76. | Hirngespinst (2/2)
Hermines POV
„Guten Morgen.", hallte es mal wieder viel zu fröhlich und gut gelaunt aus Madam Pomfreys Mund, als sie eintrat und den kleinen Wagen mit unserem Frühstück und den Heiltränken zielsicher durch das Zimmer schob.
Das genervte Schnauben, das Draco daraufhin verlauten ließ und auch absolut nicht zu unterdrücken versuchte, entging ihr dabei nicht und sorgte dafür, dass sie fragend und etwas perplex die Stirn runzelte, bevor sich ein gespieltes, fast schon übertriebenes Grinsen auf ihre Züge schlich.
„Ich freue mich auch Sie zu sehen, Mr. Malfoy.", spottete sie belustigt und füllte anschließend einen der Becher mit einer bräunlichen Flüssigkeit, dessen Farbe und Konsistenz genügte, um einen Würgereiz in mir auszulösen.
Ich betete inständig, dass Draco derjenige war, der dieses Gesöff trinken musste, denn mir graute jetzt schon davor und meiner Meinung nach brauchte ich ohnehin keine Heiltränke mehr. Es ging mir den Umständen entsprechend gut, oder besser gesagt okay... na gut, es ging mir ganz und gar nicht gut, aber... keine Medizin der Welt könnte jemals heilen, was innerhalb der letzten Woche in mir kaputtgegangen war.
Ein gebrochenes Herz konnte man ja bekanntlich nicht heilen, oder?
„Wie fühlen Sie sich heute?", katapultierte mich die Medihexe in die Gegenwart zurück, wobei sie immer wieder zwischen mir und Draco hin und herblickte, der als Erster seine Stimme wiederfand.
„Ganz okay, denke ich. Oder?" Fürsorglich lenkte er seine grauen Augen auf mich, die mich kurzzeitig vergessen ließen, was er überhaupt gesagt hatte, weshalb ich ihm mit einem zaghaften Nicken einfach zustimmte. Solange ich diesen Anblick genießen durfte, war ja irgendwie auch alles gut.
„Haben Sie einigermaßen ruhig schlafen können oder-", setzte sie erneut zum Sprechen an, verstummte allerdings schlagartig und schnappte empört nach Luft, als sie die umgefallene Infusionsstange entdeckte, die immer noch auf dem Boden lag.
Shit...
„Was-" Nun war sie diejenige, die schnaubte und höchst genervt die Augen verdrehte, mit denen sie uns unheilvoll taxierte. Ihre Laune war binnen Sekunden kilometerweit in die Tiefe gestürzt. „Ich traue mich schon gar nicht mehr zu fragen, aber was um alles in der Welt haben Sie jetzt schon wieder angestellt?"
Peinlich berührt wandte ich meinen Blick von ihr ab und lenkte ihn auf die weiße Bettdecke, die ich mir am liebsten über den Kopf ziehen wollte. Ich hoffte einfach, sie würde nicht allzu genau auf dieses Thema eingehen wollen, denn abgesehen davon, dass es sie eigentlich nichts anging, würde ich sowieso kein Wort herausbringen. Allein Draco davon zu erzählen würde mich schon eine extreme Überwindung kosten.
Dieser verkniff sich, wie ich aus dem Augenwinkel erkennen konnte, ein Lachen, das Madam Pomfrey mit großer Wahrscheinlichkeit die Wände hochgehen ließe, wenn er dieses denn von sich geben würde, doch als wäre die Situation nicht schon unangenehm genug gewesen, schaffte es dieser Idiot doch tatsächlich, mein Gesicht gänzlich in eine Tomate zu verwandeln.
„Meine Bettgesellin ist ziemlich wild.", grinste er für meinen Geschmack viel zu anrüchig, zuckte aber vergleichsweise unbeeindruckt mit den Schultern und erfreute sich merklich an der Reaktion der Medihexe, die schlagartig kreidebleich wurde vor Schock.
Ich wollte endgültig nur noch im Erdboden versinken, noch dazu, weil ich auf dieses Thema gerade generell nicht gut zu sprechen war, und stieß ihm für diese dämliche Aussage meinen Ellbogen in die Seite, was ihn aber nur bedingt einbremste.
