Corona-Selbst



Die Welt spielt verrückt, Menschen sterben allein und ich sitze gemütlich vor dem Fernseher und schaue mir eine Dokumentation darüber an. Viel zu selten mache ich mir bewusst wie gut ich es habe. In allen Aspekten meines Lebens.

Menschen sterben. Sie sterben ohne Kontakt zu Familien oder Freunden. Sie sterben, weil es nicht genug Atemmasken und Betten auf Intensivstationen gibt. Sie sterben, weil sie durch den Arbeitsverlust kein Essen haben. Sie weigern sich mit Rettungskräften mitzugehen, weil sie lieber bei ihrer Familie sterben als auf eine geringe Überlebenschance zu setzen. Das sind keine einfachen Zahlen, mit denen man im Matheunterricht rechnet, dass sind Menschenleben, die Tag für Tag, Stunde um Stunde ihr Ende finden. Weil sie Atemnot haben, weil sie kein Essen haben.

Und ich sitze gemütlich vor dem Fernseher, schaue mir eine Dokumentation darüber an und esse Schokolinsen. Und ich bin genervt von meiner Schwester und von meinen Eltern und von Hausaufgaben.

Menschen, die momentan kein Geld bekommen, weil sie ihren Job nicht machen können, gehen in anderen Ländern auf die Straßen und verteilen Essen. Menschen, die momentan kein Geld verdienen, weil sie ihren Job nicht machen können, überlegen sich eine Möglichkeit für Obdachlose sich regelmäßig die Hände zu waschen, wenn sie kein fließendes Wasser haben. Menschen tun dies Tag für Tag, Woche um Woche, schon fast zwei Monate und haben Schuldgefühle, dass sie nicht genug tun würden.

Und ich sitze gemütlich Zuhause vor dem Fernseher, schaue mir eine Dokumentation darüber an und esse Schokolinsen. Und ich bin genervt von meiner Schwester und meinen Eltern und Hausaufgaben. Ich tue nichts, nicht für andere und nicht für mich selbst, nicht einmal Hausaufgaben, weil meine Noten gut sind und das aushalten. Und realisiere wie gut ich es habe.

Denn ich werde nicht sterben.

Denn Corona ist für mich keine Gefahr.

Denn in meiner Familie haben wir noch genug Geld für unsere Bedürfnisse (und mehr).

Denn in meinem Leben hat sich rein gar nichts verändert, außer dem läppischen Fakt, dass ich nicht zur Schule kann und mehr Hausaufgaben bekomme als gewöhnlich.

Denn ich lebe in einem Land, dass reich ist, in einer Familie, die diese Krise durchstehen wird und sich nur Sorgen um die Großeltern macht (und doch noch zu unvorsichtig ist).

Und ich egoistischer, privilegierter, asozialer Scheißmensch nehme mir das unvorhandene Recht auf meinem scheißverkackten Elfenbeinturm zu sitzen und mich zu beklagen, dass ich wieder in die Schule möchte. Mal davon abgesehen, dass es nicht einmal selbstverständlich ist zu Schule gehen zu dürfen.

Bitte hasst mich.

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