Kapitel 11 - Eisbecher
»Maja!«, ruft meine Mutter von unten, als ich mich gerade beruhigt habe. »Ist das Eis hier in der Küche von dir?!«
Ich gucke verwirrt zu Lina und Alex, welche beide die Augen aufreißen. »Oh mein Gott!«, rufen sie gleichzeitig und stehen auf.
»Wir haben das Eis unten vergessen«, erklärt Lina mir, während Alex schon die Treppen runtergelaufen ist.
Ich muss sofort lächeln und laufe den zwei Idioten hinterher. In der Küche finde ich mehrere Eissorten auf dem Tresen stehen.
»Tut uns leid, Frau Berger«, meint Lina lächelnd und fängt an mit Alex das Eis einzuräumen.
»Alles gut«, winkt meine Mutter ab und sieht dann zu mir. Kurz mustert sie mich. »Ist was passiert?«
Sehe ich etwa so schlimm aus, dass man direkt merkt, dass etwas vorgefallen ist? Innerlich verfluche ich mein Geheule, doch ich will meine Mutter nicht anlügen, also erzähle ich ihr die Wahrheit.
»Rob ist wieder da«, informiere ich sie, da sie weiß, was damals passiert ist.
Auch wenn ich die Worte ausspreche und ihn tatsächlich gesehen habe, kommt es mir trotzdem surreal vor. Ausgerechnet jetzt kommt Rob wieder zurück?
Meine Mutter kommt sofort auf mich zu. »Ich hoffe du zeigst ihm, dass du auch ohne ihn kannst.«
»Das werde ich... aber zuerst brauche ich etwas Ablenkung.« Ich schaue zu den beiden rüber, welche uns mustern und muss direkt lächeln.
»Soll ich uns allen einen Eisbecher machen?», schlägt meine Mutter vor und wir drei nicken sofort begeistert. Dafür liebe ich sie jetzt nur noch mehr.
Das Geräusch der Tür ertönt und meine Schwester steht einige Sekunden später in der Küche. Sie setzt sich seufzend auf einen Stuhl und sieht unendlich müde aus.
»Alles okay?«, fragt Alex sie, bevor ich überhaupt dazukomme.
Sie lächelt. »Klar, bin nur müde.«
Skeptisch sehe ich sie an. »Du bist immer müde und siehst trotzdem nicht so aus.«
Ihr Zopf ist so locker, dass ihre Haare beinahe schon wieder glatt unten hängen, während ihre Klamotten zerknittert und dreckig sind. Make-up hat sie auch keines benutzt, was sehr untypisch für sie ist.
»Wow, danke, dass du mir gesagt hast, dass ich scheiße aussehe«, zischt sie beleidigt.
»Wir wollten doch nur wissen, ob etwas mit dir ist«, verteidigt meine Mutter uns und sieht sie skeptisch an.
Sie lacht ironisch auf. »Mir geht es super.«
Und ich glaube ihr immer weniger. Wenn sie jetzt plötzlich umfallen würde, dann würde es mich nicht wundern. So fertig sieht sie aus. Und das passt überhaupt nicht zu ihr. Die Person, die im Moment vor mir steht verkörpert das Gegenteil von Ida, die selbst in ihren schlimmsten Momenten perfekt aussieht. Egal, ob sie gerade eine 3 bekommen hat und stundenlang geheult hat, oder ob sie so krank war, dass sie kaum aufstehen konnte.
»Ida...«
»Maja, lass es sein. Manche Dinge gehen dich einfach nichts an«, unterbricht sie mich und verlässt dann wütend die Küche.
Verblüfft sehe ich in die Runde. Ich wusste ja, dass meine Schwester nervig ist, aber das ist schon ein anderes Level. Es hat sich etwas geändert. Ich frage mich nur, was schreckliches passiert ist, sodass es sogar meine Schwester aus der Bahn wirft?
»Sie ist schon seit Freitag so distanziert«, erklärt meine Mutter. »Ich habe bereits gefragt, was los ist, aber sie möchte wohl einfach nicht reden.«
»Sie scheint ziemlich fertig zu sein«, merkt Alex an und ich sehe nachdenklich zu ihm. Seit wann interessiert er sich so für meine Schwester?
Doch bevor ich meine Gedanken weiterführen kann, wird ein Eisbecher vor meine Nase gestellt und lenkt mich somit ab.
»Lasst es euch schmecken«, grinst meine Mutter und verschwindet dann wieder aus der Küche.
Oh, und wie ich das tun werde.
***
»Hilfe! Ich kriege meine Hand nicht mehr raus«, meckere ich verzweifelt und sehe zu Lina und Alex.
Die beiden schauen mich nur verwirrt an, bevor sie plötzlich anfangen zu lachen.
»Lass' die Chips fallen«, rät Alex mir und grinst.
»Oh nein, ich werde ganz sicher nicht gegen die blöde Pringles Dose verlieren!«
»Maja», ertönt jetzt auch Linas Stimme und ich lasse die Chips fallen.
Ich ziehe Hand wieder raus, während ich seufze und die Dose traurig anschaue. »Jetzt hab' ich die Chips verloren.«
»Klappe, Dramaqueen«, ertönt es von Lina, die gespannt auf den Fernseher starrt.
Ich sehe grinsend zu ihr, während sie die vorletzte Staffel Game of Thrones verfolgt. Ach Lina, wenn du nur wüsstest, was noch auf dich zukommt.
Alex und ich sehen uns schmunzelnd an, da wir beide wahrscheinlich genau das gleiche denken. Und dann hebe ich ganz langsam das Kissen, bevor ich es mit voller Wucht auf Linas Kopf haue. Daraufhin fällt sie kreischend von Bett.
»Kissenschlacht!«, kreische ich und stürze mich dann auch auf Alex. Dieser wehrt sich allerdings, im Gegensatz zu Lina.
»Na warte«, höre ich jetzt auch Lina hinter mir, ehe sie sich vollkommen auf mich stürzt. Wir kippen beide auf Alex, der uns geschockt anguckt.
»Ich sterbe gleich!«, keucht er dramatisch, weswegen ich sofort lachen muss und dann spüre, wie Lina von mir ablässt, damit ich von Alex runtergehen kann.
»Wer ist hier die Dramaqueen?«, lache ich und sehe, wie Alex mich beleidigt anschaut.
»Das bin ich gleich, wenn ihr jetzt nicht endlich Ruhe gibt«, droht Lina uns und fokussiert sich wieder auf die Serie.
Da ich sie überhaupt nicht ernst nehmen kann, schlage ich mein Kissen erneut gegen ihr Gesicht. Doch diese Mal fällt sie nicht von Bett, sondern sieht mich böse an, bevor sie sich ein Kissen zur Hand nimmt.
»Ich mach' dich fertig!«, ruft sie, während sie sich mit dem Kissen auf mich stürzt und ich nicht anders kann, als zu lachen.
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