Tatsächlich war es Madam Pomfrey, die es schaffte, seinem Gesicht dieses durchtriebene Grinsen zu entziehen, indem sie - nachdem sie sich wieder gefasst hatte - auf uns zuging und dem Blonden mit eiserner Miene den Becher mit dieser ekelhaften, braunen Flüssigkeit vor die Nase hielt.
„Runter damit!", befahl sie vergleichsweise streng, musste sich aber sichtlich anstrengen nicht zu lachen, als er angewidert das Gesicht verzog und dreinschaute wie ein kleiner Junge, dem man gerade die Süßigkeiten weggenommen hatte.
Äußerst widerwillig nahm er also - nach dem gescheiterten Versuch, sie mit einem versöhnlichen Lächeln doch noch umzustimmen - besagtes Heilmittel entgegen und kippte es in einem Zug herunter, was ihn unbändig erschaudern, Madam Pomfrey hingegen schadenfroh schmunzeln ließ. Und mich ebenso.
„Scheiße, ist das abartig!", fluchte er mit zusammengekniffenen Augen, in denen sich dem Ekel geschuldet ein nasser Schleier gebildet hatte, und wäre er zuvor nicht ganz so arrogant gewesen, hätte ich vielleicht sogar Mitleid mit ihm gehabt. So hielt es sich allerdings in Grenzen.
„Wenn Sie weiterhin so vorlaut sind, werde ich dafür sorgen, dass der morgige noch schlimmer schmeckt. An Ihrer Stelle würde ich also aufpassen, was ich von mir gebe." Mit einem spöttischen Zwinkern und einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen, machte die Medihexe kehrt, den leeren Becher stellte sie wieder auf dem kleinen Wagen ab, wo sie kurz herumkramte und alle möglichen Fläschchen begutachtete, bevor sie einen zweiten Becher mit einer rötlichen Flüssigkeit füllte, den sie mir reichte.
Ich nahm ihn ihr wortlos, lediglich mit einem dankbaren Nicken ab und schluckte es ohne Weiteres herunter, doch wider Erwarten war es vergleichsweise ertragbar, um nicht zu sagen gut, denn es schmeckte sehr fruchtig, wie eine Mischung aus verschiedenen Beeren mit einem Hauch von Minze und anderen Kräutern.
Draco wiederum hatte seit Madam Pomfreys Kommentar keinen Mucks mehr von sich gegeben und schien noch immer mit dem Nachgeschmack seiner Medizin zu kämpfen zu haben, den er mit mehreren großen Schlücken Wasser zu vertreiben versuchte. Offenbar vergeblich, denn auch das lockerte seinen angespannten Gesichtsausdruck nicht im Geringsten.
Nachdem sie uns noch unser Frühstück serviert und etwas belanglosen Smalltalk bezüglich unserer jeweiligen Verfassung geführt hatte, ließ sie uns - mit der Begründung sie hätte ein wichtiges Treffen mit McGonagall - für die nächsten Stunden wieder allein, die ich am liebsten schlafend verbracht hätte.
Die Rechnung hatte ich aber ohne Draco gemacht, der sich von diesem kleinen Zwischenfall nicht hatte ablenken lassen und auch nicht vergessen hatte, was zuvor passiert war. Leider...
„Wo waren wir?", fragte er mit einem engelsgleichen Lächeln auf den Lippen und legte seinen Arm um meine Schultern, als wäre alles in Ordnung und die Erde ein ruhiger, friedlicher Ort, doch dem war nicht so. In meiner Welt zumindest nicht.
„Also... ehrlich gesagt würde ich jetzt gern duschen gehen und-"
„Du wolltest mir erzählen, was mit dir los war.", erinnerte er mich nachdrücklich und mit einem derart ernsten Gesichtsausdruck, dass die Hoffnung, diesem Gespräch irgendwie zu entkommen, wie eine Seifenblase zerplatzte. Noch dazu, weil Draco ein kleiner Sturkopf war, der sich nicht gerne mit Ausreden zufrieden gab und so lange nachhakte, bis er hatte, was er wollte. Und abgesehen von alldem, war es in einer Beziehung generell sehr wichtig, über solche Dinge zu sprechen. Egal, wie unangenehm sie vielleicht sein mochten.
