5. Kapitel: Seelsorger

Grace P.O.V.

Mit Sydney im Arm und einer kleinen Reisetasche in der anderen Hand stand ich vor Nialls Haustür. Ungeduldig tippte ich mit dem Fuß auf dem Boden und sah meinen Sohn an, der an meiner Schulter gelehnt schlief. Ich schmunzelte, da er, wenn er schlief, mit den braunen Locken und dem leicht geöffneten Mund aussah wie ein Engel, mein kleiner Engel. Ich seufzte kurz und strich ihm durch die weichen Haare. Zum Glück hatte er von dem ganzen Stress nichts wirklich bemerkt.

Als Niall die Tür öffnete, sah ich zu ihm. Sofort fiel mir auf, dass es ihm nicht besser zu gehen schein als mir. Seine Augen waren etwas rot und ein Lächeln hatte er auch nicht gerade auf den Lippen. Er sah mich eher etwas geschockt und verwirrt zugleich an.

„Grace? Was machst du hier?", fragt er mich.

„Kann ich einfach reinkommen?"

„Klar doch.", meinte er nur und nahm mir die Tasche ab. Ich ging an ihm vorbei in den großen Wohnbereich, wo ich mich kurz umschaute. Es hatte sich nicht viel verändert seit ich das letzte mal hier war. Wie sollte sich auch etwas verändern, wenn meine Schwester und er die meiste Zeit über in Dublin oder L.A waren. Trotzdem fehlte hier etwas die Lebensfreude, die das Apartment sonst immer ausgestrahlt hatte.

„Ich mach dir das Gästezimmer fertig. Da kannst du Sydney dann hinlegen.", sagte er und ging voraus. Ich folgte ihm einfach und legte Sydney schon auf die frischbezogene Decke. Niall stand einfach nur an die Kommode gelehnt und sah mir die ganze Zeit zu. Aus der Tasche holte ich Sydneys Flauschedecke und sein Kuscheltier heraus und legte dieses neben ihm. Dann verließ ich mit Niall das Zimmer und schloss leise die Tür. Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer, wo ich mich auf das Sofa fallen ließ.

„Willst du irgendwas zu essen oder zu trinken?", fragte er mich.

„Ja, was zu essen, wäre toll.", antwortete ich und sah auf den Tisch, wo überall Zettel zerknüllt verteilt waren.

„Ich kann dir nur den Grießbrei anbieten, den ich für Aine und Jordan gemacht habe. Es ist noch ein bisschen was übrig.", meinte er nur, woraufhin ich sagte, dass mir das schon reichen würde. Auf der Lehne des Sofas lag ein Block und ein Stift und an den Couchtisch war seine Gitarre gelehnt. Seit wann hat Niall wieder angefangen, Songs zu schreiben und Musik zu machen? Ich dachte, dass er... ach egal. Auf jeden Fall war ich mega neugierig, weshalb ich mir den Block schnappte und anfing, die ersten Zeilen zu lesen.

„Grace, er ist noch nicht fertig. Ich möchte nicht, dass ihn jetzt schon jemand liest.", verdeutlichte Niall mir und stellte mir eine dampfende Schüssel mit Grießbrei und Apfelmus vor die Nase. Da ich dadurch etwas abgelenkt war, hatte er keine große Mühe, mir den Block aus der Hand zu ziehen. Er packte das Zeug weg und setzte sich dann schließlich neben mich.

„Ich wusste ja gar nicht, dass du wieder angefangen hast, einen Song zu schreiben.", versuchte ich, nochmals das Thema anzusprechen.

„Das ist jetzt nebensächlich. Warum bist du hier und nicht zu hause?", fragte er. Eigentlich hätte es mir klar sein sollen, dass er nicht über sich sprechen wollte, so wie immer eigentlich. Wenn man ihn fragte, wie es ihm ginge, blockte er ab und sprach ein anderes Thema an.

„Nur, wenn du mir dann auch erzählst, was dich belastet.", forderte ich und sah ihn dabei interessiert an, weil ich nicht wusste, wie er reagieren würde.

