Teil 2- Eine schwerwiegende Entscheidung
Er schloss die Augen und stach zu.
Es ging alles viel zu schnell. Die Klinge. Ein Schrei. Blut. Viel zu viel Blut.
Hicks zog den Dolch zum dritten Mal aus dem beinahe leblosen Körper und wischte die Klinge an seiner regennassen Hose ab. "Hast du nicht gesagt, dass andere sterben würden, bevor du ins Gras beißt, Viggo?", zischte der braunhaarige Drachenreiter. "Noch lebe ich, Hicks", quetschte Viggo hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Hände waren fest über die Einstichwunden auf seinem Bauch gepresst. "Nicht mehr lange. Wie konntest du nur von mir verlangen, jemanden umzubringen, der mir mehr bedeutet als mein eigenes Leben! Schämst du dich nicht dafür, Viggo? Schämst du dich denn nicht!", schrie Hicks, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzogen. Ihm war egal, wer es gehört hatte. Seine Wut war unkontrollierbar groß. Hicks holte erneut mit dem Dolch aus und stach in eine von Viggos Händen. Der Mann schrie auf und versuchte die Wunde mit seiner anderen Hand zu bedecken.
Dem Anführer der Drachenjäger fiel es von Minute zu Minute schwerer, genügend Luft zu erhalten. "Du magst...gegen mich gewonnen haben, aber...der Kampf ist... noch nicht zu Ende." Viggo versuchte krampfhaft wieder zu Atem zu kommen. Das Sprechen hatte ihm viel Kraft gekostet. "Du irrst dich, Viggo! Es ist aus!" "Nein! Wenn ich sterben muss, dann...nicht alleine!", unbemerkt hatte Viggo nach einem Messer an seinem Gürtel gegriffen und schoss es mit letzter Kraft in Richtung des Drachenreiters. "Daneben." "Ach, wirklich?", grinste Viggo, "Mach mich stolz." Seine Augen waren kurz auf etwas hinter Hicks gerichtet, bevor sie nach hinten rollten und er keinen Atemzug mehr tat.
Vorsichtig drehte Hicks sich um. Was auch immer hinter ihm war, war ganz in Viggos Sinn gewesen. Der Drachenreiter hielt den Dolch fest in seiner Hand, bereit für alles, was kommen könnte. Doch damit hatte er nicht gerechnet.
Vor ihm stand Ryker, das Messer, das Viggo geschossen hatte, in der einen und sein Schwert in der anderen Hand. "Du hast ihn umgebracht. Und obwohl er manchmal wirklich eine Plage für mich war...Er war mein Bruder!", rief der Drachenjäger aus und schwang sein Schwert. Hicks war schnell genug ausgewichen, um nicht erwischt worden zu sein. Rykers gekonnte Bewegungen machten es dem Drachenreiter nicht einfach, die Schläge zu meiden. Der Dolch, den er hatte, war nutzlos gegen das Schwert des Grimborn Bruders.
Die See war unruhig und das Schiff schwankte, angesichts der großen Wellen, gefährlich. Es war schwer sich auf dem nassen Holz stabil fortzubewegen. Hicks war noch immer darauf konzentriert, nicht in die scharfe Klinge des Drachenjägers zu laufen und wie Viggo zu enden. Den Dolch hielt er fest in seiner linken Hand, auch wenn er ihm nichts nützte. Im Moment wünschte er sich, doch nicht alleine in einer Nacht- und Nebelaktion losgeflogen zu sein. Doch jetzt war keine Zeit über seine Fehler nachzudenken. Er musste handeln, bevor es zu spät war. Falls es das nicht sowieso bereits war.
Rykers wutverzerrtes Gesicht sprach Bände. Ein falscher Schritt und er war tot, ein zu spätes Ausweichmanöver und er war tot, ja, nur ein nicht bedachtes Wort und er würde den nächsten Tag nicht mehr erleben.
Doch selbst während er jeden noch so unberechenbaren Schlag Rykers zu erahnen versuchte, musste er an die angsterfüllten Blicke seiner beiden Freunde denken, die ihn, seit er das Schiffsdeck betreten hatte, nicht mehr losließen. Er spürte Astrids Augen auf seiner defensiv kämpfenden Gestalt und riskierte einen flüchtigen Blick in ihre Richtung, nur um sie dort nicht mehr vorzufinden. Ryker erkannte die Verwirrung in Hicks' Gesicht und nutzte diesen Moment der Unaufmerksamkeit für einen gezielten Schlag auf den Arm des Drachenreiters. "Heiliger Thor!" Beinahe hätte er es nicht mehr geschafft, der scharfen Klinge auszuweichen.
Wenige Augenblicke später stürmten Drachenjäger, von Hicks' erschrockenem Ausruf alarmiert, an Deck, um zu sehen, was geschehen war. Geschockt blieben sie stehen, als sie ihren Anführer tot in einer Lache seines eigenen Blutes vorfanden. "Was steht ihr hier so blöd herum, helft mir, diesem einbeinigen Nichtsnutz zu zeigen, was es heißt, sich mit Drachenjägern anzulegen!", brüllte Ryker, bereits außer Atem.