„Ich hab bloß ein bisschen überreagiert.", winkte ich dennoch ab. Natürlich ohne Erfolg.
„Ein bisschen? Du hast mich panisch von dir weggestoßen! Das ist meiner Meinung nach mehr als ein bisschen."
„J-Ja, nein, es... ist schon okay."
„Was es auch ist, du kannst es mir sagen. Du kannst mir alles sagen, das weißt du doch.", flüsterte er und legte vorsichtig seine Hand unter mein Kinn, um mein Gesicht, das ich nach unten gerichtet hatte, wieder zu sich zu drehen.
Anfangs wehrte ich mich dagegen ihm in die Augen zu sehen, tat es allerdings, als er mich so eindringlich ansah, dass ich seinen durchbohrenden Blick regelrecht spüren konnte. Und einmal mehr war es dieses vertraute, glänzende Silbergrau, das mir all meine Ängste und Sorgen nahm und mir den letzten Anstoß gab. Ich atmete tief durch.
„Als wir uns... also... als wir uns vorhin geküsst haben und du... d-du hast mein T-Shirt nach oben geschoben und..." Ich hielt inne, als ich merkte, wie er sich am ganzen Körper verkrampfte und sein Ausdruck schlagartig an Emotion verlor, als hätte ich gerade verkündet, dass sein Vater aus Askaban ausgebrochen wäre. Bei dem Gedanken stellten sich sogar mir die Nackenhaare auf.
„Ich wollte nicht... falls ich dir damit zu nahe getreten bin, dann-"
„Das ist es nicht.", fiel ich ihm ins Wort, um ihm diesen Gedanken sofort auszutreiben, und schüttelte langsam den Kopf. „Es ist nicht so, dass es mir nicht gefallen hat oder ich mich unwohl gefühlt habe, es war nur... i-ich weiß auch nicht, aber... irgendwie kamen da Erinnerungen hoch."
„Erinnerungen?", verstand er nicht. Ich nickte.
„Woran?" „An Ron..."
„Du denkst an Weasley wenn wir uns küssen?!", stieß er überrascht, fast schon empört aus, und das mit solch einem verletzten Gesichtsausdruck, dass ein schmerzhafter Stich mein Herz durchfuhr.
„Nein, nein, nein, d-du... das war ja nicht meine Absicht. Es war... ich weiß auch nicht, aber... auf einmal warst nicht mehr du über mir, sondern Ron und... vor meinen Augen hat sich eine Erinnerung abgespielt, die... er hat mich geküsst und... m-mich berührt und... es war wie ein Traum. Wie ein Albtraum. Nur, dass... er mal Wirklichkeit war." Während des Sprechens wurde ich immer leiser, sodass mein letzter Satz nur noch einem geflüsterten, gar unverständlichen Murmeln glich, das dennoch laut genug war, um Draco vollends erblassen zu lassen.
„Sag mir nicht, dass... er hat dir doch nichts getan, oder?"
„Nein, das nicht, aber..."
„Aber?", hakte er nach, als ich nicht weitersprach, doch ich brachte einfach keinen Ton heraus. Es schnürte mir unnormal stark die Kehle zu und die Stimme in meinem Inneren sagte immer wieder, dass ich ihm nicht davon erzählen sollte. Dass ich ihn damit nur belasten würde.
„Was ist passiert?" Aber er wollte einfach nicht lockerlassen. Zum wiederholten Male resignierte ich also und machte mich darauf gefasst, erneut von meinen Erinnerungen eingeholt zu werden, doch ein Blick in Dracos Augen schenkte mir genügend Kraft, um es ihm doch noch zu erklären. Es war allerdings weniger das Erzählen an sich, das mir Sorgen bereitete, sondern viel mehr seine Reaktion darauf.
„Als Ron und ich noch... zusammen waren, d-da...", begann ich stotternd. „Einmal, da... da hat er mich irgendwie... also... nicht bedrängt, aber... er wollte mich überreden mit ihm... d-du weißt schon... mit ihm z-zu schlafen und... er hat nicht lockergelassen und immer wieder auf mich eingeredet von wegen es würde mir gefallen und... dass ich mich nicht so zieren soll und... d-dann hat er... er hat mein T-Shirt nach oben geschoben und... beziehungsweise hat er es mir einfach über den Kopf gezogen und-"
„Was?!", donnerte Draco, der krampfhaft seinen Kiefer zusammenpresste und angriffslustig in die Höhe geschossen wäre, wenn ich mich nicht auf seiner Brust abgestützt und ihn zurück aufs Bett gedrückt hätte.