„Na schön. Leg los!"

„Na ja... Harry und ich hatten wieder Streit und ich hab es dort einfach nicht ausgehalten. Und da ich nicht wusste, wo ich hin sollte, bin ich halt zu dir gekommen, in der Annahme, dass du mich sowieso nicht wegschicken würdest.", fing ich an und sah dabei auf meine Hände.

„Um was ging es diesmal?"
Seufzend lehnte ich mich zurück und erzählte ihm, was passiert war.

Ich kam gerade vom Einkaufen nach Hause und packte die Lebensmittel in den Kühl- und Vorratsschrank, als Harry in die Küche kam und sich einen Apfel schnappte.

„Kann ich dir helfen, Baby?", fragte er ich und kam zu mir um den Tresen. Er legte seinen Hände an meine Hüfte und zog mich zu sich.

„Klar. Du kannst das alles ins Tiefkühlfach packen.", antwortete ich nur und zeigte auf die Lebensmittel vor mir. Ohne zu murren, nahm Harry sich die Packungen und verstaute sie im Tiefkühler.

„Du, Harry?"

„Hmm."
Er drehte sich zu mir um und sah mich fragend an, während er sein Handy hervorholte, das eben kurz geklingelt hatte.

„Kannst du Sydney nachher vom Kindergarten abholen? Ich hab einen wichtigen Termin.", fragte ich ihn und stellte den Einkaufskorb in den Schrank.

„Ich arbeite heute mit den Jungs zusammen an neuen Songs.", meinte er nur. Manchmal hatte ich das Gefühl, er würde sich mit Absicht herausreden, als hätte er keine Lust seinen Sohn abzuholen. Und dann wurde ich vom Gegenteil überzeugt, wenn er mir immer zeigte, wie sehr er Sydney doch liebte.

„Du wirst doch bitte 15 Minuten finden, um ihn abzuholen. Mein Termin lässt sich leider nicht verschieben.", erwiderte ich und schnaufte kurz.

„Was für ein Termin eigentlich?"
Dieser Mann machte mich fertig. Konnte er nicht einfach damit leben, dass ich einen wichtigen Termin hatte, der nicht zu verschieben ging? Anscheinend nicht. Er müsste echt alles wissen.

„Ist doch egal. Ich wüsste nicht, was dich das angeht.", gab ich leicht genervt zurück, „Ich möchte nur, dass du Syd nachher holst."

„Siehst du, du machst es schon wieder. Warum stößt du mich immer zurück? Vertraust du mir etwa nicht mehr?"

Fing das schon wieder an! Wir hatten letztens erst eine riesen Diskussion, eigentlich einen Streit, darüber gehabt. Ich hatte keine Lust, jetzt nochmals einen zu haben.

„Doch, ich vertraue dir."
Sehr überzeugend klang das nicht, aber er musste mir einfach glauben. Ich schaute kurz auf die Uhr, um festzustellen, dass ich jetzt los musste. Ich nahm meine Tasche, drückte Harry noch einen kleinen Kuss auf den Mund.
„Danke. Bis später. Ich liebe dich."

Als ich gerade bei dem zweiten Termin des heutigen Tages war, klingelte mein Handy. Eigentlich hätte ich gedacht, dass mich während meines Arzttermins niemand anrufen würde, doch da hatte ich mich getäuscht.

„Ja, hallo! ... Ich verstehe. Ich komme sofort. Danke.", meinte ich nur. Ich musste schlucken, um nicht wutentbrannt loszuschreien. Ich ging zur Schwester, um meinen Termin auf einen anderen Tag verlegen zu lassen, und fuhr dann zu Sydneys Kindergarten. Schnell lief ich die Treppen des Hauses zu seiner Gruppe hoch, wo sich eine der Kindergärtnerinnen mit Sydney beschäftigte.

„Entschuldigen Sie bitte diese Unannehmlichkeit. Sydney sollte eigentlich heute von seinem Dad abgeholt werden.", entschuldigte ich mich bei ihr und begrüßte meinen kleinen Schatz.