Sie hatten ihn umzingelt. Hicks' Hand verkrampfte sich beinahe, so fest hielt er den Dolch. Diese Waffe gab ihm auf seltsame Weise die Kraft weiterzukämpfen, selbst, wenn es ziemlich aussichtslos schien.
Die Jäger kamen immer näher. Die meisten von ihnen hatten ihre Schwerter gezückt.
Doch plötzlich griff sich einer der Drachenjäger an die Brust, fiel auf die Knie und brach leblos zusammen.
Astrid. Sie grinste Hicks triumphierend an, das Schwert des Drachenjägers in den Händen. Hicks nutzte den Moment, in dem die Jäger mit dem Tod ihres Kameraden beschäftigt waren, und befreite sich aus dem Kreis; nicht ohne selbst ein Schwert mitgehen zu lassen. "Danke", keuchte er, als er bei Astrid angelangt war. Sie warf ihm ein Lächeln zu, so kurz, dass er es beinahe übersehen hätte und wandte sich dann wieder den Jägern zu.
Das Gewitter schien nachzulassen, als die dunklen Wolken am Schiff vorüberzogen und den Regen mit sich nahmen.
"Hicks, es tut mir Leid", fing Astrid zu sprechen an, während ihre abgemagerte Gestalt Rücken an Rücken mit Hicks gegen die Jäger kämpfte. "Keine Zeit für Entschuldigungen." Hicks' Antwort war kurz und knapp. Er war noch immer etwas missgestimmt, da sie ihm zuvor vorgeworfen hatte, sie nicht zu lieben und dass Viggo Recht gehabt hätte. Es stimmte nicht. "Hicks, bitte. Was ich gesagt habe war nicht so gemeint." Der Drachenreiter gab keine Antwort, sondern konzentrierte sich auf die Manöver der Jäger.
"Ich habe das nur gesagt, weil ich gedacht habe", begann Astrid und schlug einen weiteren Jäger bewusstlos. "Weil du gedacht hast, dass du mir nichts bedeutest", vollendete Hicks kurz angebunden und schaltete selbst einen anderen der Jäger aus. "Hör mir doch mal zu! Ich habe es gesagt, weil ich geglaubt habe, du würdest es leichter finden, mir weh zu tun und Ohnezahn zu retten, wenn du dachtest, dass du mir nichts mehr bedeutest." Hicks hielt kurz Inne, um das Gesagte zu verarbeiten. Hatte sie das wirklich nur getan, um Ohnezahn und ihn zu retten? "Warum hast du mir nicht direkt gesagt, dass ich dich verletzen soll?" Hicks setzte den ermüdeten Ryker mit mehreren gekonnten Schlägen außer Gefecht und wandte sich an Astrid. Die blonde Wikingerin strich sich die regennassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und ließ ihr Schwert sinken. "Viggo hat mir beinahe jeden Tag damit gedroht,mich...mich zu vergewaltigen, wenn ich nicht zusehe, dass er Ohnezahn bekommt und du dich für mich entscheidest. Ich dachte, wenn ich dich gegen mich stimmen könnte, würde ich Ohnezahn und dich retten."
Hicks ließ bei Astrids Worten das Schwert in seiner Hand fallen. Es bestand keine Gefahr mehr. Als sie zu Ende gesprochen hatte, schloss er Astrids klägliche Gestalt, die zwar ihren Kampfgeist zurückgewonnen hatte, aber noch immer in einem schlechten Zustand war, in eine feste Umarmung. Zögerlich erwiderte sie die Umarmung und ließ dann ihren Kopf erleichtert und erschöpft auf Hicks' Schulter sinken. "Astrid?", fragte er leise, "Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin. Und bitte denke und sage nie wieder, ich würde dich nicht lieben, ja? Denn ich liebe dich und werde es auch immer tun." Hicks spürte, wie Astrid in seine Schulter nickte und zog sie noch näher an sich. Er war froh, dass es endlich vorbei war. Der Braunhaarige schloss seine Augen und genoss einfach diesen kurzen Augenblick der Ruhe.
Plötzlich fühlte er, dass sich Astrids Körper versteifte und sie flüsterte leise in sein Ohr: "Hicks, bitte beweg' dich nicht." Genau in diesem Moment verspürte er das kalte Metall einer scharfen Klinge an seinem Hals.
"Du dachtest doch nicht etwa, du hättest mich besiegt, Hicks. Du wirst dafür büßen, dass du meinen Bruder umgebracht hast." Sobald Hicks die Stimme hörte, wusste er, wer hinter ihm stand. Er wagte es nicht einmal zu schlucken, so nah war die Klinge daran, seine Haut zu durchdringen. Eine falsche Bewegung und es war aus mit ihm.