Ich konnte seine Wut zwar durchaus nachvollziehen, zumal ich an seiner Stelle vermutlich genauso reagiert hätte, doch ich wollte einfach nicht, dass er sich unnötig aufregte oder auf die Idee kam, Ron jemals damit zu konfrontieren. Das würde nur böse enden und das wollte ich definitiv kein zweites Mal erleben.
„Es war nur halb so schlimm, er-"
„Halb so schlimm?! Er hat dich gegen deinen Willen angefasst, das ist alles andere als halb so schlimm! Wenn ich dieses widerliche Arschloch jemals wieder zu Gesicht bekomme, lernt er meine Faust kennen, das garantiere ich dir!"
Merlin bewahre, genau das wollte ich eigentlich verhindern...
„Es ist nichts passiert, ich-"
„Ach ja? Und wie oft musstest du Nein sagen, bis er seine dreckigen Griffel von dir gelassen hat?!", blaffte er, worauf ich augenblicklich verstummte. Nicht, weil er mich unterbrochen hatte oder weil mich seine aggressive Stimme einschüchterte, sondern wegen der Frage an sich. Eine durchaus interessante Frage, auf die ich aber keine erfreuliche Antwort hatte.
„Er... es war so, dass... i-ich hab Panik bekommen und... i-ich musste ihn von mir wegstoßen, damit er aufhört."
Nach diesen Worten lockerte sich sein vor Wut verkrampftes Gesicht wie auf Knopfdruck, was höchstwahrscheinlich dem letzten Teil des Satzes geschuldet war. Ich konnte nicht sagen, was es war, aber irgendetwas an seiner Miene veränderte sich so stark, dass er kein Fünkchen Zorn, sondern viel mehr so etwas wie Schuldbewusstsein ausstrahlte, und allem Anschein nach in Gedanken versank.
„Warte mal...", begann er nachdenklich und merklich in sich gekehrt, während mein Herz anfing Überstunden zu schieben. „Das heißt also, dass du dich auch von mir bedrängt gefühlt hast, als du mich vorhin vom Bett gestoßen hast?"
„Was? Nein!", platzte es schockiert aus mir heraus, da er mit seiner Annahme so daneben lag wie Rita Kimmkorn in ihren Zeitungsartikeln. „Es lag nicht an dir, es war... ich kann es mir selbst nicht erklären, aber... diese Erinnerung an Ron hat sich auf einmal in meinen Kopf geschlichen, als du unter mein Oberteil gefahren bist und... mein Unterbewusstsein hat mir dann irgendwie eingeredet, d-dass du Ron wärst. Ich hab nicht mehr dich, sondern ihn gesehen. Nicht mehr deine, sondern seine Stimme gehört. Ich konnte diese Erinnerung nicht mehr von der Realität unterscheiden und... deswegen hab ich dich von mir weggestoßen. Nicht wegen dir, sondern... wegen Ron."
Mit jedem Wort, das meinen Mund ließ, kehrte diese Wut, die er zuvor erfolgreich losgeworden war, wieder zurück und legte sich wie eine Maske über sein blasses Gesicht, ganz besonders, wenn ich diesen einen Namen aussprach. Dieser eine, kurze Name, der ihn generell gerne mal aus der Haut fahren ließ, aber mit dieser Wahrheit schien ich eine Lawine losgetreten zu haben.
Nachdem ich geendet hatte, musste er sich sichtlich zusammenreißen, nicht einfach den nächstgelegensten Gegenstand in die Hand zu nehmen und diesen mit einem Zauber zu zerfetzen, doch stattdessen nahm er erstmal einen tiefen Atemzug, um sein feuriges Gemüt ein wenig abzukühlen und nicht doch noch gänzlich die Kontrolle zu verlieren.
