etwas für mich. Doch alles, was ich tat, war, ihn von mir zu stoßen. Was, wenn ich nachgab und somit uninteressant für ihn wurde? Was, wenn ich nachgab und er erkannte, was für ein dummer, unreifer, hochsensibler Vollidiot ich in meinem Inneren war und mich nicht mehr wollte? Was, wenn... Stopp! All diese Fragen führten doch zu nichts! Ich kam immer wieder zu dem gleichen Ergebnis, egal, worüber ich im Zusammenhang mit Austin nachdachte: Er würde mir wehtun. Am Ende wäre ich der arme kleine Junge mit gebrochenem Herzen.
Wie sollte das zwischen uns bitte funktionieren? Er war ein Vampir und ich war ein Mensch, für ihn beinahe ein Kind. Dann war da auch noch seine Vergangenheit mit meinen Eltern... Es stand einfach zu viel zwischen uns. Das Risiko war mir zu groß.
„Sie sind da" Raphael löste sich von Silas, um uns das mitzuteilen.
Wie fremdgesteuert sprang ich auf und lief zu Tür. Die anderen folgten mir.
Austin kam als erster rein, hinter ihm Charlie und Chad. Chad war voller Blut, an Austin klebte auch etwas, nur Charlie war sauber.
„Was ist passiert?", fragte Silas sofort alarmiert, jedoch beruhigten sich alle, als sie feststellten, dass keiner ernsthaft verletzt war.
Chad erzählte uns die Kurzfassung von einem Angriff dreier Vampire auf ihn und Dale. Er meinte, sein Bruder und Luzifer würden auf seine Familie warten und Menschen von dem Tatort fernhalten, bis diese anwesend war. Während Chad das erzählte, ging Austin an mir vorbei in die Küche.
Ich wartete einen Moment, rang mit mir, doch folgte ihm schließlich.
Er stützte sich mit einer Hand an der Arbeitsplatte ab und öffnete mit der anderen den Kühlschrank voll mit Blutkonserven. Er nahm sich einen Becher, der mit Blut gefüllt und mit Austin beschriftet war, doch sackte dabei leicht zusammen.
Ich eilte zu ihm und half ihm hoch, hob ihn fest und sah ihm aus geringer Distanz in die Augen. „Was ist los?"
Er war sehr blass und kalt. „Ich... brauche Blut" Sogar seine Stimme klang kraftlos.
Ich sorgte dafür, dass er an die Küchenschränke lehnte, suchte nach einem Strohhalm, steckte ihn in den Becher und hielt ihn Austin dann hin. Er wollte ihn in die Hand nehmen, doch verfehlte ihn.
„Schon gut, ich halte ihn. Trink nur" Ich stand nah neben ihm, hielt ihm den Becher so hin, dass er einfach nur den Strohhalm in dem Mund nehmen und saugen musste, während ich mit der anderen Hand über seinen Rücken strich, ohne es wirklich zu bemerken.
Austin trank langsam, beinahe so als kostete es ihn sehr viel Kraft zu schlucken, doch je mehr Zeit verging, desto einfacher wurde es für ihn und er bekam auch wieder etwas Farbe zurück. Nachdem der Becher leer war, legte Austin den Kopf auf meine Schulter und murmelte ein leises „Danke".
Ich antwortete nicht, sondern fragte besorgt: „Brauchst du mehr?"
Er schüttelte den Kopf. „Nur Schlaf"
„Okay, komm, ich bringe dich hoch" Ich nahm seinen Arm und legte ihn über meine Schultern, während ich den anderen um seine Hüfte schlang.
„Kannst du mich tragen?", murmelte er schwach, doch ich hörte einen Ton aus seiner Stimme heraus, der mich misstrauisch werden ließ. Es klang so, als würde er dabei grinsen.
Schnell wich ich von ihm, sodass er den Halt verlor, weil er sich so an mich gehängt hatte und auf den Boden krachte.
Dann sah er empört zu mir hoch. „Hei, was soll das denn?!"