„Das kein Problem. Sydney macht mir nicht so viele Probleme. Es wäre nur schön, wenn das in nächster Zeit nicht häufig passieren wird."

„Wird es definitiv nicht. Danke nochmal. Schönen Tag noch.", verabschiedete ich mich von ihr und fuhr mit Sydney nach Hause. Und dort wartete ich jetzt auf Harry.

Gegen neun kam der Herr auch endlich mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen durch die Tür geschneit. Er ging auf mich zu und wollte mir einen Kuss geben, doch ich drehte mich weg. Ich war noch immer sauer und wütend auf ihn. Und das sah man mir auch eigentlich an.

„Was ist los Baby?", fragte er mich und drehte meinen Kopf zu sich.

„Was los ist? Das kannst du jetzt nicht allen Ernstes fragen, oder?", keifte ich ihn an. Ich hasste es einfach, wenn er Sydney versetzt. Er kann noch nicht mal unser Kind abholen. Und das ging mir echt zu weit.

Er sah mich jedenfalls ganz verdattert an und verwirrt an, weshalb ich es ihm erklärte: „Ich hatte dich gebeten, Sydney vom Kindergarten abzuholen. Und wo warst du? Nicht da, korrekt. Ich musste meinen Termin absagen, weil ich von der Erzieherin angerufen und gefragt wurde, ob Syd heute noch abgeholt wird."

„Baby, ich..."

„Nein! Spar dir bitte deine Entschuldigungen! Ich möchte sie nicht hören. Ich hätte nie gedacht, dass du keine Verantwortung gegenüber unserem Kind zeigst. Aber anscheinend habe ich mich da geirrt.", fuhr ich fort, ohne ihn ausreden zu lassen.

„Keine Verantwortung? Sag mal, geht es dir noch gut? Ich hatte doch vorhin schon gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich es schaffe, weil ich noch arbeiten war.", rechtfertigte er sich.
Ich lachte kurz auf, weil ich es einfach lächerlich fand.

„Ja du und die Arbeit. Ständig bist du weg und arbeitest. Gibt es eigentlich nur die Arbeit? Oder hast du auch eine Familie, für die du dich interessierst? Momentan sieht es nicht danach aus."
Ich schwöre, ich war bestimmt schon über 180, falls das überhaupt möglich ist.

„Ist auch kein Wunder. Denn seitdem deine Schwester im Krankenhaus liegt, bist du so verändert, dass du mich immer nur angehst. Ich dachte, ich sei in der schweren Zeit für sich da, stattdessen bist du nur am Rummeckern. Ist es dann nicht nachvollziehbar, dass ich ab und zu keine Lust habe nach Hause zu kommen?", gab er zurück. Und auch Harry war jetzt wütend geworden, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

„Lass – meine – Schwester – da – aus – dem – Spiel. Sie hat damit überhaupt nichts zu tun. Und wenn du das so siehst, dass nicht gern hier bist, weil ich das Problem bin, dann gehe ich halt."

Ich hatte es satt, mir immer und immer wieder anhören zu müssen, wie scheiße ich doch bin. Angepisst stapfte ich durch die Wohnung in das Schlafzimmer, wo ich schnell ein paar Sachen in eine kleine Tasche warf. Dann schnappte ich mir Sydney, der bereits im Bett lag und ging einfach, ohne auf Harrys Rufe zu hören. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen.

Etwas betrübt sah ich auf meine Hände. Niall sagte eine Weile lang nichts, weil er anscheinend darüber nachdachte, was er sagen sollte.

„Findest du nicht, dass du etwas übertrieben hast?", fragte er vorsichtig. Ich sah ihn mit einem messerscharfen Blick an, als würde er das nicht ernst nehmen.

„Sieh doch mal! Harry hat gesagt, dass er das wahrscheinlich nicht schaffen wird und du hast gesagt, du hast einen Termin. Ich glaube, ihr habt beide etwas aneinander vorbeigeredet."

„Ich kann nur nicht verstehen, warum er sich nicht 15 Minuten genommen hat, um seinen Sohn abzuholen.", meinte ich und sah wieder auf meine Hände.