Ich spürte, wie angespannt und aufgewühlt er war, und dass er gehörig unter Strom stand, aber ihn zu beruhigen schien ein unmögliches Vorhaben zu sein, weshalb ich es gar nicht erst versuchte. Noch dazu, weil ich gerade selbst mit meinen Emotionen zu kämpfen hatte und diese irgendwie in den Griff bekommen musste, bevor ich noch durchdrehen würde.
„Hast du schon mal mit jemandem darüber gesprochen?", war das Erste, das er nach kurzminütigem Schweigen von sich gab, und zwar vergleichsweise friedlich. Demnach wusste ich im ersten Moment gar nicht, was mich mehr überforderte; die Tatsache, dass er überraschend ruhig blieb, oder aber die eigentliche Frage.
Meiner Meinung nach genügte also auch ein einfaches Kopfschütteln, was er aber natürlich anders sah.
„Nicht mal mit der Weaslette?"
„Nein, sie... es war mir irgendwie unangenehm und... bis jetzt hab ich es immer gut verdrängen können.", gestand ich mit einem bedrückten Schmunzeln, um meine Verlegenheit ein wenig zu überspielen, was mir nicht ganz so gelingen wollte, wie erhofft.
„Dann sprich jetzt darüber. Mit mir."
Bitte nicht...
„Ich weiß nicht, Draco, ich-"
„Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung.", stellte er klar, und ohne, dass er sonderlich streng oder kompromisslos wirkte, wagte ich es nicht ihm zu widersprechen. Was größtenteils daran lag, dass er auch hierbei nicht lockerlassen und so lange auf mich einreden würde, bis ich ihm mein komplettes Herz ausgeschüttet hätte. Etwas, das mir vermutlich ziemlich guttun würde, ich war mir nur nicht sicher, ob ich das auch konnte.
„Hat dich dieser Penner danach in Ruhe gelassen oder hat er es nochmal versucht?", machte schließlich er den Anfang, als ich mich nach seinem letzten Satz nicht mehr zu Wort gemeldet hatte, aber das allein genügte schon, um mir das Gefühl zu geben, mich gleich übergeben zu müssen.
„Eigentlich war es so, dass... er hat es schon vor dieser Aktion ein paarmal versucht, aber... ich hab ihn immer wieder abgewimmelt und... das war sozusagen sein letzter Versuch. Wir haben danach kaum geredet, uns ignoriert und... ein paar Tage später hat er dann Schluss gemacht."
„Ich würde ja gern sagen, dass mich das erleichtert, aber... das macht die Sache nicht unbedingt leichter. Was für ein ekelhafter Vollidiot.", schnaubte er verächtlich und so entsetzt, dass er angewidert den Kopf schüttelte, den er anschließend verstärkt ins Kissen sinken ließ.
Da dem absolut nichts mehr hinzuzufügen war, gab ich ihm im Stillen recht und machte es mir ebenfalls wieder bequem, meine Gedanken allerdings kreisten noch immer um diese Erinnerungen, die ich in den letzten Tag so erfolgreich verdrängt hatte. Jetzt rissen sie die alten Wunden in meinem Inneren wieder auf, das generell nur noch ein riesengroßer Scherbenhaufen war.
„Was liegt dir sonst noch auf der Seele?", beförderte mich Draco ins Hier und Jetzt zurück, als wüsste er ganz genau, dass ich geistig immer weiter abdriftete und mal wieder viel zu viel nachdachte, weshalb ich - um mir nichts anmerken zu lassen - möglichst unbeeindruckt mit den Schultern zuckte.
„Nichts, wieso?" Was er natürlich sofort durchschaute.
„Oh bitte, ich bin der Letzte, dem du was vormachen kannst. Ich merk doch, wenn du dir den Kopf über etwas zerbrichst. Also, raus mit der Sprache."
„Es ist nichts."
Er hat recht, Hermine. Du kannst ihm nichts vormachen.
Ohne Erfolg, versuchte ich seinem eindringlichen Blick auszuweichen, um irgendwie zu verhindern, dass er mich damit erneut einlullen und schwachwerden lassen würde, aber zu meinem Bedauern wusste er genau, was und wie er es tun musste.
Er hatte nämlich recht. Es gab noch eine Sache, die mich stark beschäftigte und auf mir lastete wie ein tonnenschwerer Stein, der mich zerquetschte.