Schnaubend sah ich auf ihn herab. „Du bist so ein schlechter Schauspieler, Austin, wirklich"
Er verdrehte die Augen, stand problemlos wieder auf und klopfte sich die Hose ab, während er antwortete: „Einen Versuch war es doch wert. Du wolltest dich immerhin um mich kümmern"
„Weil ich dachte, du stirbst hier halb!", appellierte ich gereizt. Ich konnte nicht fassen, dass ich auf dieses Spielchen reingefallen war. Selbst, wenn er das nur gemacht hatte, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen, hatte er mir etwas vorgemacht und es ausgenutzt, dass...
„Du hast dir Sorgen um mich gemacht" Austin sah mich bei dem Satz lächelnd an.
Schnaubend verschränkte ich die Arme und brummte: „Träum weiter"
„Gib es doch einfach zu", meinte Austin gespielt genervt. „Du stehst auf mich" Er grinste frech bei dieser Aussage und sah mich auffordernd an, so als erwartete, dass ich das wirklich von mir geben würde.
Stattdessen klappte mein Mund auf, ich sah ihn empört an, weil ich mit dieser unverschämten Direktheit von ihm nicht gerechnet hatte. „Auf keinen Fall!"
Ehe ich mich versah, war ich zwischen ihm und der Wand eingekeilt, sein Gesicht so knapp vor meinem, dass ich seinen Atem spüren konnte, als er hauchte: „Und wie du das tust"
„Lass mich in Ruhe!", ich versuchte ihn wegzuschieben, aber er war stärker als ich. Er war ein Vampir, da konnte ich so viel trainieren wie ich wollte, ich würde seine Kraft niemals erreichen.
„Du stehst auf mich", grinste er einfach weiterhin und näherte sich mit dem Kopf meinem an. Ich drehte mein Gesicht von ihm weg und kniff die Augen zusammen: „Hör auf!"
„Erst, wenn du es zugibst" Austin hatte keinerlei Problem, mich still zu halten. Er drückte einfach meine Hände neben mir an die Wand und grinste mich dabei an. Es machte ihm Spaß, das wusste ich und ich verfluchte mich dafür, dass sich alles davon so verdammt gut anfühlte.
„Ich hasse dich!", presste ich hervor, heute schon zum zweiten Mal.
Austin lachte, weshalb mein Herz einen Purzelbaum machte. Es eskalierte ohnehin schon allein, weil er mir so nahe war, aber das gerade war wirklich ein neues Level. Sein Lachen war unglaublich schön. Das war unfair!
„Du liebst mich", widersprach Austin leise und küsste meine Wange. Er wiederholte beides, diesen Satz und die Küsse, bis er an meinem Hals angelangt war, beinahe so, als versuchte er mich dadurch zu verzaubern.
Ich bemerkte gar nicht, dass mein Widerstand gefallen war, bis ich spürte, dass er meine Hände nicht mehr festhielt, um mich ruhig zu halten, sondern sie frei waren, da er seine Hände an meine Hüften gelegt hatte, sodass sich seine Daumen frech unter mein Shirt schleichen konnten und über meine Haut streicheln.
Mir entkam ein Seufzen, das ausschließlich vom puren Genuss sprach. Meine Hände legten sich auf seine Oberarme. „Hör auf, Austin", Diesmal schrie ich es nicht, ich befahl es nicht, ich flehte es.
Er nahm seine Lippen von meinem Hals und schaute mich aus seinen grünen Augen zutraulich an. „Kannst du bitte einfach zugeben, dass du mich magst?"
Statt ihm zu antworten, ließ ich meine Hände zu seinen Wangen hochstreichen und sah ihm dann eindringlich in die Augen. Mir war unglaublich warm, aber nicht so, dass es unangenehm war, sondern so, dass ich mich einfach nur wohlfühlte.
„Ich würde dich gerne hassen", hauchte ich, schob ihn dann an der Brust zurück und flüchtete ins Bad, um mich irgendwie zu beruhigen.
Wie sollte ich ihm denn jemals wieder unter die Augen treten können nach dem, was da gerade passiert war?!
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