„Ich will es nicht rechtfertigen, was Harry gemacht hat, aber ich kann dir sagen, dass es kein Zuckerschlecken ist neue Songs zu schreiben und zwar so, dass sie so werden, wie man es will. Und wenn Harry, Liam und Louis gerade wieder Songs schreiben, sitzt man schon Stunden und Tage daran. Ich würde einfach sagen, ihr beim nächsten Mal versucht, euch nicht gegenseitig anzukeifen, sondern ordentlich miteinander zu reden. Klar, ich kann dich verstehen, dass du es nicht gerade toll findest, wenn Harry viel zu tun hat. Ich finde es nämlich auch scheiße, wenn ich nicht bei... bei meiner Familie sein kann. Aber man muss wenigstens versuchen, das zu überstehen. So ist das nun mal in diesem Business.", versuchte Niall, mir Harrys Perspektive etwas zu erklären.

„Das weiß ich ja auch. Ich bin in letzter Zeit nur so schnell reizbar. Und dann sind da noch die Arzttermine. Und.. ich weiß auch nicht. Ich bin allem gerade etwas überfordert.", erwiderte ich uns seufzte.

„Was für Arzttermine? Ist irgendwas?"

„Nun ja... ja... ich bin schwanger. Und wenn Harry und ich die ganze Zeit streiten und uns nicht vertrauen, wollte ich es ihm noch nicht erzählen.", antwortete ich und sah ihm jetzt direkt in die Augen. Er schien etwas überrumpelt, fing sich dann aber wieder.

„Dann sag ich mal: Herzlichen Glückwunsch. Chloe... Chloe würde sich bestimmt drüber freuen.", sagte er freudig. Doch der letzte Satz kam nur schwer über seine Lippen. Ich stockte kurz. Irgendwas muss wieder vorgefallen sein, dass er so niedergeschlagen ist, denn der Zustand meiner Schwester war eigentlich ganz gut. Ich wollte ihn aber nicht direkt darauf ansprechen.

„Niall? Sei bitte ehrlich! Wie geht es dir?"

„Es könnte besser sein. Und die Geschehnisse heute im Krankenhaus machen es nicht besser."

Das waren die ersten ehrlichen Worte zu seinem Wohlbefinden, die ich seit dem Vorfall mit meiner Schwester gehört hatte. Ihn nimmt diese ganze Sache viel zu sehr mit und das wissen eigentlich alle.

„Was ist passiert?", fragte ich nach.

Und dann erzählte mir Niall alles, aber wirklich alles, angefangen mit dem, was im Club passierte, bis praktisch jetzt. Und wow... ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Für einiges konnte ich einfach kein Verständnis aufbringen und doch tat er mir leid. Diese Natalie scheint ja wirklich eine ziemliche Kuh zu sein. Trotzdem hätte ich Niall gerne ins Gesicht gespuckt, dass er es auch nur wagte, eine andere Frau anzugucken, obwohl er doch meine Schwester hatte. Und in keiner Weise akzeptierte ich, dass Alkohol alles besser macht. Im Gegenteil, er macht alles nur viel komplizierter. Und ich hoffe, Niall weiß das jetzt. Aber das er nicht mehr wusste, ob er mit dieser Natalie geschlafen hat, war dann doch eine Sache, für die er mir leid tat. Und dass Natalie angeblich für den kurzen Herzstillstand von Chloe verantwortlich ist und somit ihren Zustand um einiges verschlechtert hatte, brachte mich zur Weißglut. Am liebsten würde ich sie krankenhausreif schlagen. Die blöde Tussi, soll einfach nur meine Familie in Ruhe lassen und dazu gehört auch Niall.

Ein neues Kapitel aus einer völlig neuen Sicht. Ich hoffe, dass es euch gefällt. Ich finde, es war nicht leicht, dass sich Niall und Grace einander öffnen.

Aber welche Seite ist besser nachvollziehbar.

Harry?

Grace?

Mal sehen, was aus den beiden wird. Vielleicht bin ich ganz gemein.

Schöne Woche

Chloe :)

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