„Komm schon, Süße. Was bedrückt dich?" Mit seinem Händen umfasste er ganz sachte mein leicht gerötetes Gesicht, wobei er mir vereinzelte Haarsträhnen aus der Stirn strich und mir letztlich einen kleinen Kuss darauf hauchte. Spätestens da war es um mich geschehen.
„Diese Erinnerung an Ron war nicht die einzige, die sich in mein Gedächtnis geschlichen hat."
„Wie meinst du das?", fragte er, offenbar unsicher, was er davon halten sollte.
„Es gab noch eine zweite." Ich biss mir auf die Unterlippe, als diese zu beben begann und ich mal wieder miserabel darin war, meine Emotionen zu zügeln. Zum wiederholten Male fragte ich mich, wann aus mir eigentlich dieses kaputte, sensible Wrack geworden war.
„Und wovon hat diese Erinnerung gehandelt?"
„Von dem Tag, an dem du... als wir im 'Drei Besen' waren und Ron... beziehungsweise Harry d-dich..."
„Hast du mich sterben sehen?", versuchte er mir auf die Sprünge zu helfen und platzierte einen zweiten Kuss auf meiner Stirn, womit er mir die nötige Kraft zum Weitersprechen schenkte. Bedrückt schüttelte ich den Kopf.
„Das nicht, aber... es war eine Erinnerung an diese Auseinandersetzung zwischen dir und... besser gesagt zwischen mir und Ron, als er... er hat da was gesagt, d-das mich... ziemlich beschäftigt u-und... und..."
Eine einzelne Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, kullerte langsam meine Wange hinab, bevor ich mich endgültig nicht mehr beherrschen konnte und ein ganzer Schwall folgte, der wie eine Sturzflut aus mir herausbrach.
„B-Bitte verlass mich nicht."
Meine Sicht verschwamm so stark, dass ich Dracos Silhouette lediglich erahnen konnte und nur noch diesen Vorhang aus Tränen wahrnahm, der wie ein Wasserfall über mein Gesicht rauschte. Krampfhaft versuchte ich nach Luft zu schnappen, da ich das Gefühl hatte jeden Moment zu ertrinken, doch dieser Versuch endete in einem halberstickten Schluchzen, das mir die Brust und mein Herz auseinanderzureißen drohte.
Die beiden Hände, die immer noch mein Gesicht umfassten, und die beiden Daumen, die stetig über meine Wangen streichelten, um diese von diesen Wassermassen zu befreien, verstärkten jeweils ihren Druck und brachten die Stellen, an denen sie meine Haut berührten, zum Kribbeln.
„Warum sollte ich dich denn verlassen?", kam es merklich überfordert von Draco, der scheinbar die Welt nicht mehr verstand und generell nicht so ganz nachzuvollziehen schien, was gerade vor sich ging. Was irgendwie verständlich war, weil ich mal wieder völlig zusammenhanglos in Tränen ausgebrochen war.
„I-Ich-"
„Schhh...", wisperte er, als mir aufgrund eines weiteren Schluchzens die Worte im Hals steckenblieben. „Falls es dich beruhigt... ich werde dich nicht verlassen. Ganz egal, was passiert ist oder noch passieren wird."
Und obwohl mich dieser Satz beruhigen und bestärken sollte, blieb eine gewisse Sorge zurück. Ich hatte ja auch immer geglaubt, dass Ron und ich unzertrennlich wären, aber...
„Erinnerst du dich denn noch an diese Diskussion im 'Drei Besen'?", stammelte ich heiser und mit einer leichten Gänsehaut am gesamten Körper, der dieser Erinnerung geschuldet zu zittern begann, als würde ich während eines heftigen Eissturms vor einem offenen Fenster sitzen.
„Grob.", lautete seine kurze Antwort, weshalb ich etwas genauer nachhakte.
„Erinnerst du dich noch daran, d-dass.... also... als Ron ausgetickt ist und sowas behauptet hat wie... dass du mich auch verlassen würdest, w-wenn... wenn ich bei dir auch so prüde und... und langweilig und-"
„Warte mal, w-was... stopp mal!", fiel er mir aufgebracht ins Wort, brauchte anschließend aber ein paar Sekunden, um sich zu sammeln und einen tiefen Atemzug zu nehmen. Dann sah er mir in die Augen und fesselte mich mit seinem intensiven Blick, als würden dicke Drahtseile aus seinen Pupillen herausschießen und mich festbinden.