Astrid löste sich aus der Umarmung und versuchte unbemerkt eines der Schwerter vom Boden aufzuheben, doch Ryker erkannte das Vorhaben Astrids und befahl harsch: "Lass' das, oder deinem Freund hier wird's dreckig ergehen." Astrid hob vorsichtig ihre Hände, um dem Drachenjäger zu zeigen, dass sie keine Gefahr mehr darstellte.
"Noch irgendwelche letzten Worte, Bürschchen, bevor du meinen Bruder wiedersiehst?", fragte Ryker und machte sich bereit Viggo zu rächen und dessen letzten Wunsch zu erfüllen.
"Ja, eins: Ohnezahn!", rief Hicks, als Ryker den Druck auf seinen Hals etwas abgeschwächt hatte.
Doch der Drache kam nicht.
Die Sekunden verstrichen und nichts geschah. Hicks bekam es mit der Angst zu tun. Was, wenn das Drachenwurzgift noch intensiver dosiert worden war, als einige Wochen zuvor? Sein letzter kläglicher Versuch der Rettung war gescheitert.
Mit einem entschuldigenden Blick Richtung Astrid senkte er den Kopf und machte sich bereit für den Schlag, der sein Leben beenden würde. "Scheint, als würde dich dein Drache heute im Stich lassen. Sag' Lebewohl, Hicks." Ryker hob sein Schwert an. "Nein, nicht. Bitte nicht", hauchte Astrid und hielt sich die Hände vor den Mund. Sie war komplett machtlos. So sehr sie auch etwas tun wollte, ihr Körper gehorchte ihr nicht und rührte sich nicht von der Stelle. Sie konnte ihre Augen nicht von den Geschehnissen vor ihr reißen. Es war grauenvoll.
Das Schwert des Drachenjägers glänzte im Licht der wenigen Sonnenstrahlen, die es geschafft hatten, die Wolkendecke zu durchbrechen. In einem schnellen Zug senkte sich die Klinge.
Wie aus dem Nichts sprang plötzlich ein schwarzer Schatten von hinten auf Ryker und warf den Mann zu Boden. Das Schwert, das der Drachenjäger in der Hand gehalten hatte, fiel auf das Schiffsdeck und rutschte weit genug weg um außerhalb Rykers Reichweite zu sein.
Der Nachtschatten begrub den Mann brüllend unter sich, sodass dieser sich kaum traute mit der Wimper zu zucken. Das geflügelte Reptil bearbeitete den Mann unter sich mit Zähnen und Klauen, bis dieser aufgab, sich zu wehren. Mit einem letzten Brüllen, das wohl so viel bedeutete wie 'Fass meinen Reiter noch einmal an und ich werde nicht mehr so gnädig zu dir sein', ließ Ohnezahn von dem Mann ab und sah sich nach seinem Freund um.
"Ohnezahn!", rief Hicks überglücklich und schloss den Drachen in eine Umarmung, "Dir geht's wieder gut!" Der Drache schleckte Hicks freudig über die Hand und warf ihm sein allseits bekanntes, schiefes Lächeln zu. "Du konntest mich nicht einfach so sterben lassen, nicht wahr? Nein, das konntest du nicht." Wild strich der Braunhaarige Ohnezahn über seine Schuppen und der Drache nickte mit heraushängender Zunge, bevor er seinen Kopf zwischen Hicks' Beinen hindurchsteckte und den jungen Mann auf seinen Sattel beförderte.
Hicks lachte kurz und hielt Astrid die Hand hin, um ihr zu signalisieren, auch aufzusteigen. Der Schock von vorhin hatte nachgelassen und sie konnte sich wieder bewegen. Hicks lebte, sie konnte es kaum glauben. Dankbar, endlich von dem Schiff wegzukommen, setzte sie sich hinter den einbeinigen Wikinger in den Sattel und schlang ihr Arme um seinen Bauch.
"Bist du bereit, Ohnezahn?", fragte Hicks seinen Drachen, um sich zu vergewissern, dass es ihm nach der hohen Dosis Drachenwurz bereits gut genug ging. Der schwarze Drache grummelte bestätigend und erhob sich in die Lüfte.
Die Sonnenstrahlen hatten die dunklen Wolken des Gewitters in die Knie gezwungen und strahlten warm vom Himmel. Astrid legte müde ihren Kopf auf die Schulter des Drachenreiters und flüsterte ein leises "Danke, Hicks" in sein Ohr, bevor sie die Augen schloss und einschlief. Hicks musste lächeln. Er war dankbar, sie wieder bei sich zu haben.
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Hat länger gedauert, als ich beabsichtigt hab😅. Sorry^^
Ich hoffe, der zweite Teil hat euch gefallen :)
Wer hofft auch, dass die neue Staffel wirklich am 25. August kommt?😏😍😍😍🎉🎊🐉❤🐔
Enjoy the day✌
Lg Firestar777
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