„Sag mir nicht, dass du diesen Schwachsinn, den er da von sich gegeben hat, glaubst!"
Ich schwieg.
Keine Antwort war ja bekanntlich auch eine Antwort.
„Du glaubst nicht wirklich, dass ich dich verlasse, nur, weil du noch nicht mit mir schlafen willst, oder?"
Oh verdammt.
Ohne, dass ich es kontrollieren konnte, schoss eine immense Hitzewelle in meinen Kopf und verwandelte mein ganzes Gesicht in eine überreife Tomate. So fühlte es sich zumindest an, als er mich vergleichsweise streng mit dieser doch recht unangenehmen Frage konfrontierte, noch dazu mit dieser Direktheit, was dazu führte, dass es mir endgültig die Sprache verschlug.
Doch ich musste mich auch gar nicht zu Wort melden oder ihm darauf antworten, denn dieses Bild, wie ich mich binnen weniger Sekunden in diese feuerrote Weihnachtskugel verwandelt hatte, sprach Bände.
„D-Das...", stotterte er verblüfft, fast schon gekränkt und passte sich zunehmend den weißen Wänden im Raum an, während er sichtlich damit zu kämpfen hatte, nicht gänzlich die Fassung zu verlieren.
Für ihn klang es vermutlich wie ein Vorwurf oder als würde ich ihm unterstellen genau wie Ron zu sein, doch das war definitiv nicht der Fall. Ich wusste ja selbst nicht, woher diese Zweifel und Unsicherheiten kamen, es fiel mir einfach sehr schwer, Menschen auf diese Weise zu vertrauen. Was Ron mit diesem hartnäckigen Drängen und seinem darauffolgenden Verhalten mit Sicherheit zusätzlich verschlimmert hatte.
Und wie gesagt lag es ja nicht an Draco, sondern an diesem dämlichen Hirngespinst, das mir mein Unterbewusstsein in den Kopf gepflanzt hatte.
„Komm mal her.", forderte er in ruhigem Ton, nachdem er sich offenbar wieder ein wenig gefasst hatte, und breitete vorsichtig seine Arme aus, darauf wartend, dass ich seiner Bitte nachkommen würde. Unsicher, was ich davon halten sollte, starrte ich ihn etwas unbeholfen an und wartete im Gegenzug darauf, dass er mir erklären würde, was er damit bezwecken wollte, doch vergeblich.
„Komm her und kuschel dich bei mir ein, damit du's bequem hast.", wiederholte er, dieses Mal etwas konkreter und genauer, und obwohl ich noch immer nicht wusste, was er vorhatte, mit dieser Aufforderung aber nicht unbedingt ein Problem hatte, tat ich wie mir befohlen.
„Gut so?", wollte er wissen, als ich meine Arme um seinen Oberkörper geschlungen, meinen Kopf auf seiner Brust abgelegt und mein Gesicht an seiner Halsbeuge vergraben hatte, und zog mich seinerseits in eine feste Umarmung. Ich nickte nur und schloss ganz automatisch die Augen, um seine Nähe und die damit verbundene Geborgenheit zu genießen, stellte mir dabei einfach vor, dass dieser Moment niemals enden würde.
„Das hier ist alles, was ich will, okay?" Seine Hand streichelte sanft über meinen Rücken und ließ mich leicht erschaudern, während er seine Lippen ganz nah an mein Ohr legte und flüsternd zu sprechen begann.
„Ich will, dass du bei mir bist, dich wohlfühlst und mir vertrauen kannst. Dass du dir keine Gedanken darüber machen musst, was du sagst oder tust, und dass du du selbst bist, wenn du mit mir zusammen bist. Nenn mich altmodisch, kitschig oder einen ekelhaften Schleimer, aber das Einzige, was ich momentan will, ist bei dir zu sein. Egal wie. Aber nicht, weil ich dich ins Bett kriegen oder meine Bedürfnisse stillen will, sondern weil du das Mädchen bist, das ich liebe."
„D-Draco, ich-"
„Pscht! Ich rede jetzt.", würgte er mir schmunzelnd das Wort ab und zog sich minimal zurück, um in meine inzwischen geöffneten, schimmernden Augen zu blicken. Der Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, wurde immer größer und größer.
„Glaubst du allen Ernstes, dass ich sieben Jahre lang um dich gekämpft hab, nur um dich ins Bett zu kriegen? Wenn dem so wäre, hätte ich es bei unserem ersten Date versucht, oder bei unserem zweiten, oder an allen anderen Tagen, die wir zusammen verbracht haben, aber weißt du was? Mir ist das nicht wichtig. Außerdem haben wir alle Zeit der Welt und... ich will, dass du dir sicher bist. Dass du mir so stark vertrauen kannst, dass du dich einfach mal für ein paar Minuten fallenlassen kannst. Ich meine... wenn du dich nicht wohlfühlst und nicht loslassen kannst, kommst du nicht auf deine Kosten. Und wenn du nicht auf deine Kosten kommst, versage ich, und ein Malfoy versagt nur äußerst ungern, wie du inzwischen vielleicht weißt."
Seinen Worten folgte ein amüsiertes Lachen, das nicht nur die Stimmung sondern auch mein verkrampftes Inneres deutlich lockerte, und ein Kribbeln in mir auslöste, das sich anfühlte, als würden tausende, kleine Schmetterlinge in meinem Bauch herumschwirren.
„Wie gesagt... ich hab nicht sieben ewig lange Jahre gewartet und gekämpft, um dich dann innerhalb weniger Tage ins Bett zu kriegen. Klar, Sex ist schön und sollte in einer gesunden Beziehung definitiv nicht fehlen, aber... solange du dir nicht sicher bist und mir nicht blind vertrauen kannst, hab ich auch keinen Spaß daran. Ich will, dass es etwas Besonderes für dich ist. Wie eine kleine Reise in eine andere Welt oder... als würdest du abheben und auf Wolken schweben. Das geht aber nur, wenn du dich voll und ganz darauf einlassen kannst."
Mein Herz hämmerte so stark, dass ich meinte, es würde mir gleich schwungvoll aus der Brust springen und mehrere Meter weiterhüpfen. Ich hatte keine Ahnung, wie er das jedes Mal machte, aber er wusste in solchen Momenten und Situationen immer, was er sagen und tun musste, um mich aufzuheitern oder mich davon zu überzeugen, dass er es wirklich ernst meinte.
Alle Bedenken und alle Sorgen waren plötzlich weg, waren wie Seifenblasen in der Luft zerplatzt, denn ich glaubte ihm jedes einzelne seiner Worte, die mich dahinschmelzen ließen wie flüssige Schokolade.
„Du bist also nicht enttäuscht, wenn wir... noch ein bisschen warten?"
„Natürlich nicht, was ist das überhaupt für eine dämliche Frage? Ich kann warten. Ganz egal, wie lange es dauert. Und wenn wir damit bis zu unserer Hochzeitsnacht warten, ist das auch okay für mich.", versicherte er mir überwiegend schmunzelnd, aber derartig überzeugend, dass ich keine weitere Sekunde mehr an ihm oder seinen Aussagen zu zweifeln wagte, und allem voran seinem letzten Satz geschuldet ebenfalls auflachte.
Es war, als würde eine riesengroße und tonnenschwere Last von mir abfallen, die nun niedergebrannt wurde und zu Asche zerfiel, um ein für allemal aus meinem Inneren zu verschwinden. Ein unfassbar befreiendes Gefühl.
Unser Lachen verebbte allmählich wieder und verwandelte sich in ein glückliches, zutiefst gerührtes Lächeln, mit dem ich meinem Freund wie frisch verliebt in die funkelnden Augen sah.
„Du bist viel zu gut für diese Welt." Und das meinte ich auch so.
„Ach, ich tu nur so. Eigentlich spiele ich dir nur was vor und missbrauche dich für meine bösen Pläne.", spottete er, bevor er endlich diese letzte Distanz zwischen uns schloss und mich liebevoll küsste.
Das fiese Grinsen, das ich dabei auf seinen Lippen spürte, ignorierte ich.
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